Anspruch auf Arbeitslosengeld II; Übernahme der Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung
Gründe:
I. Zwischen den Beteiligten ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach dem SGB II in Form der Übernahme der Beiträge zur privaten Krankenversicherung, privaten Pflegeversicherung
und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe streitig.
Der 1974 geborene Antragsteller zu 1) (im Folgenden: Antragsteller) und Beschwerdeführer ist als Transportunternehmer selbstständig
tätig. Hieraus wird ihm ein monatliches Einkommen aus Selbständigkeit in Höhe von 517,05 EUR angerechnet. Er ist bei der B.
Krankenversicherung a.G. privat kranken- und pflegeversichert. Dabei hat er monatliche Beiträge in Höhe von 363,14 EUR (Krankenversicherung)
und 19,52 EUR (Pflegeversicherung) zu leisten. Es handelt sich um keinen Basistarif im Sinne von § 12 Abs. 1 c VAG. Er lebt
mit Frau A. N. (Antragstellerin zu 2 im Beschwerdeverfahren) in Bedarfsgemeinschaft, die eine monatliche Rente wegen voller
Erwerbsminderung bezieht (Zahlbetrag 752,09 EUR) und Sozialgeld.
Die Antragsteller erhalten seit dem 14.01.2009 vorläufige Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch
(SGB) II. Bis 30.07.2009 (Bescheid vom 15.05.2009) waren darin vorläufige Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung
in Höhe von 129,54 EUR und 19,52 EUR als Zuschuss nach § 26 SGB II enthalten. Der monatliche Gesamtbetrag der Bedarfsgemeinschaft
belief sich auf 675,86 EUR. Im Folgebescheid vom 11.08.2009 bewilligte die Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin für die
Zeit vom 01.08.2009 bis 31.01.2010 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende vorläufig in Höhe von 214,03 EUR ohne
Zuschuss zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung. Zur Begründung wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass der Antragsteller
keinen Wechsel in den Basistarif vorgenommen habe. Hiergegen erhob der Antragsteller Widerspruch.
Am 11.09.2009 hat der Antragsteller im Rahmen eines Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht München (SG) die Verpflichtung der Antragsgegnerin verlangt, ihm einen Zuschuss zu seiner privaten Krankenversicherung in Höhe von 281,96
EUR und zur Pflegeversicherung in Höhe von 19,52 EUR zu gewähren. Zur Begründung hat der Antragsteller unter anderem ausgeführt,
der derzeitige Tarif sei günstiger als der Basistarif. Mit Beschluss vom 02.10.2009 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Das SG hat insbesondere einen Anordnungsgrund verneint, da der Antragsteller die Möglichkeit habe jederzeit in den Basistarif nach
§ 12 Abs. 1c Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen (VAG) zu wechseln. Er könne dann als Aufstocker
den überschießenden Beitrag als weiteren Absetzungsposten bei seinem Einkommen nach § 11 Abs. 2 Nr. 3a SGB II geltend machen. Ergänzend wird auf die weiteren Ausführungen im Beschluss des SG vom 02.10.2009 verwiesen.
Hiergegen hat der Antragsteller am 05.11.2009 beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) Beschwerde erhobenen. Nach Auffassung
des Bevollmächtigten ergebe sich aus § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II keine Verpflichtung des Antragstellers in den Basistarif zu
wechseln. Auch aus § 12 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) ergebe sich keine entsprechende Verpflichtung. Der Antragsteller
habe darüber hinaus auch ein geschütztes Interesse an der Aufrechterhaltung seines derzeitigen Krankenversicherungsschutzes,
der für ihn auch günstiger sei als der halbierte Basistarif. Als Selbstständiger hoffe er nach einer wirtschaftlichen Erholung
diese günstigere private Versicherung wieder selbst entrichten zu können. Daneben bestehe unter Berufung auf die Entscheidung
des LSG Baden-Württemberg vom 16.09.2009 (L 3 AS 3934/09 ER-B) eine planwidrige Regelungslücke im Rahmen der Gesetzesfassung des § 12 Abs. 1 c VAG.
Auf telefonische Nachfrage teilte der Bevollmächtigte des Antragstellers mit, dass auch die Lebensgefährtin Antragstellerin
sei.
Die Antragsteller beantragen,
I. unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts München vom 02.10.2009 wird die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller
vorläufig einen Zuschuss zu seiner privaten Kranken- und Pflegeversicherung bei der B. Versicherungen gemäß § 26 Abs. 2 SGB
II in Höhe des derzeitigen Tarifs in Höhe von 281,96 EUR für die private Krankenversicherung und von 19,52 EUR für die private
Pflegeversicherung zu bewilligen,
II. dem Antragsteller wird für beide Rechtszüge Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwaltes S., A-Stadt, ohne Ratenzahlung
bewilligt.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Nach Auffassung der Antragsgegnerin bestehe ein Anspruch auf Zuschuss zur Kranken- bzw. Pflegeversicherung nach § 26 Abs.
2 bzw. 3 SGB II in Verbindung mit § 12 Abs. 1 c VAG nur dann, wenn der Hilfebedürftige tatsächlich in den Basistarif der privaten
Kranken- bzw. Pflegeversicherung wechsle. Ein bloßes versichert sein reiche nicht aus. Die Beschwerdeführerin würde im Fall
des Wechsels einen Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung gemäß § 26 Abs. 2 bzw. Ziff. 3 SGB II in Höhe der gesetzlichen
Krankenversicherung in Höhe von 124,32 EUR in der gesetzlichen Pflegeversicherung in Höhe von 17,79 EUR gewähren. Der entstehende
Differenzbetrag zwischen den tatsächlichen Kosten des halben Basistarifs (284, 82 EUR für die Krankenversicherung und 17,79
EUR für die Pflegeversicherung) und dem übernahmefähigen Betrag (124,32 EUR für die Krankenversicherung und 8,90 EUR für die
Pflegeversicherung) könnte allerdings dann vom Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 a SGB II abgesetzt werden. Eilbedürftigkeit
sei nicht gegeben, da die Krankenkasse gemäß § 193 Abs. 6 S. 5 VAG auch weiterhin Versicherungsschutz zu gewähren habe.
Der Senat hat die einschlägige Akte des Sozialgerichts München sowie die Verfahrensakte der Antragsgegnerin beigezogen.
II. Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Der Senat geht von einer Bevollmächtigung des Antragstellers zu 1. durch die Antragstellerin zu 2. nach §
73 Abs.
2 S. 2
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) beziehungsweise §
38 Sozialgesetzbuch (SGB) II aus.
Nach §
86 b Abs.
2 S. 2
SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Abs. 1 nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung
eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung
wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Die einstweilige Anordnung soll den Zeitraum bis zu einer abschließenden
Hauptsacheentscheidung durch eine Zwischenregelung überbrücken und auf diese Weise den Rechtsstreit in der Hauptsache entscheidungsfähig
erhalten.
Eine Regelungsanordnung kann grundsätzlich nur erlassen werden, wenn das Gericht die für die Bejahung des Hauptsacheanspruchs
(Anordnungsanspruch) wie auch für die Notwendigkeit einer einstweiligen Anordnung zur Abwendung eines wesentlichen Nachteils
(Anordnungsgrund) erforderlichen Tatsachen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (Glaubhaftmachung im Sinne des Beweismaßstabes)
bejaht.
Nach Auffassung des Senats ergibt sich bei vorläufiger Prüfung des gesamten Anspruchs der Bedarfsgemeinschaft auf Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts auch nach § 26 Abs. 2 bzw. Abs. 3 SGB II i.V.m. § 12 Abs. 1 c VAG ein vorläufiger Anspruch
gegen die Antragsgegnerin auf Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung berechnet nach dem Basistarif nach § 12 Abs. 1
c VAG.
Der Antragsteller ist als selbstständiger Unternehmer bei der B. Versicherungen privat krankenversichert (Versicherungsnummer
0010/06570788 P 00). Durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz wurden private Krankenversicherungen neben dem Zwang zur Aufnahme
früher privat Versicherter verpflichtet einen Basistarif im Umfang des Leistungsangebots der gesetzlichen Krankenversicherung
für die Personen anzubieten, die privat krankenversichert sind. Trotz des Bezuges von Leistungen nach dem SGB II nicht versicherungspflichtig
in der gesetzlichen Krankenversicherung sind Personen, die unmittelbar vor dem Bezug dieser Leistungen privat krankenversichert
waren (vgl. §
5 Abs.
5a, Abs.
2 und
2a SGB V).
Diese Voraussetzungen liegen beim Antragsteller vor. Nach § 193 Abs. 3 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) in der Fassung vom 23.11.2007 (entspricht § 178 a Abs. 5 bis 9 VVG in der Fassung des GKV-WSG) ist jede Person mit Wohnsitz im Inland verpflichtet, bei einem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmen
eine Krankheitskostenversicherung abzuschließen und aufrechtzuerhalten. Versicherungsunternehmen mit Sitz im Inland sind nach
§ 12 Abs. 1 a VAG zum Angebot eines Basistarifs verpflichtet, dessen Vertragsleistungen in Art, Umfang und Höhe der Leistungen
der gesetzlichen Krankenversicherung nach
SGB V entsprechen. Nach § 12 Abs. 1 b VAG und § 193 Abs. 5 VVG unterliegen die Versicherungen insoweit einem weitgehenden Kontrahierungszwang.
Wie sich aus dem bei den Akten befindlichen Schreiben der B. Versicherungen vom 02.06.2009 ergibt, wird ein solcher Basistarif
von der B. Versicherung auch für die Krankenversicherung und Pflegeversicherung angeboten. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin
ergibt sich jedoch weder aus § 26 SGB II noch aus dem VVG bzw. VAG eine Verpflichtung des Antragstellers seinen bestehenden privaten Krankenversicherungsvertrag in eine private Basisversicherung
umzuwandeln. Wegen des verfassungsrechtlich verbürgten Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes könnte, da es sich insoweit
für den Antragsteller um eine belastende Maßnahme handelt, dieser nur aufgrund einer gesetzlichen Grundlage hierzu verpflichtet
werden. Weder das VVG noch das VAG enthalten eine solche Rechtsgrundlage. Auch aus dem allgemein anerkannten Selbsthilfegrundsatz nach § 2 SGB
II lässt sich eine solche Verpflichtung nicht ableiten. Insoweit ist insbesondere zu berücksichtigen, dass für den Antragsteller
der Wechsel in den Basistarif bei einem reduzierten Versicherungsschutz mit höheren monatlichen Beiträgen verbunden ist. Der
Antragsteller hat derzeit bei der B. Versicherung für die ambulante Heilbehandlung bei einer Selbstbeteiligung in Höhe von
360 EUR im Jahr 281,96 EUR sowie einen gesetzlichen Zuschlag für Beitragsentlastung in Höhe von 28,20 EUR sowie für die Pflegepflichtversicherung
19,52 EUR zu entrichten. Der Beitrag im Jahr 2009 für die Basisversicherung beträgt 569,62 EUR. Da der Antragsteller als selbstständiger
Unternehmer erst nach Abschluss des Geschäftsjahres - also rückwirkend - feststellen kann, inwieweit Leistungsansprüche nach
dem SGB II bestehen, jedoch eine rückwirkende Umwandlung einer Basisversicherung in den derzeit bestehenden privaten Krankenversicherungsvertrag
bzw. Tarif nicht möglich ist, könnte insoweit auch nicht von einer "Selbsthilfe" gesprochen werden. Hierfür spricht auch das
gesamte Regelungskonzept des SGB II. So hat die Antragsgegnerin auch denjenigen, die in einer unangemessenen Wohnung im Sinne
von § 22 Abs. 1 SGB II nicht die gesamten Kosten der Unterkunft verweigern, sondern die angemessenen Kosten zu erbringen.
Nachdem eine solche Wechselverpflichtung in den Basistarif nicht besteht und bei vorläufiger Prüfung, wie sich auch aus dem
Bescheid der Antragsgegnerin vom 11.08.2009 ergibt, ein ungedeckter Bedarf der Bedarfsgemeinschaft des Antragstellers besteht,
hat die Antragsgegnerin für den Zeitraum ab Antragstellung beim Sozialgericht (September 2009) bis einschließlich Januar 2010
Leistungen nach den gesetzlichen Vorschriften zu erbringen. Ausgehend von der derzeitigen Bedarfssituation ist von § 12 Abs.
1 c S. 6 auszugehen. Dies wird nachträglich jedoch zu überprüfen sein. Dabei hat die Antragsgegnerin den Antragsteller so
zu stellen, als wäre er in einer privaten Kranken- bzw. Pflegebasisversicherung mit dem halben Basisversicherungsbeitrag nach
§ 12 Abs. 1c S. 4 und 6 VAG (284,82 EUR) versichert. Sie wird insoweit, wie sie im Schriftsatz vom 14.12.2009 auch ausführt,
einen Zuschuss zur Kranken- bzw. Pflegeversicherung gemäß § 26 Abs. 2 bzw. Abs. 3 SGB II in Höhe der gesetzlichen Krankenversicherung
nach §
232 a Abs.
1 Nr.
2 SGB V, der gesetzlichen Pflegeversicherung nach §
57 Abs.
1 Satz 2
SGB XI zu erbringen haben. Der entstehende Differenzbetrag zwischen den tatsächlichen Kosten und dem übernahmefähigen Betrag des
jeweiligen halben Basistarifs (tatsächlich vom Antragsteller zu erbringender Aufwand) wird gemäß § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 a
SGB II im Rahmen der Einkommensberechnung weiter zu berücksichtigen sein, da ein höheres (vorläufiges) Einkommen des Antragstellers
als 400 EUR vorliegt.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers besteht jedoch kein Anspruch auf Übernahme der vollständigen privaten Versicherungsbeiträge
in die Bedarfsberechnung. In der Entscheidung über vorläufigen einstweiligen Rechtsschutzes wird dabei auch eine Absetzung
nach § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 a SGB II angenommen. Die genaue Summe bleibt einer Klärung im Erkenntnisverfahren vorbehalten.
Insoweit sieht der Senat auch keine existenzielle Bedrohung des Antragstellers. Zumal ab August 2009 bei beiden Antragstellern
mit 517,05 EUR beziehungsweise 752,01 EUR höheres Einkommen gegeben ist, als in dem vergangenen Beurteilungszeitraum. Wie
das SG zutreffend ausführt, scheidet auch eine Berufung auf die Entscheidung des LSG Baden-Württemberg vom 16.09.2009 (s.o.) aus.
Es kann dabei dahingestellt bleiben, inwieweit sich der Senat in vergleichbaren Fällen dieser Rechtsprechung anschließen wird.
Da der Antragsteller im vorliegenden Fall über ein über 400 EUR liegendes monatliches Einkommen verfügt, sind die Fallgruppen
nicht vergleichbar.
Nach Auffassung des Senats besteht auch ein Anordnungsgrund, da der Antragsteller aus dem bestehenden Kranken-Pflegeversicherungsvertrag
grundsätzlich verpflichtet ist, zur Erhaltung dieses Tarifs entsprechende monatliche Beiträge zu entrichten. Käme der Antragsteller
mit den monatlichen Versicherungsbeiträgen seiner bestehenden Kranken- und Pflegeversicherung in Rückstand, so würde nach
§ 6 Abs. 1 S. 1 u. 2 VVG ein Ruhen der Leistungen erfolgen. Der Abschluss einer (großen) Anwartschaftsversicherung zur Erhaltung einer Rückkehrmöglichkeit
ist nicht zumutbar, da hierdurch weitere Beträge für den Antragsteller entstehen.
Hinsichtlich der konkreten Berechnung wird im Übrigen auf den Bescheid der Antragsgegnerin vom 15.05.2009 verwiesen.
III. Nach §
73a Abs.
1 SGG (i.V.m. §
114 ZPO) war Prozesskostenhilfe zu bewilligen, da hinreichende Aussicht auf Erfolg bestand. Die persönlichen Voraussetzungen zur
Bewilligung von Prozesskostenhilfe lagen vor.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).