Tatbestand
Streitig ist, welcher Bemessungszeitraum bei der Berechnung des Elterngeldes für den 2009 geborenen J. zugrunde zu legen ist.
Die Klägerin ist Mutter der 2008 geborenen M. und des 2009 geborenen J ... Vor der Geburt M. war die Klägerin nichtselbstständig
beschäftigt. Anschließend bezog sie bis 23.01.2008 Elterngeld für M ... Mit ihrem Antrag auf Gewährung von Elterngeld für
J. vom 25.10.2009 legte sie ein ärztliches Attest vom 17.06.2009 vor, dass eine Hochrisiko-Schwangerschaft bestehe und wegen
starker Blutungen im Februar 2009 ein längerer stationärer Krankenhausaufenthalt erforderlich gewesen sei. Die Klägerin sei
nicht arbeitsfähig und für den Rest der Schwangerschaft krank geschrieben. Zugleich übersandte sie einen Vertrag über die
Betreuung M. ab Februar 2009 und wies in einem Schreiben vom 03.10.2009 darauf hin, dass ihr im Zeitraum von Februar 2009
bis zur Geburt des zweiten Kindes ein Einkommensverlust entstanden sei, da sie aufgrund der komplikationsreichen Schwangerschaft
nicht wieder wie geplant in ihren Beruf einsteigen konnte. Mit Bescheid vom 17.11.2009 bewilligte der Beklagte Elterngeld
für die Lebensmonate 1 bis 9 in Höhe von 953,13 EUR. Der Bemessungszeitraum verschiebe sich wegen des Elterngeldbezugs vom
21.03.2008 bis 23.01.2009 und des Mutterschaftsgeldbezugs für das vor J. geborene Kind vom 13.12.2007 bis 20.03.2008. Diese
Monate würden nicht berücksichtigt. Laut Anlage zum Bescheid berücksichtigte der Beklagte die Kalendermonate Juni 2007 bis
November 2007 mit einem Einkommen von jeweils 4.373,38 EUR aus nichtselbstständiger Arbeit und legte in den Monaten Februar
2009 bis Juli 2009 kein Einkommen zu Grunde.
Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Widerspruch ein und wies auf ihren schwangerschaftsbedingten Einkommensverlust
von Februar 2009 bis zur Geburt am 17.08.2009 hin. Sie übersandte ein Angebot vom 12.01.2009 über Unterstützungsleistungen
im Controlling im Zeitraum vom Februar 2009 bis Juli 2009, das sie an die U. S. in C-Stadt geschickt hatte, sowie ein Schreiben
der Firma U. vom 20.01.2009, mit dem sie gemäß dem Angebot vom 12.01.2009 für die Unterstützung im Bereich Controlling/Rechnungswesen
gemäß des skizzierten Vorgehens beauftragt wurde. Als Termin für die erste Sitzung in C-Stadt wurde der 16.02.2009 festgelegt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.01.2010 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Aufgrund der schwangerschaftsbedingten Erkrankung
sei der Vertrag mit der Firma U. sicherlich nicht zustande gekommen; es sei bei der Klägerin Erwerbseinkommen nicht weggefallen,
vielmehr seien Ansprüche auf Beratungshonorare mangels Vertragsabschluss nicht entstanden. Die bloße Aussicht auf ein Einkommen
aus Erwerbstätigkeit, das sich aufgrund einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung nicht realisieren lasse, sei von der Regelung
in § 2 Abs. 7 S. 6 BEEG nicht erfasst.
Hiergegen erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht München. Ihr sei nicht verständlich, wie der Beklagte von einem nicht
vorhandenen Vertragsabschluss ausgehen könne. Nur wegen der schwangerschaftsbedingten Erkrankung sei das Einkommen aus dem
Vertrag weggefallen. Damit liege ein maßgeblich auf die Schwangerschaft zurückzuführender Einkommensverlust vor. Der Beklagte
legte dar, dass ein Verschiebungstatbestand auch dann nicht vorliege, wenn der Vertrag zustande gekommen sei. Der Gesetzgeber
habe die Anwendung auf die Fälle beschränkt, in denen ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise "weggefallen"
sei. Um einen solchen Fall handelt es sich jedoch nicht. Die Klägerin sei nach Beendigung der Elternzeit des ersten Kindes,
in der sie kein Erwerbseinkommen erzielte, schwangerschaftsbedingt erkrankt. Aus diesem Grund sei Erwerbseinkommen nicht weggefallen.
Mit Gerichtsbescheid vom 27.08.2012 gab das SG der Klage statt. Die Voraussetzungen für eine Verschiebung des Bemessungszeitraums seien auch im Zeitraum vom Februar 2009
bis Juli 2009 gegeben. Die Klägerin sei in diesem Zeitpunkt ohne jeden Zweifel schwangerschaftsbedingt erkrankt. Sie habe
auch einen Einkommenswegfall erlitten, weil sie wegen der schwangerschaftsbedingten Erkrankung den mit der Auftraggeberin
abgeschlossenen Vertrag über die Erbringung von Unterstützungsleistungen im Bereich Controlling nicht ausführen und deshalb
kein Honorar und damit auch keinen Gewinn aus dieser Tätigkeit erzielen konnte. Durch die Annahme des von der Klägerin mit
Schreiben vom 12.01.2009 unterbreiteten Beratungsangebots durch die Auftraggeberin mit Schreiben vom 20.01.2009 sei ein wirksamer
Vertrag zu Stande gekommen, der beiden Parteien Rechte und Pflichten auferlege. Damit hätte die Klägerin einen vertraglich
gesicherten Anspruch auf monatliche Vergütung, sobald sie die Beratungsleistungen vereinbarungsgemäß erbracht hätte. Die Klägerin
sei mit einer nichtselbstständig erwerbstätigen Antragstellerin vergleichbar, die ihre arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit
wegen einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung vom ersten Tag an nicht ausüben könne. Diese Arbeitnehmerin hätte zwar keinen
Anspruch auf Entgeltfortzahlung gehabt, da die vierwöchige Wartezeit gemäß §
3 Abs.
3 Entgeltfortzahlungsgesetz nicht erfüllt sei. Es hätte jedoch vom ersten Tag an ein Anspruch auf Krankengeld bestanden.
Gegen diesen Gerichtsbescheid legte der Beklagte Berufung ein. Er vertrete nach wie vor die Auffassung, dass kein Wegfall
von Einkommen im Sinne von § 2 Abs. 7 S. 6 BEEG in der bis zum 17.09.2012 geltenden Fassung vorliege. Es sei vereinbart, dass die Klägerin die selbstständige Tätigkeit bei
der Firma U. erstmals ab 16.02.2009 aufnehmen sollte, wozu es aufgrund der schwangerschaftsbedingten Erkrankung nicht gekommen
sei. Ein Einkommen aus dieser Tätigkeit vor Beginn der Erkrankung sei daher nicht erzielt worden. Allein die Chance oder Aussicht
auf ein künftiges Einkommen, das sich aufgrund einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung nicht realisieren lasse, reiche
nicht aus, um von einem wegfallenden Einkommen im Sinne des § 2 Abs. 7 S. 6 BEEG a.F. sprechen zu können.
Der Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 27.08.2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Beklagtenakte und die Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass bei der Klägerin die Voraussetzungen
von § 2 Abs. 8 S. 5 i.V.m. Abs. 7 S. 6 BEEG vorliegen und damit der maßgebliche Bemessungszeitraum zu verschieben ist.
Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird gemäß §
153 Abs.
2 SGG abgesehen. Ergänzend ist auszuführen:
Die Klägerin, die vor der Geburt ihres ersten Kindes nichtselbstständig beschäftigt war, wollte in der Zeit vom Ende des Elterngeldbezugs
bis zur Geburt ihres zweiten Kindes eine selbstständige Tätigkeit ausüben. Damit ist § 2 Abs. 8 S. 5 BEEG anzuwenden, der die Möglichkeit einer Verschiebung des Bemessungszeitraums auf Antrag des Berechtigten in entsprechender
Anwendung von § 2 Abs. 7 S. 6 BEEG vorsieht. Ein entsprechender Antrag der Klägerin liegt vor. Er kann bereits dem Schreiben vom 03.10.2009 entnommen werden.
Damit ist maßgeblich, ob in den Kalendermonaten Februar bis Juli 2009 bei der Klägerin wegen einer maßgeblich auf die Schwangerschaft
zurückzuführenden Erkrankung Einkommen aus Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise weggefallen ist. Davon ist nach der Überzeugung
des Senats auszugehen. Der Senat hält es wie das SG für ausreichend, dass bei selbstständig Erwerbstätigen ein Vergütungsanspruch dem Grunde nach aus einem gültigen Vertrag
besteht. Das Tatbestandsmerkmal des "Wegfallens" von Einkommen ist weit auszulegen und erfasst nach dem Sinn und Zweck der
Regelung auch die Fälle, in denen trotz eines wirksamen Vertrags noch keine Arbeit geleistet und kein (Teil-)Vergütungsanspruch
erworben wurde. Nur diese Auslegung sichert einen vollständigen Schutz von Berufsanfängern bei schwangerschaftsbedingten Erkrankungen.
Auch nach dem Wortlaut kann nicht verlangt werden, dass aufgrund eines bestehenden Vertrages bereits eine bestimmte Leistung
erbracht wurde. Wäre die entsprechende Leistung im Rahmen eines Dienst- oder Werkvertrags nämlich (teilweise) erbracht, bestünde
insoweit ein konkreter (Teil-)Vergütungsanspruch. Die enge Auslegung der Beklagten widerspricht § 2 Abs. 8 S. 5 i.V.m. Abs. 7 S. 6 BEEG, da die Regelung nicht nur den teilweisen, sondern auch den ganzen Wegfall des Einkommens erfasst.
Damit war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen.