Gründe:
I. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf.) wendet sich gegen die Ablehnung des Antrags auf Übernahme der durch die Beauftragung
des Dr. H. entstandenen Kosten auf die Staatskasse.
Der Kläger und Bf. begehrte in dem Hauptsacheverfahren vor dem Sozialgericht Augsburg die Gewährung von Leistungen aus der
Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I. Die Beklagte hatte dies mit Bescheid vom 1. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 14. Januar 2008 abgelehnt.
Das Sozialgericht hat u.a. ein Gutachten des Internisten Dr. S. vom 25. Mai 2008 eingeholt, der beim Bf. verschiedene Gesundheitsstörungen
wie insbesondere eine Schluckstörung unklarer Ursache, eine Minderbelastbarkeit der Wirbelsäule bei fortgeschrittener Spondylarthrose
L3/L4 und Bandscheibenprotrusion L5/S1, eine Minderbelastbarkeit des rechten Knies bei Gonarthrose, eine Neurodermitis, eine
arterielle Hypertonie mit hypertensiver Herzerkrankung, eine rezidivierende depressive Störung mit Dysthymie, eine Fettstoffwechselstörung
und eine Gicht feststellte. Es bestehe im Bereich der Grundpflege lediglich ein Zeitbedarf von 15 Minuten (Körperpflege: 7
Minuten; Ernährung: 0 Minuten; Mobilität: 8 Minuten).
Das Sozialgericht hat ergänzend einen Befundbericht und klinische Berichte der Chirurgischen Klinik und Poliklinik des Klinikums
I. eingeholt und auf klägerischen Antrag nach §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) den Internisten Dr. M. H. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 26. März 2009
ausgeführt, dass sich die Diagnosen und Funktionseinschränkungen seit dem Vorgutachten nicht wesentlich verändert hätten.
Bis auf den Punkt "Nahrungsaufnahme", für den der Sachverständige einen zeitlichen Hilfebedarf von 90 Minuten angesetzt hat,
ergäben sich keine Veränderungen im Vergleich zum Gutachten des Dr. S ... Hierbei handele es sich weniger um einen Unterstützungsbedarf
bei der Nahrungsaufnahme selbst, vielmehr sei eine Hilfsperson im Zusammenhang mit Komplikationen bei der Nahrungsaufnahme
im Sinne einer verrichtungsbezogenen krankenspezifischen Pflegemaßnahme erforderlich.
Da der Bf. eine weitere Verschlechterung des Gesundheitszustandes vorgebracht hat, hat das Sozialgericht weitere Befundberichte
eingeholt. Im Hinblick auf den stark gestiegenen Pflegebedarf hat der Bf. vergleichsweise die vorläufige Gewährung der Pflegestufe
I vorgeschlagen.
Die Beklagte hat für die Nahrungsaufnahme lediglich einen Pflegebedarf von 18 Minuten zugebilligt. Insoweit sei der von Dr.
H. angenommene Bedarf von 90 Minuten zu kürzen. Mit Schriftsatz vom 16. Februar 2010 hat sie einen Vergleichsvorschlag unterbreitet
und sich bereit erklärt, Pflegestufe I ab Antragstellung zu gewähren. Mit Schriftsatz vom 25. Februar 2010 hat der Bf. den
Vergleich angenommen und am 9. April 2010 die Übernahme der Kosten für das Gutachten des Dr. H. auf die Staatskasse beantragt.
Erst dieses Gutachten lege die bisher nicht berücksichtigten Pflegezeiten während der Nahrungsaufnahme offen.
Das Sozialgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 3. Mai 2010 abgelehnt. Das Gutachten stelle lediglich die bereits vom Bf.
vorher umfangreich vorgetragenen Beschwerden bei der Nahrungsaufnahme erneut dar und lege dar, weshalb die Anwesenheit einer
Pflegeperson bei der Nahrungsaufnahme erforderlich sei. Der Sachverhalt sei schon vorher umfassend vorgetragen worden und
Dr. S. habe hierzu bereits ausführlich Stellung bezogen. Dr. H. bewerte lediglich den bekannten Sachverhalt anders. Entgegen
dessen Bewertung sei auch die bloße Erforderlichkeit der Anwesenheit einer Pflegeperson während der Nahrungsaufnahme angesichts
eines bei der Verrichtung "Nahrungsaufnahme" an sich nicht bestehenden Pflegebedarfs nicht als verrichtungsbezogene krankheitsspezifische
Pflegemaßnahme berücksichtigungsfähig. Schließlich habe das Gutachten nicht die Erledigung des Rechtsstreits wesentlich gefördert,
da der Vergleich erst aufgrund der vorgebrachten Verschlechterung des Gesundheitszustandes auf orthopädischem und neurologischem
Fachgebiet zustande gekommen sei. Ein Zusammenhang zwischen dem Vergleichsangebot und dem Gutachten des Dr. H. sei somit nicht
erkennbar.
Zur Begründung der hiergegen eingereichten Beschwerde hat der Bf. vorgebracht, dass das Gutachten des Dr. H. in beträchtlicher
Weise, insbesondere hinsichtlich der Hilfe bei der Nahrungsaufnahme, beweiserheblich und ausschlaggebend für die Zubilligung
der Pflegestufe I gewesen sei. Erst dieses Gutachten habe den Dialog gefördert und habe damit wesentlich zur Förderung der
Sachaufklärung beigetragen.
II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
Die Entscheidung, ob und in welchem Umfang die Kosten einer Begutachtung nach §
109 SGG von dem Antragsteller zu tragen sind, steht im Ermessen des Gerichts. Die Ermessensentscheidung ist im Beschwerdeverfahren
beschränkt darauf nachprüfbar, ob die Voraussetzungen und die Grenzen des Ermessens richtig bestimmt und eingehalten sind.
Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Die Übernahme der für ein Gutachten nach §
109 SGG verauslagten Kosten auf die Staatskasse im Wege einer "anderen Entscheidung" ist gerechtfertigt, wenn das Gutachten die Aufklärung
objektiv gefördert hat und somit Bedeutung für die gerichtliche Entscheidung gewonnen hat bzw. hätte. Dabei spielt weder der
Ausgang des Verfahrens noch die Frage eine Rolle, ob das Gutachten die Erledigung des Rechtsstreits ohne Urteil gefördert
und damit dem Rechtsfrieden gedient hat. Entscheidend ist vielmehr, ob durch das Gutachten beispielsweise neue beweiserhebliche
Gesichtspunkte zu Tage getreten sind oder die Leistungsbeurteilung auf eine wesentlich breitere und für das Gericht und die
Prozessbeteiligten überzeugendere Grundlage gestellt wurde.
Diese Voraussetzungen liegen bei dem Gutachten des Dr. H. vom 26. März 2009 vor. Allerdings bestätigte dieser in dem Gutachten
ausdrücklich die Diagnosen und Funktionseinschränkungen, die der Vorgutachter Dr. S. beschrieb. Zutreffend weist das Sozialgericht
deshalb darauf hin, dass der Sachverhalt bereits umfassend ermittelt war. Der wesentliche Unterschied zwischen den Gutachten
findet sich nur in der Bewertung der Hilfe bei der Nahrungsaufnahme bzw. in der medizinischen Begründung hierfür. Dr. S. sah
im Bereich der Ernährung keinen Hilfebedarf gegeben. Dies betrifft nicht nur das Kleinschneiden der Nahrung, sondern auch
die Frage, ob aufgrund der Schluckstörung eine Beaufsichtigung bei der Nahrungsaufnahme erforderlich ist. Dem Bf. sei ein
sorgfältiges Kauen möglich und zumutbar. Zwar bestätigt auch Dr. H., dass der Bf. uneingeschränkt kauen kann und deshalb eine
mundgerechte Zubereitung der Nahrung nicht erforderlich ist. Aufgrund unvorhersehbarer Synkopen, die in der Vergangenheit
aufgetreten sind, und unmittelbar damit in Zusammenhang stehender Schluckstörungen bejahte er die Notwendigkeit der Anwesenheit
einer Pflegeperson während der Mahlzeiten. Eine drohende vital gefährdende Situation kann damit vermieden und ein günstiger
Einfluss durch die beruhigende Wirkung der Pflegeperson erzielt werden.
Die schlüssige Darlegung der Notwendigkeit der Anwesenheit einer Pflegeperson während der Mahlzeiten, also des tatsächlichen
individuellen zeitlichen Hilfebedarfs, stellt neue beweiserhebliche Gesichtspunkte dar, die in dem Gutachten des Dr. S. noch
nicht in dieser Brisanz zutage getreten sind. Dabei veranlasste die Beklagte nicht nur die geltend gemachte Verschlechterung
des Gesundheitszustandes, sondern, wie sich aus dem Schreiben vom 16. Februar 2010 ergibt, auch die rechtliche Problematik
der Hilfe bei der Ernährung, einen weiteren zeitlichen Grundpflegebedarf von 18 Minuten anzuerkennen. Diesen ermittelte die
Beklagte ebenfalls aus dem Gutachten des Dr. H. (20 Prozent aus den von diesem angesetzten 90 Minuten). Soweit die Beklagte
hierbei auf eine mögliche rechtliche Auffassung des Gerichts verweist, kann sich der Senat einer Beurteilung enthalten, da
vorliegend allein darüber zu entscheiden ist, ob eine eventuelle Entscheidung des Gerichts durch das Gutachten des Dr. H.
auf eine breitere Grundlage gestellt wurde. Dies ist, wie oben dargelegt, der Fall.
Die Kosten für das Gutachten des Dr. H. waren daher auf die Staatskasse zu übernehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 Abs.
1 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar und ergeht kostenfrei (§
183 SGG).