Altersrente
Gewährung eines höheren Freibetrages
Verfassungskonformität des Angleichungskonzepts West-Ost
Stichtagsregelung und Ungleichbehandlung
Tatbestand:
Der Kläger begehrt für den Zeitraum ab 1. Oktober 2000 die Bewilligung einer höheren Altersrente unter Gewährung eines höheren
Freibetrages (Freibetrag "West") bei der Anrechnung seiner Rente aus der Unfallversicherung auf die Altersrente.
Der 1937 geborene Kläger erlitt am 3. März 1972 im Beitrittsgebiet einen Arbeitsunfall und erhielt hierauf eine Verletztenrente
nach dem Unfallversicherungsrecht der ehemaligen DDR. Mit dem Einigungsvertrag wurde die Rente in das bundesdeutsche Unfallversicherungsrecht überführt. Ab dem 1. Juli 2000 erhielt der Kläger eine Verletztenrente
nach einer MdE von 20 V.H. in Höhe von monatlich 396,98 DM (202,97 Euro).
Auf den Antrag des Klägers vom 2. August 2000 gewährte die Beklagte dem Kläger mit bestandskräftigem Bescheid vom 22. August
2000 Altersrente für langjährig Versicherte mit Rentenbeginn am 1. Oktober 2000. Die festgestellte monatliche Bruttorente
betrug 1.815,16 DM; nach Abzug der Beitragsanteile zur Kranken- und Pflegeversicherung verblieb ein monatlicher Zahlbetrag
in Höhe von 1.664,50 DM.
Die Höhe der Altersrente von 1.815,16 DM ermittelte die Beklagte wie folgt:
Rente aus der Rentenversicherung
|
1.974,33 DM
|
Leistung aus der Unfallversicherung
|
396,98 DM
|
Abzüglich zwei Drittel der Mindestgrundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (MdE 20%)
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-128,00 DM
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Verbleiben
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268,98 DM
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Summe der Rentenbeträge
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2.243,31 DM
|
Ermittlung des Grenzbetrages nach §
93 Abs.
3 SGB VI
Jahresarbeitsverdienst
|
35.728,12 DM
|
70 % von einem Zwölftel dieses Betrages
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2.084,14 DM
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Vervielfältigt mit dem Faktor 1,0000
|
2.084,14 DM
|
Differenz zur Summe der Rentenbeträge (s.o.)
|
159,17 DM
|
Ergebnis: Minderung der Rente aus der Rentenversicherung um 159,17 DM auf 1.815,16 DM.
Am 22. Juli 2003 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Überprüfung des Rentenbescheides vom 22. August 2000 unter Verweis
auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 10. April 2003 (B 4 RA 32/02). Mit Bescheid vom 25. August 2004 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Mit dem Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen
der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Nachhaltigkeitsgesetz) vom 21. Juli 2004 sei die Vorschrift des §
93 Abs.
2 Nr.
2 Buchstabe a Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (
SGB VI) rückwirkend zum 1. Januar 1992 neu gefasst worden, diese Neufassung beinhalte insbesondere eine ausdrückliche Bezugnahme
der Vorschrift auf die Vorschriften über die Grundrente nach §§ 31 i. V. m. 84a Satz 1 und 2 Bundesversorgungsgesetz (BVG). Damit sei gesetzlich klargestellt, dass die Verweisung rückwirkend ab 1. Januar 1992 sowohl die Vorschrift des § 31 BVG als auch die in § 84a BVG geregelten Besonderheiten für Berechtigte im Beitrittsgebiet umfasse. Den gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch des
Klägers vom 11. September 2004 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. September 2004 als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 22. Oktober 2004 zu dem Aktenzeichen S 32 RJ 2097/04 vor dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiter verfolgt hat.
Mit Urteil vom 24. Oktober 2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung der
Beklagten ist es der in den Urteilen des BSG vom 10. April 2003 - B 4 RA 32/02 R - und vom 20. November 2003 - B 13 RJ 5/03 R - geäußerten Rechtsauffassung entgegengetreten und hat sich zur Begründung ebenfalls maßgeblich auf die Novellierung des
§
93 Abs.
2 Nr.
2 Buchstabe a
SGB VI durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz vom 21. Juli 2004 mit Rückwirkung zum 1. Januar 1992 gestützt.
Gegen das dem Kläger am 1. November 2005 zugestellte Urteil hat dieser am 18. November 2005 Berufung eingelegt. Er sieht in
der Anrechnung seiner Verletztenrente auf die Altersrente unter Berücksichtigung eines abgesenkten sogenannten "Freibetrages
Ost" eine ungerechtfertigte Benachteiligung gegenüber Bundesbürgern, die bereits zum maßgeblichen Stichtag am 18. Mai 1990
ihren Wohnsitz in dem Gebiet hatten, in dem das Bundesversorgungsgesetz schon vor dem Beitritt gegolten hat.
Mit Beschluss vom 19. Mai 2008 hat der Senat mit Zustimmung der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet.
Auf Antrag der Beklagten vom 13. Mai 2016 hat der Senat das Verfahren unter dem Aktenzeichen L 12 R 423/16 WA wieder aufgenommen.
Dem schriftsätzlichen Vorbringen des Klägers ist sinngemäß der Antrag zu entnehmen,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin und den (Überprüfungs-)Bescheid der Beklagten vom 25. August 2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 23. September aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Regelaltersrente unter entsprechender
Änderung des Rentenbescheides vom 22. August 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2004 für den
Zeitraum ab 1. Oktober 2000 unter Berücksichtigung eines nicht für das Beitrittsgebiet abgesenkten Freibetrages neu zu berechnen,
sowie zu verurteilen, für den genannten Zeitraum entsprechend höhere monatliche Rentenbeträge zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakten und die Verwaltungsakten der Beklagten
verwiesen; diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Soweit der Kläger die Aufhebung des Überprüfungsbescheides der Beklagten vom 25. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 23. September 2004 und die Neuberechnung seiner Regelaltersrente unter Berücksichtigung eines nicht für das Beitrittsgebiet
abgesenkten Freibetrages für die Zeit nach dem 30. Juni 2011 begehrt, ist seine Klage unzulässig geworden, weil sein Rechtsschutzbedürfnis
insoweit entfallen ist. Denn mit dem zum 1. Juli 2011 in Kraft getretenen Gesetz vom 20. Juni 2011(BGBl. I Seite 1114) hat der Gesetzgeber § 84a BVG dahingehend abgeändert, dass die Maßgabe nach Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III Nummer 1 Buchstabe a in Verbindung
mit Artikel 3 des Einigungsvertrages vom 31. August 1990 nicht mehr anzuwenden ist. Damit ist die Rechtsgrundlage für den abgesenkten sogenannten "Freibetrag
Ost" mit Wirkung zum 1. Juli 2011 entfallen.
Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
Der Überprüfungsbescheid der Beklagten vom 25. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2004
ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch nach § 44 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch (SGB X) auf teilweise Rücknahme des Rentenbescheides 22. August 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. September
2004 für den Zeitraum vom 1. Oktober 2000 bis 30. Juni 2011 sowie Neuberechnung der Rente für den genannten Zeitraum unter
Berücksichtigung eines nicht für das Beitrittsgebiet abgesenkten Freibetrages und demzufolge auch keinen Anspruch auf Auszahlung
der sich hieraus ergebenden höheren monatlichen Rentenbeträge.
Gemäß §
93 Abs.
1 Nr.
1 SGB VI wird die Rente dann, wenn für denselben Zeitraum Anspruch auf eine Rente aus eigener Versicherung und auf eine Verletztenrente
aus der Unfallversicherung besteht, insoweit nicht geleistet, als die Summe der zusammentreffenden Rentenbeträge vor Einkommensanrechnung
den jeweiligen Grenzbetrag übersteigt.
Gemäß §
93 Abs.
2 Nr.
2a SGB VI in der Fassung des (rückwirkend) zum 1. Januar 1992 in Kraft getretenen Artikels 1 Nr. 19 des Gesetzes zur Sicherung der
nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RVNG) vom 21. Juli 2007 (BGBl. I, 1791) bleibt bei
der Ermittlung der Summe der zusammentreffenden Rentenbeträge bei der Verletztenrente aus der Unfallversicherung u.a. der
Betrag unberücksichtigt, der bei gleichem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit als Grundrente nach § 31 in Verbindung mit § 84a Satz 1 und 2 BVG geleistet würde. Nach § 31 BVG besteht ein Anspruch auf eine Grundrente ab einem Grad der Schädigungsfolgen (MdE) von 30 v. H.
Der durch den Einigungsvertrag (Anlage I, Kapitel VIII, Sachgebiet K, Abschnitt II) eingefügte § 84a BVG in der maßgeblichen und rückwirkend ab dem 1. Januar 1991 bis zum 30. Juni 2011 geltenden Fassung des Artikel 01 des Gesetzes
zur Änderung von Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts und des Gesetzes vom 19. Juni 2006 über einen Ausgleich für
Dienstbeschädigungen im Beitrittsgebiet (BGBl. I, 1305) bestimmte insoweit Folgendes:
Berechtigte, die am 18. Mai 1990 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet hatten, erhalten vom 1. Januar 1991 an Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz mit den für dieses Gebiet nach dem Einigungsvertrag geltenden Maßgaben; dies gilt auch vom Zeitpunkt der Verlegung des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts, frühestens vom
1. Januar 1991 an, wenn sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in das Gebiet verlegen, in dem dieses Gesetz schon
vor dem Beitritt gegolten hat. Satz 1 gilt entsprechend für Deutsche und deutsche Volkszugehörige aus den in § 1 der Auslandsversorgungsverordnung
genannten Staaten, die nach dem 18. Mai 1990 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet begründet haben.
Nach dem Einigungsvertrag sind insoweit folgende Maßgaben zu beachten (Anlage I, Kapitel VIII, Sachgebiet K, Abschnitt III Nr. 1):
a) Die in den §§ 14, 15, 26 c Abs. 6, § 31 Abs. 1 und 5, § 32 Abs. 2, § 33 a Abs. 1, § 35 Abs. 1, § 36 Abs. 1 und 3, §§ 40,
40 b Abs. 3, § 41 Abs. 2, §§ 46, 47 Abs. 1, § 51 Abs. 1 bis 3 und § 53 in der jeweils geltenden Fassung genannten Deutsche
Mark-Beträge sind mit dem Vomhundertsatz zu multiplizieren, der sich aus dem jeweiligen Verhältnis der verfügbaren Standardrente
(§
68 Abs.
3 des
Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) in dem in Artikel 3 des Vertrages genannten Gebiet zur verfügbaren Standardrente in dem Gebiet, in dem das Bundesversorgungsgesetz schon vor dem Beitritt gegolten hat, ergibt ... Der in § 15 Satz 2 genannte Multiplikator ist ebenfalls mit dem in Satz 1 genannten Vomhundertsatz zu multiplizieren ... Die sich ergebenden
Beträge sind auf volle Deutsche Mark abzurunden, und zwar bis 0,49 Deutsche Mark nach unten und von 0,50 Deutsche Mark an
nach oben ...
l) Die in den Buchstaben a genannten Maßgaben gelten für Berechtigte, die am 18. Mai 1990 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen
Aufenthalt in dem in Artikel 3 des Vertrages genannten Gebiet hatten. Satz 1 gilt entsprechend für Deutsche und deutsche Volkszugehörige
aus den in § 1 der Auslandsversorgungsverordnung genannten Staaten, die nach dem 18. Mai 1990 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen
Aufenthalt in dem in Artikel 3 des Vertrages genannten Gebiet begründet haben. m) Das Bundesversorgungsgesetz findet in dem in Artikel 3 des Vertrages genannten Gebiet mit den vorgenannten Maßgaben vom 1. Januar 1991 an Anwendung.
Vorstehende Vorschriften sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Soweit das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom
14. März 2000 - 1 BvR 284/96 u. a. - (BVerfGE 102, 41) § 84a BVG i. V. m. Anlage I, Kapitel VIII, Sachgebiet K, Abschnitt III Nr. 1 a) des Einigungsvertrages mit Artikel
3 Absatz
1 des
Grundgesetzes (
GG) unvereinbar und nichtig erklärt hat, soweit die Beschädigtengrundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 BVG auch nach dem 31. Dezember 1998 im Beitrittsgebiet anders berechnet wird als im übrigen Bundesgebiet, erfasst die Nichtigerklärung
die genannten Vorschriften nur insoweit, als diese die Gewährung einer abgesenkten Beschädigtengrundrente für Kriegsopfer
vorsehen. Dies ergibt sich maßgeblich aus den Entscheidungsgründen, die zur Auslegung des Tenors herangezogen werden dürfen.
Danach hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der genannten Vorschriften nur im Hinblick auf die Schlechterstellung
der Kriegsopfer in den neuen Bundesländern gegenüber den Kriegsopfern in den alten Bundesländern geprüft (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 13. November 2008 - B 13 R 129/08 R -, Urteil vom 23. Oktober 2013 - B 5 RS 6/12 - juris). Die Verletzung des Artikels 3 Abs. 1
GG für die Zeit ab 1. Januar 1999 hat es maßgeblich damit begründet, dass bei den "Kriegsopfern Ost" eine Anpassung der Renten
auf Westniveau aufgrund ihres Lebensalters und der stagnierenden wirtschaftlichen Entwicklung in den neuen Ländern nicht mehr
zu erreichen sei, womit die durch § 84a BVG angestrebte Ungleichbehandlung auf Zeit zu einer Ungleichbehandlung auf Dauer werde. Die genannten Gründe können aber für
andere Versorgungsleistungen, insbesondere für die hier in Streit stehende Anrechnung der Rente aus der Unfallversicherung
auf die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, keine Gültigkeit beanspruchen, da diese nicht typischerweise davon
geprägt sind, dass die Berechtigten bereits ein fortgeschrittenes Lebensalter erreicht haben.
Ein Verstoß gegen Artikel
3 Abs.
1 GG aus sonstigen Gründen ist ebenfalls zu verneinen. Das BVerfG hat in seinem Urteil vom 14. März 2000 (a. a. O.) grundsätzlich
festgestellt, dass das vom Gesetzgeber gewählte Angleichungskonzept West-Ost unter Berücksichtigung der unterschiedlichen
wirtschaftlichen Verhältnisse in den alten und neuen Bundesländern verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist und hat insoweit
u. a. ausgeführt:
"Im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesversorgungsgesetzes in den neuen Ländern und in den folgenden Jahren lagen hinreichend gewichtige Gründe für die durch § 84 a BVG bewirkte Ungleichbehandlung vor. Dies gilt auch für die vom Gedanken eines immateriellen Opferausgleichs mitgeprägte Beschädigtengrundrente
nach § 31 Abs. 1 Satz 1 BVG ...
a) Der Gesetzgeber hat die Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz zum 1. Januar 1991 auf das Beitrittsgebiet erstreckt, bestimmte Geldleistungen aber nach Maßgabe des § 84 a BVG den Berechtigten in den neuen Ländern nicht sofort auf dem gleichen Niveau wie in den alten Ländern gewährt. Dazu ist er
nicht durch Art.
3 Abs.
1 GG verpflichtet gewesen. Er hatte bei der Bemessung der Geldleistungen einen weiten Spielraum, weil im Zuge der Wiedervereinigung
große finanzielle Lasten auf die öffentlichen Haushalte zukamen. Es genügte den verfassungsrechtlichen Anforderungen, wenn
er durch geeignete Regelungen sicherstellte, dass die durch § 84 a BVG bewirkte Ungleichbehandlung der Kriegsopfer Ost und West nicht auf Dauer angelegt war und angesichts der damaligen Unterschiede
in den Lebensverhältnissen noch mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtung vereinbar blieb. Das ist zunächst
geschehen. Bei den laufenden Versorgungsleistungen sollte die in dieser Vorschrift vorgenommene Verknüpfung der Höhe von Grundrente
und Kleiderverschleißpauschale mit der Entwicklung der Standardrenten Ost und West für eine zügige Anpassung sorgen (vgl.
BTDrucks 11/7817, S. 154). Der gewählte Weg war nicht von vornherein ungeeignet, gleiche Leistungsverhältnisse schrittweise
und in einem überschaubaren Zeitraum herbeizuführen.
b) Auch das Anpassungskonzept selbst ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es ist nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts
zu entscheiden, ob der Gesetzgeber dabei das zweckmäßigste oder sachnächste Kriterium für die Anpassung gewählt hat. Die Maßstäbe
dafür zu bestimmen, ist zunächst Sache des Gesetzgebers (vgl. BVerfGE 89, 132 (141 f.); 81, 156 (206)). Es war jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des Art.
3 Abs.
1 GG nicht sachwidrig, die Höhe der Geldleistungen an Kriegsbeschädigte nach dem Bundesversorgungsgesetz an die Entwicklung der Standardrenten und damit - über die Anpassung der Altersrenten in der gesetzlichen Rentenversicherung
- an die Entwicklung der Arbeitsentgelte zu knüpfen. Damit wurde auch eine gewisse soziale Symmetrie von Arbeitseinkommen,
Versichertenrenten und steuerfinanzierten staatlichen Versorgungsleistungen sichergestellt.
aa) Der Gesetzgeber hat im Zuge der Wiedervereinigung bei sozialrechtlichen Regelungen, die direkt oder indirekt auf das Einkommen
(Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen) und die Lebenshaltungskosten der Leistungsberechtigten bezogen sind, wegen der wirtschaftlichen
Unterschiede in West und Ost allgemein niedrigere Werte für das Beitrittsgebiet festgelegt. Dies gilt für die Pflichtversicherungs-
und Beitragsbemessungsgrenzen, den aktuellen Rentenwert in der Rentenversicherung, die Jahresarbeitsverdienstgrenze in der
Unfallversicherung, die Bezugsgrößen für die Lohnersatzleistungen nach dem Arbeitsförderungsrecht, die Bedarfsbemessungsgrenzen
und Einkommensanrechnungen beim Kindergeld, Wohngeld und bei der staatlichen Ausbildungsförderung, die besonderen Regelungen
für Zuzahlungen in der Krankenversicherung, den Einsatz eigenen Einkommens bei der Sozialhilfe und bei der Hinterbliebenenrente,
die Zuverdienstgrenzen in der Rentenversicherung sowie die Bezugsgrößen für die Globalsteuerung im Gesundheitsreformgesetz
und im Gesundheitsstrukturgesetz (vgl. Bieback, Das Sozialrecht im vereinigten Deutschland - Strukturprobleme, verfassungsrechtliche Fragen und Perspektiven,
NZS 1994, S. 193 (194)). Es ist nicht von vornherein sachwidrig, sich daran auch bei Leistungen der Kriegsopferversorgung zu orientieren ..."
Vorstehende Erwägungen gelten erst recht für die Rente aus der Unfallversicherung, der überwiegend Lohnersatzfunktion zukommt.
Da der Grund der Ungleichbehandlung von Versorgungsempfängern, die am Stichtag 18. Mai 1990 ihren Wohnsitz in den neuen Bundesländern
hatten, die wirtschaftlichen Unterschiede in West und Ost sind, ist die Ungleichbehandlung grundsätzlich so lange gerechtfertigt,
wie diese Unterschiede bestehen.
Im hier maßgeblichen Zeitraum ab 1. Oktober 2000 bis 30. Juni 2011 waren die wirtschaftlichen Verhältnisse in den alten und
neuen Bundesländern noch unterschiedlich (siehe dazu auch u.a. BSG, Urteil vom 23. Oktober 2013 - B 5 RS 6/12 R - m.w.N., zitiert nach juris). Nach der Veröffentlichung des Statistischen Bundesamts aus dem Jahr 2010 "20 Jahre Deutsche
Einheit - Wunsch oder Wirklichkeit" haben sich die wirtschaftsstrukturellen Unterschiede zwischen Ost und West zwar mehr und
mehr angeglichen. Ausweislich der veröffentlichten Einzelaufstellungen kann jedoch in dem hier streitigen Zeitraum nicht von
einheitlichen wirtschaftlichen Verhältnissen ausgegangen werden. So hat etwa das Verdienstniveau in den neuen Ländern im Vergleich
zum früheren Bundesgebiet noch im Jahr 2009 bei lediglich 75,5 % des Westniveaus gelegen und das verfügbare Einkommen der
privaten Haushalte noch im Jahr 2008 im früheren Bundesgebiet 19.838 Euro betragen, während es sich in den neuen Ländern einschließlich
Berlin lediglich auf 15.536 Euro belaufen hat.
Dies spiegelt sich auch in dem unterschiedlichen Niveau der Standardrenten in den neuen und den alten Ländern wieder. So entwickelte
sich der Verhältniswert der Standardrenten (Eckrenten) in den neuen und den alten Ländern im fraglichen Zeitraum entsprechend
den in den alten und neuen Ländern jeweils geltenden unterschiedlichen Rentenwerten wie folgt (Rentenversicherungsbericht
[RVB] 2002, BT-Drs. 14/7639 S. 43, 78 f. RVB 2003, BT-Drs. 15/2144 S. 79, RVB 2005, BT-Drs. 16/905 S. 40, RVB 2007, BT-Drs.
16/7300 S. 41, RVB 2008, BT-Drs. 16/11060 S. 40, RVB 2009, BT-Drs. 17/52 S. 37, RVB 2010, BT-Drs. 17/3900 S. 39, 67):
Stichtag
|
alte Länder
in Euro/Monat
|
neue Länder
in Euro/Monat
|
Verhältniswert
|
1. Juli 2000
|
1.032,79
|
896,00
|
86,7 %
|
1. Juli 2001
|
1.051,99
|
915,86
|
87,1 %
|
1. Juli 2002
|
1.072,35
|
941,32
|
87,8 %
|
1. Juli 2003
|
1.081,79
|
950,97
|
87,9 %
|
1. Juli 2004
|
1.071,79
|
944,24
|
88,1 %
|
1. Juli 2005
|
1.066,06
|
939,20
|
88,1 %
|
1. Juli 2006
|
1.066,35
|
939,46
|
88,1 %
|
1. Juli 2007
|
1.068,52
|
941,77
|
88,1 %
|
1. Juli 2008
|
1.075,83
|
947,51
|
88,1 %
|
1. Juli 2009
|
1.100,84
|
976,59
|
88,7 %
|
1. Juli 2010
|
1.102,67
|
978,22
|
88,7 %.
|
Entgegen der Auffassung des Klägers führt bei ihm die Anwendung des §
93 Abs.
2 Nr.
2a SGB VI auch zu der Rechtsfolge der Berücksichtigung des abgesenkten "Freibetrag Ost" nach § 84a BVG i. V. m. Anlage I, Kapitel VIII, Sachgebiet K, Abschnitt III Nr. 1 a) des Einigungsvertrages bei der Anrechnung seiner Unfallrente auf die Rente aus der Rentenversicherung. Er ist Berechtigter im Sinne des § 84a Satz 1 1. Halbsatz BVG, weil er am 18. Mai 1990 seinen Wohnsitz in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet hatte. Allein hierauf kommt es maßgeblich an.
Einwendungen gegen die Rentenberechnung im Einzelnen hat der Kläger nicht erhoben; Rechtsfehler sind insoweit auch nicht zu
erkennen. Insbesondere ist der abgesenkte Freibetrag Ost und der Grenzbetrag nach §
93 Abs.
3 SGB VI zutreffend ermittelt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen. Dem Rechtsstreit kommt keine grundsätzliche Bedeutung mehr zu. Zum einen betrifft er mittlerweile ausgelaufenes
Recht, weil § 84a BVG in der ab 1. Juli 2011 geltenden Fassung des Gesetzes vom 20. Juni 2011 (BGBl. I S. 1114) nunmehr bestimmt, dass Anlage I, Kapitel VIII, Sachgebiet K, Abschnitt III Nr. 1 a) in Verbindung mit Artikel 3 des Einigungsvertrages ab 1. Juli 2011 nicht mehr anzuwenden ist. Zum anderen hat das Bundesssozialgericht mit Urteilen vom 31. Juli 2013 (B 5 RS 7/12 R und B 5 RS 8/12 R) sowie vom 23. Oktober 2013 (B 5 RS 6/12 R und B 5 RS 25/12 R) grundsätzlich zur Rechtmäßigkeit des abgesenkten Freibetrages Ost entschieden.