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LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21.12.2016 - 13 SB 72/16
Zuerkennung des Merkzeichens G Einschränkung des Gehvermögens Ortsübliche Wegstrecke Umfassender Behindertenbegriff
1. In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahr für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
2. Bei der Prüfung der Frage, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, kommt es nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalles an, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein - d.h. altersunabhängig von nichtbehinderten Menschen - noch zu Fuß zurückgelegt werden.
3. Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gilt eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird.
4. Allerdings ist es für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" nicht ausreichend, dass diese Wegstrecke nicht in dem genannten Zeitraum bewältigt werden kann; das Gesetz fordert in § 145 Abs. 1 Satz 1, § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX darüber hinaus, dass Ursache der beeinträchtigten Bewegungsfähigkeit eine Behinderung des schwerbehinderten Menschen sein und diese Behinderung dessen Gehvermögen einschränken muss (sog. "doppelte Kausalität").
5. Der umfassende Behindertenbegriff im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX gebietet im Lichte des verfassungsrechtlichen als auch des unmittelbar anwendbaren UN-konventionsrechtlichen Diskriminierungsverbots (Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG; Art. 5 Abs. 2 UN-BRK) die Einbeziehung aller körperlichen, geistigen und seelischen Beeinträchtigungen.
Normenkette:
SGB IX § 145 Abs. 1 S. 1
,
SGB IX § 146 Abs. 1 S. 1
,
SGB IX § 2 Abs. 1 S. 1
,
GG Art. 3 Abs. 3 S. 2
,
UN-BRK Art. 5 Abs. 2
Vorinstanzen: SG Frankfurt/Oder 10.02.2016 S 24 SB 24/15
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 10. Februar 2016 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten. Im Übrigen bleibt es bei der Kostenentscheidung des Sozialgerichts.
Die Revision wird nicht zugelassen.

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