Haftung von Unternehmern in der gesetzlichen Unfallversicherung; Feststellungsberechtigung von in der Haftung beschränkten
Personen; Unternehmensbegriff bei der Tierhaltung; Voraussetzungen einer arbeitnehmerähnlichen Tätigkeit
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beigeladene am 28. Juli 2003 durch einen Hundebiss einen Arbeitsunfall erlitten hat,
der zur Haftungsprivilegierung der Klägerin als Halterin des Hundes führt.
Die Klägerin und die geschädigte Beigeladene wohnen im Dorf Z. Ihre Häuser liegen sich in der Dorfstraße gegenüber. Der Vater
der Klägerin und der Ehemann der Beigeladenen sind Cousins. Die Familien unterstützen sich gegenseitig; so bringt die Klägerin
z. B. Küchenabfälle, die die Beigeladene zur Fütterung ihrer Kaninchen benötigt, ins Haus der Beigeladenen, die Beigeladene
hat einen kleineren Hund der Klägerin vor dem streitgegenständlichen Ereignis mit dem Schäferhund-Mischling B etwa viermal
im Jahr während der Abwesenheit der Klägerin und ihres Ehemannes betreut und gefüttert. Die Beigeladene ist im Besitz der
Hausschlüssel der Klägerin, da sie bei Abwesenheit der Familie deren Haus betreut. Man besucht sich gelegentlich bis oft.
Im Juli 2003 bot sich für die Klägerin und ihren Ehemann die Möglichkeit, die Ferienwohnung einer Freundin an der Ostsee zu
nutzen. Die Möglichkeit der Reise war davon abhängig, dass die Betreuung für den Schäferhund-Mischling B organisiert werden
konnte. Die Klägerin bat die Beigeladene, in der urlaubsbedingten Abwesenheit den Hund einmal am Tag zu füttern, auf den Hof
zu lassen und nach einer Stunde wieder in den Zwinger zu sperren. Für die Dauer dieser Hilfeleistung wurden etwa 5 Minuten
pro Tag veranschlagt. Die Beigeladene sagte zu, die Betreuungsleistung für den Hund B zu erbringen. Ein Entgelt sollte nicht
bezahlt werden. Auch von Geschenken für die Betreuung des Hundes war nie die Rede.
Am Sonntag, dem 27. Juli 2003, fuhren die Klägerin und ihr Ehemann in die Ferienwohnung an der Ostsee. Die Beigeladene fütterte
den Hund am Sonntag gegen 18.00 Uhr, ließ ihn laufen und sperrte ihn dann wieder in den Zwinger. Am darauffolgenden Tag begab
die Beigeladene sich gegen 18.00 Uhr auf das Grundstück der Klägerin, um den Hund für eine Stunde aus dem Zwinger zu lassen
und ihn zu füttern, wobei sie während der Stunde des Auslaufs sich wieder in ihr Haus zurückbegeben wollte. Als sie dem Hund
Wasser geben wollte, sprang er die Beigeladene plötzlich an und biss zweimal zu. Die Beigeladene verband die Wunde notdürftig
und begab sich in ihr Haus, ohne den Hund wieder in den Zwinger zu sperren. Auch dem Bruder der Klägerin gelang es in der
Folge nicht, den Hund wieder einzufangen und in den Zwinger zu verbringen. Deshalb brachen die Klägerin und ihr Mann ihren
Urlaub am Dienstag ab.
Die Beigeladene wurde vom 28. Juli bis 13. August 2003 wegen des Hundebisses stationär im Waldkrankenhaus in G behandelt.
Ihr wurde ein Stück Haut vom Oberschenkel an die rechte Hand transplantiert. Nach Beendigung des Krankenhausaufenthalts musste
sie für weitere drei bis vier Wochen ambulante Behandlung in Anspruch nehmen.
Die Klägerin meldete den Vorfall ihrer privaten Haftpflichtversicherung, die in Vollmacht der Klägerin bei der Beklagten beantragte
festzustellen, dass die Beigeladene als so genannte "Wie-Beschäftigte" einen Arbeitsunfall erlitten habe, der die Klägerin
nach §§
104 ff. Sozialgesetzbuch/Siebtes Buch (
SGB VII) von der Haftung befreie. Die Beklagte habe Leistungen an die Beigeladene wegen des Unfalls zu erbringen. Weiter übersandte
die Haftpflichtversicherung den Anspruchstellerfragebogen an die Beklagte, den die Beigeladene unter dem 13. August 2003 ausgefüllt
hatte. Die für die Beigeladene zuständige Krankenkasse hat Ansprüche wegen der Heilbehandlungskosten in Höhe von etwa 6.000,00
€ bei der Haftpflichtversicherung der Klägerin geltend gemacht.
Unter dem 01. Oktober 2003 führte die von der Beklagten befragte Beigeladene aus, sie sei verunglückt, als sie den Hund habe
tränken und füttern wollen. Insgesamt habe diese Tätigkeit 5 Minuten gedauert und sei an zwei Tagen verrichtet worden. Auf
die Frage, ob sie die Klägerin des Öfteren unterstütze und gegenseitige Hilfsdienste selbstverständlich seien, antwortete
sie mit ja. Die Klägerin sei mit ihr verwandt, man besuche sich gelegentlich.
Die Klägerin führte unter dem 01. Oktober 2003 für die Beklagte aus, dass die unfallbringende Tätigkeit aus Gefälligkeit verrichtet
worden sei, da sie in Urlaub gewesen sei.
Am 09. Oktober 2003 teilte die Beklagte der Haftpflichtversicherung der Klägerin mit, dass die Beigeladene zum Unfallzeitpunkt
nicht zum Kreis der versicherten Personen nach §
2 Abs.
2 SGB VII gehört habe. Eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit sei nicht zu erkennen, da aufgrund der Art, der Geringfügigkeit des Umfangs
und der Zeitdauer der unfallbringenden Tätigkeit und insbesondere wegen des verwandtschaftlichen Verhältnisses von einem selbstverständlichen
Hilfsdienst der Beigeladenen auszugehen sei, der in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht versichert sei.
Die Haftpflichtversicherung bat darum, einen rechtsmittelfähigen Bescheid zu erteilen.
Mit Bescheid vom 13. Januar 2004, gerichtet an die Beigeladene, lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 28.
Juli 2003 als Arbeitsunfall ab. Diesen Bescheid übersandte sie mit gleichem Datum an die Haftpflichtversicherung der Klägerin,
die am 26. Januar 2004 Widerspruch einlegte.
Die Beklagte ermittelte erneut bei der Beigeladenen, die mitteilte, dass sie den Hund schon von klein auf kenne. Sie habe
ihn während des Urlaubs der Klägerin versorgen wollen, da sie Rentnerin sei und Zeit habe, und den Hund immer versorge, wenn
die Familie im Urlaub sei.
Dem Widerspruch blieb mit zurückweisendem Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2004, gerichtet an die Klägerin, der Erfolg
versagt. Zur Begründung verwies die Beklagte darauf, dass die unfallbringende Tätigkeit nicht unter arbeitnehmerähnlichen
Umständen erbracht worden sei. Es handele sich um eine Tätigkeit im Rahmen der Nachbarschaftshilfe bzw. der Hilfeleistung
zwischen entfernten Verwandten, die nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehe.
Mit ihrer am 29. November 2004 zum Sozialgericht Neuruppin erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt.
Sie hat geltend gemacht, dass die Beigeladene als "Wie-Beschäftigte" für sie tätig gewesen sei. Es sei nicht ausreichend berücksichtigt
worden, dass die Fütterung des Hundes nicht nur zweimal, sondern während der gesamten Urlaubsabwesenheit von einer Woche durchgeführt
werden sollte. Es handele sich daher nicht um eine Tätigkeit geringfügigen Umfangs. Da ansonsten niemand bereit gewesen wäre,
den Hund zu versorgen, hätte sie ohne die Hilfe der Beigeladenen eine Person gegen Entgelt anstellen müssen, um die Versorgung
des Hundes zu gewährleisten. Daraus ergebe sich, dass vorliegend durchaus eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit verrichtet worden
sei. Es habe sich um eine ernstliche, dem Fremdunternehmen dienende Tätigkeit gehandelt, die dem wirklichen Willen des Unternehmers
- hier der Klägerin - entsprochen habe. Außerdem werde die Tätigkeit auch von Personen verrichtet, die in einem dem allgemeinen
Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stünden. Es sei unberücksichtigt geblieben, dass die Beigeladene keinerlei
eigene Interessen mit der Fütterung des Hundes verfolgt habe.
Mit Gerichtsbescheid vom 24. Januar 2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass
die Klägerin nach §
109 SGB VII berechtigt sei, das Sozialgerichtsverfahren zu betreiben. Die erhobene Klage scheitere aber daran, dass die Klägerin nicht
von der Haftung durch §
104 SGB VII befreit sei. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift lägen nur vor, wenn das Ereignis einen versicherten Arbeitsunfall gemäß
§§
8,
2 Abs.
2 SGB VII darstellte. Dies sei nicht der Fall. Zwar habe die unfallbringende Tätigkeit einen wirtschaftlichen Wert für das unterstützte
Unternehmen gehabt und habe auch dem Willen des Unternehmers entsprochen. Das Füttern und Tränken des Hundes habe aber dem
Gesamtbild nach nicht einer arbeitnehmerähnlichen Tätigkeit entsprochen. Schon das freiwillige Anerbieten spreche gegen eine
arbeitnehmerähnliche Arbeit. Denn Arbeitnehmer handelten im Allgemeinen nur nach Aufforderung und gegen Entgelt oder sonstige
materielle Vorteile. Außerdem habe die Geschädigte ausgeführt, des Öfteren den Hund getränkt und gefüttert zu haben, dass
man sich im Übrigen gegenseitig unterstütze und Hilfsdienste selbstverständlich seien. Daher sei von einem Tätigwerden wie
ein Beschäftigter nicht auszugehen. Vorliegend handele es sich um eine verhältnismäßig geringfügige Hilfeleistung unter Verwandten,
die ohne große Vorbereitung und Aufwand erbracht werden könne.
Gegen den ihr am 20. März 2006 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung vom 03. April 2006.
Sie macht geltend, das Sozialgericht habe die rechtlichen Voraussetzungen einer arbeitnehmerähnlichen Tätigkeit verkannt.
Es sei erneut darauf hinzuweisen, dass sie eine fremde Person gegen Vergütung hätte beauftragen müssen, wenn sich die Geschädigte
nicht bereit erklärt hätte, den Hund während der urlaubsbedingten Abwesenheit zu versorgen. So sei auch einer Entscheidung
des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart (ZfS 2002, 384) zu entnehmen, dass das Ausführen eines Hundes von Nachbarn aus Gefälligkeit eine in der gesetzlichen Unfallversicherung
versicherte Tätigkeit darstelle. Das Verwandtschaftsverhältnis der Klägerin zur Geschädigten habe nicht im Vordergrund gestanden.
Entscheidend sei vielmehr die nachbarschaftliche Wohnsituation gewesen. Daraus ergebe sich aber nicht, dass die Übernahme
der Tierversorgung selbstverständlich gewesen sei.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Neuruppin vom 24. Januar 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 13. Januar 2004 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2004 aufzuheben und festzustellen, dass die Beigeladene am 28. Juli
2003 einen Arbeitsunfall erlitten habe.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf den Inhalt ihrer Bescheide und trägt ergänzend vor, die Klägerin könne bereits kein berechtigtes Feststellungsinteresse
im Sinne des §
109 SGB VII geltend machen. Denn um Feststellungen der Beklagten zu den Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls erreichen zu können, müsse
sie zumindest nachvollziehbar und schlüssig darlegen, dass ihre Haftung der Beigeladenen gegenüber überhaupt in Betracht komme.
Vorliegend bestehe kaum ein Zweifel, dass die Haftung der Klägerin nach §
833 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) ausgeschlossen sei. Folglich könne die Beklagte schon grundsätzlich nicht verpflichtet sein, gegebenenfalls umfangreiche
Ermittlungen zum Vorliegen eines Versicherungsfalles anzustellen, auf die es rechtlich im Ergebnis nicht ankomme. Der Frage
komme erhebliche praktische Bedeutung zu, da Haftpflichtversicherungen vermehrt dazu übergingen, Unfälle bei Gefälligkeitshandlungen
als berufsgenossenschaftlich versicherte Unfälle so genannter "Wie-Beschäftigter" geltend zu machen.
Mit Beschluss vom 07. Juli 2006 hat das Landessozialgericht die Geschädigte beigeladen. In der nichtöffentlichen Sitzung vom
25. August 2006 hat es die Klägerin und die Beigeladene ausführlich angehört. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift
verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Sachdarstellung und der Rechtsausführung wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der
Beklagten und auf die Gerichtsakten Bezug genommen. Diese haben im Termin vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin war als unbegründet zurückzuweisen, da das Sozialgericht zu Recht entschieden hat, dass
die Beigeladene keinen versicherten Arbeitsunfall erlitten hat, der zu einer Haftungsprivilegierung der Klägerin nach §
104 SGB VII führen könnte.
Nach §
109 SGB VII können statt des Berechtigten auch Personen, deren Haftung nach §§
104 bis
107 SGB VII beschränkt ist, Feststellungen nach §
108 SGB VII beantragen. Nach §
108 Abs.
1 SGB VII ist ein Gericht, das über Ersatzansprüche der in den §§
104 bis
107 SGB VII genannten Art zu entscheiden hat, an eine unanfechtbare Entscheidung nach dem
SGB VII oder nach dem
SGG in der jeweils geltenden Fassung gebunden, soweit es darum geht, ob ein Versicherungsfall vorliegt, in welchem Umfang Leistungen
zu erbringen sind und ob der Unfallversicherungsträger zuständig ist. Antragsberechtigt sind damit Personen, deren Haftung
möglicherweise nach §§
104 bis
107 SGB VII beschränkt ist und die tatsächlich in Anspruch genommen werden.
Danach kann die Klägerin ein berechtigtes Feststellungsinteresse im Sinne des §
109 SGB VII geltend machen, da durch den von der Beigeladenen ausgefüllten Anspruchstellerfragebogen an die Haftversicherung der Klägerin
ausreichend deutlich zum Ausdruck kommt, dass die Beigeladene die Klägerin wegen der Folgen des Ereignisses vom 28. Juli 2003
in Anspruch nehmen will. Dabei ist es ausreichend, dass der tatsächlich geltend gemachte Anspruch möglich erscheint. Nicht
erforderlich ist es, dass der Antragsteller im Sinne des §
109 SGB VII zur Begründung seines Feststellungsinteresses der Beklagten gegenüber schlüssig darlegt, dass er zivilrechtlich mit Aussicht
auf Erfolg in Anspruch genommen werden könnte, wenn nicht seine Haftungsprivilegierung durch die Beklagte festgestellt werde.
Dies muss schon deshalb gelten, weil der Antragsteller anderenfalls gezwungen wäre, seinem Gegner im Zivilprozess eine schlüssige
Klagebegründung zu liefern, von der dieser, im hiesigen Prozess die Beigeladene, Kenntnis durch Akteneinsicht bei der Beklagten
nehmen könnte.
Die Frage nach einem berechtigten Feststellungsinteresse als Sonderfall des Rechtsschutzbedürfnisses betrifft zudem die Zulässigkeit
der Geltendmachung des Anspruchs auf Feststellung eines Arbeitsunfalls und nicht die Frage nach der Begründetheit dieses Begehrens.
Deshalb ist es gerechtfertigt, wie auch sonst bei der Prüfung der Klagebefugnis eines Klägers, im Rahmen der Zulässigkeitsvoraussetzungen
die Möglichkeit einer Rechtsverletzung bzw. die Möglichkeit des Bestehens eines Anspruchs ausreichen zu lassen (vgl. zur Möglichkeitstheorie:
Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, Kommentar, 9. Auflage, §
54 Rn. 9 m. w. N.). Klagebefugnis besteht danach, wenn die Möglichkeit einer Rechtsverletzung bejaht werden kann. Dem entsprechend
muss hier ein berechtigtes Festsstellungsinteresse angenommen werden, wenn die Möglichkeit von Schadensersatzforderungen besteht.
Etwas anderes kann nur für Fallgestaltungen gelten, in denen Schadensersatzforderungen geltend gemacht werden, die offensichtlich
im Rechtsleben nicht normiert sind. Zwar reicht die bloße Möglichkeit einer Inanspruchnahme nicht (Schmitt,
SGB VII, Kommentar, 9. Auflage, Rn. 3,4, m. w. N.), bei einer tatsächlichen Inanspruchnahme kann aber das Feststellungsinteresse
nicht mit Hinweis auf die angebliche Erfolglosigkeit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen verneint werden. Die
Möglichkeit eines Anspruchs der Beigeladenen gegen die Klägerin nach §
833 BGB besteht hier schon deshalb, weil die Frage der Haltereigenschaft bzw. der menschlichen Leitung des Hundes (vgl. z. B. zur
funktionalen Interpretation des Tierhalterbegriffs und zum Problem der menschlichen Leitung als Versagungsgrund: Wagner in
Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Schuldrecht, Besonderer Teil III, §§ 705-853, § 833 Rn. 11 ff und 20 ff)
gegebenenfalls erst nach Beweisaufnahme im Zivilprozess durch mehrere Instanzen abschließend beurteilt werden kann. Dies ist
nicht Aufgabe der Sozialverwaltungsbehörden oder der Sozialgerichte. Sinn und Zweck der §§
104 ff
SGB VII ist es, die Einwendung der Haftungsprivilegierung bereits zu Beginn des Zivilprozesses geltend machen zu können. Deshalb
haben die Zivilgerichte den bei ihnen anhängigen Rechtsstreit auszusetzen (§
108 SGB VII).
Von den geltend gemachten Ansprüchen der Beigeladenden abgesehen ergibt sich das Feststellungsinteresse auch durch die Inanspruchnahme
der Klägerin durch die Krankenkasse der Beigeladenen, auch wenn dies die Haftung der Klägerin gegenüber der Beigeladenen voraussetzt.
Soweit die Beklagte wohl die Ernsthaftigkeit der Anspruchstellung der Beigeladenen bezweifelt, kann dies im Verhältnis zur
Krankenkasse nicht gelten.
Es liegt auch keine, wie das Sozialgericht wohl gemeint hat, bestandskräftige Entscheidung über die Ablehnung des Arbeitsunfalls
gegenüber der Beigeladenen vor. Denn der Bescheid wurde fristgemäß mit dem Widerspruch durch die Klägerin angefochten. Der
Bescheid vom 13. Januar 2004 enthält im Hinblick auf ihre Haftungsprivilegierung nach §
104 SGB VII belastende Feststellungen, so dass sie durch diesen Bescheid mit Drittwirkung beschwert ist. So hat bereits die Beklagte
den ablehnenden Bescheid vom 13. Januar 2004 auch an die Klägerin bzw. deren bevollmächtigte Haftpflichtversicherung zugestellt.
Im Übrigen würde ein Fristversäumnis, von dem das Sozialgericht wohl ausgegangen ist, nicht zu Lasten der Klägerin wirken
(vgl. §
109 Satz 2
SGB VII). Ein eigenes Verfahren hat die Beigeladene insoweit nicht betrieben. Weder hat sie einen Antrag bei der Beklagten gestellt
noch Widerspruch erhoben.
Zu Recht hat das Sozialgericht aber entschieden, dass ein Arbeitsunfall nicht vorliegt. Nach §
104 Abs.
1 Satz 1
SGB VII sind Unternehmer den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihrem Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung
begründenden Beziehung stehen, zum Ersatz des Personenschadens, den ein Versicherungsfall verursacht hat, nur verpflichtet,
wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich verursacht haben oder ein Wegeunfall vorliegt. Vorliegend steht zur Überzeugung
des Senats fest, dass die Beigeladene nicht als "Wie-Beschäftigte" nach §
2 Abs.
2 SGB VII für ein Unternehmen der Klägerin tätig geworden ist. Es fehlt nicht nur, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat,
an einer arbeitnehmerähnlichen Tätigkeit, sondern nach Auffassung des Senats darüber hinaus an einem Unternehmen, für dass
die Beigeladene hätte tätig werden können.
Der Unternehmerbegriff des
SGB VII ist nach §
136 Abs.
3 Nr.
1 SGB VII zwar außerordentlich weit gefasst, er umfasst jedoch nicht das bloße Halten eines Hundes zum rein privaten Vergnügen. Ein
Unternehmen im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung setzt eine planmäßige, für eine gewisse Dauer bestimmte Vielzahl
von Tätigkeiten voraus, die auf ein einheitliches Ziel gerichtet sind und mit einer gewissen Regelmäßigkeit ausgeübt werden.
Notwendig ist eine organisatorische Einheit, das heißt eine rechtliche, wirtschaftliche und soziale Einheit der wie auch immer
gearteten Organisation, an die keine hohen Anforderungen gestellt werden (vgl. Leube in Kater/Leube, gesetzliche Unfallversicherung,
SGB VII, §
136 Rdnr. 5; Streubel in LPK-
SGB VII, Schmitt, gesetzliche Unfallversicherung, Kommentar, 3. Auflage, §
136 Rdnr. 3, jeweils m. w. N. zur Rechtsprechung). Vorliegend ist eine planmäßige, für eine gewisse Dauer bestimmte Vielzahl
von Tätigkeiten, die auf ein bestimmtes Ziel gerichtet sind, nicht erkennbar. Denn vorliegend wurde lediglich der Schäferhund-Mischling
B zum Privatvergnügen seiner Besitzer gehalten. Es fehlt vorliegend an einem Ziel, irgendwelche wirtschaftlichen Aktivitäten,
und seien es solche ohne Gewinnstreben, im Hinblick auf das gehaltene Tier zu entfalten. Erschöpfen sich die Tätigkeiten aber
in der bloßen Haltung eines Tieres zum Privatvergnügen, so kann von einem Unternehmen nach Auffassung des Senats nicht mehr
die Rede sein. Die Haltung eines einzelnen Hundes kann nach Auffassung des Senats keine organisatorische Einheit im oben beschriebenen
Sinne darstellen. Es fehlt an einer rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Einheit. Zwar kann dann etwas anderes gelten,
wenn das Tier z. B. zur Zucht gehalten wird oder andere wirtschaftliche Zwecke (wie z. B. die Vermietung eines Tieres zu Auftritten
im Fernsehen etc.) verfolgt werden sollen. Etwas anderes gilt möglicherweise auch dann, wenn eine Vielzahl von Tieren gehalten
wird, so dass Art und Umfang der Haltung und die davon ausgehende Gefahr es rechtfertigen, die Tätigkeit unter den Schutz
der gesetzlichen Unfallversicherung zu stellen, wie das zum Beispiel bei der Führung eines Haushalts der Fall ist. In einem
solchen Fall der Tierhaltung mag das private Interesse am Hobby "Haustier" in den Hintergrund treten und ein Unternehmen noch
deshalb zu bejahen sein, weil ähnliche Tätigkeiten, wie z. B. eine Hundezucht, auch im gewerblichen Bereich mit Gewinnerzielungsabsicht
vorkommen können, aber letztere im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung keine Rolle spielt (vgl. z. B. BSG, Urteil vom
12. März 1981, Az.: 11 RLw 2/80).Eine solche Fallgestaltung ist hier jedoch nicht gegeben. Soweit die Beklagte das Füttern und Tränken des Tieres dem Haushalt
der Klägerin zugerechnet hat, der insoweit als Unternehmen anzusehen wäre, kann dem der Senat nicht folgen, da die Beigeladene
hier nicht den Haushalt betreuen sollte, sondern allein das zum Privatvergnügen gehaltene Tier füttern und tränken sollte.
Aber selbst wenn der Senat den Begriff des Unternehmens vorliegend nicht einschränkend auslegen würde, sondern bereits das
Halten eines einzelnen Tieres zum rein privaten Vergnügen als das Betreiben eines Unternehmens ansehen würde, hätte die Berufung
keinen Erfolg, da das Sozialgericht zu Recht ausgeführt hat, dass eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit nicht vorgelegen hat.
Denn abzugrenzen ist das arbeitnehmerähnliche Verhältnis, also die dem Arbeitsvertrag ähnliche Gestaltung, gegen andere mögliche
nicht versicherte Gestaltungen. Insoweit kommt zum einen in Betracht die unternehmerähnliche Tätigkeit, z. B. auch als Werkunternehmer,
zum anderen die rein mitgliedschaftliche Tätigkeit z. B. im Rahmen des Vereinsrechts, aber auch die nachbarschaftlich oder
verwandtschaftlich motivierte Hilfe.
Die Abgrenzung der versicherten arbeitnehmerähnlichen Tätigkeit gegen unversicherte Formen der Hilfeleistung richtet sich
nach folgenden Kriterien. Grundsätzlich setzt Arbeitnehmerähnlichkeit voraus, dass die Tätigkeit sonst von Personen verrichtet
werden könnte, die dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugerechnet werden können. Dieses Kriterium allein führt aber nicht weiter,
wenn dieselben Tätigkeiten auf dem Markt auch als Dienst- oder Werkleistung angeboten werden, also genau so gut eine unternehmerähnliche
Ausführung in Betracht kommt.
Spielen zusätzlich verwandtschaftliche Beziehungen eine Rolle, schließt dies Versicherungsschutz zwar nicht von vornherein
aus. Je enger aber die verwandtschaftlichen Beziehungen sind, um so mehr sind familiär geprägte Gefälligkeitsdienste anzunehmen
(BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 20). Zu berücksichtigen sind die gesamten Umstände des Einzelfalles, insbesondere Art, Dauer und
Umfang der Tätigkeit. Auch kann berücksichtigt werden, ob es sich um eine geradezu typische Arbeitnehmertätigkeit handelt.
Auch nachbarschaftliche Beziehungen schließen den Versicherungsschutz nicht aus. Unversichert sind Tätigkeiten aber dann,
wenn sie sich aufgrund sozialer Beziehungen als selbstverständliche Hilfe darstellen und deshalb typisch und erwartbar sind.
(zum Ganzen Leube in Kater/Leube, Gesetzliche Unfallversicherung,
SGB VII §
2 Rn 431 ff; Urteil des BSG vom 15. Dezember 1977 Az.: 8 RU 42/77, zum Ausführen eines Hundes des Mieters als Nebenpflicht des Vermieters).
Nach dem Ergebnis der Einvernahme der Klägerin und der Beigeladenen im Termin vom 25. August 2007 steht zur Überzeugung des
Senats fest, dass die Tätigkeit nicht arbeitnehmerähnlich geprägt war, sondern ihr Gepräge durch die verwandtschaftlichen
und insbesondere auch die nachbarschaftlichen Beziehungen der Klägerin und der Beigeladenen erhielt. So haben beide übereinstimmend
ausgeführt, dass Hilfeleistungen gegenseitig üblich und selbstverständlich sind. So überbringt beispielsweise die Klägerin
regelmäßig Küchenabfälle an die Beigeladene, die damit ihre Kaninchen füttert. Die Beigeladene hat außerdem ausgeführt, dass
sie früher schon des Öfteren den kleineren Hund der Klägerin in Urlaubszeiten betreut hat. Ein solches Vorgehen war offenbar
aus nachbarschaftlichen und verwandtschaftlichen Gründen üblich, wobei hier nicht zu entscheiden ist, ob die eine oder andere
Variante vorrangig war. Denn sowohl die nachbarschaftlich motivierte als auch die verwandtschaftlich geprägte Hilfeleistung
sind in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht versichert. Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass die Klägerin für
die hier streitbefangene Tätigkeit der Betreuung des Schäferhund-Mischlings B eine Betreuungsperson hätte anstellen können.
Genauso gut hätte sie aber auch einen anderen Unternehmer, der zum Beispiel eine Tierpension betreibt, mit der Betreuung beauftragen
können. Daraus erhellt sich, dass allein der Umstand, dass die unfallbringende Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
vorkommt, noch nicht bedeutet, dass sie in jedem Fall nach §
2 Abs.
2 SGB VII versichert ist.
Vorliegend steht für den Senat fest, dass angesichts des geringen Umfangs der Tätigkeit von etwa 5 Minuten pro Tag (die Stunde
Auslaufzeit hätte die Beigeladene für eigene Dinge verwenden können) diese ohne Weiteres den Tätigkeiten zuzurechnen ist,
die bei guter nachbarschaftlicher Beziehung und einem, wenn auch entfernteren, Verwandtschaftsverhältnis üblicher Weise noch
erbracht werden. Die Richtigkeit dieser Erwägung zeigt sich für den Senat auch darin, dass nach dem Biss der Bruder der Klägerin
offenbar versucht hat, den Schäferhund-Mischling wieder einzufangen, was ihm allerdings nicht gelungen ist. Auch hierin zeigt
sich, dass diese Hilfeleistungen ihre Motivation gerade in dem nachbarschaftlichen und verwandtschaftlichen Zusammenleben
haben, denn der Bruder der Klägerin wollte bei dem Versuch, den Hund wieder einzufangen, sicher nicht als Arbeitnehmer tätig
werden, sondern seiner Schwester Hilfe leisten. Alles andere wäre wirklichkeitsfremd. Die Selbstverständlichkeit der Hilfeleistung
zwischen Klägerin und Beigeladener dokumentiert sich auch durch die oben genannten mehr oder weniger regelmäßig erbrachten
Hilfeleistungen, die beide bei der Befragung durch die Beklagte vom 1. Oktober 2003 als üblich bezeichnet haben. Das verwandtschaftliche
und nachbarschaftliche Vertrauen zeigt sich darüber hinaus auch darin, dass die Beigeladene den Schlüssel für das Haus der
Klägerin regelmäßig in Verwahrung hielt.
Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Entscheidung des OLG Stuttgart beziehen. Zum einen hätte das OLG Stuttgart
die zitierte Entscheidung gar nicht treffen dürfen, da das Gericht nach §
108 Abs.
2 SGB VII gezwungen ist, das zivilrechtliche Verfahren auszusetzen, bis eine unanfechtbare Entscheidung der Sozialverwaltungsbehörden
bzw. der Sozialgerichte vorliegt. Eine eigene Entscheidungskompetenz zur Beantwortung der sich stellenden Rechtsfrage hatte
das OLG Stuttgart nicht. Darüber hinaus fehlt der Entscheidung an der ausschlaggebenden Stelle die Begründung. Denn das OLG
Stuttgart hat nicht einen Satz zu der entscheidungserheblichen Frage ausgeführt, warum es zwischen Nachbarn und Bekannten
nicht üblich sein soll, einen Hund kurzzeitig auszuführen, wenn der Eigentümer verhindert ist. Gerade an dieser Stelle stellt
sich aber die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zwischen einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis und den o. g. nicht versicherten
Gestaltungsformen eines möglichen Tätigwerdens.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §
193 Sozialgerichtsgesetz (
SGG). Denn zum privilegierten Kreis der Leistungsempfänger im Sinne des §
183 SGG gehören z. B. auch Arbeitgeber und Prozessstandschafter, die die Feststellung eines Anspruchs des Leistungsberechtigten betreiben.
Diese Fallgestaltung betrifft den hier einschlägigen §
109 SGB VII. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob die Klägerin obsiegt hat. Denn die Gleichstellung mit dem privilegierten Personenkreis
besteht nach §
183 Satz 3
SGG auch für den Personenkreis, der im Falle des Obsiegens privilegiert wäre. Die Frage des Obsiegens spielt für die Frage der
Kostenprivilegierung keine Rolle (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, Kommentar, 9. Auflage, §
183 Rdnr. 9).
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG nicht vorliegen, da der Senat sich bei der Beurteilung eines arbeitnehmerähnlichen Verhältnisses im Rahmen der ständigen
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gehalten hat.