Rückforderung von Leistungen der häuslichen Behandlungspflege bei Erbringung durch nicht qualifiziertes Personal des Leistungserbringers
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin als Betreiberin des privaten Krankenpflegedienstes X von der Beklagten eine
Vergütung in Höhe von 20.538,84 EUR für in der Zeit von Februar 2003 bis April 2003 erbrachte Leistungen der Behandlungspflege
zurückfordern kann. Mit diesem von der ihr geltend gemachten Erstattungsanspruch rechnete die Rechtsvorgängerin der Beklagten
(im Folgenden nur noch als Beklagte bezeichnet) gegen Vergütungsansprüche der Klägerin, die dieser unstreitig für erbrachte
Leistungen der häuslichen Krankenpflege entstanden waren, auf.
Am 06.07.1995 schlossen die Klägerin und eine weitere Rechtsvorgängerin der Beklagten einen für den hier streitigen Zeitraum
noch maßgeblichen Vertrag über die Versorgung mit häuslicher Krankenpflege gemäß §
132 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) in der Fassung des Gesetzes zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit vom 26.05.1994 (BGBl. I S. 1014) - seit 01.07.1997 durch §
132 a SGB V ersetzt. Der sich anschließende Vertrag vom 01.07.2003 trat mit Wirkung vom selben Tage in Kraft. Im Vertrag vom 06.07.1995
(im Folgenden: der Rahmenvertrag) heißt es unter anderem: "§ 1 Gegenstand des Rahmenvertrages (1) Dieser Vertrag regelt Inhalt,
Umfang, Vergütung und Qualität der Leistungen sowie Prüfung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der Leistungen für a) häusliche
Krankenpflege (Behandlungspflege, Grundpflege, hauswirtschaftliche Versorgung) gemäß §
37 Abs.
1 SGB V, b) häusliche Krankenpflege (Behandlungspflege) gemäß §
37 Abs.
2 Satz 1
SGB V ... §
4 Qualität der Leistungen und Qualitätsanforderungen (1) Der Leistungserbringer ist verpflichtet, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
nur für Tätigkeiten und Leistungen einzusetzen, für die sie durch entsprechende Ausbildung qualifiziert sind. Der Leistungserbringer
übernimmt die Gewähr für die sachgerechte Durchführung der Leistungen. (2) Häusliche Krankenpflege nach §
37 SGB V wird durch geeignete Pflegekräfte erbracht. Geeignete Pflegekräfte sind für a) Behandlungspflege Krankenschwestern/-pfleger
sowie Kinderkrankenschwestern/-pfleger. (Hervorhebung nicht im Original) b) Grundpflege Krankenschwestern/-pfleger sowie Kinderkrankenschwestern/-pfleger
sowie Altenhelfer. Bestimmte Aufgaben der Grundpflege können auch auf Kranken- und Altenpflegehelfer/innen, Haus- und Familienpflegerinnen
und Dorfhelferinnen mit staatlicher Anerkennung delegiert werden ... § 8 Vergütung (1) Die Vergütung der erbrachten Leistungen
richtet sich nach einer Vergütungsvereinbarung (Anlage 2) ... § 9 Abrechnung der Leistungen (1) Der Leistungserbringer rechnet
monatlich nach Ende des Einsatzes, spätestens nach Ablauf eines Kalendervierteljahres mit der AOK Leipzig ab. (3) Die Krankenkasse
überweist den Rechnungsbetrag innerhalb von 28 Tagen nach Eingang der Rechnung. Spätere Rechnungsberichtigungen bleiben vorbehalten.
§ 10 Beanstandung, Verjährung (1) Beanstandungen müssen von der AOK Leipzig innerhalb von 12 Monaten nach Rechnungseingang
erhoben werden ...
§ 13 Vertragsverstöße (1) Werden von einem Vertragspartner die vertraglichen Pflichten nicht beachtet oder handelt er entgegen
den Bestimmungen dieses Vertrages, kann von ihm Abhilfe bzw. Unterlassung verlangt werden. Der andere Vertragspartner hat
diese Verstöße schriftlich zu benennen. Schadenersatzansprüche der Vertragspartner bleiben davon unberührt ... § 15 Inkrafttreten
und Kündigung (1) Der Vertrag tritt am 1. September 1995 in Kraft. Er wird auf unbestimmte Zeit geschlossen und kann schriftlich
mit einer Frist von drei Monaten zum Quartalsende gekündigt werden. (2) Die Anlage 2 (Vergütungsvereinbarung) kann unabhängig
von einer Kündigung des Rahmenvertrages zu den dort festgelegten Fristen gekündigt werden."
Mit an die Klägerin gerichtetem Schreiben vom 24.06.2002 kündigte die Beklagte diese Preisvereinbarung hilfsweise fristgemäß
zum 30.09.2002 für den Fall, dass die bereits im Schreiben vom 18.03.2002 dem "Arbeitgeber- und BerufsVerband Privater Pflege
e.V." (ABVP) gegenüber ausgesprochene Kündigung der Klägerin gegenüber unwirksam sei.
Mit Schreiben vom 26.09.2002 übersandte die Beklagte der Klägerin eine "Grundlage der Vergütung Häuslicher Krankenpflege,
Häuslicher Pflege und Haushaltshilfe gemäß §§
132,
132 a Abs.
2 SGB V". Bezüglich des Inhalts dieser Grundlage wird auf Blatt 154 bis 165 der Akte des Sächsischen Landessozialgerichts (LSG) verwiesen.
Außerdem führte die Beklagte in dem Schreiben vom 26.09.2002 aus:
"Aufgrund des Fehlens einer Vergütungsvereinbarung ab 01.10.2002 besteht die Situation fort, dass für den Zeitraum ab 01.10.2002
keine vertragliche Regelung zur Vergütung der erbrachten Leistungen mehr vorliegt.
Es ist sicher auch in Ihrem Interesse, dass diese Situation keine negativen Auswirkungen auf die Versorgungssituation der
Patienten hat. Um Ihnen eine Leistungserbringung zu unseren Lasten zu ermöglichen, sind ab 01.10.2002 befristet bis längstens
31.12.2002 auf der Grundlage der beiliegenden Leistungsbeschreibung sowie der Vergütungssystematik und den aufgeführten Preisen
die Leistungen zu erbringen und abzurechnen. Die [Beklagte] genehmigt und bezahlt in dieser Weise alle Leistungen, die ab
dem 01.10.2002 durch ihren Pflegedienst erbracht und bei der [Beklagten] zur Genehmigung vorgelegt werden."
Die von der Beklagten ursprünglich ausgesprochene Befristung bis 31.12.2002 wurde mehrfach verlängert und umfasste auch den
streitgegenständlichen Zeitraum von Februar 2003 bis April 2003. Für diese Monate führte die Beklagte eine Prüfung der Abrechnungsunterlagen
über die von der Klägerin erbrachte häusliche Krankenpflege durch. Prüfgegenstand war der Einsatz von nicht gemäß § 4 Abs.
2 Satz 2 Buchstabe a des Rahmenvertrages qualifizierten Pflegekräften in der Behandlungspflege. Dabei errechnete die Beklagte
zunächst einen Rückforderungsbetrag in Höhe von 20.530,99 EUR, den sie später auf 20.538,84 EUR korrigierte. Die Einzelheiten
der Überprüfung wurden zwischen den Beteiligten in einem Gespräch am 04.07.2003 erörtert. Aus den konträren Rechtsstandpunkten
ergab sich ein Schriftsatzwechsel. Mit Schreiben vom 28.09.2004 vertrat die Klägerin die Ansicht, die Rechtsprechung zum öffentlich-rechtlichen
Erstattungsanspruch im Zusammenhang mit der Leistungserbringung im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung dürfe nicht auf
die vorliegende Fallgestaltung übertragen werden. Maßgeblich sei hier allein § 13 des Rahmenvertrages. Für Schadensersatzansprüche
sei aber kein Raum, weil die Behandlungspflege ordnungsgemäß erbracht worden sei. Mit Schreiben vom 22.10.2004 kündigte die
Beklagte der Klägerin an, den Betrag von 20.538,84 EUR mit den Vergütungsansprüchen der Klägerin aus der häuslichen Krankenpflege
ab Oktober 2004 nach §
69 Satz 3
SGB V in Verbindung mit §§
387 ff.
Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) aufzurechnen, und zwar verteilt auf mindestens vier Abrechnungen.
Tatsächlich nahm die Beklagte die Aufrechnung gegen unstreitige Forderungen der Klägerin wie folgt vor:
November 2004: 4.025,49 EUR, Dezember 2004: 4.449,48 EUR, Januar 2005: 4.127,87 EUR, Februar 2005: 4.144,14 EUR, März 2005:
3.791,86 EUR.
Am 28.01.2005 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Leipzig (SG) erhoben. Sie hat vorgetragen, der Beklagten stehe keine Forderung zu, mit der sie aufrechnen könne. Deshalb habe die Klägerin
einen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte in Höhe der in Teilbeträgen aufgerechneten vermeintlichen Forderung der Beklagten.
Es werde bestritten, dass im Zeitraum von Februar von 2003 bis April 2003 in insgesamt 3.292 Fällen Leistungen der Behandlungspflege
durch nicht geeignete Pflegekräfte erbracht worden seien. Aufgrund des zwischen den Beteiligten bestehenden Rahmenvertrages
seien Bereicherungsansprüche ausgeschlossen.
Die Beklagte hat vorgetragen, sie habe im Abrechnungszeitraum von Februar 2003 bis April 2003 insgesamt 3.292 Fälle festgestellt,
in denen die Klägerin Leistungen der Behandlungspflege durch nicht geeignete Pflegekräfte erbracht habe. Die jeweiligen Vergütungen
für die durch nicht geeignete Pflegekräfte erbrachten Leistungen seien anhand der Leistungsabrechnungen konkret ermittelt
worden. Danach habe die Beklagte im Februar 2003 7.438,20 EUR, im März 2003 6.571,11 EUR und im April 2003 6.529,53 EUR -
insgesamt 20.538,84 EUR - für Leistungen gezahlt, die von nicht geeigneten Pflegekräften erbracht worden seien. Die zu Unrecht
erbrachten Vergütungen könne sie gemäß §
69 Satz 3
SGB V in Verbindung mit §
812 Abs.
1 Satz 1 Alternative 1
BGB zurückverlangen. Es komme nicht darauf an, ob nach den gesetzlichen Regelungen des
SGB V grundsätzlich Behandlungspflege durch andere Personen erbracht werden dürfe. Maßgeblich sei vorliegend allein die vertragliche
Verpflichtung.
Dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 20.538,84 EUR nebst Zinsen zu zahlen, hat das SG mit Urteil vom 08.06.2006 stattgegeben. Die Klage sei als echte Leistungsklage statthaft (§
54 Abs.
5 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), da die Beteiligten in einem Gleichordnungsverhältnis stünden. Die Klage sei auch begründet. Ein Anspruch der Beklagten
auf Aufrechnung mit weiteren Vergütungsansprüchen der Klägerin erweise sich unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt als unbegründet.
Die Beklagte habe keinen vertraglichen Anspruch auf Aufrechnung. Insbesondere folge ein solcher Anspruch nicht aus § 13 des
Rahmenvertrages, weil die Beklagte keinen Schadensersatz, sondern Aufrechnung geltend gemacht habe. Einem Anspruch der Beklagten
stehe auch § 11 Abs. 3 des Rahmenvertrages entgegen, wonach bei Qualitätsmängeln oder bei Unwirtschaftlichkeit (zunächst)
geeignete Maßnahmen zwischen der Klägerin und der Beklagten zu vereinbaren seien. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen für
eine Aufrechnung nicht vor. Denn die Aufrechnung sei ausgeschlossen, wenn die Eigenart des Schuldverhältnisses oder der Zweck
der geschuldeten Leistung die Aufrechnung als mit Treu und Glauben unvereinbar erscheinen lasse (§§
157,
242 BGB). Wenn für Vertragsverstöße ausdrücklich eine vertragliche Vereinbarung getroffen worden sei, "dürfte incidenter die einseitig
erklärte Aufrechnung stillschweigend ausgeschlossen sein". Deswegen sei auch für einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch
oder für Bereicherungsansprüche aus §
812 BGB kein Raum. Jedenfalls scheiterten aber sowohl ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch als auch ein Bereicherungsanspruch
an dem Umstand, dass der von der Klägerin geschuldete vertragliche Erfolg eingetreten sei. Denn der Medizinische Dienst der
Krankenversicherung (MDK) habe die Qualität der Maßnahmen nicht beanstandet. Schließlich fehle es an dem von der Beklagten
behaupteten Vertragsverstoß. Aus der Formulierung in § 4 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe a des Rahmenvertrages sei nicht zu schließen,
dass ausschließlich Krankenschwestern/-pfleger sowie Kinderkrankenschwestern/-pfleger für die Behandlungspflege hätten eingesetzt
werden dürfen. Selbst wenn unterstellt werde, dass die Qualifikationen der von der Beklagten beanstandeten Mitarbeiter der
Klägerin nicht vertragsgemäß seien und die Klägerin die Vergütung ohne entsprechende Gegenleistung durch qualifiziertes Personal
zu Unrecht erhalten habe, fehle es jedenfalls an einer wirtschaftlichen Schlechterstellung der Beklagten, weil die Klägerin
die vergütete Leistung beanstandungsfrei erbracht habe und die Beklagte insoweit Regressansprüchen ihrer Versicherten nicht
ausgesetzt (gewesen) sei. Aus der von der Beklagten in Bezug genommenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) folge
nichts anderes. Sie betreffe nicht das in §§
132 f.
SGB V geregelte Leistungserbringerrecht, sondern solche Leistungserbringer, die einer besonderen Zulassung bedürften, um tätig
zu werden. Diese Verfahren unterschieden sich von Sachverhalten der vorliegenden Art insofern, als für Pflegedienste kein
öffentlich-rechtliches Zulassungsverfahren vorausgesetzt werde.
Gegen das ihr am 26.07.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 22.08.2006 Berufung eingelegt. Die Beklagte trägt vor,
gegen die Auslegung von § 4 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe a des Rahmenvertrages durch das SG spreche bereits der systematische Aufbau des § 4 des Rahmenvertrages. Nach dessen § 4 Abs. 1 sei der Leistungserbringer verpflichtet, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nur für Tätigkeiten und Leistungen einzusetzen,
für die sie durch entsprechende Ausbildung qualifiziert seien. Anschließend werde in §
4 Abs.
2 Satz 1 des Rahmenvertrages für die häusliche Krankenpflege nach §
37 SGB V in Anlehnung an die gesetzliche Regelung festgelegt, dass die häusliche Krankenpflege durch geeignete Pflegekräfte zu erbringen
sei. In § 4 Abs. 2 Satz 2 des Rahmenvertrages werde dann konkret bestimmt, was die Vertragsparteien für die einzelnen Bestandteile
der häuslichen Krankenpflege (Behandlungspflege, Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung) unter geeigneten Pflegekräften
verstünden. § 4 Abs. 2 des Rahmenvertrages enthalte ein gestuftes Qualifikationsgefälle mit Bezug auf die konkret benannten
Berufsgruppen für die einzelnen Bereiche der häuslichen Krankenpflege. Eine Delegation auf Kranken- und Altenpflegerhelfer/innen,
Haus- und Familienpflegerinnen und Dorfhelferinnen mit staatlicher Anerkennung sei nur für bestimmte Aufgaben der Grundpflege
vorgesehen (§ 4 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe b des Rahmenvertrages). Daraus folge, dass Leistungen der Behandlungspflege nur durch
Krankenschwestern/-pfleger sowie Kinderkrankenschwestern/-pfleger zu erbringen seien. Die Klägerin habe jedoch Personen zur
Behandlungspflege eingesetzt, die nicht über die vertraglich vereinbarte formale Qualifikation verfügt hätten. Bei den von
der Klägerin erbrachten Leistungen handele es sich deshalb nicht um vertraglich vereinbarte, sondern um vertragsfremde Leistungen,
für deren Vergütung der Vertrag keine Vergütungsgrundlage darstelle. Als "geeignete Pflegekräfte" habe die Klägerin nur den
in § 4 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe a des Rahmenvertrages abschließend aufgezählten und entsprechend qualifizierten Personenkreis
einsetzen dürfen. Das BSG habe in seinem Urteil vom 21.11.2002 (B 3 KR 14/02 R - BSGE 90, 150 = SozR 3-2500 § 132 a Nr. 4) klargestellt, dass die Konkretisierung des Begriffes "geeignete Pflegekräfte" dem Verwaltungsvollzug
und der jeweiligen vertraglichen Regelung zwischen Krankenkasse und Leistungserbringer vorbehalten sei. Da der zwischen den
Beteiligten bestehende Rahmenvertrag keine Grundlage für die von der Klägerin durch minderqualifizierte Mitarbeiter erbrachten
Leistungen darstelle, gehe es im Hinblick auf die Rückzahlung der von der Beklagten gezahlten Vergütungen nicht um eine Abwicklung
innerhalb des Vertragsverhältnisses. Auch nach der Rechtsprechung des BSG verlange das Recht der Leistungserbringung, dass
Leistungen, die - gesetzlich und vertraglich vorgegebenen - bestimmten formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht entsprächen,
auch dann keinen Vergütungsanspruch auslösten, wenn diese Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht worden seien (Hinweis
auf BSG, Urteil vom 17.03.2005 - B 3 KR 2/05 R - BSGE 94, 213 Rn. 26 = SozR 4-5570 § 30 Nr. 1 Rn. 23). Denn wenn die rechtswidrig bewirkten Leistungen über einen Wertersatzanspruch aus
ungerechtfertigter Bereicherung im Ergebnis dennoch zu einer Vergütung führten, könnten die Bestimmungen des Leistungserbringungsrechts
über die Erfüllung bestimmter formaler und inhaltlicher Voraussetzungen der Leistungserbringung ihre Steuerungsfunktion nicht
erfüllen. Wegen der Besonderheiten des gesetzlichen Sachleistungsprinzips für den Leistungserbringer im Rahmen der gesetzlichen
Krankenversicherung fänden weitere zivilrechtlich denkbare Anspruchsgrundlagen (insbesondere Ansprüche aus Geschäftsführung
ohne Auftrag) ebenfalls keine Anwendung. Da die Klägerin somit keinen Vergütungsanspruch für die durch minderqualifiziertes
Personal erbrachten Leistungen gegen die Beklagte erworben habe, habe die Beklagte diese Leistungen zu Unrecht bezahlt, so
dass sie die gezahlte Vergütung von der Klägerin habe zurückverlangen und folglich - in entsprechender Anwendung der Aufrechnungsregelungen
des
BGB - mit künftigen Vergütungsansprüchen habe aufrechnen können. Dass eine ungerechtfertigt gezahlte Vergütung zu einem Erstattungsanspruch
des Kostenträgers führe, ergebe sich auch aus den Urteilen des BSG vom 12.05.2005 (B 3 KR 18/04 R - SozR 4-5565 § 14 Nr. 8) und vom 01.09.2005 (B 3 KR 34/04 R - SozR 4-2500 § 130 Nr. 1).
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 08. Juni 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und schließt sich in ihren Ausführungen den Argumenten des SG an. Nach wie vor werde bestritten, dass Leistungen der Behandlungspflege in insgesamt 3.292 Fällen im Abrechnungszeitraum
Februar 2003 bis April 2003 durch nicht im Sinne des Rahmenvertrages qualifizierte Pflegekräfte erbracht worden seien. Dies
betreffe die gesamte von der Beklagten aufgerechnete Rückforderung. Im Übrigen sehe auch §
115 Abs.
3 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB XI) für den Fall nicht qualitätsgerechter Leistungserbringung nur eine Kürzungsmöglichkeit für die Pflegevergütung vor. Ab dem
01.10. 2002 sei der Rahmenvertrag vom 06.07.1995 durch die "Grundlage der Vergütung Häuslicher Krankenpflege, Häuslicher Pflege
und Haushaltshilfe gemäß §§
132,
132 a Abs.
2 SGB V", welche die Beklagte mit Schreiben vom 07.12.2009 übersandt habe, abgelöst worden, obwohl der Berufsverband der Klägerin
entsprechende Verträge erst mit Wirkung vom 01.07.2003 abgeschlossen habe. Im Übrigen sei die Klägerin dadurch entreichert,
dass sie nach Erhalt der Vergütung diese noch im gleichen Monat an ihre Mitarbeiter ausbezahlt habe; sie könne sich somit
auf §
818 Abs.
3 BGB berufen.
Der Senat hat die Qualifikationsnachweise der von der Beklagten beanstandeten Mitarbeiter der Klägerin - Frau A., Frau B.,
Frau C., Frau D., Frau E., Frau F., Frau G., Frau H., Frau I., Frau J., Frau K. und Herrn L. - beigezogen.
Dem Senat haben die Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Wegen des weiteren Vorbringens der
Beteiligten wird hierauf verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
Das Urteil des SG ist zu Unrecht ergangen. Die Beklagte durfte die bereits gezahlte Vergütung von 20.538,84 EUR für die in der Zeit von Februar
2003 bis April 2003 durch nicht im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe a des Rahmenvertrages qualifiziertes Personal der
Klägerin erbrachten Leistungen der Behandlungspflege zurückfordern. Sie konnte daher in dieser Höhe den ab Oktober 2004 aus
Leistungen der Behandlungspflege entstandenen Vergütungsanspruch der Klägerin im Wege der Aufrechnung erfüllen. Der Vergütungsanspruch
der Klägerin ist insoweit erloschen.
I. Zu Recht hat das SG allerdings die isolierte Leistungsklage gemäß §
54 Abs.
5 SGG als zulässig angesehen. Da die Beteiligten in einem Gleichordnungsverhältnis stehen, durfte die Beklagte gegenüber der Klägerin
keinen Verwaltungsakt erlassen (vgl. BSG, Urteil vom 24.09.2002 - B 3 KR 2/02 R - SozR 3-2500 §
132 a Nr. 3 S. 8). Das Gleichordnungsverhältnis entstand durch den Rahmenvertrag nach §
132 SGB V (seit 01.01.1997: §
132 a SGB V). Seit dem 01.01.2000 ist die zwischen den Beteiligten bestehende Rechtsbeziehung jedenfalls dem öffentlich Recht unterworfen,
mithin trifft dies auch auf den Rückforderungsanspruch aus Zahlungen an die Klägerin für im Februar bis April 2003 erbrachte
Leistungen zu. Mit der Neufassung von §
69 SGB V durch Art. 1 Nr. 26 des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 vom 22.12.1999 (BGBl. I S. 2626) stellte der Gesetzgeber klar, dass die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und der Leistungserbringer in Zukunft insgesamt
nur noch nach öffentlichem Recht zu bewerten sind (BSG, Urteil vom 13.05.2004 - B 3 KR 2/03 R - SozR 4-2500 §
132 a Nr. 1 Rn. 6). Trotz dieser Gesetzesänderung blieben nach §
69 Satz 3
SGB V (ab 01.04.2007: §
69 Satz 4
SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.03.2007 - BGBl. I
S. 378) die Vorschriften des Zivilrechts weiterhin entsprechend anwendbar, soweit sie mit den Vorgaben des §
70 SGB V und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach dem Vierten Kapitel des
SGB V vereinbar sind.
II. Der Vergütungsanspruch der Klägerin ist infolge der von der Beklagten erfüllungshalber erklärten Aufrechnung erloschen.
Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung
gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung
bewirken kann (§
387 BGB i.V.m. §
69 Satz 4
SGB V). Die Aufrechnung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil. Die Erklärung ist unwirksam, wenn sie unter einer Bedingung
oder einer Zeitbestimmung abgegeben wird (§
388 BGB i.V.m. §
69 Satz 4
SGB V). Die Aufrechnung bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem
sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind (§
389 BGB i.V.m. §
69 Satz 4
SGB V). Eine Forderung, der eine Einrede entgegensteht, kann nicht aufgerechnet werden (§
390 BGB i.V.m. §
69 Satz 4
SGB V). Die Verjährung schließt die Aufrechnung nicht aus, wenn der Anspruch in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem erstmals
aufgerechnet werden konnte (§ 215 BGBi.V.m. §
69 Satz 4
SGB V).
Die Beklagte war danach berechtigt, die Vergütung für Leistungen der Behandlungspflege durch minderqualifizierte Mitarbeiter
der Klägerin für die Zeit von Februar bis April 2003 zurückzufordern (1.) und mit dieser Forderung gegen ab Oktober 2004 entstandene
Forderungen der Klägerin (2.) aufzurechnen; ein Aufrechnungsverbot bestand nicht (3.). Auch sonst sind die Voraussetzungen
für den Eintritt der Erfüllungswirkung gegeben (4.)
1. Das von der Beklagten geltend gemachte Rückforderungsbegehren findet seine Rechtsgrundlage im öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch.
Dieses aus den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Rechts hergeleitete Rechtsinstitut setzt voraus, dass im Rahmen eines
öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen
vorgenommen worden sind (BSG, Urteil vom 22.07.2004 - B 3 KR 21/03 R - BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137 c Nr. 2, jeweils Rn. 8). Ein öffentliches Rechtsverhältnis liegt hier vor (siehe I.). Im Rahmen des öffentlich-rechtlichen
Erstattungsanspruchs gelten ähnliche Grundsätze wie im Recht der ungerechtfertigten Bereicherung (§§
812 ff.
BGB), dem der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch zumindest insoweit vergleichbar ist, als beide Ansprüche als Ausdruck
eines althergebrachten Rechtsgrundsatzes dem Ausgleich einer rechtsgrundlosen Vermögensverschiebung dienen. Allerdings ist
auch im Zivilrecht nicht ausdrücklich geregelt, wann eine Bereicherung ungerechtfertigt ist. Es lässt sich deshalb keine einheitliche
Formel für das Vorliegen oder Fehlen eines die Vermögensverschiebung rechtfertigenden Grundes aufstellen. Allgemein anerkannt
ist jedoch, dass Leistungen zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit, die in Wirklichkeit nicht besteht, grundsätzlich
zurückgefordert werden können (BSG, Urteil vom 22.07.2004 - B 3 KR 21/03 R - BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137 c Nr. 2, jeweils Rn. 9).
So liegt es hier. Denn die Klägerin hat Leistungen der Behandlungspflege durch Personal erbracht, welches nicht über die in
§ 4 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe a des Rahmenvertrages vorausgesetzte Qualifikation verfügt. Ein vertraglicher Vergütungsanspruch
der Klägerin ist deshalb nicht entstanden. Die gegenteilige Auffassung des SG, die auf der Auslegung beruht, die Aufzählung in § 4 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe a des Rahmenvertrages sei nicht abschließend, hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
a) Die Auslegung von § 4 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe a des Rahmenvertrages durch das SG widerspricht bereits dem Wortlaut der Regelung. Es heißt dort, dass geeignete Pflegekräfte für die Behandlungspflege Krankenschwestern/pfleger
sowie Kinderkrankenschwestern/pfleger sind. Eine Öffnungsklausel, die durch Formulierungen wie "insbesondere" oder "vor allem"
gekennzeichnet ist, enthält § 4 Abs. 2 des Rahmenvertrages gerade nicht.
Das Ergebnis der Wortlautauslegung wird durch die systematische Auslegung von § 4 Abs. 2 Satz 2 des Rahmenvertrages bestätigt.
Denn unter dem dortigen Buchstaben b wird geregelt, welche Pflegekräfte für die Erbringung der Grundpflege geeignet sind.
Ausdrücklich erwähnt wird, dass bestimmte Aufgaben der Grundpflege auf Kranken- und Altenpflegehelfer/innen, Haus- und Familienpflegerinnen
und Dorfhelferinnen mit staatlicher Anerkennung delegiert werden können. Eine solche Delegationsmöglichkeit ist in § 4 Abs.
2 Satz 2 Buchstabe a des Rahmenvertrages jedoch nicht vorgesehen. Da es die Vertragsparteien für notwendig erachtet haben,
bei der weniger qualifizierte Anforderungen stellenden Grundpflege ausdrücklich hervorzuheben, dass auch Pflegekräfte eingesetzt
werden dürfen, die über eine geringere berufliche Qualifikation als die der Krankenschwestern/pfleger oder der Kinderkrankenschwestern/pfleger
verfügen, müsste umso mehr eine Klarstellung dahin erfolgen, wenn es darum geht, die Erfüllung qualifizierter Anforderungen,
wie sie sich aus der Behandlungspflege ergeben, durch weniger qualifiziertes Personal zu erlauben. Da dies nicht der Fall
ist, lässt dies nur den Schluss zu, dass die Vertragsparteien nur Krankenschwestern/pfleger sowie Kinderkrankenschwestern/pfleger
im Bereich der Behandlungspflege als geeignete Pflegekräfte angesehen haben.
Über diese von § 4 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe a des Rahmenvertrages geforderten Qualifikationen haben die von der Klägerin zur
Behandlungspflege eingesetzten und von der Beklagten beanstandeten Mitarbeiter (Frau A. [Pflegehilfskraft bzw. Fachkraft für
häusliche und mobile Pflege], Frau B. [Pflegehilfskraft], Frau C. [Pflegehilfskraft bzw. Fachkraft für ambulante Pflege],
Frau D. [Pflegehilfskraft], Frau E. [Pflegehilfskraft], Frau F. [Kinderpflegerin], Frau G. [Zahnarzthelferin und Pflegehilfskraft],
Frau H. [Pflegehilfskraft bzw. Fachkraft für mobile und häusliche Pflege], Frau I. [Sozialassistentin und Pflegehilfskraft],
Frau J. [Kinderpflegerin], Frau K. [Pflegehilfskraft], Frau M. [Pflegehilfskraft], Frau N. [Pflegehilfskraft] und Herr L.
[Sozialassistent und Pflegehilfskraft]) im streitgegenständlichen Zeitraum aber nicht verfügt.
b) Der Wirksamkeit der Regelung des § 4 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe a des Rahmenvertrages im streitgegenständlichen Zeitraum steht
nicht entgegen, dass die Beklagte die Vergütungsvereinbarung in Anlage 2 des Rahmenvertrages vom 06.07.1995 unter Einhaltung
der maßgeblichen Kündigungsfrist spätestens mit Schreiben vom 24.06.2002 wirksam gekündigt hat. Denn dadurch blieb die Fortgeltung
des Rahmenvertrages vom 06.07.1995 nach Maßgabe der Kündigungsregelung in dessen § 15 Abs. 2 in Verbindung mit Anlage 2 unberührt,
und es ist nur im Hinblick auf die Vergütung von Leistungen zur Behandlungspflege ein vertragsloser Zustand eingetreten. Dies
ergibt sich explizit aus Anlage 2 zum Rahmenvertrag vom 06.07.1995. Dort heißt es: "Diese Vereinbarung kann unabhängig vom
Versorgungsvertrag mit einer Frist von 3 Monaten zum Monatsende, frühestens zum 31.12.2005 gekündigt werden." Eine entsprechende
Bestimmung findet sich in § 15 Abs. 2 des Rahmenvertrages.
c) Nichts anderes folgt aus der bisher ergangenen Rechtsprechung des BSG zur Problematik der Vergütung von Leistungserbringern
durch die Krankenkassen ohne vertragliche Grundlage.
aa) In den vom BSG entschiedenen Leistungserbringerstreitigkeiten ging es - anders als im vorliegenden Fall - um die Vergütung
von Leistungen, deren ordnungsgemäße Erbringung zwischen den Beteiligten nicht streitig war (BSG, Urteil vom 25.09.2001 -
B 3 KR 15/00 R - SozR 3-2500 § 132 a Nr. 1 S. 1 f., Urteil vom 13.05.2004 - B 3 KR 2/03 R - SozR 4-2500 § 132 a Nr. 1 Rn. 2; Beschluss vom 27.07.2005 - B 3 KR 21/05 B - juris Rn. 1). Streitig war dort lediglich die Höhe der von der beklagten Krankenkasse für die erbrachten Leistungen zu
zahlenden Vergütung.
Nach dieser Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 25.09.2001 - B 3 KR 15/00 R - SozR 3-2500 § 132 a Nr. 1 S. 3 ff.; Urteil vom 13.05.2004 - B 3 KR 2/03 R - SozR 4-2500 § 132 a Nr. 1 Rn. 8 ff.; BSG, Beschluss vom 27.07.2005 - B 3 KR 21/05 B - juris Rn. 7) kommt in Fällen ordnungsgemäßer Leistungserbringung ohne vertragliche Vergütungsregelung zwar keine Fortgeltung
der bisherigen gekündigten Vergütungsregelung in Betracht, ebenso wenig die Einräumung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts
nach §
315 BGB auf Seiten der Krankenkasse, aber auch kein einseitiges Preisbestimmungsrecht auf Seiten des Leistungserbringers gemäß §
316 BGB. Denn andernfalls würde die ursprüngliche und kündbare Vergütungsregelung zwischen den Vertragspartnern unterlaufen. Da der
Gesetzgeber in §
132 a Abs.
2 Satz 1
SGB V kein gemeinsames und einheitliches Handeln der verschiedenen Kassen, sondern gesonderte Vertragsabschlüsse vorsieht, kann
auch nicht - da es an einer taxmäßigen Vergütungsordnung fehlt - von einer üblichen Vergütung im Sinne von §
612 Abs.
2 BGB ausgegangen werden. Der Heranziehung des Grundsatzes der Protestatio facto contraria dürfte regelmäßig an dem Umstand scheitern,
dass im Fall der Weiterbehandlung durch den Leistungserbringer unter ausdrücklicher Ablehnung der Annahme neuer Preisangebote
der Krankenkasse diese nach Treu und Glauben nicht davon ausgehen darf, der Leistungserbringer habe die neuen Preisangebote
durch die Weiterbehandlung konkludent angenommen. Jedoch soll dem Leistungserbringer nach der Rechtsprechung des BSG in diesen
Fällen ein Anspruch aus §
812 Abs.
1, §
818 Abs.
2 BGB zustehen. Die Krankenkasse soll zum Wertersatz in Höhe des objektiven Verkehrswertes der erbrachten Leistungen verpflichtet
sein. Voraussetzung dafür ist aber, dass das Tätigwerden des Leistungserbringers die Krankenkasse von Verbindlichkeiten befreit,
die aus den jeweiligen Sachleistungsansprüchen der Versicherten (§
2 Abs.
2 SGB V) auf Gewährung von Leistungen der ambulanten häuslichen Krankenpflege (§
37 SGB V) resultieren.
bb) Ein Wertersatz gemäß §
818 Abs.
2 BGB ist nach der Rechtsprechung des BSG aber dann ausgeschlossen, wenn sich aus Gründen der Sicherstellung ordnungsgemäßer Leistungserbringung
ein Vorteilsausgleich zwischen Krankenkasse und Leistungserbringer verbietet. In diesen Fällen können weder die Regelungen
zur Geschäftsführung ohne Auftrag noch diejenigen der §§
812 ff.
BGB zur Anwendung kommen. Hierzu hat das BSG in Bezug auf die besonderen Erfordernisse des auf der vertragsärztlichen Verordnung
basierenden Versorgungssystems ausgeführt (BSG, Beschluss vom 17.05.2000 - B 3 KR 19/99 B - juris Rn. 5):
"Bestimmungen, die die Vergütung ärztlicher oder sonstiger Leistungen von der Erfüllung bestimmter formaler und inhaltlicher
Voraussetzungen abhängig machen, haben innerhalb dieses Systems die Funktion zu gewährleisten, dass sich die Leistungserbringung
nach den für die (vertragsärztliche) Versorgung geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen vollzieht. Das wird
dadurch erreicht, dass dem Arzt oder sonstigen Leistungserbringer für Leistungen, die er unter Verstoß gegen derartige Vorschriften
bewirkt, auch dann keine Vergütung zusteht, wenn diese Leistungen im übrigen ordnungsgemäß erbracht sind. Ihre Steuerungsaufgabe
könnten die genannten Regelungen nicht erfüllen, wenn der Arzt oder der mit ihm zusammenarbeitende nichtärztliche Leistungserbringer
die gesetz- oder vertragswidrig bewirkten Leistungen über einen Wertersatzanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung oder
einen Aufwendungsersatzanspruch aus GoA im Ergebnis dennoch vergütet bekäme."
Schon zuvor hatte das BSG entschieden, dass dem Zahnarzt für unter Verstoß gegen das Gebot der persönlichen Leistungserbringung
vorgenommene Behandlungen keine Vergütung zusteht (BSG, Urteil vom 18.12.1996 - 6 RKa 66/95 - BSGE 80, 1, 3 f. = SozR 3-5545 § 19 Nr. 2 m.w.N.). Unabhängig von ihrer tatsächlichen Qualität gelten Leistungen, die von zahnärztlichem
Hilfspersonal außerhalb des Rahmens einer zulässigen Delegation selbständig ausgeführt wurden, als in der kassen- bzw. vertragszahnärztlichen
Versorgung nicht ordnungsgemäß erbracht und sind deshalb nicht zu vergüten. Werden solche Leistungen von der Krankenkasse
bezahlt, erwächst ihr ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch. In derartigen Fällen ist der Bereicherungseinwand ausgeschlossen.
Auch in seinem Urteil vom 17.03.2005 (B 3 KR 2/05 R - BSGE 94, 213 Rn. 26 = SozR 4-5570 § 30 Nr. 1 Rn. 23) hat das BSG unter Hinweis auf die oben erwähnte Steuerungsfunktion der Bestimmungen
des Leistungserbringungsrechts über die Erfüllung bestimmter formaler oder inhaltlicher Voraussetzungen der Leistungserbringung
ausgeführt:
"Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG zum Vertragsarztrecht und zum Leistungsrecht der GKV haben Bestimmungen, die die
Vergütung ärztlicher oder sonstiger Leistungen von der Erfüllung bestimmter formaler oder inhaltlicher Voraussetzungen abhängig
machen, innerhalb dieses Systems die Funktion zu gewährleisten, dass sich die Leistungserbringung nach dem für diese Art der
Versorgung geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen vollzieht. Das wird dadurch erreicht, dass dem Vertragsarzt,
dem Apotheker oder den sonstigen Leistungserbringern für Leistungen, die unter Verstoß gegen derartige Vorschriften bewirkt
werden, auch dann keine Vergütung zusteht, wenn diese Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht worden und - wie hier -
für den Versicherten geeignet und nützlich sind." (Hervorhebungen durch den Senat)
Die Versagung einer Vorteilsausgleichung soll nach der Rechtsprechung des BSG aber nur dann zum Zuge kommen, wenn zwingende
Gründe die Einhaltung von formalen und inhaltlichen Voraussetzungen erfordern, weil sonst die Funktionsfähigkeit des Systems
der Leistungserbringung infrage gestellt würde. Dabei geht es vor allem um die Einhaltung von Vorschriften, die die Qualität
der Leistungserbringung sichern und deren Überprüfung erleichtern sollen. Dagegen soll bei Vorschriften, denen eine reine
Ordnungsfunktion zukommt, kein Grund bestehen, dem Leistungserbringer eine Entschädigung auf bereicherungsrechtlicher Grundlage
zu versagen (BSG, Urteil vom 28.02.2007 - B 3 KR 15/06 R - SozR 4-2500 § 39 Nr. 7 Rn. 17 m.w.N.).
cc) Entgegen der Auffassung der Klägerseite ist auch dem § 4 Abs. 2 Satz 2 des Rahmenvertrages eine wesentliche Steuerungsfunktion
zu entnehmen, so dass insoweit auch hinsichtlich der Leistungserbringung durch die Klägerin eine dem System der vertragsärztlichen
Versorgung vergleichbare Situation gegeben ist.
Dies wird besonders deutlich, wenn auf die einzelnen Maßnahmen der Behandlungspflege abgestellt wird. In Anlage 1 zu dem Rahmenvertrag
(Blatt 94 bis 101 der Akte des Sächsischen LSG) wird unter Nr. 2 geregelt, welche Aufgaben zum Bereich der Behandlungspflege
gehören. Hierzu gehören unter bestimmten Voraussetzungen z. B. die Verabreichung von Medikamenten, deren Applikation spezieller
medizinischer Kenntnisse bedarf (2.1), ferner die Überwachung der Medikamente, deren Wirkung nach der Applikation medizinische
Kontrolle erfordert (2.2), die Versorgung von Wunden (2.3) das Anlegen von Kompressionsverbänden (2.4), die Katheterisierung
einschließlich Spülung (2.5), die Durchführung von Einlauf/Darmentleerung (2.6), Dekubitusversorgung/-behandlung (2.7), Blutdruckkontrolle,
Blutzuckerkontrolle, Gewichtskontrolle zur verordneten Flüssigkeitsbilanzierung, Pulskontrolle bei Komplikationen - insbesondere
bei Herzschrittmacherträgern - (2.8), der Wechsel und die Pflege der Magensonde (2.9), die Vornahme der Bronchialtoilette/Trachealkanülenpflege
(2.11), der Stomaversorgung (2.13).
Die Aufzählung der Aufgaben der Behandlungspflege macht deutlich, dass deren ordnungsgemäße Durchführung besondere Fachkenntnisse
voraussetzt, die von Hilfskräften ohne entsprechende Qualifikation nicht in allen Fällen erwartet werden können. Die zum Teil
lebenserhaltende Bedeutung ist evident. Genauso wie eine ärztliche Leistung im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung nur
von einem Arzt vertragsgemäß erbracht werden kann, kam auch für die Klägerin die vertragsgemäße Erbringung von Leistungen
der Behandlungspflege nur durch Pflegefachkräfte in Betracht, die über die § 4 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe a des Rahmenvertrages
genannten Qualifikationen verfügten. Die Leistungserbringung durch Hilfskräfte stellt insoweit ein Aliud dar. Denn als professionelle
Anbieterin hatte sie mit der Beklagten für den Bereich der Behandlungspflege eine nach §
132 Abs.
1 Satz 2
SGB V (in der Fassung bis 30.06.1997) bzw. nach §
132 a Abs.
2 SGB V vertraglich zulässige konkretisierende Begriffsbestimmung der "geeigneten Pflegekräfte" im Sinne von §
37 Abs. 1 Satz 1 SGBV vorgenommen, an der sie sich festhalten lassen muss. In einem vergleichbaren Fall hat das BSG ausdrücklich
betont, dass die "Anforderungen eines Versorgungsvertrages für einen Pflegedienst, der sämtliche Bereiche der häuslichen Krankenpflege
nach den §§
132 a Abs.
2 Satz 1,
37 SGB V einschließlich aller Aufgaben der (`großen`) Behandlungspflege, abdecken will, ... wegen der dabei häufig - insbesondere
bei der Pflege schwer kranker, älterer Personen - auftretenden gesundheitlichen Gefahren hoch anzusetzen" sind (BSG, Urteil
vom 21.11.2002 - B 3 KR 14/02 R - BSGE 90, 150, 155 f. = SozR 3-2500 § 132a Nr. 4). Für die "große" Behandlungspflege kämen deshalb nur Krankenpfleger/-schwestern, Kinderkrankenpfleger/-schwestern
und Altenpfleger/-innen in Betracht (BSG, aaO. S. 156). Der Verwaltungsvollzug solle nicht mit Prüfungs- und Ermittlungsaufgaben
darüber belastet werden, ob im Einzelfall hinreichende Kenntnisse und Erfahrungen außerhalb der geregelten Berufsausbildung
erworben worden seien (BSG, aaO. S. 157). Angesichts dessen kann keine Rede davon sein, dass § 4 Abs. 2 Satz 2 des Rahmenvertrages
nur eine formale Ordnungsfunktion erfüllt.
dd) Aus denselben Gründen kann sich die Klägerin auch nicht gemäß §
818 Abs.
3 BGB darauf berufen, sie sei durch die Gehaltszahlungen entreichert.
d) Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch beträgt auch der Höhe nach zumindest die bereits gezahlte Vergütung von 20.538,84
EUR. Die Beklagte hat den von ihr aufgerechneten Gesamtbetrag der Höhe nach in ihren Unterlagen (Blatt 68 bis 91 der Verwaltungsakte
der Beklagten) nachvollziehbar dokumentiert und im Ergebnis zutreffend berechnet. Nach ausführlicher Überprüfung sind für
den Senat insoweit keine Rechenfehler ersichtlich.
2. Die Klägerin hatte in den Monaten, in denen mit Teilbeträgen des Erstattungsanspruchs aufgerechnet wurde, folgende Forderungen
aufgrund ihrer erbrachten Leistungen gegen die Beklagte erworben: für Oktober 2004 in Höhe von 7.614,81 EUR für November 2004
in Höhe von 9.846,48 EUR für Dezember 2004 in Höhe von 11.175,26 EUR für Januar 2005 in Höhe von 6.622,77 EUR für Februar
2005 in Höhe von 9.905,28 EUR.
Mit diesen Forderungen durfte die Beklagte in Teilbeträgen von 4.025,49 EUR, 4.449,48 EUR, 4.127,87 EUR, 4.144,14 EUR und
3.791,86 EUR aufrechnen.
3. Die Aufrechnung war auch nicht - wie das SG meint - gemäß § 13 des Rahmenvertrages ausgeschlossen. Denn die Erstattungsforderung, mit welcher die Beklagte aufgerechnet hat, resultiert
nicht aus diesem Vertrag, sondern aus Leistungen, die die Klägerin ohne vertragliche Grundlage erbracht hat.
Der Beklagten war es schließlich unbenommen, gegen spätere Rechnungen mit Rückzahlungsansprüchen aufzurechnen (BSG, Urteil
vom 22.07.2004 - B 3 KR 21/03 R - BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr. 2; jeweils Rn. 28). Insbesondere greift kein gesetzliches Aufrechnungsverbot im Sinne von §
390 BGB ein. Da der Erstattungsanspruch der Beklagten zum Zeitpunkt der Aufrechnung in Anlehnung an §
45 Erstes Buch Sozialgesetzbuch auch nicht verjährt war, findet auch §
215 BGB keine Anwendung (siehe zu dieser Frage BSG, aaO. Rn. 29).
4. Gleichartigkeit und Gegenseitigkeit der Forderungen sind zu bejahen. Durch die Erklärung der Aufrechnung mit ihrem Erstattungsanspruch
durch die Schreiben vom 26.11.2004, 15.12.2004, 21.01.2005, 21.02.2005 und 15.03.2005 hat die Beklagte auch bewirkt, dass
die Forderungen der Klägerin für ab Oktober 2004 erbrachte Leistungen in Höhe von 20.538,84 EUR als erloschen gelten.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197 a Abs.
1 Satz 1
SGG in Verbindung mit §
155 Abs.
1 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §
197 a Abs.
1 Satz 1
SGG in Verbindung mit § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) bestehen nicht.