Tatbestand
Im Streit sind ein Anspruch auf Vergütung wegen vollstationärer Krankenhausbehandlung und dabei die Fragen der Kodierung der
Hauptdiagnose sowie der Verweildauer.
Der am xxxxx 2009 geborene, bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte K.A. (im Folgenden: Versicherter) befand sich
in der Zeit vom 5. bis 7. März 2014 in stationärer Behandlung in einem von der Klägerin betriebenen, gemäß §
108 des
Fünften Buches Sozialgesetzbuch (
SGB V) zugelassenen Hamburger Krankenhaus. Die Verordnung von Krankenhausbehandlung war durch den Facharzt für Phoniatrie und Pädaudiologie
Dr. G. unter dem 30. Januar 2014 und Nennung der Diagnosen Tonsillenhyperplasie (unphysiologische Vergrößerung der Mandeln),
rezidivierender Paukenerguss sowie Rhonchopathie (Schnarchstörung) bei AEV (allgemeiner Entwicklungsverzögerung) erfolgt.
Unter dem Punkt „Fragestellung/Hinweis“ war hinzugefügt worden: „erbitte Tonsillotomie“ (operative Teilentfernung der Gaumenmandeln),
„ggf. AT“ (Adenotomie, Entfernung der Rachenmandeln), „ggf. Paukendrainage“ (Einlegen eines Paukenröhrchens durch das Trommelfell
ins Mittelohr).
Im Aufnahmebogen vom 20. Februar 2014 hieß es zur Anamnese: Schnarchen mit Mundatmung und Atemaussetzern, keine OPs (Operationen),
keine Medikamente. Als Diagnose wurde ein kindliches obstruktives Schlafapnoesyndrom (OSAS) festgehalten, nachdem die Beantwortung
der Fragen des Formulars zur Erfassung schlafbezogener Atmungsstörungen bei Kindern („OSA-18-Quality of Life Survey“ mit Fragenkomplexen
zu Schlafstörungen, körperlichen Symptomen, psychischen Beschwerden, Beschwerden am Tage sowie eigenen Befürchtungen; im Folgenden:
OSA-18-Fragebogen) durch die Eltern des Versicherten eine Gesamtzahl der Punkte von 89 (fehlerhaft zu 90 Punkten addiert)
ergeben hatte. Nach dem sog. „Severity-Score“ ist das Vorliegen eines OSAS bei einem Wert von unter 60 von möglichen 126 Punkten
wenig wahrscheinlich, bei einem solchen von 61 bis 80 möglich und bei einem solchen von mehr als 80 sehr wahrscheinlich.
Die ursprünglich für den 26. Februar 2014 geplante OP wurde wegen eines grippalen Infekts des Versicherten auf den 5. März
2014 verschoben. Laut Bericht des Operateurs Dr. S. erfolgten bei den angegebenen Diagnosen Tonsillenhyperplasie, chronische
muköse Otitis media und Hyperplasie der Rachenmandel eine Tonsillektomie partiell, transoral, eine Parazentese (Myringotomie
<Trommelfellschnitt>) mit Einlegen einer Paukendrainage sowie eine Adenotomie.
Im Entlassungsbericht nannte der Chefarzt der Abteilung für Hals-Nasen-Ohren-(HNO)Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie Prof.
Dr. V. die Diagnosen kindliche Schlafapnoe, Tonsillenhyperplasie beidseits, adenoide Vegetationen (Hyperplasie der Rachenmandel)
und Mukotympanon (zähflüssig-schleimiger Paukenerguss) beidseits.
Die Klägerin stellte der Beklagten für den Krankenhausaufenthalt 3105,40 Euro in Rechnung (Rechnung vom 11. März 2014, Rechnungsstellung
per Datenträgeraustausch am selben Tag). Dabei legte die Klägerin die Fallpauschale (Diagnosis Related Group <DRG>) E07Z (Eingriffe
bei Schlafapnoesyndrom) mit einem Kostengewicht von 0,937 sowie mehrere näher bezeichnete Zuschläge einschließlich eines solchen
für eine medizinisch begründete Begleitperson zugrunde. Als Hauptdiagnose nach ICD-10-GM (Internationale statistische Klassifikation
der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision, German Modification) verschlüsselte die Klägerin die G47.31
(obstruktives Schlafapnoe-Syndrom), als Nebendiagnosen die J35.1 (Hyperplasie der Gaumenmandeln), J35.2 (Hyperplasie der Rachenmandel),
H65.3 (chronische muköse Otitis Media) und J35.3 (Hyperplasie der Gaumenmandeln mit Hyperplasie der Rachenmandel).
Die Beklagte bezahlte die Rechnung zunächst vollständig, beauftragte jedoch den damaligen Medizinischen Dienst der Krankenversicherung
(MDK, jetzt und im Folgenden: Medizinischer Dienst <MD>) mit der Prüfung des Falles im Hinblick auf die Notwendigkeit und
Dauer der stationären Behandlung sowie die Kodierung der Hauptdiagnose.
Unter dem 22. Juli 2014 kam die MD-Gutachterin H. zu dem Ergebnis, dass als Hauptdiagnose die J35.3 (Hyperplasie der Gaumenmandeln
mit Hyperplasie der Rachenmandel) zu kodieren sei. Des Weiteren sei die Verweildauer um einen Tag zu kürzen. Zur Begründung
führte sie aus, dass eine ausführliche Diagnostik zur Diagnostik eines OSAS nicht nachvollziehbar sei. Ein alleiniger Fragebogen
sei nicht ausreichend. Die Entscheidung zur stationären Aufnahme und Überwachung für eine Nacht könne medizinisch nachvollzogen
werden. Die Notwendigkeit einer weiteren Überwachung über Nacht sei aus den vorliegenden Unterlagen nicht zu ersehen. Abzurechnen
sie die DRG D30B (Tonsillektomie außer bei bösartiger Neubildung oder verschiedener Eingriffe an Ohr, Nase, Mund und Hals
ohne äußerst schwere CC, ohne aufwändigen Eingriff, ohne komplexe Diagnose) mit einem Kostengewicht von 0,405.
Nachdem die Klägerin dem Gutachtenergebnis widersprochen hatte und eine Schlichtung gescheitert war, rechnete die Beklagte
am 12. August 2014 einen Betrag in Höhe von 1664,54 Euro mit anderen unstreitigen und fälligen Forderungen der Klägerin für
Behandlungskosten auf.
Daraufhin hat die Klägerin am 21. Juli 2015 beim Sozialgericht (SG) Hamburg Klage erhoben und von der Beklagten die Zahlung des verrechneten Betrags nebst Zinsen in Höhe von 5% seit dem 12.
August 2014 begehrt.
Sie hat sich auf die Kodierempfehlung Nr. 57 der Sozialmedizinischen Expertengruppe des MD „Vergütung und Abrechnung“ (SEG
4) gestützt, wonach bei der operativen Versorgung von an Schlafapnoe erkrankten Patienten nicht der pathophysiologische Befund,
sondern die Schlafapnoe-Erkrankung als Hauptdiagnose anzugeben sei, sofern mit der operativen Versorgung die Beseitigung der
Schlafapnoe intendiert und Anlass der stationären Aufnahme gewesen sei. Dies sei hier der Fall gewesen. Unter Berücksichtigung
der Befunde und insbesondere auch des bei der Diagnostik schlafbezogener Atmungsstörungen bei Kindern gebräuchlichen OSA-18-Fragebogens
dürfte unstreitig sein, dass der Versicherte unter einem OSAS gelitten habe. Im Übrigen wäre die G47.31 selbst für den unterstellten
Fall, dass es sich lediglich um eine Verdachtsdiagnose gehandelt hätte, als Hauptdiagnose zu kodieren gewesen, weil in Bezug
auf diese eine Behandlung eingeleitet und durchgeführt worden sei (Hinweis auf die Deutschen Kodierrichtlinien <DKR> Version
2014, D008b). Des Weiteren hätte sich die Verkürzung der Behandlungsdauer als grober Behandlungsfehler dargestellt. Im Verlaufsbericht
sei am 6. März 2014 vermerkt worden, dass das Kind unter Schmerzen beim Schlucken leide, sodass die postoperative Überwachung
unter stationären Bedingungen noch zwingend angezeigt gewesen sei.
Die Beklagte ist dem unter Bezugnahme auf das MD-Gutachten entgegengetreten. Wie die Klägerin selber in ihrer Stellungnahme
schreibe, mache die Auswertung des Fragebogens ein OSAS wahrscheinlich. Den vorliegenden Unterlagen sei jedoch nicht zu entnehmen,
dass eine weitergehende Abklärung zur Sicherung der Diagnose erfolgt sei. Es handele sich bei dem Fragebogen um ein Screening-Instrument
und keinesfalls um ein Instrument zur Sicherung der Diagnosestellung. In der von der Klägerin zitierten SEG-4-Kodierempfehlung
Nr. 57 werde von einer gesicherten Diagnose Schlafapnoesyndrom ausgegangen, was hier eindeutig nicht der Fall gewesen sei.
Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass es sich vorliegend um einen auslaufenden Streit handele, weil die im Raum stehenden
alternativen Hauptdiagnosen seit 2017 in dieselbe DRG führten.
Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens von dem Facharzt für HNO-Heilkunde Dr.
K. zu der Frage, unter welchen Erkrankungen der Versicherte bei Krankenhausaufnahme gelitten habe, ob das Krankenhaus zu Recht
als Hauptdiagnose das obstruktive Schlafapnoe-Syndrom kodiert habe oder ob die Hyperplasie der Gaumenmandeln mit Hyperplasie
der Rachenmandel als Hauptdiagnose zu verschlüsseln gewesen wäre und ob die stationäre Behandlung bereits am 6. März 2014
hätte beendet werden können.
Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 11. Februar 2016 ausgeführt, dass zum Aufnahmezeitpunkt neben einer adenotonsillären
Hyperplasie, mukösen Paukenergüssen beidseits und dem Verdacht auf allgemeine Entwicklungsverzögerung ein hochgradiger Verdacht
auf ein kindliches OSAS bestanden habe. In der HNO-Heilkunde und in der Allgemeinmedizin bestehe bei der Diagnostik des bei
etwa 3% aller Kleinkinder auftretenden OSAS in der internationalen Literatur ein pragmatischer Ansatz, der darin begründet
sei, dass der polysomnografische Goldstandard (d. h. Diagnosebestätigung mittels ganznächtiger, auf Kinder spezialisierter
Schlaflaboruntersuchung) mit hohen personellen und finanziellen Aufwendungen einhergehe und nicht in der Fläche verfügbar
sei. Die durchgeführte Lebensqualitätserhebung OSA-18 stelle zwar kein abschließendes diagnostisches Kriterium für das Vorliegen
eines kindlichen OSAS dar, könne aber als Indiz für das Vorliegen einer solchen Erkrankung gesehen werden, insbesondere wenn
– wie vorliegend – hohe Scoring-Punkte erreicht würden. Entscheidendes anamnestisch-diagnostisches Unterscheidungskriterium
bilde die Anamnese von beobachteten Atemaussetzern, die es vorliegend gegeben habe. Wäre die Anamnese nicht richtungsweisend
für nächtliche Atemaussetzer gewesen, wäre auch keinerlei Indikation zur Tonsillotomie gestellt worden.
Nach den DKR (D002) solle nicht der pathophysiologische Befund, sondern die Grunderkrankung als Hauptdiagnose angegeben werden,
wenn die Grunderkrankung während des stationären Aufenthalts behandelt worden sei. Die Hyperplasie der Tonsille sei als Symptom
zu verstehen. Symptome würden nur als Hauptdiagnose verschlüsselt, wenn die Grunderkrankung nicht behandelt werde. Als Hauptdiagnose
sei daher das OSAS zu kodieren, wie es auch die „semioffizielle“ SEG-4-Kodierempfehlung Nr. 57 intendiere. Mit Bezug auf die
Verweildauer hat der Sachverständige darauf verwiesen, dass am Folgetag der Operation, am 6. März 2014, eine verminderte Trinkmenge
des Kindes angegeben worden sei. Typischerweise träten infolge von Verkleinerung der Gaumenmandeln lokale Wundschmerzen auf,
insbesondere bei entwicklungsverzögerten Kindern könne dies zur Einschränkung der Nahrungsaufnahme und der Trinkmenge führen.
Eine weitere Überwachung und symptomatische Schmerztherapie sei daher angezeigt gewesen. Bei der Visite am 7. März 2014 seien
Lokalbefund und Verhalten des Kindes soweit unauffällig gewesen, sodass eine Entlassung möglich gewesen sei.
Die Beklagte hat sich dem unter Bezugnahme auf ein weiteres von ihr eingeholtes MD-Gutachten nicht anzuschließen vermocht.
Dr. G1 hat unter dem 28. Juni 2016 gemeint, zur Diagnosestellung eines kindlichen OSAS sei eine polysomnografische Untersuchung
notwendig. Das von Dr. K. geschilderte pragmatische Vorgehen von HNO-Ärzten rechtfertige es nicht, eine nicht gestellte Diagnose
– somit letztlich nur eine Verdachtsdiagnose – als Hauptdiagnose im DRG-System zu kodieren. Eine Polysomnographie sei bei
dem Patienten nicht durchgeführt worden. Die Kodier-Richtlinie D008b besage, dass Untersuchungen Voraussetzung zur Kodierbarkeit
einer Verdachtsdiagnose seien. Diese seien aber bei dem Versicherten nicht erfolgt. Somit scheide die G47.3 als Verdachtsdiagnose
aus. Dr. G1 hat Dr. K. auch insoweit widersprochen, als sie eine Verweildauer über den 6. März 2014 hinaus aus den Unterlagen
für nicht begründbar gehalten hat. Darin finde sich kein Hinweis auf eine der ärztlichen Anordnung entsprechende Kontrolle
der Trinkmenge. Infusionen habe der Versicherte nicht benötigt. Auch die vom Pflegepersonal angegebenen Schmerzen ließen sich
unter dem Aspekt, dass die Schmerzerfassung über das VAS-System am 6. März 2014 einen Wert von „lediglich“ 2 bei einer maximalen
Schmerzintensität von 10 gezeigt habe. Schließlich habe der Versicherte keinerlei Schmerzmedikamente benötigt.
Die Beklagte hat zur Stützung ihrer Argumentation zudem ein Gutachten des HNO-Arztes Dr. L. vom 22. Dezember 2016 nebst ergänzender
Stellungnahme vom 6. April 2007 aus einem anderen Verfahren vor dem SG Hamburg, einen Aufsatz von Yvonne Fischer und Silke
Gronau („Identifikation und Evaluation der kindlichen Schlafapnoe vor Adenotonsillektomie anhand evaluierter Fragebögen“,
Laryngo-Rhino-Otol 2005, 84, 1-15) sowie einen Aufsatz von Pablo E. Brockmann („Diagnostik, Differenzialdiagnostik und Therapiemöglichkeiten
von obstruktiver Schlafapnoe“, Kinderärztliche Praxis 85, 18-24) überreicht.
Die Klägerin wiederum hat zur Stützung ihrer Argumentation sechs weitere HNO-ärztliche Gutachten aus anderen Verfahren vor
dem SG Hamburg (Prof. Dr. T., Dr. S1, Dr. A., Dr. S2, Dr. W., Prof. Dr. K1 und Prof. Dr. D.) überreicht. Alle Sachverständigen
kämen zu dem Ergebnis, dass als Hauptdiagnose ein obstruktives Schlafapnoesyndrom korrekt gewählt worden sei. Der OSA-18-Fragebogen
habe als relevanter Anamnesebogen entscheidende Bedeutung.
Am 19. September 2018 hat das SG über die Klage mündlich verhandelt, ein weiteres Gutachten aus einem Parallelverfahren eingeführt (Dr. H1 und die Sache zur
letztlich erfolglosen Auslotung von Vergleichsmöglichkeiten unter Einbeziehung weiterer Rechtsstreite vertagt.
Schließlich hat es über die Klage mit Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden (§
124 Abs.
2 des
Sozialgerichtsgesetzes <SGG>) und diese mit Urteil vom 12. Juni 2019 abgewiesen.
Die von der Klägerin erhobene (echte) Leistungsklage (§
54 Abs.
5 SGG) sei im hier bestehenden Gleichordnungsverhältnis zulässig (Hinweis auf Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 8. November
2011 – B 1 KR 8/11 R, juris-Rn. 8), aber unbegründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 1664,54 Euro. Der ursprünglich
entstandene Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Vergütung der Krankenhausbehandlungsleistungen aus anderen Behandlungsfällen
(dazu 1.) sei dadurch in Höhe von 1664,54 Euro erloschen, dass die Beklagte wirksam mit ihrem Erstattungsanspruch wegen Überzahlung
der Vergütung für die hier streitige Krankenhausbehandlung des Versicherten aufgerechnet habe. Der Klägerin habe wegen der
stationären Behandlung des Versicherten neben dem von der Beklagten gezahlten Betrag von 1440,86 Euro kein weitergehender
Vergütungsanspruch und damit auch kein Zinsanspruch zugestanden (dazu 2.).
1. Zwischen den Beteiligten stehe außer Streit, dass der Klägerin aus anderen Behandlungsfällen zunächst ein Anspruch auf
die abgerechnete Vergütung in Höhe von 1664,54 Euro zugestanden habe, so dass sich insoweit eine nähere Prüfung des erkennenden
Gerichts erübrige (zur Zulässigkeit dieses Vorgehens Hinweis auf BSG, Urteil vom 1. Juli 2014 – B 1 KR 2/15 R, juris-Rn. 9 m.w.N.).
2. Die anderweitigen Vergütungsansprüche für Krankenhausbehandlung seien jedoch dadurch erloschen, dass die Beklagte wirksam
mit ihrem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung der Versicherten
analog §
387 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs (
BGB) die Aufrechnung erklärt habe (zur entsprechenden Anwendung auf überzahlte Krankenhausvergütung Hinweis auf BSG, Urteil vom 8. November 2011 – B 1 KR 8/11 R, juris-Rn. 9 f.). Die Vergütungsansprüche der Klägerin und der von der Beklagten aufgerechnete öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch
seien gegenseitig und gleichartig, der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch fällig und die Vergütungsansprüche der Klägerin
erfüllbar gewesen. Die Voraussetzungen des Gegenanspruchs aus öffentlich-rechtlicher Erstattung in Höhe von 1664,54 Euro seien
erfüllt gewesen. Die Beklagte habe Erstattung in Höhe von 1664,54 Euro beanspruchen können, weil die von ihr bezahlte Rechnung
über die Behandlung des Versicherten jedenfalls um diesen Betrag überhöht und die Vergütung für die Behandlung des Versicherten
insoweit rechtsgrundlos erfolgt gewesen sei.
Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs sei §
109 Abs.
4 S. 3 i.V.m. §
39 Abs.
1 S. 2
SGB V, § 17b des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) und § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG) in Verbindung mit der hier maßgeblichen Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2014
(Fallpauschalenvereinbarung 2014 <FPV>) sowie dem am 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Vertrag Allgemeine Bedingungen Krankenhausbehandlung
vom 19. Dezember 2002 zwischen der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft e.V. und u.a. der Beklagten (Vertrag nach §
112 SGB V). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG entstehe die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme
einer Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt werde und im Sinne
des §
39 Abs.
1 S. 2
SGB V erforderlich sei (Hinweis auf BSG, Urteil vom 16. Mai 2012 – B 3 KR 14/11 R, juris). Beides sei hier für einen Behandlungstag unstreitig der Fall.
Die Klägerin habe hiernach Anspruch auf Vergütung der stationären Krankenhausbehandlung unter Zugrundelegung der DRG D30B
gehabt. Als Hauptdiagnose sei nicht ein OSAS (G47.31), sondern eine Hyperplasie der Gaumenmandeln mit Hyperplasie der Rachenmandeln
(J35.3) zu kodieren gewesen.
Nach der DKR D002f sei Hauptdiagnose die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt worden sei, die hauptsächlich
für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes verantwortlich sei. Zur Überzeugung des Gerichts stehe fest,
dass hier die Hauptdiagnose J35.3 (Hyperplasie der Gaumenmandel mit Hyperplasie der Rachenmandel) sei. Dies ergebe sich für
die Kammer aus den plausiblen und stichhaltigen Darlegungen in den Gutachten des MD. Zugrunde liegende Ursache der Beschwerden
des Versicherten wie rezidivierende Paukenergüsse seien die Tonsillen- und Rachenmandelhyperplasie gewesen. Bereits in der
Verordnung von Krankenhausbehandlung durch Dr. G. seien eine Tonsillotomie und Paukendrainage wegen Tonsillenhyperplasie erbeten
worden. Zwar nenne er auch eine Rhonchopathie (Schnarchen) als Diagnose, Atemaussetzer seien damit jedoch nicht belegt. Intraoperativ
habe Dr. S. allein die Diagnosen Tonsillenhyperplasie, chronische muköse Otitis media und Hyperplasie der Rachenmandel bestätigt.
Eine ausführliche Diagnostik zur Diagnosestellung eines OSAS sei nicht durchgeführt worden, insbesondere keine Polysomnografie.
Der von den Eltern ausgefüllte Fragebogen sei aus Sicht der Kammer kein geeignetes und valides Instrument für die sichere
Diagnosestellung der OSAS beim Kind. Neben der Abfrage von nächtlichen Atempausen werde dort auch nach zappeligem Verhalten
und Problemen, die Disziplin zu halten, gefragt. Des Weiteren sollten die Eltern ihre eigenen „Befürchtungen“ und „Sorgen“
um die Gesundheit ihres Kindes generell angeben, sowie, ob sie ein frustrierendes „Gefühl“ gehabt hätten. Die Kammer halte
das Konsensuspapier der Arbeitsgruppe Pädiatrie der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) aus
2012 für überzeugend, wonach eine Polysomnografie diagnostischer Goldstandard bei den schlafbezogenen Atmungsstörungen sei.
Dem Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. K. folge die Kammer nicht. Seine Schlussfolgerung sei für die
Kammer nicht schlüssig. Er bejahe die Kodierung der Hauptdiagnose OSAS aufgrund der Tatsache, dass aus pragmatischen Erwägungen
heraus bei Kindern von einer polysomnografischen Untersuchung abgesehen werde und stütze sich dabei auf die Kodierempfehlung
Nr. 57 der Selbstverwaltungsorgane (SEG 4). Der Verzicht auf Untersuchungen bei der Behandlung von Kindern aus pragmatischen
Erwägungen möge im Einzelfall sinnvoll sein, könne aus Sicht der Kammer aber nicht dazu führen, dass die DKR D002f hinfällig
werde. Die Kodierempfehlung Nr. 57 („Bei der operativen Versorgung von an Schlafapnoe erkrankten Patienten ist nicht der pathophysiologische
Befund (z.B. J34.2 Nasenseptumdeviation), sondern die Schlafapnoe-Erkrankung (ein Kode aus G47.3- Schlafapnoe) als Hauptdiagnose
anzugeben, sofern mit der operativen Versorgung die Beseitigung der Schlafapnoe intendiert ist und diese der Anlass der stationären
Aufnahme war“) setze zudem zum einen – wie die Beklagte zu Recht ausführe – die Feststellung der Diagnose Schlafapnoe voraus.
Dies sei vorliegend nicht der Fall. Zum anderen aber sei entgegen den Ausführungen des Sachverständigen Dr. K. die Beseitigung
der Schlafapnoe mit der operativen Versorgung nicht intendiert und diese nicht Anlass der stationären Aufnahme gewesen. Anlass
seien – wie sich aus der Patientenakte der Klägerin (z.B. Befund vom 9. Januar 2014, S. 18) ergebe – vielmehr die bereits
genannten rezidivierenden Paukenergüsse bei bereits bestehender Sprachentwicklungsstörung gewesen. Intention der operativen
Versorgung mit Parazentese, Tonsillektomie und Adenotomie sei die adäquate Belüftung des Mittelohrs gewesen, um weitere Mittelohrentzündungen
und Hörminderungen zu vermeiden.
Auch als Verdachtsdiagnose sei ein OSAS nicht zu kodieren gewesen. Verdachtsdiagnosen seien Diagnosen, die am Ende eines stationären
Aufenthaltes weder sicher bestätigt noch sicher ausgeschlossen seien (DKR D008b). Wenn eine Behandlung eingeleitet worden
sei und die Untersuchungsergebnisse nicht eindeutig gewesen seien, sei die Verdachtsdiagnose zu kodieren. Voraussetzung sei,
dass im Hinblick auf die Verdachtsdiagnose Untersuchungen vorgenommen worden seien. Dies sei – wie oben bereits ausgeführt
– nicht der Fall gewesen.
Schließlich sei die stationäre Behandlung für einen Behandlungstag erforderlich gewesen. Im Hinblick auf den zweiten Behandlungstag
liege eine sekundäre Fehlbelegung vor. Auch hier folge die Kammer den für sie überzeugenden Ausführungen in den Gutachten
des MD. Dr. G1 führe in ihrem Gutachten nachvollziehbar aus, dass sich aufgrund der beschriebenen Verlaufsdokumentation und
des Zustands des Kindes die Überwachung für eine weitere Nacht nicht begründen lasse. Es hätten keine Blutung und kein Koagel
bestanden. Soweit der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr. K. eine weitere Überwachung für angezeigt halte, weil lokale
Wundschmerzen zu einer verminderten Trinkmenge und Einschränkung der Nahrungsaufnahme führten, halte die Kammer dies nicht
für überzeugend. Denn in der Patientenakte finde sich sowohl der Eintrag vom Pflegepersonal, der Versicherte trinke und esse
ausreichend (5.3.), als auch der Eintrag „Trinken ↓“ (6.3.). Es fänden sich weder Angaben zur tatsächlichen Trinkmenge noch
ein Hinweis darauf, dass die Trinkmenge kontrolliert worden sei noch Anhaltspunkte dafür, dass sie behandlungsbedürftige Ausmaße
erreicht hätte. Infusionen habe der Versicherte nicht benötigt. Als Schmerzmedikation habe die Gabe von N.-Saft (I.) ausgereicht.
Gegen dieses ihren Prozessbevollmächtigten am 16. August 2019 zugestellte Urteil richtet sich die am 1. September 2019 eingelegte
Berufung der Klägerin, mit der sie rügt, dass das SG sich über das gerichtlich eingeholte medizinische Sachverständigengutachten hinwegsetze und damit indirekt für sich medizinischen
Sachverstand in Anspruch nehme, den es schlicht nicht haben könne.
Dies werde unter anderem daraus ersichtlich, dass das SG annehme, dass eine ausführliche Diagnostik zur Diagnosestellung eines OSAS nicht durchgeführt worden sei. Tatsächlich seien
Untersuchungen erfolgt. Das SG verkenne, dass eine Polysomnografie nur, weil sie diagnostischer Goldstandard sein möge, nicht in jedem Fall durchgeführt
werden müsse. Wenn die weiteren Befunde aus Untersuchungen und Anamnese ausreichten, die entsprechende Diagnose zu stellen,
müsse eine Polysomnografie nicht mehr zwingend durchgeführt werden. Es bestehe keine Verpflichtung dazu, sämtliche diagnostischen
Möglichkeiten auszuschöpfen, nur weil es sie gebe. Anderenfalls wäre dies als ein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot
zu werten. Darüber hinaus sei es ein unangemessener Eingriff für kleine Patienten, da eine entsprechende polysomnografische
Untersuchung eine erhebliche Beeinträchtigung darstelle. Schließlich müsse berücksichtigt werden, dass entsprechende Untersuchungsmöglichkeiten
für Kinder nicht ohne Weiteres verfügbar seien. Das SG übersehe, dass die Diagnose Schlafapnoe tatsächlich gestellt worden sei. Des Weiteren setze das SG sich mit seiner Auffassung, dass der OSA-18-Fragebogen kein geeignetes Instrument sei, über die nahezu einhellige Auffassung
der ins Verfahren mit ihren Gutachten eingeführten Sachverständigen hinweg, die den Fragebogen als geeignete Hilfe zur Diagnosestellung
anerkennten. Auch gehe das SG in seiner Schlussfolgerung zur Kodierung als Verdachtsdiagnose fehl, soweit es ausführe, dass Voraussetzung sei, dass im
Hinblick auf die Verdachtsdiagnose Untersuchungen vorgenommen worden seien, was jedoch nicht der Fall gewesen sei. Dies sei
unzutreffend. Es seien nachweislich tatsächlich Untersuchungen vorgenommen worden.
Schließlich setze sich das SG auch über die Bewertung des medizinischen Sachverständigen hinweg, dass die vollstationäre Krankenhausbehandlung über den
gesamten Zeitraum erforderlich gewesen sei. Die Ausführungen hierzu seien widersprüchlich. Das SG räume selbst ein, dass unter dem 6. März 2014 ein Eintrag enthalten sei, wonach die Trinkmenge reduziert sei. Wenn dies erkannt
worden sei, sei die Trinkmenge naturgemäß kontrolliert worden. Es könne nicht verlangt werden, dass eine Angabe in Millilitern
erfolge. Darüber hinaus könne der Umstand, dass als Schmerzmedikation die Gabe von N.-Saft ausgereicht habe, nicht der stationären
Behandlungsbedürftigkeit entgegenstehen. Es müsse vielmehr andersherum verstanden werden. Entscheidend sei, dass die Gabe
von Schmerzmedikation überhaupt erforderlich gewesen sei. Mit einer solchen gehe man bei kleinen Patienten naturgemäß zurückhaltender
um.
Die Klägerin beantragt nach Rücknahme ihrer Berufung hinsichtlich des Zinsanspruchs für den 12. August 2014,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 12. Juni 2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie – die Klägerin
– 1664,54 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5% seit dem 13. August 2014 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig und nimmt hierauf sowie auf ihren eigenen erstinstanzlichen Vortrag einschließlich
der MD-Gutachten Bezug.
Nach der DKR D002f sei Hauptdiagnose die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt worden sei, die hauptsächlich
für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes verantwortlich sei. Dies sei hier die J35.3 (Hyperplasie der
Gaumenmandeln mit Hyperplasie der Rachenmandel). Hierfür sprächen die Gutachten des MD, die Verordnung, mit der eingewiesen
worden sei und die Bestätigung dessen, was intraoperativ erfolgt sei. Eine ausführliche Diagnostik für eine OSAS sei nicht
erfolgt; ein subjektiv von den Eltern ausgefüllter Fragebogen könne keine Diagnostik ersetzen. Er könne auch nicht die Ergebnisse,
die sich aus der Einweisung und der Dokumentation dessen, was tatsächlich operativ geschehen sei, erweitern oder gar infrage
stellen. Da keine Untersuchungen vorgenommen worden seien, scheide auch eine Verdachtsdiagnose aus. Eine Überwachung der Atmung
sei zudem vom Behandlungsteam nicht angeordnet worden, sodass der Operateur selbst davon ausgegangen sei, dass gar keine OSAS
vorliege. Ergänzend bezieht die Beklagte sich auf ein Konsensuspapier „Schnarchen bei Kindern“ von Mitgliedern der Steuerungsgruppe
der Arbeitsgemeinschaft Pädiatrie der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (Monatsschrift Kinderheilkunde
2013, 347 - 350) wie ein weiteres von ihr eingeholtes MD-Gutachten vom 11. Mai 2021 (Dr. W1). Darüber hinaus rügt die Beklagte,
dass über die Diagnostik und die Behandlung eines OSAS keine Aufklärung im Aufklärungsbogen des Krankenhauses erfolgt sei.
Der Senat hat weiter Beweis erhoben durch Einholung zweier ergänzender Stellungnahmen des vom SG gehörten Sachverständigen Dr. K., der unter dem 10. Januar 2021 und 19. September 2021 seine erstinstanzlich getätigten Ausführungen
bekräftigt und dargelegt hat, dass die ärztliche Diagnosestellung nach Analyse ein mehrschrittiger Prozess sei, an dessen
Anfang die Anamnese stehe, wodurch bereits klar werde, dass nicht ausschließlich objektivierbare Fakten eine Rolle spielten.
Nicht für jede Diagnose benötige man apparative Untersuchungen, manche ließen sich bereits nach dem ärztlichen Gespräch aufgrund
der typischen Symptomatik eines Patienten sicher feststellen, auch wenn man sie messen könnte. Es dürfe auch ohne polysomnografische
Untersuchung das klassische Bild des schnarchenden und obstruktiv atmenden Kindes, das nächtliche Atemaussetzer zeige, als
klinisches Diagnosekorrelat gewertet werden. Dieses Vorgehen sei angesichts der knappen Verfügbarkeit der Ressource Polysomnografie
für Kinder angebracht, zumal nach der Operation die Symptomatik regelmäßig behoben sei. Im vorliegenden Fall seien im Rahmen
der Anamnese Schnarchen mit Mundatmung und Atemaussetzern aufgefallen. Aufgrund des klinischen Verdachts auf das Vorliegen
einer Schlafapnoe sei der OSA-18-Fragebogen verwendet worden. Darin hätten die Eltern angegeben, dass bei dem Kind immer nächtliche
Atempausen vorgelegen hätten und das Kind meistens laut schnarche sowie manchmal keuchende oder ziehende Atemgeräusche in
der Nacht aufträten und das Kind oft unruhig schlafe. Zudem sei es oft tagsüber zu Tagesschläfrigkeit und -müdigkeit sowie
Konzentrationsstörungen gekommen. Die klinische Untersuchung habe eine Tonsillenhyperplasie sowie einen beidseitigen Paukenerguss
gezeigt. Im Nasen-Rachen-Raum habe der Verdacht auf Adenoide bestanden, wobei die Untersuchung nicht möglich gewesen sei.
Die Diagnosestellung des OSAS stelle zusammenfassend allein im Hinblick auf die Nichtdurchführung der Polysomnografie eine
Abweichung zur Leitlinie ISCD-3 dar, lehne sich anhand der klinischen Kriterien jedoch stark an diese an. Aus der Sicht des
klinisch tätigen Arztes habe vom Vorliegen eines kindlichen OSAS ausgegangen werden können.
Da die im ambulanten Bereich verwendeten Zusatzkennzeichen „V“ (Verdachtsdiagnose), „G“ (gesicherte Diagnose) und „A“ (Ausschlussdiagnose)
im stationären Kodierungsbereich keine Anwendung fänden, sei für die Beurteilung, ob das kindliche OSAS eine kodierbare Diagnose
darstelle, nach DKR nur relevant, ob eine Behandlung stattgefunden habe. Vorliegend seien im Rahmen der Diagnostik eine Anamnese
und Untersuchung durchgeführt sowie der OSA-18-Fragebogen ausgewertet worden. Die Behandlung habe im vorliegenden Fall in
der Operation der vergrößerten Gaumenmandel und der vergrößerten Rachenmandel bestanden. Weiterhin werde die kodierbare Diagnose
dann zur Hauptdiagnose, wenn festgestellt werde, dass sie hauptsächlich für die Veranlassung des Krankenhausaufenthaltes des
Patienten verantwortlich gewesen sei. Dies sei hier der Fall, da die Tonsillotomie im Vergleich zur Adenotomie und zur Behandlung
der Paukenergüsse den größten Eingriffsteil darstelle und auch die stationäre Durchführung des Eingriffs begründet habe. Vergrößerte
Gaumenmandeln kämen bei vielen Kindern vor und begründeten ohne eine Symptomatik nicht die Indikation für eine operative Intervention.
Lediglich beim Vorliegen von charakteristischen Symptomen wie zum Beispiel einer Schluckstörung oder einer schlafbezogenen
Atmungsstörung würden vergrößerte Gaumenmandeln verkleinert oder entfernt. Hieraus ergebe sich, dass ohne das Vorliegen eines
kindlichen OSAS lediglich zur Behandlung der Paukenergüsse eine Parazentese mit Paukendrainage und eine Adenotomie (Entfernung
der Rachenmandel) durchgeführt worden wären. Dass kindliche OSAS habe die Durchführung der Tonsillotomie notwendig gemacht,
sodass die Hauptdiagnose nach den DKR 2014 unabhängig davon, ob die Diagnose gesichert gewesen sei oder nicht, kindliches
OSAS habe lauten müssen. Lägen bei einem Patienten Paukenergüsse vor und werde bei bestehender Tonsillenhyperplasie eine vergrößerte
Rachenmandel vermutet ohne weitere Symptome wie z.B. kloßige Sprache, Schluckstörung oder Schnarchen mit Atemaussetzern (kindliches
OSAS), würden Operateure versuchen, die Tonsillen operativ zu schonen und lediglich eine Entfernung der Rachenmandel (Adenotomie)
mit Parazentese des Trommelfells mit Paukendrainage durchführen. Erst beim Vorliegen von Symptomen, die auf eine Tonsillenhyperplasie
zurückgeführt werden könnten, werde auch eine operative Behandlung der Tonsillengröße erfolgen. Vorliegend gehe auch aus dem
Einweisungsschein hervor, dass die ambulant behandelnden Ärzte nicht nur eine große Gaumenmandel hätten behandelt haben wollen.
Der Hinweis zur Rhonchopathie und Entwicklungsverzögerung zeige vielmehr, dass durch die Verkleinerung der Mandel eine Verbesserung
der Entwicklungsverzögerung und der nächtlichen Atemsymptomatik habe erzielt werden sollen. Soweit der MD vorbringe, dass
eine Überwachung des Versicherten nicht ausreichend stattgefunden habe, wenn von einer kindlichen OSAS ausgegangen worden
sei, widerspreche dies einerseits der Erfahrung, dass die kindliche OSAS durch die Tonsillotomie habe behandelt werden sollen
und nach der Operation eine Verbesserung des obstruktiven Atemweges vorgelegen habe, und andererseits der vorhandenen Dokumentation,
die eine Aufwachraumzeit von 8.30 Uhr bis 9.45 Uhr aufweise und bei Verlegung einen wachen Versicherten mit rosiger Hautfarbe
und stabilem Kreislauf und unbehinderter Atmung dokumentiert habe.
Zur Frage der Verweildauer hat der Sachverständige darauf hingewiesen, dass sich die postoperative Überwachung von Kindern
nach einer Operation von der Überwachung von erwachsenen Patienten unterscheide. Kinder könnten ihre Beschwerde nicht immer
eindeutig artikulieren, sodass relevante Besonderheiten einer eingehenden Beobachtung und Beurteilung bedürften. Abgesehen
von den kommunikativen Besonderheiten stelle auch der kindliche Organismus eine breitere Angriffsfläche für postoperative
Komplikationen dar. Vorliegend sei am 6. März 2014 dokumentiert worden, dass die Trinkmenge herabgesetzt und eine Kontrolle
erforderlich gewesen sei. Die herabgesetzte Trinkmenge resultiere regelmäßig aus Schmerzen beim Schlucken entlang der Wundfläche
und könne mit einer adäquaten Schmerztherapie eingestellt werden. Dies werde auch im Pflegebericht deutlich, in dem dokumentiert
worden sei, der Versicherte habe Schmerzen beim Schlucken, weine und sei später ruhig geworden. Die am ersten postoperativen
Tag noch inadäquate Schmerztherapie sei zur Prävention weiterer Komplikationen (Austrocknung des Versicherten mit der Notwendigkeit,
Infusionen zu verabreichen) ein adäquater Grund für die weitere Überwachung bis zum zweiten postoperativen Tag gewesen. Im
Übrigen gehe die pflegerische und ärztliche Kommunikation regelmäßig über die Faktendokumentation in der Krankenakte hinaus,
wobei vorliegend die Dokumentation schlüssig sei, da es Fälle gebe, in denen durch eine adäquate Schmerztherapie auf eine
intravenöse Flüssigkeitsgabe verzichtet werden könne.
Am 16. Dezember 2021 hat der Senat über die Berufung mündlich verhandelt. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Sitzungsniederschrift
und den weiteren Inhalt der Prozessakte sowie der ausweislich der Sitzungsniederschrift beigezogenen Akten und Unterlagen
Bezug genommen.
Die rechtlichen Grundlagen für den geltend gemachten Anspruch hat das SG zutreffend dargestellt. Hierauf kann Bezug genommen werden. Anders als das SG ist der erkennende Senat jedoch davon überzeugt, dass die Diagnose OSAS zu Recht gestellt wurde und die stationäre Behandlung
des Versicherten über den gesamten Zeitraum erforderlich war. Die diesbezüglichen Ausführungen des Sachverständigen Dr. K.
sind in jeder Hinsicht schlüssig.
Zunächst einmal kommt es für die Kodierung der Hauptdiagnose nicht darauf an, was der einweisende Arzt in der Verordnung von
Krankenhausbehandlung angegeben hat. Nach den DKR 2014, dort die D002f, wird die Hauptdiagnose definiert als „die Diagnose,
die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes
des Patienten verantwortlich ist“, wobei der Begriff „nach Analyse“ die Evaluation der Befunde am Ende des stationären Aufenthaltes
bezeichnet, um diejenige Krankheit festzustellen, die hauptsächlich verantwortlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes
war.
Dr. K. legt überzeugend dar, dass anhand der Befunde (insbesondere vergrößerte Tonsillen, allgemeine Entwicklungsverzögerung)
und der Anamnese (insbesondere Angabe der Eltern zu nächtlichem Schnarchen und Atemaussetzern sowie der deutlich über der
Wahrscheinlichkeitsgrenze liegende Score des OSA-18-Fragebogens) mit hinreichender Sicherheit vom Vorliegen eines OSAS ausgegangen
werden musste. Unschädlich ist, dass der einweisende Arzt selbst diese Diagnose nicht angab, wobei, wie der Sachverständige
zu Recht anmerkt – der Hinweis des Einweisers auf die Rhonchopathie und die allgemeine Entwicklungsverzögerung sowie die vor
allem erbetene Tonsillotomie deutlich machen, dass auch von dieser Seite die Behandlung der nächtlichen Atemstörung intendiert
gewesen sein dürfte.
Dass die Diagnose OSAS im OP-Bericht nicht auftaucht, lässt sich zwanglos darauf zurückführen, dass diese Diagnose anhand
des intraoperativen Befundes gar nicht gestellt werden kann. Hierzu bedarf es der Beobachtung nächtlicher Atemstörungen bzw.
-aussetzern. Der OP-Bericht dient in erster Linie der Darstellung des intraoperativen Befundes sowie der operativen Maßnahmen.
Dass die behandelnden Krankenhausärzte die Behandlung eines OSAS beabsichtigten, ergibt sich ohne Weiteres aus der diesbezüglichen
Befragung der Eltern und dem Umstand, dass sie die Eltern den OSA-18-Fragebogens haben ausfüllen lassen.
Dementsprechend wurde die Diagnose auch im Entlassungsbericht angegeben, und der Entlassungsbericht wiederum wird zu einem
Zeitpunkt erstellt, der für die Beurteilung, welches die Hauptdiagnose im Sinne der DKR ist, maßgeblich ist, nämlich retrospektiv.
Soweit der MD vorträgt, es hätte zwingend postoperativ eine respiratorische Überwachung erfolgen müssen, wenn die behandelnden
Ärzte von einem OSAS ausgegangen wären, und eine solche sei nicht dokumentiert, weist Dr. K. zu Recht darauf hin, dass zum
einen eine postoperative Überwachung im Aufwachraum nachweislich erfolgte und dass zum anderen mit der durchgeführten Operation
die Atembeschwerden – wie häufig bei vergleichbaren Befunden – beseitigt waren.
Des Weiteren ist unschädlich, dass die Diagnose ohne Durchführung einer Polysomnografie gestellt wurde. Auch wenn es sich
dabei um den sogenannten Goldstandard bei der Diagnostik eines OSAS handelt, weist der Sachverständige umfassend darauf hin,
dass bei Kindern v.a. ressourcenbedingt hierauf verzichtet wird, wenn es ansonsten ausreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen
einer derartigen Erkrankung gibt. Dies war hier der Fall. Schon unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten gilt im Übrigen allgemein,
dass nicht alle zur Verfügung stehenden Diagnosemöglichkeiten genutzt werden müssen, wenn auch mit geringerem Aufwand mit
hinreichender Sicherheit eine Diagnostik erfolgen kann. Hinzu kommt die Wahrung der Verhältnismäßigkeit auch mit Blick auf
eine Belastung gerade kindlicher Patienten durch weitere Diagnosemaßnahmen.
Die von der Beklagten zur Stützung ihrer Argumentation beigebrachten Unterlagen führen zu keiner anderen Sichtweise. Diese
enthalten nicht nur keine weiteren Argumente, sondern bestätigen insofern die Auffassung der Klägerin und die Überzeugung
des Senats, als z.B. in dem Aufsatz von Yvonne Fischer und Silke Gronau in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen Dr. K.
ausgeführt wird, dass Anamnese und klinische Symptomatik richtungsweisend in der Diagnostik des OSAS seien. Ergänzend heißt
es dort ausdrücklich, dass die Adenotonsillektomie auch ohne weitere Diagnostik anhand des klinischen Untersuchungsbefundes
in Kombination mit einer strukturierten Anamnese, wie sie z.B. mit Hilfe des OSA-18-Fragebogens möglich sei, für vertretbar
gehalten werde.
Dr. L. wiederum widerspricht zwar ausdrücklich einem auch in jenem Verfahren von Dr. K. eingeholten Gutachten, wonach auch
ohne vorherige Polysomnografie allein anhand der weiteren Befunde und des OSA-18-Fragebogens ein OSAS als Hauptdiagnose habe
kodiert werden dürfen, hält aber ausdrücklich die Kodierung des Verdachts auf OSAS als Nebendiagnose für richtig, geht also
von einer hinreichend sicheren Diagnose zumindest im Sinne einer Verdachtsdiagnose aus, übersieht dabei jedoch, dass nach
den DKR dann, wenn die streitige Behandlung – wie vorliegend – ganz wesentlich im Hinblick auf eine Diagnose – sei es eine
gesicherte, sei es eine Verdachtsdiagnose im Sinne der DKR D008b – erfolgt, diese als Hauptdiagnose zu kodieren ist und nicht
ein Symptom. Dass vorliegend das OSAS jedenfalls dann, wenn man dieses nicht als hinreichend gesichert ansehen wollte, als
Verdachtsdiagnose zu kodieren gewesen ist, weil der Versicherte im Hinblick darauf tatsächlich – wie ausgeführt – untersucht
und behandelt wurde, hat Dr. K. ebenfalls überzeugend dargelegt.
Schließlich stützt auch das von der Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegte Konsensuspapier „Schnarchen bei Kindern“ die
Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen. Dort wird nämlich unter Feststellung beschränkter Ressourcen in Deutschland
gerade nicht von vornherein eine Polysomnografie gefordert, um ein kindliches OSAS zu diagnostizieren und zu therapieren.
Ganz im Gegenteil, die Autoren gehen davon aus, dass dies zur Identifizierung unkomplizierter Fälle nicht erforderlich sei.
Solche sehen sie bei habituellem Schnarchen in einem typischen Alter bei Hinweisen auf eine adenotonsilläre Hyperplasie und
gehen selbst bei nicht erfolgreicher medikamentöser Therapie davon aus, dass zunächst ohne Durchführung einer Polysomnografie
eine Vorstellung beim und gegebenenfalls Operation durch den HNO-Arzt erfolgen solle und empfehlen die Durchführung einer
Polysomnografie zur weiteren Abklärung erst dann, wenn das Schnarchen postoperativ anhalten oder innerhalb kurzer Zeit wieder
auftreten sollte.
Soweit die Beklagte rügt, dass über die Diagnostik und die Behandlung eines OSAS im Aufklärungsbogen des Krankenhauses der
Klägerin keine Aufklärung erfolgt sei, vermag der Senat dem keine Bedeutung beizumessen. Der Aufklärungsbogen dient der Darstellung
der vorgesehenen Maßnahmen und der damit verbundenen Risiken. Dementsprechend wurden vorliegend Bögen zur Narkose sowie zur
operativen Entfernung der Rachenmandeln sowie zur Entfernung bzw. Verkleinerung der Gaumenmandeln zum Gegenstand der Aufklärung
gemacht. Im Übrigen wurde in der Einleitung der Aufklärung zur Adenotomie erwähnt, dass stark vergrößerte Rachenmandeln u.a.
zu Schnarchen und Schlafstörungen führen könnten, in derjenigen der Aufklärung zur Tonsillektomie/Tonsillotomie, dass krankhafte
Veränderungen der Gaumenmandeln u.a. oft Atembeschwerden zur Folge hätten.
Schließlich folgt der erkennende Senat dem Sachverständigen Dr. K. in dessen Beurteilung hinsichtlich der Erforderlichkeit
der stationären Behandlung des Versicherten über den gesamten Zeitraum. Am ersten postoperativen Tag traten beim Schlucken
Schmerzen auf, das Kind weinte und die Trinkmenge ging zurück, sodass der behandelnde Arzt nachvollziehbarerweise eine diesbezügliche
weitere Kontrolle anordnete. Dr. K. hat überzeugend darauf hingewiesen, dass gerade bei Kindern – und bei dem hiesigen Versicherten
handelte es sich mit vier Jahren noch um ein Kleinkind – angesichts kommunikativer Besonderheiten und eines Organismus mit
breiterer Angriffsfläche für postoperative Komplikationen die Situation fragiler als bei Erwachsenen ist, sodass vorliegend
aufgrund der bis dahin noch inadäquaten Schmerztherapie zur Prävention weiterer Komplikationen wie Austrocknung des Versicherten
mit der Notwendigkeit, Infusionen zu verabreichen, ein adäquater Grund für die weitere Überwachung bis zum zweiten postoperativen
Tag vorlag.