Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Kodierbarkeit eines so genannten Aszites als Nebendiagnose für die Vergütung einer Krankenhausbehandlung
streitig.
Eine bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Patientin befand sich vom 19. September 2008 bis 2. Oktober 2008 in stationärer
Behandlung in der Klinik der Klägerin. Die Aufnahme erfolgte notfallmäßig auf der IMC (Intermediate Care-Station). Das Krankenhaus
kodierte für die Abrechnung des Aufenthaltes folgende Erkrankungen:
Hauptdiagnose:
I50.14 Linksherzinsuffizienz, mit Beschwerden in Ruhe
Nebendiagnosen:
F03 Nicht näher bezeichnete Demenz
I25.0 Atheroskletorische Herz-Kreislauf-Krankheit
I25.5 Ischämische Kardiomyopathie
I48.11 Vorhofflimmern
I50.01 Sekundäre Rechtsherzinsuffizienz
J90 Pleuraerguss, andernorts nicht klassifiziert
N18.84 Chronische Niereninsuffizienz, Stadium IV
R13.0 Dysphagie mit Beaufsichtigungspflicht während der Nahrungsaufnahme
R18 Aszites
R32 Nicht näher bezeichnete Harninkontinenz
R64 Kachexie
Z92.1 Dauertherapie (gegenwärtig) mit Antikoagulanzien in Eigenanamnese
Z95.4 Vorhandensein eines Herzklappenersatzes.
Am 22. September 2008 wurde eine erste Sonographie des Abdomens durchgeführt, die beidseitige Pleuraergüsse und eine Flüssigkeitsansammlung
im Bauch (Aszites) bestätigte. Am 1. Oktober 2008 erfolgt eine erneute Abdomen-Sonographie. Die Fragestellung hierzu lautete:
"nur gezielt: Verlauf Aszites und Rechtsdekomp (Cava?)". Die Beurteilung der Untersuchung führte entsprechend aus: "Gemäß
Zielauftrag: Keine signifikante Mengen von Ascites mehr darstellbar. V. cava 3,04cm und wenig atemmoduliert."
Die Klägerin stellte für die Behandlung der Versicherten unter Zugrundelegung der DRG F62B 3.451,92 Euro in Rechnung. Nach
Übermittlung der Daten an die Beklagte und Abrechnung des Behandlungsfalles unter DRG F62B zeigte die Beklagte sodann unter
dem 20. Oktober 2008 Zweifel an der Abrechnung an und schaltete den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) N.
ein. Mit Stellungnahme vom 29. Januar 2009 kam der MDK zu dem Ergebnis, dass u.a. die Nebendiagnose R18 nicht nachvollziehbar
sei. Der Behandlungsfall sei mit der DRG F62C abzurechnen. Die Beklagte wies die Klägerin unter dem 11. Februar 2009 auf das
Ergebnis des MDK hin und bat um Übermittlung einer Gutschrift sowie Rechnungskorrektur. Die Klägerin wandte sich mit Schreiben
vom 13. Februar 2009 gegen diese Beurteilung. Der Aszites sei mehr als der monierte Zufallsbefund gewesen. Die Diurese sei
entsprechend der Situation der Pleuraergüsse und des Aszites angepasst worden, zudem habe der zweiten Sonografie die ausdrückliche
Fragestellung nach dem Verlauf des Aszites zugrunde gelegen. Die Beklagte ließ daraufhin den MDK erneut Stellung nehmen und
bekräftigte ihre Auffassung mit Schreiben vom 7. April 2009. Der Aszites stelle lediglich das Symptom der Herzinsuffizienz
dar und könne deshalb auch bei vorhandenem Mehraufwand nicht kodiert werden, da er kein eigenständiges medizinisches Problem
darstelle. Sie bitte daher um Gutschrift und Rechnungskorrektur.
Am 13. Mai 2009 rechnete die Beklagte mit einem Betrag in Höhe von 1.130,34 Euro gegen Forderungen der Klägerin aus anderen
Behandlungsfällen auf.
Die Klägerin hat am 30. September 2009 Klage erhoben.
Das Sozialgericht (SG) hat der Klage nach Einholung des innerfachärztliches Gutachtens des Dr. D. vom 9. August 2010 durch Urteil vom 25. Juni
2012 stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.130,34 Euro nebst 5 % Zinsen auf diesen Betrag seit dem 13.05.2009
zu zahlen. Die zweite Sonographie habe ausschließlich der Verlaufskontrolle des Aszites gegolten. Dies stelle einen Mehraufwand
im Sinne der D003d der Deutschen Kodierrichtlinie (DKR) 2008 dar. Daraus resultiere ein wichtiges medizinisches Problem im
Sinne der Kodiervorschriften für die Kodierung eines Symptoms.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 4. Juli 2012 zugestellte Urteil des SG am 31. Juli 2012 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie in Form einer Stellungnahme des MDK vor, bei der Kodierung
einer Nebendiagnose sei zwischen einer Erkrankung und einem Symptom zu unterscheiden. Während für die Kodierung einer Erkrankung
als Nebendiagnose ein "Mehraufwand größer null" ausreichend sei, müsse bei einem Symptom die höherwertige Bedingung der DKR
2008 D003d erfüllt sein, nach der das Symptom ein "eigenständiges, wichtiges Problem für die medizinische Betreuung" darstellen
müsse. Dies sei bei dem Aszites nicht der Fall. Das SG habe fälschlicher Weise auf die zweite Ultraschalluntersuchung als zusätzlichen Ressourcenverbrauch abgestellt. Zwar sei
diese Untersuchung unstreitig erfolgt. Jedoch ergebe sich aus ihr nicht, dass der Aszites ein eigenständiges, wichtiges Problem
im dargestellten Sinne gewesen sei. Das Krankenhaus habe den Aszites, der auf verschiedene Erkrankungen hinweisen könne, offensichtlich
von vornherein der Herzinsuffizienz zugeordnet. Daher habe keine weitere Differenzialdiagnostik stattgefunden. Dies sei medizinisch
nicht zu bestanden, verdeutliche jedoch, dass der Aszites nicht als Problem im genannten Sinne angesehen wurde. So habe auch
keine gezielt auf den Aszites ausgerichtete Behandlung stattgefunden. Die vom SG herangezogene zweite Sonographie sei nicht allein wegen des Aszites, sondern mit der Fragestellung "Verlauf Aszites und Rechtsdekomp
(Cava?)" durchgeführt worden. Dadurch sei zwar im Hinblick auf den Aszites ein Mehraufwand größer null begründbar, ein eigenständiges,
wichtiges medizinisches Problem habe aber in Form des Aszites nicht vorgelegen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 25. Juni 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19. Dezember
2013, die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten, den weiteren Inhalt der Prozessakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte
der Beklagten und der Patientenakte der Klägerin verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Sie hat auch in der Sache Erfolg. Das SG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Aszites als Nebendiagnose kodiert werden durfte. Wie sich aus dem Protokoll des
Erörterungstermins vom 7. Mai 2012 vor dem SG ergibt, ist dies alleiniger Streitpunkt, der zu dem eingeklagten Differenzbetrag führt.
Hinsichtlich der Darstellung der rechtlichen Grundlagen, nimmt der Senat Bezug auf die ausführlichen und umfassenden Ausführungen
auf Seite 5 bis 7 des Urteils des SG.
Entscheidend für die streitige Frage der Kodierbarkeit des Aszites als Nebendiagnose in Form eines Symptoms ist zunächst die
Auslegung des Abschnitts D003d der DKR 2008. Nach Ansicht des Senats liegt dem Komplex die folgende Struktur zugrunde:
Grundsätzlich ist für die Kodierung einer Nebendiagnose ein Aufwand in der dort benannten Art (vgl. Seite 10 der DKR 2008)
erforderlich. Diesen kann man mit dem MDK als einen Aufwand "größer null" bezeichnen.
Für den besonderen Fall, dass ein Symptom kodiert werden soll, statuiert der entsprechende Abschnitt auf Seite 11 der DKR
2008 in zwei Sätzen besondere Voraussetzungen.
Die Sätze lauten: "Ein Symptom wird nicht kodiert, wenn es im Regelfall als eindeutige und unmittelbare Folge mit der zugrunde
liegenden Krankheit vergesellschaftet ist.
Stellt ein Symptom jedoch ein eigenständiges, wichtiges Problem für die medizinische Betreuung dar, so wird es als Nebendiagnose
kodiert (siehe auch ICD-10-GM Kapitel XVIII)."
Der Senat geht davon aus, dass die beiden Sätze für die Frage der Kodierung eines Symptoms eine abschließende Regelung in
folgender Ausgestaltung darstellen.
Mit Satz 1 werden in einem ersten Schritt alle Symptome von der Möglichkeit der Kodierung ausgeschlossen, die in der genannten
Art mit der Haupterkrankung vergesellschaftet sind. Das lässt sich damit begründen, dass bei einer derartigen Vergesellschaftung
der Aufwand, der mit der Behandlung des Symptoms einhergeht, regelmäßig mit der Kodierung der vergesellschafteten Haupterkrankung
abgegolten ist. Soweit die behandlungsmäßigen und damit auch kostenmäßigen Auswirkungen des Symptoms in den jeweiligen Fällen
unterschiedlich sind, ist dies dabei nicht relevant, da die Kosten mit einer Pauschale abgegolten werden, deren Wesen es ist,
Fälle von unterschiedlichem tatsächlichen Aufwand einheitlich zu entgelten. Bei diesem Verständnis wird deutlich, dass der
folgende Satz 2 nicht eine Ausnahme von dem Satz 1 darstellt, sondern eine Regelung hinsichtlich der nicht von Satz 1 erfassten
Fälle treffen will. Das ergibt sich neben diesen systematischen Überlegungen zum einen daraus, dass der Satz 1 eine absolute
Regelung ohne eine Formulierung wie "grundsätzlich" u.ä. trifft und damit zum Ausdruck bringt, dass eine Relativierung der
Aussage nicht gewollt ist. Zum anderen dient die Formulierung, dass aus dem Symptom ein "eigenständiges" Problem resultieren
muss, der zusätzlichen Abgrenzung zu dem im Sinne des Satz 1 vergesellschafteten Symptom. Denn ein im Sinne des Satz 1 vergesellschaftetes
Symptom ist so eng mit der Haupterkrankung verbunden, dass daraus zumindest bei hier gebotener pauschalierender Betrachtung
kein eigenständiges, sondern nur ein mit der Haupterkrankung spezifisch verbundenes Problem resultieren kann.
Ein nicht im Sinne des Satz 1 vergesellschaftetes Symptom ist daher nur unter den Voraussetzungen des Satz 2 kodierbar, dass
es ein wichtiges Problem für die medizinische Betreuung dargestellt hat. Dadurch unterscheidet sich die Kodierbarkeit eines
solchen Symptoms von der Kodierbarkeit "normaler" Nebendiagnosen, für die ein Mehraufwand "größer null" ausreicht. Diese erhöhten
Anforderungen sind mit dem Unterschied einer "normalen" Nebendiagnose zu einem Symptom zu begründen und zu rechtfertigen.
Denn ein Symptom weist - auch wenn es nicht auf die besondere Weise des Satz 1 mit der Haupterkrankung vergesellschaftet ist
- immer eine Verbindung mit der Haupterkrankung auf und steht daher grundsätzlich mit deren Behandlung in einem engeren Zusammenhang,
als dies bei einer Nebendiagnose der Fall ist, die definitionsgemäß keine solche Verbindung zur Haupterkrankung aufweisen
muss. In den Fällen des Satz 1 ist diese Verbindung besonders ausgeprägt und rechtfertigt dadurch unabhängig von dem Aufwand,
den das Symptom verursacht, von einer ggf. kostenwirksamen Kodierung abzusehen. In den Fällen des Satz 2 ist diese Verbindung
nicht so spezifisch, aber immer noch vorhanden. Daher erscheint es systemgerecht hier nur dann eine Kodierung zuzulassen,
wenn das Symptom besondere Probleme verursacht hat, die es trotz der Verbindung zur der Haupterkrankung als notwendig erscheinen
lassen, den mit diesen Problemen verbundenen Aufwand auch kostenmäßig Berücksichtigung finden zu lassen.
Damit ergibt sich die Systematik, dass ein im Sinne des Satz 1 vergesellschaftetes Symptom nie und ein nicht in diesem Sinne
vergesellschaftetes Symptom nur dann kodiert werden kann, wenn es ein wichtiges Problem für die medizinische Betreuung darstellt.
Da vorliegend nicht erkennbar ist, dass der unstreitig als Symptom in Rede stehende Aszites ein wichtiges Problem für die
medizinische Betreuung der Versicherten dargestellt hat und damit die Voraussetzungen des Satz 2 nicht erfüllt sind, muss
die Berufung Erfolg haben.
Dabei kann dahinstehen, ob der Aszites im Regelfall als eindeutige und unmittelbare Folge mit einer (Rechts)Herzinsuffizienz
vergesellschaftet ist. Denn wäre dies der Fall, wäre er schon nach Satz 1 nicht kodierbar.
Dass der Aszites kein wichtiges medizinisches Problem dargestellt hat, ergibt sich aus Folgendem:
Ohne im Einzelnen festzulegen, unter welchen Voraussetzungen von dem Vorliegen eines wichtigen medizinischen Problems ausgegangen
werden kann, wird man feststellen können, dass nur ein Aufwand "größer null", wie er für die Kodierung einer Nebendiagnose
allgemein ausreichend ist, die Annahme eines wichtigen medizinischen Problems nicht begründen kann. Mehr als ein solcher Aufwand
"größer null" kann jedoch vorliegend in Bezug auf den Aszites entgegen der Ansicht des SG nicht festgestellt werden.
Das Sozialgericht stellt insoweit auf die zweite, der Verlaufskontrolle dienenden Ultraschalluntersuchung ab. Diese habe allein
der Kontrolle des Aszites gegolten. Aus der Notwendigkeit dieser Verlaufskontrolle folge, dass es sich bei dem Aszites um
ein wichtiges medizinisches Problem gehandelt habe.
Dem kann nicht gefolgt werden. Es ist nicht erkennbar, aufgrund welcher Umstände das SG davon ausgeht, die zweite Ultraschalluntersuchung habe allein der Kontrolle des Aszites gedient. Vielmehr enthält sowohl
die Sonografie-Anforderung als auch der Sonografie-Befund die ausdrückliche Fragestellung "nur gezielt: Verlauf Aszites und
Rechtsdekomp (Cava?)" bzw. die Befundung "Gemäß Zielauftrag: Keine signifikante Mengen von Ascites mehr darstellbar. V. cava
3,04cm und wenig atemmoduliert." Hieraus geht eindeutig hervor, dass die Untersuchung zwar auch, aber eben nicht allein der
Verlaufskontrolle des Aszites diente. Damit kann als allein durch den Aszites verursachten Mehraufwand nur darauf abgestellt
werden, dass während der Ultraschalluntersuchung auch der Aszites geschallt wurde. Dies mag einen Aufwand "größer null" darstellen,
der für die Kodierung einer Nebendiagnose ausreichen würde. Daraus kann jedoch nicht das Vorliegen eines wichtigen medizinischen
Problems abgeleitet werden. Vielmehr überzeugt insoweit die detailreiche Darstellung des MDK als Teil der Berufungsbegründung.
Danach haben die behandelnden Ärzte den gefundenen Aszites sofort der Herzinsuffizienz zugeordnet und daher keine weitere
Diagnostik zu der Frage angestellt, was Ursache des Aszites ist. Auch in der folgenden Behandlung spielte der Aszites bis
auf die genannte Verlaufskontrolle keine Rolle. Vor diesem Hintergrund ist auch nicht erklärbar, warum der medizinische Sachverständige
in der mündlichen Verhandlung vor dem SG angegeben hat, er stimme zu, dass die zweite Sonografie ausschließlich der Verlaufskontrolle des Aszites gedient habe. Diese
Aussage wird von ihm - wie auch vom SG - in keiner Weise begründet und steht im Widerspruch zu der insoweit eindeutigen Aktenlage.
Da - auch nach den Angaben des medizinischen Sachverständigen in dessen Gutachten vom 9. August 2010 (Seite 6-7) - keine weiteren
Anhaltspunkte für die Annahme eines wichtigen medizinischen Problems, das durch den Aszites verursacht wurde, ersichtlich
oder vorgetragen sind, lässt sich die Annahme eines solchen nicht rechtfertigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a SGG i.V.m. §
154 Abs.
1 VwGO. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1 und 3 Satz 1; 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz.