Beschädigtenversorgung nach dem BVG
Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhanges einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung
Herrschende medizinisch-wissenschaftliche Lehrmeinung
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz unter Anerkennung von weiteren Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen.
Der 1919 geborene und in der Tschechoslowakei (CSSR) wohnhafte Kläger war Angehöriger der ehemaligen Deutschen Wehrmacht.
Sein Erstantrag vom 19. Dezember 1970 auf Anerkennung eines Nervenleidens und weiterer Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen
im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) wurde mit Bescheid des Versorgungsamts FY. vom 26. September 1973 abgelehnt. Der Bescheiderteilung lagen die Auskunft der
Deutschen Dienststelle WASt, QQ., vom 7. Mai 1971 sowie die versorgungsärztlichen aktenmäßigen Äußerungen von Dr. R. Facharzt
für Neurologie und Psychiatrie, Versorgungsamt FX. - vom 7. September 1973 und von Dr. W., Versorgungsamt FY., vom 14. Februar
1973, 9. August 1973 und 13. September 1973 zugrunde. Der Kläger hatte (sinngemäß) auch geltend gemacht, er sei schädigungsbedingt
bereits mit 50 Jahren vorzeitig aus dem Berufsleben ausgeschieden und berentet worden.
Auf seinen Widerspruch vom 26. Januar 1974 wurden durch Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamts Hessen vom 21. Februar
1975 beim Kläger bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 0 % folgende Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen
im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) anerkannt:
"Verwundungsnarben am Hals, rechten Oberarm und rechten Bauchseite".
Der Erteilung des Widerspruchsbescheides lag die versorgungsärztliche aktenmäßige Äußerung von Dr. M., vom 27. November 1974
zugrunde.
Der erneute Antrag des Klägers vom 12. Juli 1977 auf Anerkennung seines Nervenleidens als Schädigungsfolge Im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes wurde mit Bescheid des Versorgungsamts FY. vom 11. Oktober 1977 abgelehnt. Der Bescheiderteilung lag die versorgungsärztliche
aktenmäßige Äußerung von Dr. W., Versorgungsamt FY., vom 8. September 1977 zugrunde.
Mit dem weiteren am 15. November 1982 beim Versorgungsamt FY. eingegangenen Schreiben vom 11. November 1982 machte der Kläger
geltend, daß er nicht nur wegen seiner kriegsbedingten Verschüttung mit Kopfverletzung, sondern auch wegen der erfolgten Ablehnung
der beantragten Anerkennung ein kranker, geschlagener Mann sei. Sein Zustand habe sich in den letzten Jahren mehr und mehr
verschlechtert. Zur Begründung beziehe er sich auf die ärztliche Bescheinigung von MUDr. A. C. vom 14. September 1982. In
dieser Bescheinigung ist ausgeführt, der Kläger habe als Angehöriger der Deutschen Wehrmacht drei Kriegsverwundungen erlitten.
Bei der ersten Verwundung am 6. August 1941 habe es sich um einen Durchschuß unterhalb des Kinns mit verbliebener, 5 cm langer
Narbe gehandelt. 1943 sei er bei einem Artillerieangriff verschüttet worden und habe dabei eine schwere Kopf- und Lendenverletzung
erlitten. Nach der Splitterentfernung auf dem Verbandsplatz sei er drei Monate lang in einem Lazarett in Rußland behandelt
worden. Im Januar 1945 sei er im Bauch- und Oberarmbereich rechts durch Granatsplitter verwundet worden. Wegen der Bauchverletzung
und der verbliebenen 13 cm langen Narbe habe er Schmerzen und Beschwerden beim Heben schwerer Gegenstände. Dabei habe er jeweils
das Gefühl gehabt, als würde etwas im Bauch zerreißen. Er leide seither unter Bauchkrämpfen und Blähungen. Bei dem Artillerieangriff
1943 sei er in einem Unterstand verschüttet worden. Dabei habe er eine Quetschung des Hinterkopfes erlitten. Nach etwa zwei
Stunden sei er im Nervenschock geborgen worden. Seither träten in monatlichen Abständen epileptische Anfälle auf. 1967 sei
es zu einer Verschlechterung mit ansteigender Anfallfrequenz gekommen. Wegen dieser Gesundheitsstörungen habe er nicht mehr
als Metallwalzer arbeiten können und sei deshalb zu untergeordneten Tätigkeiten gezwungen worden. 1968 sei er deshalb berentet
worden. Zur weiteren Begründung beziehe er sich auf das Gutachten von Frau MUDr. M. T. Ärztin für Psychiatrie, O., vom 17.
September 1982.
Dieser Antrag wurde mit dem am 19. Januar 1983 abgesandten Bescheid des Versorgungsamts FY. vom 18. Januar 1983 auf der Grundlage
von §
44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (
BGB X) abgelehnt. In der Begründung wurde darauf hingewiesen, daß mit Bescheid vom 26. September 1973 die Anerkennung des geltend
gemachten Nervenleidens bereits abgelehnt worden sei. Im Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 1975 sei ausgeführt worden,
daß im Vordergrund des Krankheitsbildes ein Nervenleiden stehe. Nach dem gehörten Nervenarzt gehe dieses Leiden auf keine
Verschüttung zurück. Der von Frau Dr. O. sehr ausführlich beschriebene Krankheitsverlauf und die Ergebnisse der psychologischen
Untersuchungen vom 24. November 1972 und 20. Juni 1973 ließen es nicht zu, einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem angeschuldigten
Ereignis und den etwa 1954 beginnenden Krankheitserscheinungen anzunehmen. Erst 1968 habe sich der Krankheitszustand des Klägers
infolge eines Gehirngefäßereignisses kompliziert, das zur Ausbildung einer linksseitigen Hemiparese geführt habe. Zu diesem
Zeitpunkt sei der Kläger beschränkt erwerbsfähig gewesen und schließlich Vollinvalide geworden. Nach Kriegsende habe er zehn
Jahre als Maschinist in Metallhütten, dann als Grubenwart gearbeitet. Das spreche dafür, daß beim Kläger im Anschluß an den
Kriegsdienst keine wesentlichen Gesundheitsstörungen vorgelegen hätten. Auch der Umstand, daß der Kläger nach der Verschüttung
vom 05. September 1943 wieder im Fronteinsatz gewesen sei, lasse nicht auf erhebliche Verschüttungsfolgen schließen. Frau
Dr. O. meine zwar in ihrer Bescheinigung vom 15. Januar 1974, daß die wiederholten Psychotraumata aus der Kriegszeit Urheber
der Erkrankung seien. Diese Annahne werde jedoch durch die vorausgegangenen Krankheitsberichte nicht bestätigt. Es sei hier
vielmehr von Anfällen unklarer Ätiologie die Rede. Nach Ansicht des gehörten medizinischen Sachverständigen beruhten die beim
Kläger bestehenden Leiden auf körpereigenen Ursachen, die keinen wahrscheinlichen Zusammenhang mit der Verschüttung oder mit
sonstigen Einwirkungen des 1945 beendeten Kriegsdienstes hätten. Auch der weitere Antrag des Klägers vom 12. Juli 1977 sei
mit Bescheid vom 11. Oktober 1977 abgelehnt worden. Sein erneuter Antrag vom 11. November 1982 habe keine für die Beurteilung
neuen Gesichtspunkte gegenüber der bisherigen Entscheidung erbracht. Es werde daher an der Bindungswirkung der früheren Bescheide
festgehalten.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit dem am 21. Februar 1983 beim Versorgungsamt FY. eingegangenen Schreiben vom 16.
Februar 1983 Widerspruch ein. Er wies darauf hin, daß im angefochtenen Bescheid nur auf die früheren, nicht hingegen auf die
mit dem jetzigen Antrag übersandten neuen ärztlichen Unterlagen eingegangen worden sei. Frau Dr. T. weise in ihrem Gutachten
vom 17. September 1982 auf die Folgen des Krieges besonders hin. Nach Ansicht dieser Ärztin sollte sein Fall auch durch einen
psychoanalytisch orientierten Psychiater beurteilt werden. Da dies nicht geschehen sei, beantrage er eine entsprechende eingehende
Untersuchung. Ergänzend beziehe er sich auf die Bescheinigung von Frau MUDr. M. T., O., vom 04. März 1983.
Dieser Widerspruch wurde mit dem am 28. April 1983 abgesandten Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamts Hessen vom 27.
April 1983 zurückgewiesen. In der Begründung wurde ausgeführt, daß eine tatsächliche oder rechtliche Unrichtigkeit des bindenden
Bescheides vom 26. September 1973 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 1975 nicht ersichtlich sei. Der vorgelegte
Arztbericht von Frau Dr. T. vom 17. September 1982 sei die sinngemäße Wiedergabe des Befundberichtes der Frau Dr. O. vom 21.
Juni 1973, wobei jetzt lediglich die damals aufgeführten "sklerotischen Veränderungen an den Hirngefäßen" ausgelassen worden
seien. Desgleichen sei der Arztbericht von Dr. C. vom 14. September 1982 inhaltsgleich mit seinem Arztbericht vom 22. Januar
1971. Dieser habe deshalb ebenso der ersten Entscheidung vom 26. September 1973 bzw. vom 21. Februar 1975 bereits zugrunde
gelegen. Im Arztbericht vom 17. September 1982 werde nach wie vor das bereits frühere Vorliegen eines Bluthochdruckes, eines
Hirngefäßereignisses 1969 mit linksseitiger Körperlähmung und einem Nervenschwächensyndrom genannt. Diese Diagnosen seien
jedoch schon bei der versorgungsärztlichen nervenfachärztlichen Erstbeurteilung im Jahre 1973 bekannt gewesen. Die damals
und jetzt im neuesten Arztbericht sinngemäß genannten Leiden "Angstneurose bei Hirngefäßsklerose mit linksseitiger Hemiparese"
könnten jedoch nicht als Schädigungsfolgen anerkannt werden, da die auf die angeschuldigte Verschüttung zurückgeführten Kopfbeschwerden
ohne nachgewiesene Brückensymptome erst mehr als zehn Jahre nach dem schädigenden Ereignis aufgetreten seien. Psychische Störungen
seien erst 20 Jahre nach der Verschüttung behandlungsbedürftig geworden. Das "ischämische Hirngefäßereignis" im Jahre 1969
mit linksseitiger Halbseitenlähmung weise auf ein Bluthochdruckgefäßleiden konstitutioneller Genese hin, nicht etwa auf eine
stattgefundene Hirnbeschädigung während des Wehrdienstes. Eine solche Hirnbeschädigung müßte nämlich nachgewiesen sein, um
einen Kausalzusammenhang mit dem jetzigen Nervenleiden überhaupt diskutieren zu können. Daß eine echte Hirnbeschädigung nicht
im Jahre 1943 stattgefunden habe, sei bereits in den bindenden Entscheidungen vom 26. September 1973, 21. Februar 1975 und
11. Oktober 1977 ausdrücklich dargelegt worden. Ebenso sei eine abnorme Erlebnisfehlreaktion infolge der Kriegsereignisse
nicht wahrscheinlich zu machen. Die vorliegende Neurose sei vielmehr die Ursache einer neurotischen Persönlichkeitskonstitution.
Die vom Kläger gewünschte Begutachtung durch Ärzte in seiner Heimat sei nicht angezeigt, da ein Gutachter nur die Befunde
und Anamnesen vortragen könnte, die bereits aus den vorliegenden nervenfachärztlichen Berichten bekannt seien. Letztlich bestünden
auch keine Zweifel an dem beim Kläger vorliegenden Nervenleiden, sondern es fehle die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen
Zusammenhanges dieses Leidens mit schädigenden Ereignissen des Wehrdienstes, so daß eine Anerkennung nach dem Bundesversorgungsgesetz nicht erfolgen könne.
Der Kläger erhob am 5. Mai 1983 vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main unter Vorlage verschiedener, zum Teil bereits aktenkundiger
Arztberichte Klage.
Unter Vorlage einer versorgungsärztlichen aktenmäßigen Äußerung von Dr. H., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, FX., vom
8. November 1983 wies der Beklagte darauf hin, daß das Vorbringen des Klägers nicht haltbar sei.
Durch Urteil vom 6. März 1984 wies das Sozialgericht Frankfurt am Main die Klage ab, auf die Entscheidungsgründe des Urteils
wird Bezug genommen.
Gegen das am 5. April 1984 zugestellte Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main hat der Kläger am 13. April 1984 bei diesem
Gericht Berufung eingelegt.
Der Kläger trägt vor, daß alle Fachärzte in der CSSR bestätigt hätten, daß seine schweren Leiden durch seine während des Kriegsdienstes
erlittenen körperlichen und seelischen Schädigungen verursacht worden seien. Er habe die schädigenden Ereignisse durch mehrfache
ärztliche Berichte, nachgewiesen und wahrscheinlich gemacht, daß die bei ihm bestehenden Erkrankungen auf die Ereignisse zurückzuführen
seien. Außerdem habe Dr. C., CSSR, in seinem Gutachten vom 14. September 1982 die schädigungsbedingte Arbeitsverminderung
bei Kriegsende auf 40 % und ab 1968 auf 75 % eingeschätzt. Damit sei die für die für die Gewährung von Beschädigtenversorgung
vorausgesetzte MdE von 25 % wesentlich überschritten. Die aktenkundigen umfangreichen Unterlagen der tschechischen Fachärzte
belegten einwandfrei, daß seine Leiden auf die Kriegsereignisse zurückzuführen seien. Diese Entscheidungen seien auch im Rahmen
des Bundesversorgungsgesetzes bindend. Eine Ablehnung sei daher wenig verständlich. Entgegen der Unterstellung im angefochtenen Urteil sei er nicht erst
10 oder 20 Jahre nach Kriegsende in ärztliche Behandlung wegen seiner Schädigungsfolgen gekommen, sondern er sei sofort nach
seiner Rückkehr in die Heimat von Dr. HX. behandelt worden. Außerdem sei er wegen seiner Schädigungsfolgen bereits mit 50
Jahren berentet worden. Wegen fehlender Jahre sei die Rente schädigungsbedingt sehr gering. Außerdem stünden dem einen Gutachten
von Dr. H. fünf Gutachten tschechoslowakischer Ärzte gegenüber, die den Kläger persönlich untersucht hätten. Ergänzend berufe
er sich auf die ärztliche Bescheinigung von MUDr. K., Werksinstitut für Volksgesundheit, OKD O., Bergklinik, Nervenabteilung
vom 21. August 1984.
Der Kläger und Berufungskläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 6. März 1984 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides
vom 26. September 1973 und unter Abänderung des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 1975 und unter Aufhebung des Bescheides
vom 11. Oktober 1977 sowie unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Januar 1983 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.
April 1983 zu verurteilen, dem Kläger ab 1. Januar 1978 unter Anerkennung seines Nervenleidens Beschädigtenversorgung in gesetzlichem
Umfang zu gewähren.
Der Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte legt unter Vorlage einer versorgungsärztlichen aktenmäßigen Äußerung von Dr. H., Arzt für Neurologie und Psychiatrie,
FX., vom 16. Januar 1985 dar, daß auch die weiteren Arztunterlagen eine andere Entscheidung nicht rechtfertigten. Auf die
zutreffenden Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils werde im übrigen Bezug genommen.
Das Gericht hat gemäß Beweisanordnung vom 2. April 1985 in Gestalt der Änderungsbeschlüsse vom 30. Oktober 1985, 18. Juli
1986 und 28. Oktober 1986 von Amts wegen Beweis erhoben durch Einholung schriftlicher medizinischer Sachverständigengutachten,
die jeweils nach Untersuchungen des Klägers Prof. Dr. G., Psychiatrische Klinik und Poliklinik am Klinikum der XYZ-Universität
XYZ., am 1. Dezember 1986 und Dr. D., Fachpsychologe für Klinische Psychologie am Klinikum der XYZ-Universität XYZ, am 29.
Oktober 1986 erstattet haben. Wegen des Inhalts der Gutachten wird auf die Gerichtsakt Bezug genommen.
Der Beklagte weist unter Vorlage einer versorgungsärztlichen, fachinternistischen aktenmäßigen Äußerung von Dr. G., FX., vom
11. Juni 1987 darauf hin, daß für eine andere Beurteilung der Zusammenhangsfrage kein Raum sei. Das von Prof. Dr. G. diagnostizierte
psychoorganische Syndrom sowie der cerebrale Insult seien als sogenannte Nachschäden versorgungsrechtlich irrelevant.
Der Kläger führt aus, daß der untersuchende Arzt ihm gegenüber erklärt habe, daß sein Leiden auf die während des Krieges erlittenen
schweren körperlichen Schäden zurückzuführen sei. Dieser Arzt habe ihm erklärt, daß das Ergebnis des Gutachtens positiv und
zu seinen Gunsten ausfallen werde. Im übrigen spreche der vom Beklagten gehörte Dr. G. lediglich von "Wahrscheinlichkeit"
zurückzuführen sei. Da Dr. G. den Kläger weder gesehen noch untersucht habe, komme seiner Ansicht keine Bedeutung zu.
Zur weiteren Sachdarstellung wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Beschädigtenakte des Versorgungsamts
FY. verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und statthaft.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet, weil der Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung der als Nervenleiden geltend gemachten
Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen und auf entsprechende Beschädigtenversorgung hat.
Der bindende Bescheid vom 26. September 1973 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 1975 sowie der bindende
Bescheid vom 11. Oktober 1977 sind insoweit weder aus rechtlichen noch aus tatsächlichen Gründen unrichtig. Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehnte Buch (SGB X) ist ein unanfechtbar gewordener Verwaltungsakt nur dann mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, "soweit sich im
Einzelfall ergibt, daß bei Erlaß eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen
worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht ... worden sind".
Die bindenden Bescheide sowie der angefochtene Bescheid vom 18. Januar 1983 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.
April 1983 sind rechtlich jedoch nicht zu beanstanden, weil der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung von Beschädigtenversorgung
nach dem Bundesversorgungsgesetz hat. Gemäß § 1 Abs. 1 BVG erhält in Beschädigter grundsätzlich auf Antrag Versorgung wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen einer Gesundheitsstörung,
die er "durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen
oder militärähnlichen Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen
Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse erlitten hat". Während nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges
genügt, müssen demgegenüber nach versorgungsrechtlichen Grundsätzen die anspruchsbegründenden Tatsachen und damit sowohl der
schädigende Vorgang und die erlittene gesundheitliche Schädigung selbst als auch Art und Umfang der Gesundheitsstörung erwiesen
sein (vgl. Wilke-Wunderlich, Kommentar, Bundesversorgungsgesetz, 6. Aufl., 1987, § 1, Rz 64 m.w.N.). Für das Vorliegen muß eine so hohe Wahrscheinlichkeit sprechen, daß darauf die Überzeugung von der Wahrheit
und nicht der bloßen Wahrscheinlichkeit einer solchen Schädigung gegründet werden kann (vgl. Wilke-Wunderlich a.a.O.). Es
muß vor allem ein so hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen der Tatsachen bestehen, daß kein vernünftiger denkender
Mensch mehr daran zweifelt (vgl. BSGE 6, S. 144). Die Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhanges zwischen einer bestimmten
Schädigung und der geltend gemachten Gesundheitsstörung ist schon bereits dann gegeben, wenn nach der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen
Lehrmeinung mehr für als gegen einen derartigen Ursachenzusammenhang spricht (vgl. Nr. 9 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zu § 1 BVG). In § 31 Abs. 1 und 2 BVG wird darüber hinaus bestimmt, daß nur dann, ein Beschädigter eine Grundrente erhält wenn seine MdE aufgrund der Schädigungsfolgen
wenigstens 25 % erreicht.
Nach dem Gutachten des medizinischen Sachverständigen Prof. Dr. G. handelt es sich bei den als Nervenleiden vom Kläger geltend
gemachten Gesundheitsstörungen um ein psychoorganisches Syndrom mäßiger bis mittelgradiger Ausprägung, außerdem liegen Hinweise
auf einen erlittenen cerebralen Insult in Gestalt einer durchgehenden linksseitigen Symptomatik vor. Prof. G. führt in seiner
Beurteilung aus, daß diese Gesundheitsstörungen weder Folgen der Verschüttung des Klägers am 5. September 1943 noch Folgen
der anderen im militärischen Dienst erlittenen Schädigungen oder der Belastungen des militärischen Dienstes seien. Vielmehr
seien diese Erkrankungen auf eine Arterioskleroseerkrankung insbesondere der Herzkranzgefäße und der Gehirngefäße zurückzuführen.
Diese Arterioskleroseerkrankung ihrerseits könne ebenfalls nicht auf die angeführten schädigenden Vorgänge und die Belastungen
des Klägers durch den militärischen Dienst zurückgeführt werden. Danach handelt es sich bei den als Nervenleiden geltend gemachten
angeführten Gesundheitsstörungen um sogenannte Nachschäden. Der Senat hat das Gutachten von Prof. Dr. G. für überzeugend gehalten.
Diese medizinische Sachverständige hat seiner Beurteilung nach Untersuchung des Klägers unter Berücksichtigung des fachpsychologischen
Gutachtens von Dr. D. vom 29. Oktober 1986 und insbesondere auch unter Berücksichtigung der vom Kläger im Verwaltungs- und
Gerichtsverfahren vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen und Gutachten sowie ferner auch unter Berücksichtigung der Angaben
des Klägers zu seinen Einsätzen im militärischen Dienst und damit zu seinen Belastungen erstattet. Das Gutachten von Prof.
Dr. G. ist in sich schlüssig und widerspruchsfrei. Prof. Dr. G. ist bei seiner Beurteilung auch zutreffend davon ausgegangen,
daß die Verschüttung nicht mit einer Hirnbeteiligung einhergegangen ist, daß es also nicht zu einer Hirnsubstanzschädigung
gekommen ist. Aufzeichnungen oder Krankenunterlagen über die bei der angegebenen Verschüttung erlittenen Schädigung hat das
Versorgungsamt beim Krankenbuchlager QQ. und bei der Deutschen Dienststelle QQ. nicht ermitteln können (Auskünfte des Krankenbuchlagers
QQ. vom 2. März 1971 und der Deutschen Dienststelle QQ. vom 7. Mai 1971). Auch der Kläger selbst konnte hierüber keine Unterlagen
vorlegen oder bestimmte Zeugen benennen, wie sich aus seinem Schreiben an das Versorgungsamt vom 13. Mai 1973 ergibt. Der
Kläger selbst hat zwar zu seinem Erstantrag vom 19. Dezember 1970 angegeben, er sei bei der Verschüttung durch fallendes Material
und Baumstämme am Kopf derart schwer verletzt worden, daß der sofort in das Feldlazarett bei ZZ. verschickt worden sei; im
Verwaltungsverfahren hat der Kläger dann mit Schreiben vom 13. Mai 1973 zum Ausdruck gebracht, er sei in besinnungslosem Zustand
in das Lazarett eingeliefert worden und erst dort wieder zu sich gekommen. Diese Angabe hat der Kläger auch bei der Begutachtung
durch Prof. Dr. G. gemacht. Zudem hat der Kläger auch geltend gemacht, er sei am Hinterkopf gequetscht worden (z.B. nach der
ärztlichen Bescheinigung von Dr. C. vom 14. September 1982, die der Kläger zu seinem Antrag auf erneute Feststellung vom 15.
November 1982 beim Versorgungsamt vorgelegt hat). Hingegen fehlt eine Bestätigung dafür, daß diese Verschüttung oder die vom
Kläger im militärischen Dienst erlittenen Schußverletzungen mit einer Hirnbeteiligung einhergegangen sind; es sind auch Anhaltspunkte
zu weiteren Ermittlungen in dieser Richtung nicht ersichtlich. Die Unaufgeklärtheit des Sachverhalts geht insoweit aber zu
Lasten des Klägers.
Soweit der Kläger darüber hinaus als Nervenleiden Beschwerden in Gestalt einer phobischen Angstneurose und eines Anfalleidens
geltend macht, fehlt es schon an entsprechenden Gesundheitsstörungen. Wie sich aus dem überzeugenden Gutachten von Prof. Dr.
G. ergibt, haben sich solche Gesundheitsstörungen bei der Untersuchung des Klägers anläßlich der Begutachtung nicht feststellen
lassen. Prof. Dr. G. hat darauf hingewiesen, daß auch eine Analyse der Angaben des Klägers, daß aktuelle dauerhafte Befinden
betreffend, es nicht erlaube, eine solche Erkrankung beim Kläger anzunehmen; was das Anfallsleiden angehe, sei der Darstellung
des Klägers der Geschehensabläufe der Anfälle nicht zu entnehmen, ob es sich tatsächlich um ein hirnorganisches Anfallsleiden
handele, die von ihm zu erhaltende Schilderung spreche weiteher für vaskulär bedingte vorübergehende Wahrheitstrübung bis
hin zum Bild der Ohnmacht. Zwar hat Prof. Dr. G. auch zum Ausdruck gebracht, daß dies nicht bedeuten könne, daß die früher
mehrfach gestellte Diagnose einer phobischen Angstneurose und des Anfallsleidens unzutreffend sei. Insoweit scheitert aber
eine tatsächliche Unrichtigkeit des Sachverhalts, auf den die früheren Bescheide beruht haben, von vornherein schon deshalb
aus, weil Prof. Dr. G. in seinem überzeugenden Gutachten schlüssig dargelegt, daß jedenfalls weder für eine frühere Angstneurose
noch für ein - früheres - Anfallsleiden ein ursächlicher Zusammenhang mit dem Verschüttungserlebnis oder den anderen im militärischen
Dienst erlittenen Schädigungen sowie mit den Belastungen es militärischen Dienstes mit Wahrscheinlichkeit angenommen werden
kann. Im übrigen hat Prof. Dr. G. im Gutachten auch ausgeführt, daß der Umstand, daß beim Kläger bereits im Jahre 1940 eine
Herzneurose diagnostiziert worden sei (Auskunft der Deutschen Dienststelle QQ. vom 7. Mai 1971) ein Hinweis darauf gebe, daß
der Kläger bereits vor der Verschüttung zu neurotischer Symptombildung geneigt habe.
Soweit in den vom Kläger im Verwaltungs- und in Gerichtsverfahren vorgelegten ärztlichen Gutachten und Bescheinigungen vom
Kläger als Nervenleiden geltend gemachten Gesundheitsstörungen mit der Verschüttung oder den Einflüssen des militärischen
Dienstes in ursächlichem Zusammenhang gebracht worden sind, hat das überzeugende Gutachten von Prof. Dr. G. diese Auffassungen
widerlegt.
Die Einholung weiterer medizinischen Sachverständigengutachten hielt der Senat nicht für erforderlich. Ein fachpsychologisches
Gutachten liegt bereits vor (Gutachten von Dr. D vom 29. Oktober 1986) und ist von dem Sachverständigen Prof. Dr. G. berücksichtigt
worden. Die Einholung eines fachinternistischen Sachverständigengutachtens hat der Senat nicht für erforderlich gehalten,
nachdem der Internist Dr. G. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme der Beurteilung von Prof. Dr. G. zugestimmt hat, insbesondere
dahin, daß die Arterioskleroseerkrankung des Klägers, auf die Prof. Dr. G. das psycho-organische Syndrom sowie den erlittenen
cerebralen Insult zurückgeführt hat, nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die angegebene Verschüttung, den sonstigen im militärischen
Dienst erlittenen Schädigungen und den Belastungen durch den militärischen Dienst zurückgeführt werden kann. Der Senat hat
auch diese Beurteilung in der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. G. (vom 11. Juni 1987) für überzeugend gehalten,
so daß jedenfalls auch der Anregung von Prof. Dr. G. hierzu gegebenenfalls noch ein Internisten zu hören, hinreichend nachgekommen
worden ist. Schließlich hat auch die Behauptung des Klägers zur Begutachtung durch Prof. Dr. G., der untersuchende Arzt habe
ihm gegenüber erklärt, daß sein Leiden auf die während des Krieges erlittenen schweren körperlichen Schäden zurückzuführen
seien und daß das Gutachten positiv zu seinen Gunsten ausfallen werde, keinen Anlaß zu weiteren Ermittlungen gegeben. Denn
das schriftliche Gutachten gibt die Meinung des medizinischen Sachverständigen - auf die es hier ankommt - klar verständlich
wieder.
Die beim Kläger anerkannten Schädigungsfolgen haben eine MdE nicht zur Folge, wie sich aus der versorgungsärztlichen Äußerung
von der Dr. M. vom 27. November 1974 ergibt. Sie können deshalb einen Anspruch auf Beschädigtenrente nicht begründen.
Das Vorbringen des Klägers, er sei schädigungsbedingt vorzeitig, bereits mit 50 Jahren berentet worden, gibt insoweit keinen
Anlaß zu einer anderen Beurteilung. Denn es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß die anerkannten, nur leichte Schädigungsfolgen
annähernd gleichwertige Ursache des angegebenen vorzeitigen Ausscheidens aus dem Berufsleben gewesen sind. Soweit das Vorbringen
des Klägers über sein vorzeitiges schädigungsbedingtes Ausscheiden auch Versorgungsleistungen in Form eines Berufsschadensausgleichs
umfaßt, scheitert ein Anspruch auf eine solche Leistung bereits an der Grundvoraussetzung des § 30 Abs. 3 BVG, weil der Kläger kein rentenberechtigter Beschädigter ist.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen von §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.