Nachentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen
Beschäftigung von Pflegekräften aus Polen
Begriff der Beschäftigung
Höhere Dienste
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger wegen der Beschäftigung von Pflegekräften aus Polen zur Nachentrichtung
von Sozialversicherungsbeiträgen einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von insgesamt 7.324,61 € verpflichtet ist.
Dem liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Die Mutter des Klägers lebte in D-Stadt und war ab August 2000 rund um die Uhr
pflegebedürftig. In der Zeit vom 16. September 2000 bis 26. Juni 2001 wurde sie von drei Pflegekräften aus Polen betreut.
Sie ist zwischenzeitlich verstorben.
Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Frankfurt am Main (Az. 7810 Js 228486/01) gegen die polnische Staatsangehörige E. (im Weiteren Beschuldigte genannt) machte der Kläger am 27. Juni 2001 eine Zeugenaussage.
Danach fand der Kläger über den telefonischen Kontakt zur Beschuldigten zunächst zwei Frauen (F. und G.) aus Polen, die die
Pflege seiner Mutter in D-Stadt für jeweils zwei bis drei Monate übernahmen. Frau F. übernahm die Pflege in der Zeit von September
bis November 2000 und von Februar bis April 2001, Frau G. in der Zeit von November 2000 bis Februar 2001. Frau F.s Schwester,
Frau H., übernahm die Pflege in der Zeit von Mai 2001 bis 27. Juni 2001. Mindestens eine der polnischen Frauen (Frau G.) reiste
in die Bundesrepublik Deutschland mit einem Touristen-Visa ein, evtl. hatte Frau F. sowohl einen polnischen als auch einen
deutschen Reisepass. Im August 2000 nahm der Kläger erstmals über eine polnische Telefonnummer Kontakt mit der Beschuldigten
auf. Es folgten weitere Telefongespräche in denen der Termin vereinbart wurde, ab dem Frau F. für die Pflege zur Verfügung
stand. Des Weiteren vereinbarte der Kläger mit der Beschuldigten die monatliche Entlohnung in Höhe von 1.600 DM (bei freier
Kost und Logis; dies entspricht 818,07 €) zuzüglich Fahrtkosten in Höhe von 400 DM (dies entspricht 204,52 €). Anfang September
2000 holte der Kläger Frau F. zum vereinbarten Termin am vereinbarten Ort (Autobahnraststätte I-Stadt) ab und fuhr sie mit
seinem Auto zu seiner Mutter nach D-Stadt. Der Wechsel der Pflegekräfte fand alle zwei bis drei Monate am gleichen Ort statt.
Seine Mutter benötigte in der maßgeblichen Zeit Hilfe bei allen Verrichtungen des täglichen Lebens. Ohne fremde Hilfe ist
seine Mutter nahezu bewegungsunfähig gewesen. Die tägliche Arbeit der polnischen Frauen beschränkte sich auf die Pflege seiner
Mutter. Des Weiteren wurde eine Putzfrau einmal in der Woche beschäftigt. Auch kümmerte sich eine alte Freundin seiner Mutter
um die übrigen Dinge des täglichen Lebens. Der Kläger besaß für das Bankkonto seiner Mutter eine Vollmacht und bezahlte die
polnischen Frauen mit dem Geld seiner Mutter bar und ohne Quittung. Da er mit den Leistungen der Damen sehr zufrieden war,
zahlte er ihnen im Jahr 2000 einen Betrag von 200 DM (dies entspricht 102,26 €) mehr als vereinbart und im Jahr 2001 einen
Mehrbetrag von 400 DM (dies entspricht 204,52 €). Insgesamt zahlte der Kläger im Jahr 2000 ca. 6.500 DM (dies entspricht 3.323,40
€) und im Jahr 2001 ca. 12.000 DM (dies entspricht 6.135,50 €). Die Pflegekräfte wurden weder zur deutschen Sozialversicherung
angemeldet noch sind die Kosten steuerlich geltend gemacht worden.
Ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wurde nach §
153 Abs.
1 Satz 2
Strafprozessordnung (
StPO) im Hinblick auf den Pflegenotstand eingestellt. Die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Frankfurt am Main übermittelte
der Beklagten die Aussage des Klägers im Ermittlungsverfahren mit dem Hinweis, vorenthaltene Sozialversicherungsbeiträge nachzufordern.
Auf die Ankündigung der Beklagten (Schreiben vom 6. Dezember 2002), vom Kläger die Nachentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen
für die Beschäftigung von drei Pflegekräften in der Zeit vom 16. September 2000 bis zum 26. Juni 2001 auf der Grundlage seiner
Aussage im Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigte E. zu fordern, wandte dieser ein, seine damalige Zeugenaussage könne
die Beklagte wegen eines Beweisverwertungsverbotes nicht gegen ihn verwenden. Zudem habe kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis
bestanden, da die polnischen Pflegekräfte in einem weisungsfreien und damit nicht sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis
gestanden hätten. Zumindest sei er nicht Arbeitgeber dieser Pflegekräfte gewesen.
Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 22. Mai 2003 auf der Grundlage der Aussage des Klägers im Ermittlungsverfahren eine Nachforderung
von Sozialversicherungsbeiträgen gemäß § 28p Abs.
1, §
107 SGB IV für eine Beschäftigung von drei Pflegekräften aus Polen in der Zeit vom 16. September 2000 bis zum 26. Juni 2001 in Höhe
von 6.030,61 € zuzüglich Säumniszuschläge in Höhe von 1.294,00 € fest. Dazu führte die Beklagte aus, die Auswertung der Ermittlungsakte
habe ergeben, dass der Kläger drei polnische Arbeitnehmerinnen zur Pflege seiner Mutter in D-Stadt beschäftigt habe. Er habe
für die polnischen Pflegekräfte als Arbeitgeber gemäß §
5 Abs.
1 Nr.
1 SGB V, §
20 Abs.1 Nr.
1 SGB XI, §
1 Satz 1 Nr.
1 SGB VI, §
25 Abs.
1 SGB III Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen. Nach den Angaben des Klägers sei für das Jahr 2000 ein monatlich gezahlter Nettolohn
in Höhe von 1.800 DM und im Jahr 2001 in Höhe von 2.000 DM berücksichtigt worden. Für Juni 2001 sei kein Nettolohn berücksichtigt
worden, da bislang keine Zahlung erfolgt sei. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 22. September
1988, Az.: 12 RK 36/86) sei der durchschnittliche Steuersatz für Arbeitnehmer im Jahr 2000 in Höhe von 31,86 % und im Jahr 2001 in Höhe von 26,57
% zu berücksichtigen. Des Weiteren sei für freie Kost und Logis als geldwerte Vorteile ein täglicher Betrag zu berücksichtigen
gewesen. Im Jahr 2000 sei dies für Unterkunft 11,83 DM/täglich und für Verpflegung 12,20 DM/täglich sowie im Jahr 2001 ein
Betrag in Höhe von 11,97 DM/täglich für Unterkunft und 12,34 DM/täglich für Verpflegung gewesen. Der Berechung der Beiträge
zur Krankenversicherung sei gemäß §
242 SGB V der erhöhte Beitragssatz zugrunde gelegt worden. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 31. Mai 1990,
Az.: VII ZR 336/89) habe ein Schwarzarbeiter gegen seinen Arbeitgeber keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Daraus folge der
erhöhte Beitragssatz nach §
242 SGB V für Mitglieder ohne Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Auch habe der Kläger Säumniszuschläge zu zahlen, da er
mit Anhörungsschreiben vom 6. Dezember 2002 von seiner Beitragsschuld unterrichtet worden sei.
Den dagegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. September 2003 als unbegründet
zurück. Ergänzend zu ihren bisherigen Ausführungen vertrat die Beklagte die Auffassung, angesichts der Verletzung der Aufzeichnungspflicht
nach §
28f Abs.
2 SGB IV durch den Kläger als Arbeitgeber, sei sie berechtigt, die Beiträge zur Sozialversicherung anhand der gezahlten Lohnsumme
nachzufordern. Die vom Kläger angeregte Zeugenvernehmung der polnischen Pflegekräfte erübrige sich damit.
Gegen den am 10. November 2003 per Fax zugegangenen Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 10. Dezember 2003 Klage vor dem
Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben.
Der Kläger hat weiterhin die Auffassung vertreten, seine Aussage im Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigte E. (Landgericht
Frankfurt am Main: Az. 7810 Js 228486/01) könne nicht gegen ihn verwendet werden. Es liege ein Beweisverwertungsverbot vor. Er sei von dem Ermittlungsbehörden damals
als Zeuge belehrt und als solcher auch vernommen worden. Man habe ihn nicht darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, ein
Ermittlungsverfahren gegen ihn einzuleiten. Ihn nunmehr als Beschuldigten zu behandeln, verstoße gegen §
136a StPO. Des Weiteren sei zwischen ihm und den polnischen Pflegekräften kein Arbeitsvertrag geschlossen worden. Er habe nicht einmal
den vollständigen Namen der polnischen Pflegekräfte gekannt und habe für die Pflegekräfte keine Arbeitsorganisation aufgestellt.
Auch habe er wegen fehlender Kenntnisse ihnen keine Weisungen zur Durchführung der Pflege geben können. Hinzukomme, dass er
in J-Stadt und seine Mutter in D-Stadt gelebt habe. Sein Beitrag habe allein darin bestanden, die polnischen Frauen mit seinem
Auto von der Autobahnraststätte I-Stadt nach D-Stadt zu fahren und das monatliche Entgelt der Pflegekräfte vom Konto seiner
Mutter abzuheben. In allen Angelegenheiten habe er im Namen seiner Mutter und nicht in eigenem Namen gehandelt. Es habe sich
hierbei allein um eine Gefälligkeit für seine Mutter gehandelt. Auch seien die polnischen Pflegekräfte aufgrund ihrer weisungsfreien
Tätigkeit als Selbständige tätig geworden. Diese Auffassung werde auch in der Finanzverwaltung und in der Literatur vertreten.
Danach sei die Vergütung solcher Pflegekräfte als steuerpflichtige Einnahmen der Pflegekräfte aus sonstiger selbständiger
Tätigkeit nach §
18 Abs.
1 Nr.
3 EStG anzusehen (Kirchhoff
EStG, 3. Aufl. 2003, §
19 Rdnr. 100; Schmidt
EStG, 22. Aufl. 2003, §
19 Rdnr. 15).
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 30. Juni 2005 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt,
die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig. Das Sozialgericht sei nicht gehindert, den Inhalt der Ermittlungsakte
der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Frankfurt am Main (Az. 7810 Js 228486/01) in Form des Urkundsbeweises (§§
128 Abs.
1,
118 Sozialgerichtsgesetz -
SGG, in Verbindung mit §
415 ff.
Zivilprozessordnung -
ZPO) zu verwerten. Es bestehe kein Verwertungsverbot der Aussage des Klägers. Das
Sozialgerichtsgesetz kenne kein Beweisverwertungsverbot und aus allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsätzen sei kein Verwertungsverbot im Sinne
von §
136 Abs.
1 Satz 3
StPO abzuleiten. Dem stehe auch das Amtsermittlungsprinzips nach § 20 SGB X, §
103 SGG entgegen. Der Kläger sei der Arbeitgeber der drei aus Polen stammende Pflegekräfte gem. §
7 Abs.
1 SGB IV gewesen und habe gemäß §
28 d Abs.
1 Satz 1
SGB IV, den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen. Eine selbständige Tätigkeit dieser Pflegekräfte könne nicht angenommen werden,
da für eine solche Annahme Anhaltspunkte fehlten. Vielmehr seien die Pflegekräfte ihm gegenüber weisungsabhängig gewesen.
Für die Annahme einer weisungsabhängigen Tätigkeit der polnischen Pflegekräfte sei nicht erforderlich, dass der Kläger ihnen
für jeden Arbeitsschritt eine Anweisung erteilt habe. Es habe einzelner Anweisungen nicht bedürft, da die Aufgabe der polnischen
Pflegekräfte ausreichend umrissen gewesen und von den Bedürfnissen der zu pflegenden Mutter bestimmt gewesen seien. Als Arbeitsort
sei die Wohnung der Mutter des Klägers ebenso wie die Arbeitszeit durch die übernommene Pflege bestimmt gewesen. Die polnischen
Pflegekräfte hätten einen Teil der Erfüllung der gesetzlichen Unterhaltspflicht des Klägers gegenüber seiner Mutter gemäß
§
1601 ff.
Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) übernommen. Fernen stellten Dienstleistungen im häuslichen und pflegerischen Bereich typische Arbeitnehmertätigkeiten dar.
Gegen die Annahme einer selbständigen Tätigkeit der polnischen Pflegekräfte spreche auch der Umstand, dass diese keine eigenen
sächlichen Mittel zur Erbringung der Pflegeleistungen aufgewandt hätten. Der Annahme der Arbeitgebereigenschaft des Klägers
stehe nicht entgegen, dass dieser nicht zum Pfleger seiner Mutter bestellt worden sei. Ebenso stehe dem nicht entgegen, dass
der Kläger auf die Ausführung der Pflege keinen unmittelbaren Einfluss gehabt habe; jedoch habe seine Mutter ihm die Ausführung
aller anfallenden Geschäfte überlassen, die im Zusammenhang mit der Arbeitgebereigenschaft standen.
Gegen das am 17. August 2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15. September 2005 Berufung eingelegt.
Der Kläger vertritt weiterhin die Auffassung, dass im Bezug auf seine Zeugenaussage ein Verwertungsverbot nach §
136a StPO bestehe. Ebenso ist er weiterhin der Auffassung, er sei nicht der Arbeitgeber der polnischen Pflegekräfte gewesen. Auch stelle
die Tätigkeit der polnischen Pflegekräfte eine strafrechtlich verbotene Tätigkeit dar, die nicht in den Genuss eines sozialversicherungsrechtlichen
Schutzes eines Beschäftigungsverhältnisses des §
7 Abs.
1 SGB IV gestellt werden sollte.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 30. Juni 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 22. Mai 2003 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2003 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, das Sozialgericht habe zutreffend entschieden.
Der Senat hat den Kläger im Erörterungstermin am 17. April 2008 persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung und
zum Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte verwiesen. Des Weiteren
haben die Beteiligten ihr Einverständnis zu einer Entscheidung des Rechtsstreites durch den Senat ohne mündliche Verhandlung
erklärt.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte im Einverständnis der Beteiligten den Rechtsstreit mit ehrenamtlichen Richtern aber ohne mündliche Verhandlung
entscheiden (§
153 Abs.
1 i.V.m. §
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz -
SGG).
Die Berufung ist zulässig, aber in der Sache unbegründet.
Das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 30. Juni 2005 ist nicht zu beanstanden und der Bescheid der Beklagten
vom 22. Mai 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2003 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht
in seinen Rechten.
Die Beklagte hat den Kläger rechtmäßig zur Nachenrichtung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages mit den angefochtenen Bescheiden
verpflichtet, denn er hat die drei polnischen Pflegekräfte in der Zeit vom 16. September 2000 bis 26. Juni 2001 für die Pflege
seiner Mutter im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses beschäftigt.
Gemäß §
5 Abs.
1 Nr.
1 SGB V, §
24 SGB III, §
1 Satz 1 Nr. 1
SGB VI und §
20 SGB XI setzt die Versicherungspflicht zur gesetzlichen Kranken-, Arbeitslosen-, Renten- und Pflegeversicherung jeweils ein Beschäftigungsverhältnis
voraus. Beschäftigung ist die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§
7 Abs.
1 Satz 1
SGB IV).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber
persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den
Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsleistung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers
unterliegt. Vornehmlich bei Diensten höherer Art kann dieses auch eingeschränkt und zur "dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess"
verfeinert sein (dazu Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Dezember 2001, Az.: B 12 KR 10/01 R). Höhere Dienste werden im Rahmen abhängiger Beschäftigung geleistet, wenn sie fremdbestimmt bleiben, sie in einer von der
anderen Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebs aufgehen (Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Juni 2001, Az.: B 12 KR 44/00 R). Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen
Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und
Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen.
Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab,
geben diese den Ausschlag (zu alledem: Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Juni 2001, Az.: B 12 KR 44/00 R - m.w.N; Urteil vom 1. Februar 2006, Az.: L 5 KR 3432/05). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig
ist (Bundessozialgericht Urteil vom 25.Januar 2006, Az.: B 12 KR 30/04 R).
Der Senat ist ebenso wie das Sozialgericht zu der Überzeugung gekommen, dass die drei polnischen Pflegekräfte in Ausübung
der Pflege der Mutter des Klägers in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis tätig waren. Da nach den Angaben des Klägers
kein schriftlicher Vertrag geschlossen wurde, ist allein auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen. Dabei stützt sich
der Senat auf die Zeugenaussage des Klägers vom 27. Juni 2001 im Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht
Frankfurt am Main gegen die Beschuldigte E. (Az.: 7810 Js 228486/01). Danach haben drei polnische Pflegekräfte ihre Tätigkeit im Rahmen einer ihnen vorgegebenen Arbeitsorganisation (Haushalt
der Mutter des Klägers in D-Stadt) erbracht. Auch waren ihnen die Zeit und die Dauer ihrer Tätigkeit vorgegeben. Nach der
Aussage des Klägers war seine Mutter rund um die Uhr hilfebedürftig. Da diese Pflege "allein durch die Hilfe von Verwandten
und Freunden" nicht mehr gewährleistet werden konnte, wurden die polnischen Pflegekräfte für 2 bis 3 Monate verpflichtet.
Damit war auch die Art der Arbeitsleistung bestimmt, ohne dass Anweisungen für jede einzelne Arbeitsverrichtung erforderlich
gewesen sind. Eine nichtversicherungspflichtige selbständige Tätigkeit der polnischen Pflegekräfte kann nicht angenommen werden,
da sie kein Unternehmerrisiko getragen haben. So wurde mit ihnen keine erfolgsabhängige Vergütung, sondern ein festes monatliches
Arbeitsentgelt vereinbart. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger nach eigenen Angaben den Pflegekräften wegen seiner Zufriedenheit
mit ihrer Tätigkeit mehr als vereinbart zahlte. Denn dieser Zufriedenheits-Bonus war nicht von bestimmten Erfolgskriterien
abhängig, sondern als eine freiwillige Gratifikation ausgestaltet. Auch hatten die polnischen Pflegekräfte kein finanzielles
Risiko in Form des Einsatzes eigener betrieblicher Mittel, wie Büro, Fahrzeuge o. ä. zu tragen.
Auf der Grundlage der Zeugenaussage des Klägers im Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigte E. ist der Senat ebenso wie
das Sozialgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger als Arbeitgeber der drei polnischen Pflegekräfte anzusehen ist.
Danach hat er sich um die Kontaktaufnahme mit der Beschuldigten gekümmert. Mit ihr hat er die monatliche Entlohnung sowie
Umfang und Konditionen der Pflegeleistungen, wie Ort der Pflegeleistungen in D-Stadt, freie Kost und Logis für die Pflegekräfte,
Übernahme deren Reisekosten von Polen nach Deutschland, die Abholung an einer Autobahnraststätte mit anschließender Autofahrt
nach D-Stadt ausgehandelt. Auch händigte der Kläger den polnischen Pflegekräften die monatlich Entlohnung aus. Diese Umstände
ergeben in ihrer Gesamtheit das Erscheinungsbild nach außen, dass der Kläger als Arbeitgeber gegenüber den polnischen Pflegekräften
in der vorliegend streitigen Zeit aufgetreten ist. Dabei kann zurücktreten, dass der monatliche Lohn der polnischen Pflegekräfte
aus dem Einkommen bzw. Vermögen der Mutter des Klägers stammte. Es kann auch dahingestellt bleiben, ob dies den polnischen
Pflegekräften bekannt gewesen ist. Denn dieser Umstand betrifft vielmehr das Innenverhältnis zwischen dem Kläger und seiner
Mutter, nicht das Verhältnis zwischen den polnischen Pflegekräften und dem Kläger.
Auch war weder das Sozialgericht noch ist der erkennende Senat gehindert, diese Aussage seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
Ein Verwertungsverbot der Aussage des Klägers im Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigte E. (Landgericht Frankfurt am
Main: Az. 7810 Js 228486/01) vermag der Senat nicht zu erkennen.
Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, stellt die Niederschrift über die Vernehmung des Klägers als Zeuge in dem
gegen die Beschuldigte E. gerichtetem Ermittlungsverfahren eine Urkunde dar. Sie kann grundsätzlich im sozialgerichtlichen
Prozess im Wege des Urkundsbeweises gemäß §§
128 Abs.
1,
188 SGG in Verbindung mit § 415ff.
ZPO verwertet werden, wie auch die sonstigen Informationen aus der Ermittlungsakte (zur Verwertbarkeit von protokollierten Zeugenaussagen
im Wege des Urkundsbeweises: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
Sozialgerichtsgesetz, 9. Aufl. §
128 Rdnr. 8a, 8b; §
117 Rdnr. 5, § 103 Rdnr. 11d). Dem Kläger ist insoweit zuzustimmen, als gegen die Verwertung eines Urkundsbeweises ein Verwertungsverbot
sprechen kann. Insbesondere können Grundrechtsverletzungen ein Beweisverwertungsverbot bewirken, z. B. wenn das Beweismittel
durch Eindringen in die verfassungsrechtlich geschützte Intimsphäre erlangt wurde. Entsprechendes gilt auch, wenn nach §
136a StPO verbotene Vernehmungsmethoden, wie z. B. im Extremfall Folter, angewandt wurde. Dies folgt aus dem Zweck des §
136a StPO, dem Grundrechtsschutz zu dienen. Es liegen jedoch keine Anhaltspunkte vor, dass die protokollierte Zeugenaussage des Klägers
vom 27. Juni 2001 durch verbotene Vernehmungsmethoden im Sinne von §
136a StPO (Misshandlung, Ermüdung, körperlichen Eingriff, Verabreichung von Mitteln, Quälerei, Täuschung, Hypnose, unzulässigen Zwang,
Drohung, Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils) zustande gekommen sein könnte. Schließlich wurde der Kläger
als Zeuge und nicht als Beschuldigter im Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigte E. vernommen.
Soweit der Kläger der Verwertung seiner Zeugenaussage entgegenhält, er sei entgegen der Ausgestaltung seiner Befragung nicht
als Zeuge sondern als Beschuldigter vernommen worden, eine Belehrung als Beschuldigter gemäß §
136 Abs.
1 Satz 2, §
163 Abs.
4 StPO sei jedoch unterblieben, kann dies zu keinem anderen Ergebnis führen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt
die Beschuldigteneigenschaft des §
136 StPO subjektiv den Verfolgungswillen der Strafverfolgungsbehörden voraus, der sich objektiv in einem Willensakt manifestiert.
Wird gegen eine Person ein förmliches Ermittlungsverfahren eingeleitet oder werden strafprozessuale Eingriffsmaßnahmen ergriffen
(z. B. eine Durchsuchung nach §
102 StPO), die nur gegenüber einem Beschuldigten zulässig sind, so liegt die Beschuldigteneigenschaft des Betroffenen auf der Hand.
In diesen Fällen bedarf es somit einer Beschuldigtenbelehrung. Anders liegt es jedoch im Falle einer Vernehmung. Aus den Regelungen
der §§
55,
60 Nr. 2
StPO ergibt sich, dass im Strafverfahren auch ein Verdächtiger als Zeuge vernommen werden darf, ohne dass er über die Beschuldigtenrechte
belehrt werden muss. Der Vernehmende darf bei einer solchen Zeugenvernehmung auch die Verdachtslage weiter abklären und ist
nicht gehindert, den Verdächtigen mit dem Tatverdacht zu konfrontieren. Auf den Tatverdacht zielende Vorhalte und Fragen sind
nicht zwingend ein Beleg dafür, dass der Vernehmende dem Vernommenen als Beschuldigten ansieht. Ob die Strafverfolgungsbehörde
einen solchen Grad des Verdachts auf eine strafbare Handlung für gegeben hält, dass sie einen Verdächtigen als Beschuldigten
vernimmt, unterliegt ihrer pflichtgemäßen Beurteilung. Nur wenn der Tatverdacht so stark ist, dass die Strafverfolgungsbehörde
andernfalls willkürlich die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums überschreiten würde, liegt ein Verfahrensfehler vor, wenn
sie nicht zur Beschuldigtenvernehmung übergeht. Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Beschuldigtenvernehmung zieht in diesen
Fällen ein Beweisverwertungsverbot der Zeugenaussage nach sich (Bundesgerichtshof, Urteil vom 3. Juli 2007, Az.: 1 StR 3/07 mit weiteren Nachweisen). Aus der Vernehmung des Klägers am 27. Juni 2001 lassen sich keine Anhaltspunkte entnehmen, dass
seine Befragung vorrangig der Klärung eines gegen ihn gerichteten hochgradigen Tatverdachts diente und seine Aussage als Zeuge
im Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigte E. nur als Vorwand zur Verschleierung der wahren Absicht des Vernehmenden diente.
Die Gestaltung der Befragung und die Befragungsumstände ergeben dazu ebenfalls keinen Anhaltspunkt. Damit scheidet ein strafprozessuales
Beweisverwertungsverbot aus und die Zeugenaussage des Klägers kann im sozialgerichtlichen Verfahren herangezogen werden.
Der Verpflichtung des Klägers zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Beschäftigung von polnischen Pflegekräften
steht nicht entgegenhalten, dass die Beschäftigung mindestens einer polnischen Pflegekraft im Rahmen ihres Aufenthalts in
der Bundesrepublik Deutschland mit einem Touristenvisum gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes (DVAuslG, in der vorliegend anzuwendenden und bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung) erfolgte und bereits aus diesem Grunde
illegal war. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 DVAuslG darf ein Ausländer, der auf der Grundlage eines Touristenvisums sich im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aufhält, keine
Erwerbstätigkeit aufnehmen. Aus §
14 Abs.
1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (
SGB IV, in der vorliegend anzuwendenden und bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung) ist jedoch zu entnehmen, dass auch solche
illegalen Beschäftigungen der Beitragspflicht der Sozialversicherung unterliegen. Danach unterfallen dem Begriff des beitragspflichtigen
Arbeitsentgelts alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf
die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der
Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Dem entsprechend unterfallen alle illegalen Beschäftigungen, auch
die während des Aufenthalts eines Ausländers mit einem Touristenvisum, der Beitragspflicht der Sozialversicherungspflicht.
Eine Ausnahme gilt nach der Rechtsprechung des Bundesssozialgerichts (Urteil vom 10. August 2000, Az.: B 12 KR 21/98 R) lediglich für sittenwidrige Beschäftigungsverhältnisse. Die Beschäftigung eines Ausländers während seines Aufenthalts aufgrund
eines Touristenvisums, bzw. einer Pflegekraft mit Deutschem Pass aber ohne Anmeldung zur Sozialversicherung ist zwar illegal,
aber Anhaltspunkte für eine Sittenwidrigkeit konnte der Senat nach den vorliegenden Unterlagen nicht erkennen.
Fehler der Beklagten bei der Erstellung bzw. Berechnung der Beitragspflicht des Klägers im Summenbeitragsbescheid gemäß §
28f Abs.
2 SGB IV konnte der Senat nicht erkennen. Die Beklagte hat die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 22. September 2000,
Az.: 12 RK 36/86) berücksichtigt. Der Kläger hat gegen die Beitragsberechnung auch keine Einwände erhoben.
Die Beitragsforderung der Beklagten ist nicht verjährt. Gemäß §
25 Abs.
1 Satz 1
SGB IV sind Beiträge innerhalb von vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem Beiträge fällig geworden sind, geltend zu
machen. Die Beklagte hat mit Bescheid vom 22. Mai 2003 Beiträge ab Oktober 2003 geltend gemacht.
Ebenso hat die Beklagte den Säumniszuschlag gemäß §
24 Abs.
1 SGB IV in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung berechnet.
Die Abänderung der Kostenentscheidung im Bezug auf den Kläger zu 1) beruht auf §
197a Sozialgerichtsgesetz (
SGG) i.V.m. §
154 Abs.
1 Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO). Denn er hat am 10. Dezember 2003 und damit bereits unter der Geltung des am 2. Januar 2002 in Kraft getretenen §
197a SGG Klage erhoben, welcher die grundsätzliche Kostenpflichtigkeit des sozialgerichtlichen Verfahrens bei Streitigkeiten dieser
vorliegenden Art normiert. Der Senat konnte insoweit auch die Kostenentscheidung des Sozialgerichts ändern.
Die Streitwertfestsetzung für das Berufungsverfahren beruht auf § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG) in der zum 1. Juli 2004 geltenden Fassung. Der Senat hat der Streitwertfestsetzung die Beitragsforderung der Beklagten ohne
Säumniszuschläge zugrunde gelegt.
Gründe für eine Zulassung der Revision haben nicht vorgelegen.