LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 14.12.2005 - 5 SB 23/05
Nachteilsausgleich aG im Schwerbehindertenrecht bei Einschränkung der Gehfähigkeit
1. Für den Nachteilsausgleich aG muss der Betroffene in seiner Gehfähigkeit so stark eingeschränkt sein, dass die Zurücklegung
längerer Wegstrecken zu Fuß unzumutbar ist. Er muss jedoch nicht nahezu unfähig sein, sich fortzubewegen. Es besteht kein
Anspruch auf den Nachteilsausgleich aG, wenn mithilfe eines Rollators nach jeweils kurzen Pausen wiederholt Wegstrecken von
ca 200 Metern ohne wesentliche Schmerzen oder Beschwerden zurückgelegt werden können.
2. Ein schwerbehinderter Mensch, der bei einer Fortbewegung innerhalb seiner Wohnung bereits Unterarmgehstützen benutzen bzw
sich an Einrichtungsgegenständen abstützen muss und außerhalb der Wohnung nur noch maximal 150 m pro Weg zurücklegen kann,
wobei er infolge Luftnot und Schmerzen jeweils nach maximal 30 Metern eine Pause im Sitzen einlegen muss, und bei dem zusätzlich
die Gefahr osteoporosebedingter Sinterungsfrakturen besteht, hat einen Anspruch auf Zuerkennung des Nachteilsausgleichs aG.
3. Für den Nachteilsausgleichs aG sind im Rahmen einer umfassenden Einzelfallprüfung Zumutbarkeitskriterien zu prüfen. Dabei
ist unter Berücksichtigung des Gesetzeszweckes des
SGB IX zu berücksichtigen, dass sich gerade bei außergewöhnlich Gehbehinderten die Möglichkeit der Teilhabe an der Gesellschaft
fast ausschließlich nach der Fähigkeit bestimmt, Veranstaltungsorte, Geschäfte und sonstige Einrichtungen mittels des eigenen
Kraftfahrzeugs zu erreichen. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]
Normenkette: SchwbAwV § 3 Abs. 1 Nr. 1
,
,
,
,
StVO § 46
,
StVOVwV § 46 Abs. 1 S. 1 Nr. 11
Vorinstanzen: SG Lüneburg 15.02.2005 S 15/3 SB 13/04