Beschwerde des Leistungsträgers gegen seine einstweilige Verpflichtung zur Gewährung von Regelleistungen nach dem SGB II an Unionsbürger
Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer
Gründe
Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist unbegründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht den Antragsgegner im Rahmen eines Verfahrens auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes verpflichtet,
der Antragstellerin Regelleistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 04.09. bis 30.12.2015 zu gewähren.
Leistungen nach dem SGB II sind insbesondere nicht nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen.
Nach der Vorschrift sind Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus
dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, vom Leistungsanspruch ausgenommen. Die Ausschlussregelung erfordert zur Umsetzung des Willens
des Gesetzgebers bei Unionsbürgern regelmäßig eine fiktive Prüfung des Grundes bzw. der Gründe ihrer Aufenthaltsberechtigung.
Bereits das Vorhandensein der Voraussetzung eines Aufenthaltsrechts aus einem anderen Grund als dem der Arbeitssuche hindert
die von der Rechtsprechung des BSG geforderte positive Feststellung eines Aufenthaltsrechts "allein zum Zwecke der Arbeitssuche" im Sinne der Vorschrift.
Ein solcher Fall liegt hier vor, weil der Antragstellerin nach der im Verfahren auf die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes
gebotenen summarischen Prüfung ein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer zusteht.
Das Aufenthaltsrecht ergibt sich aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU, der Art. 7 der Richtlinie 2004/38/EG des europäischen Parlamentes in nationales Recht umsetzt. Nach der Vorschrift steht Unionsbürgern als Arbeitnehmer ein Aufenthaltsrecht
in der Bundesrepublik zu. Arbeitnehmer im Sinne der Vorschrift ist jeder, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt
mit Ausnahme derjenigen Arbeitnehmer, deren Tätigkeit einen so geringen Umfang hat, als dass sie sich als völlig untergeordnet
und unwesentlich darstellt (vgl. insofern BSG, Urt. v. 19.10.2010, B 14 AS 23/10 R).
Die entsprechende Arbeitnehmereigenschaft wird der Antragstellerin zunächst durch ihre Tätigkeit bei der Firma Q GmbH in der
Zeit vom 13.01. bis 31.12.2014 vermittelt. Die Tätigkeit hatte ausreichende Relevanz, schließlich hat die Antragstellerin
in dem knappen Jahr der Tätigkeit einen Nettoverdienst von fast 10.000 EUR erwirtschaftet.
Sodann ist auch die Tätigkeit bei der B GmbH in der Zeit vom 20.04. bis 17.07.2015 relevant. Zwar hatte diese Tätigkeit einen
wesentlich geringeren Umfang. Allerdings ist es der Antragstellerin auch aus dieser gelungen, Einkommen zu erwirtschaften,
das zu einer Reduzierung eines möglichen Leistungsanspruchs nach dem SGB II geführt hätte. So betrug ihr Verdienst für Juni 2015 immerhin mehr als 160,00 EUR netto. Insofern kann nicht von einer unwesentlichen
Tätigkeit mit völlig untergeordneter Bedeutung ausgegangen werden.
Das sich aus der Arbeitnehmereigenschaft der Antragstellerin ergebene Aufenthaltsrecht besteht nach der gebotenen summarischen
Prüfung trotz Beendigung der letzten Tätigkeit am 17.07.2015 für die Streitzeit von September bis Dezember 2015 nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 FreizügG/EU fort. Danach bleibt das Aufenthaltsrecht für Arbeitnehmer bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter
Arbeitslosigkeit nach mehr als einem Jahr Tätigkeit unberührt. Hierauf kann sich auch die Antragstellerin wegen ihrer Tätigkeitszeiten
bei den vorgenannten Firmen berufen, da diese sich auf mehr als ein Jahr summieren und das letzte Arbeitsverhältnis nach arbeitgeberseitiger
Kündigung endete.
Um Wiederholungen zu vermeiden wird hinsichtlich der weiteren Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch nach § 7 SGB II und das Vorliegen eines Anordnungsgrundes auf die Ausführungen des Ausgangsgerichts Bezug genommen (§
142 Abs.
2 S. 3
SGG). Ob eine Güterabwägung aufgrund verfassungsrechtlicher Überlegungen geboten ist, kann jedoch dahinstehen, da sich ein Anordnungsanspruch
bereits aus den vorstehenden Überlegungen ergibt.
Die Kostenentscheidung resultiert aus entsprechender Anwendung von §
193 SGG.
Die Gewährung von Prozesskostenhilfe erfolgt nach §
73a Abs.
1 S. 1
SGG i.V.m. §
114 S. 1
ZPO.
Eine Beschwerde gegen diesen Beschluss findet nicht statt (§
177 SGG).