Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen auf der Grundlage des geschuldeten equal-pay-Lohnes wegen der Unwirksamkeit
der von der CGZP geschlossenen Tarifverträge
Antrag eines Arbeitgebers der Zeitarbeitsbranche auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen einen Betriebsprüfungsbescheid
Beitragsrechtliche Konsequenzen aus der BAG-Entscheidung 1 ABR 19/10 vom 14.12.2010 zur Tarifunfähigkeit der CGZP
Zulässigkeit der Schätzung der Arbeitsentgelte durch den prüfenden Träger
Prüfung einer unbilligen Härte durch sofortige Vollziehung des Beitragsbescheides (hier abgelehnt)
Geltung der dreißigjährigen Verjährungsfrist
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen einen Betriebsprüfungsbescheid der
Antragsgegnerin, mit dem diese sie auf Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in Anspruch nimmt.
Die Antragstellerin verfügt über die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Überlassung von Arbeitnehmern. Sie verwies in den Arbeitsverträgen
der von ihr beschäftigten Leiharbeitnehmer für den Zeitraum vom 1.12.2005 bis 31.12.2009 auf den mit der Tarifgemeinschaft
Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) abgeschlossen Tarifvertrag.
Im Anschluss an die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 14.12.2010 zur Tarifunfähigkeit der Tarifgemeinschaft
CGZP, deren Gründe am 28.2.2011 veröffentlicht wurden, führte die Antragsgegnerin eine am 25.5.2012 abgeschlossene Betriebsprüfung
bei der Antragstellerin unter der Betriebsnummer 000 für den Prüfzeitraum vom 1.12.2005 bis 31.12.2009 durch. Nach im September
2011 mit der Antragsgegnerin geführten Telefonaten nahm die Antragstellerin im Dezember 2011 Ermittlungen zu den in den Entleihunternehmen
gezahlten Löhnen vor.
Die Antragsgegnerin forderte sodann Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 83.373,76 Euro von der Antragstellerin nach (Bescheid
vom 6.7.2012). Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, in den Arbeitsverträgen zwischen der Antragstellerin und den
bei ihr beschäftigten Leiharbeitnehmern werde für den gesamten Prüfzeitraum auf die mit der CGZP geschlossenen Tarifverträge
verwiesen. Auf der Basis der dort vorgesehenen Vergütungen habe die Antragstellerin die Beiträge für die Leiharbeitnehmer
gezahlt sowie Meldungen und Beitragsnachweise zur Sozialversicherung abgegeben. Wegen der Unwirksamkeit des Tarifvertrages
hätten die Beiträge jedoch nach §
10 Abs.
4 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (
AÜG) nach den Entgeltansprüchen vergleichbarer Arbeitnehmer der Stammbelegschaft des Entleihers berechnet werden müssen. Sie,
die Antragsgegnerin, habe die Höhe der Arbeitsentgelte geschätzt. Hierzu sei sie nach §
28f Abs.
2 Satz 3
SGB IV befugt gewesen. Denn die personenbezogene Ermittlung der geschuldeten Arbeitsentgelte sei aufgrund der großen Anzahl der
zu prüfenden Beschäftigungsverhältnisse, der zum Teil sehr kurzen Dauer der jeweiligen Beschäftigungsverhältnisse, der Anzahl
der Entleiher und der Dauer der jeweiligen Überlassungszeiträume im Prüfzeitraum - wenn überhaupt - nur mit unverhältnismäßigem
Aufwand möglich. Eine große Anzahl dieser Beschäftigungsverhältnisse habe kein ganzes Jahr gedauert, oder es hätten sich unterjährig
die Entleiher geändert, die bis dato den eigenen Betrieb eingestellt hätten. Es zeigten sich für die Gruppe der Helfer die
folgenden prozentualen Lohnabstände zu den vergleichbaren Stammarbeitnehmern:
12.2005: 16,82 %
2006: 22,01 %
2007: 20,81 %
2008: 22,03 %
2009: 30,68 %
Auf die Erläuterungen der Antragsgegnerin zur Ermittlung dieser Lohndifferenzen und die weitere Begründung des Beitragsbescheides
wird Bezug genommen.
Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin am 13.7.2012 Widerspruch und beantragte zugleich bei der Antragsgegnerin die
Aussetzung der Vollziehung. Sie erhob die Einrede der Verjährung und trug vor: Eine Rechtsgrundlage für die rückwirkende Erhebung
von Beiträgen bestehe nicht. Sie habe sich zum Geschäftsbeginn 2001 ausgiebigst informiert und den CGZP-Tarifvertrag mit gutem
Glauben gewählt. Die Vertragsform sei vom Landesarbeitsamt Düsseldorf genehmigt und bei keiner der durchgeführten Prüfungen
in ihrem Hause beanstandet worden. Die finanzielle Belastung sei nicht zu tragen, daraus werde eine Insolvenz resultieren.
Ein Zeugnis zu ihrer wirtschaftlichen Situation werde z. Zt. von ihrem Steuerberater vorbereitet und in Kürze nachgereicht.
Nach Einreichung dieses Zeugnisses (Schreiben des Steuerberaters H vom 17.7.2012 nebst u.a. Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen
für die Jahre 2007 bis 2010) setzte die Antragsgegnerin die Vollziehung der Beitragsforderung in voller Höhe bis zum Abschluss
des erstinstanzlichen Klageverfahrens aus wirtschaftlichen Gründen aus (formloses Schreiben der Antragsgegnerin vom 13.8.2012).
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.10.2012 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Nachforderung
sei zu Recht erfolgt. Die für die Zeit vom 1.12.2005 bis zum 31.12.2009 geltend gemachten Beitragsansprüche seien auch nicht
verjährt. Denn spätestens seit Verkündung des Beschlusses des BAG vom 14.12.2010 habe die Antragstellerin die Nichtabführung
der Beiträge billigend in Kauf genommen. Es sei damit die Vorschrift des §
25 Abs.
1 Satz 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IV) anzuwenden, wonach vorsätzlich vorenthaltene Beiträge erst 30 Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden
seien, verjähren würden.
Die Antragsgegnerin widerrief zugleich formlos die mit Schreiben vom 13.8.2012 erfolgte Aussetzung der Vollziehung, da keine
ernstlichen Zweifel an der Rechtsmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestünden.
Mit ihrer zum Sozialgericht (SG) Aachen am 9.11.2012 erhobenen Klage (S 8 R 810/12) verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Am 15.11.2012 hat sie beim SG Aachen einstweiligen Rechtsschutz beantragt.
Zur Begründung hat sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und auf ihr Vorbringen im Klageverfahren sowie auf den Beschluss
des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen vom 2.5.2012 (L 1 KR 121/12 B ER) verwiesen. Die Vollziehung des Beitragsbescheides würde zu ihrer Insolvenz führen.
Die Antragstellerin hat beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage vom 9.11.2012 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 6.7.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 16.10.2012 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie hat auf die Entscheidungen des LSG Nordrhein-Westfalen, in denen über Kernfragen zu den beitragsrechtlichen Konsequenzen
aus der BAG-Entscheidung vom 14.12.2010 zur Tarifunfähigkeit der CGZP zu entscheiden gewesen sei, Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 31.1.2013 hat das SG Aachen die aufschiebende Wirkung der Klage vom 9.11.2012 gegen den Bescheid vom 6.7.2012
in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.10.2012 angeordnet. Auf die Begründung dieser Entscheidung wird Bezug genommen.
Gegen den ihr am 14.2.2013 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 1.3.2013 Beschwerde eingelegt. Sie wiederholt
und vertieft ihren bisherigen Vortrag. Sie verweist auf die Entscheidungen des LSG Nordrhein-Westfalen, in denen gegen ihre
Schätzungsbefugnis und ihr Vorgehen zur Schätzung des equal-pay-Lohnes keine Bedenken geäußert worden seien.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 31.1.2013 zu ändern und den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden
Wirkung der Klage vom 9.11.2012 gegen den Bescheid vom 6.7.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.10.2012 abzulehnen,
soweit Forderungen für Zeiten ab 1.1.2007 geltend gemacht werden.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Sie habe ihre Aufzeichnungspflichten als Arbeitgeberin nicht verletzt. Die Schätzung
der Antragsgegnerin sei daher unzulässig.
Mit Bescheid vom 17.8.2015 hat die Antragsgegnerin den Bescheid vom 6.7.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.10.2012
teilweise zurückgenommen und die Beitragsforderung auf 70.404,47 Euro festgesetzt, wobei sie eine personenbezogene Zuordnung
der jeweiligen Beitragsforderungen vorgenommen hat. Zur Begründung hat sie ausgeführt: Eine Überprüfung der oben genannten
Bescheide ergeben, dass über die im Rahmen der seinerzeitigen Betriebsprüfung hinsichtlich der Tarifunfähigkeit der Tarifgruppe
"CGZP" durchgeführten Stichproben hinaus erweiterte Stichproben und zwischenzeitlich vorhandene Entleiherangaben bzgl. des
equal-pay-Anspruchs für die Gruppe der Helfer hätten berücksichtigt werden können. Gleichzeitig sei festgestellt worden, dass
die Zuordnung der Einsatztätigkeiten aufgrund eines Missverständnisses auf Seiten der Arbeitgeberin fehlerhaft gewesen sei.
Die Antragstellerin trägt hierzu vor, sie erhebe noch einmal die Einrede der Verjährung unter Hinweis auf den Beschluss des
Senats vom 10.8.2015, L 8 R 488/14 B ER. Ein Vergleich der Bescheide vom 2012 und 2015 ergebe, dass im Bescheid von 2015 Krankenkassen auftauchten, die in dem
Bescheid vom 2012 nicht berücksichtigt gewesen seien. Insoweit sei sie ebenfalls beschwert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin.
II.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig und begründet.
Streitig ist, nachdem die Antragsgegnerin nur insoweit den Beschluss des SG Aachen vom 31.1.2013 angefochten hat, die Beitragsforderung
betreffend den Zeitraum vom 1.1.2007 bis 31.12.2009. Nach dem Erlass des Bescheides vom 17.8.2015, der gem. §
96 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) Gegenstand des Streitverfahrens S 8 R 810/12 des SG Aachen geworden ist, richtet sich die Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 6.7.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 16.10.2012 und des Bescheides vom 17.8.2015 mit einer Beitragsforderung von 61.525,08 Euro für den vorgenannten Zeitraum.
Der dagegen gerichtete Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist zulässig (1.), aber unbegründet (2.).
1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere statthaft. Es liegt keine wirksame Aussetzung der Vollziehung durch die Antragsgegnerin
gem. §
86a Abs.
3 Satz 1
SGG vor. Denn die mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 13.8.2012 erfolgte Aussetzung des Vollzugs des Beitragsbescheides bis
zum Abschluss des Klageverfahrens ist zugleich mit dem Widerspruchsbescheid vom 16.10.2012 wirksam aufgehoben worden.
Nach §
86a Abs.
3 Satz 5
SGG kann die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen oder die über den Widerspruch zu entscheiden hat, die Entscheidung jederzeit
ändern oder aufheben (vgl. Harich in: Zeihe,
SGG, §
86a Rn. 38). Sowohl die Aussetzung der Vollziehung als auch deren Widerruf als actus contrarius sind formlos möglich. Eine Formvorschrift
existiert insoweit nicht. Darüber hinaus kann gem. § 33 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch selbst ein Verwaltungsakt grundsätzlich
formlos erlassen werden. Dies gilt damit umso mehr für die Aussetzung der Vollziehung gem. §
86a Abs.
3 Satz 1
SGG, bei der es sich noch nicht einmal um einen Verwaltungsakt, sondern um eine Annexentscheidung zum Bescheid handelt (vgl.
Wehrhahn in: Breitkreutz/Fichte,
SGG, §
86a Rn. 47), was damit auch für die Aufhebung der Aussetzung der Vollziehung gilt. Es ist deshalb unschädlich, dass der Widerruf
der Aussetzung der Vollziehung nicht unterzeichnet wurde und damit nicht in schriftlicher Form erfolgte. Es reicht aus, dass
die Antragsgegnerin als entscheidende Behörde zu erkennen ist.
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
a) Es bestehen insoweit keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 6.7.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 16.10.2012 und des Bescheides vom 17.8.2015.
Nach §
86b Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben,
diese ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß §
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG bei Entscheidungen über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten einschließlich
der Säumniszuschläge (vgl. zu Letzteren: Senat, Beschluss v. 7.1.2011, L 8 R 864/10 B ER, NZS 2011, 906; Beschluss v. 9.1.2013, L 8 R 406/12 B ER, Beschluss v. 27.6.2013, L 8 R 114/13 B ER m.w.N.; jeweils [...]). Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise dennoch durch das Gericht angeordnet
wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Aufschubinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen
Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an §
86a Abs.
3 Satz 2
SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die
Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge
hätte.
Da §
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit
des Bescheides ein überwiegendes Aufschubinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs, hier des Widerspruchs, zumindest
überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise
noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt
der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (vgl. Senat, Beschluss v.
7.1.2011, a.a.O.; Beschluss v. 10.1.2012, L 8 R 774/11 B ER, [...]; Beschluss v. 10.5.2012, L 8 R 164/12 B ER, NZS 2012, 948; Beschluss v. 9.1.2013, a.a.O.; Beschluss v. 27.6.2013, a.a.O.; [...], Beschluss v. 11.5.2015, L 8 R 106/15 B ER, [...] jeweils m.w.N.).
Unter Berücksichtigung dieser Kriterien bestehen nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung
keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vorgenannten Bescheide, soweit die Antragsgegnerin damit Beiträge zur
Sozialversicherung für die Zeit ab 1.1.2007 bis zum 31.12.2009 in Höhe von 61.525,08 Euro personenbezogen nachfordert.
Ermächtigungsgrundlage für die Nachforderung ist § 28p Abs. 1 Satz 5
SGB IV. Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe
der Arbeitnehmer in der Sozialversicherung gegenüber den Arbeitgebern. Diese Vorschrift deckt Betriebsprüfungen außerhalb
der turnusmäßigen Prüfungen von Amts wegen auch dann, wenn keiner der in § 28p Abs. 1 Sätze 2 oder 3
SGB IV ausdrücklich geregelten Ausnahmefälle (Antrag des Arbeitgebers, Unterrichtung durch die Einzugsstelle) vorliegt (vgl. Senat,
Beschluss v. 18.2.2010, L 8 B 13/09 R ER, [...]; Beschluss v. 10.5.2012, L 8 R 164/12 B ER, a.a.O.; Senat, Beschluss v. 25.6.2012, L 8 R 382/12 B ER, [...]).
Es bestehen keine überwiegenden Zweifel, dass die Antragstellerin dem Grunde nach verpflichtet ist, für die von ihr beschäftigten
Arbeitnehmer höhere als die bislang entrichteten Beiträge zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung zu entrichten.
Nach §
28e Abs.
1 Satz 1
SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag, d.h. die für einen versicherungspflichtigen Beschäftigten zu zahlenden
Beiträge zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung (§
28d Satz 1 und
2 SGB IV), zu entrichten. Bei versicherungspflichtig Beschäftigten wird der Beitragsbemessung in allen Zweigen der Sozialversicherung
das Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung zugrunde gelegt (§ 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch
Fünftes Buch [SGB V] i.V.m. § 57 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch [SGB XI], § 162 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes
Buch [SGB VI], § 342 Sozialgesetzbuch Drittes Buch [SGB III]). Arbeitsentgelt sind nach §
14 Abs.
1 Satz 1
SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht,
unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang
mit ihr erzielt werden.
Die von der Antragstellerin auf dieser Grundlage für den Streitzeitraum zu entrichtenden Beiträge sind nach dem Arbeitsentgelt
zu berechnen, das vergleichbaren Arbeitnehmern in den Betrieben der jeweiligen Entleiher gezahlt wurde (§
10 Abs.
4 AÜG in der hier maßgeblichen Fassung von Art. 6 Nr.
5 Buchst. b) des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt v. 23.12.2002, BGBl. I S. 4607; sog. equal-pay-Prinzip). Diese Rechtsfolge sah (und sieht auch nach geltendem Recht) §
10 Abs.
4 AÜG für den Fall vor, dass der Verleiher, hier die Antragstellerin, mit den Leiharbeitnehmern eine nach §
9 Nr. 2
AÜG unwirksame Vereinbarung geschlossen hatte.
Nach §
9 Nr. 2 Satz 1
AÜG sind Vereinbarungen, die für den Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher schlechtere als die im
Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich
des Arbeitsentgelts vorsehen, unwirksam. Nach §
9 Nr. 2 Satz 2
AÜG konnte jedoch ein Tarifvertrag vom equal-pay-Prinzip abweichende Regelungen zulassen. Zudem konnten im Geltungsbereich eines
Tarifvertrages nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren. Von
dieser Möglichkeit haben die Antragstellerin und ihre Arbeitnehmer nach den unwidersprochenen Feststellungen der Antragsgegnerin
Gebrauch gemacht, indem sie in ihren Arbeitsverträgen auf die mit der CGZP geschlossenen, im maßgeblichen Zeitraum geltenden
Haustarifverträge, insbesondere den Manteltarifvertrag, die Entgelttarifverträge West und die Entgeltrahmentarifverträge,
verwiesen haben.
Nach der im einstweiligen Rechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung erweist sich diese Vereinbarung als rechtswidrig. §
9 Nr. 2
AÜG setzt für den Fall einer Tarifbindung der Arbeitsvertragsparteien einen wirksamen Tarifvertrag voraus. Das gilt auch, wenn
die Anwendung der tariflichen Regelungen arbeitsvertraglich vereinbart wird (vgl. Schüren in Schüren/Hamann,
AÜG, 4. Aufl. 2010, §
9 Rdnr. 102; vgl. auch BT-Drs. 17/5238, S. 16 zu Buchst. d); a.A. Kilian, NZS 2011, 851 [852]). Dafür sprechen der Wortlaut ("Geltungsbereich"), aber auch der Charakter der Vorschrift als Ausnahmeregelung zum
equal-pay-Prinzip.
Die Unwirksamkeit der Tarifverträge folgt daraus, dass die CGZP im Streitzeitraum weder eine tariffähige Arbeitnehmervereinigung
im Sinne des § 2 Abs. 1 Tarifvertragsgesetz (TVG) noch eine tariffähige Spitzenorganisation im Sinne von § 2 Abs. 2 und 3 TVG war. Neben dem Beschluss des BAG v. 14.12.2010 (1 ABR 19/10, NZA 2011, 289) folgt dies aus dem Beschluss des LAG Berlin-Brandenburg v. 9.1.2012, 24 TaBV 1285/11 u.a., (DB 2012, 69), der rechtskräftig ist (BAG, Beschluss v. 22.5.2012, 1 ABN 27/12, [...]). Mit der Rechtskraft dieses Beschlusses steht fest, dass die CGZP auch im zeitlichen Geltungsbereich ihrer
Satzungen v. 11.12.2002 und 5.12.2005 nicht tariffähig war (BAG, Beschlüsse v. 23.5.2012, 1 AZB 58/11 und 1 AZB 67/11, [...]; Senat, Beschluss v. 10.5.2012, a.a.O., [...]; Senat, Beschluss v. 25.6.2012, a.a.O., [...]; Senat, Beschluss v. 6.5.2013,
L 8 R 1057/12 B ER, sozialgerichtsbarkeit.de). Entgegen der Ansicht der Antragstellerin bezieht sich diese Feststellung nicht nur auf die
Feststellung der Tarifunfähigkeit an drei Tagen (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Nichtannahmebeschluss v. 25.4.2015, 1 BvR 2314/12, [...]). Für eine Fortgeltung der Tarifverträge der Mitgliedsgewerkschaften der CGZP aus 2003 sieht der Senat ebenfalls keinen
Anhalt und verweist auf die Ausführungen des LAG Berlin-Brandenburg (Beschluss v. 9.1.2012, a.a.O., [...] Rn. 142). Die These
vom fehlerhaften Tarifvertrag, die zur Vermeidung einer Rückabwicklung die Unwirksamkeit vollzogener Tarifverträge ex nunc
annimmt, ist bei der Vereinbarung tariflicher Regelungen gemäß §
9 Nr. 2
AÜG ungeeignet (vgl. BAG, Urteil v. 13.3.2013, 5 AZR 242/12, [...]). Denn es geht in diesem Fall nicht um die Rückabwicklung vollzogener Tarifverträge, sondern um die Rechtsfolge des
Scheiterns einer vom Gesetz nach §§
9 Nr.
2, 10 Abs.
4 AÜG eröffneten Gestaltungsmöglichkeit. Dabei muss nicht rückabgewickelt werden.
Die Beitragsansprüche sind zudem unabhängig davon entstanden, ob die nach dem equal-pay-Prinzip geschuldeten Arbeitsentgelte
den Arbeitnehmern tatsächlich zugeflossen sind. Nach §
22 Abs.
1 Satz 1
SGB IV entsteht der Beitragsanspruch, sobald seine im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen.
Der Anspruch auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag entsteht dabei, wenn der Arbeitsentgeltanspruch entstanden ist, selbst
wenn der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt nicht oder erst später gezahlt hat. Insoweit folgt das Sozialversicherungsrecht -
anders als das Steuerrecht - nicht dem Zufluss-, sondern dem sog. Entstehungsprinzip (BSG, Urteil v. 3.6.2009, B 12 R 12/07 R, SozR 4-2400 § 23a Nr. 5; Urteil v. 26.1.2005, B 12 KR 3/04 R, SozR 4-2400 § 14 Nr. 7; Urteil v. 14.7.2004, B 12 KR 7/04 R, SozR 4-2400 § 22 Nr. 1; jeweils m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit des Entstehungsprinzips BVerfG, Beschluss v. 11.9.2008,
1 BvR 2007/05, SozR 4-2400 § 22 Nr. 3; Senat, Beschluss v. 10.5.2012, a.a.O., [...]; Senat, Beschluss v. 25.6.2012, a.a.O., [...]). Auf
die Geltendmachung des Anspruchs kommt es hingegen nicht an.
Auch im vorliegenden Fall ist die Vorschrift des §
22 Abs.
1 Satz 1
SGB IV und nicht etwa §
22 Abs.
1 Satz 2
SGB IV anwendbar, wonach bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt der Beitragsanspruch erst mit Zufluss entsteht. In der Literatur
wird insoweit zwar die Auffassung vertreten, der Beschluss des BAG vom 14.12.2010 wirke konstitutiv mit der Folge, dass Arbeitsentgelt-
und Beitragsansprüche erst ab diesem Zeitpunkt entstehen könnten. Es handele sich somit nicht um Ansprüche auf laufendes Arbeitsentgelt,
für die nach §
22 Abs.
1 Satz 1
SGB IV das Entstehungsprinzip gelte, sondern um nachträglich rückwirkende Lohnerhöhungen, die wie Einmalzahlungen nach §
22 Abs.
1 Satz 1
SGB IV zu behandeln seien (vgl. Plagemann/Brand, NJW 2011, 1488 [1490 f.]; Tuengerthal/Andorfer, BB 2011, 2939 [2940]). Der Senat folgt dieser Ansicht jedoch nicht (wie hier: Berchtold, SozSich 2012, 70 [71]). Aus der Vorlagepflicht nach § 97 Abs. 5 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) ergibt sich vielmehr, dass die Entscheidung im Beschlussverfahren nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG die Tarifunfähigkeit lediglich deklaratorisch feststellt (vgl. BAG, Urteil v. 15.11.2006, 10 AZR 665/05, NZA 2007, 448 [451], Rdnr. 22; Senat, Beschluss v. 10.5.2012, a.a.O., [...]; Senat, Beschluss v. 25.6.2012, a.a.O., [...]; Senat, Beschluss
v. 6.5.2013, a.a.O.).
Gegen die personenbezogene Geltendmachung der Beitragsnachforderung auf der Basis einer Schätzung des equal-pay-Lohnes (§
28f Abs.
2 Satz 3
SGB IV) bestehen im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung keine ernsthaften Bedenken. Nach §
28f Abs.
2 Satz 3
SGB IV hat der prüfende Träger die Höhe der Arbeitsentgelte zu schätzen, wenn er diese nicht oder nicht ohne unverhältnismäßig großen
Verwaltungsaufwand ermitteln kann. Diese Voraussetzungen liegen nach summarischer Prüfung vor. Die Antragsgegnerin war daher
sogar zu dem Erlass eines Summenbescheides befugt (vgl. BT-Drucksache 11/2221, S. 23; BeckOK SozR/Mette,
SGB IV §
28f Rn. 8).
Die Antragstellerin hat ihre Aufzeichnungspflichten nicht ordnungsgemäß erfüllt, da sie das beitragspflichtige Arbeitsentgelt
- den equal-pay-Lohn - hätte aufzeichnen müssen, aber nicht aufgezeichnet hat (vgl. Senat, Beschluss vom 10.8.2015, L 8 R 488/14 B ER, [...]). Auf ein Verschulden seitens der Antragstellerin kommt es hingegen nicht an (Senat, a.a.O., m.w.N.). Aufgrund
der Verletzung der Aufzeichnungspflichten der Antragstellerin war die Antragsgegnerin nicht in der Lage, die Höhe der maßgeblichen
Arbeitsentgelte mit zumutbarem Aufwand zu ermitteln. Der Verwaltungsaufwand für deren Ermittlung war vielmehr unverhältnismäßig.
Zur Ermittlung der Arbeitsentgelte reicht die Kenntnis des Stundenlohnes vergleichbarer Arbeitnehmer in den Entleihbetrieben
nicht aus. Die erforderlichen Feststellungen und Berechnungen zum equal-pay-Lohn und der etwaigen Lohndifferenz sind zum einen
äußerst komplex und zum anderen im Hinblick auf die Zahl der Leiharbeitnehmer und Beschäftigungsmonate überaus zeitaufwändig.
Hierfür sind folgende Gesichtspunkte maßgeblich: Der Begriff des Arbeitsentgelts in §
10 Abs.
4 AÜG ist weit auszulegen (vgl. BAG, Urteil vom 19.2.2014, 5 AZR 1046/12, [...]). Er erstreckt sich nicht nur auf das laufende Entgelt, sondern auch auf Zuschläge, Ansprüche auf Entgeltfortzahlung
und Sozialleistungen und andere Lohnbestandteile (vgl. BT-Drucksache 15/25, S. 38), z.B. eine Weihnachtszuwendung, eine Sonderzuwendung
und Urlaubsentgelt (vgl. BAG, aaO). Sämtliche Lohnbestandteile und die diesen zugrunde liegenden Rechtsgrundlagen und tatsächlichen
Umstände müssen daher bekannt sein, um den equal-pay-Lohn ermitteln zu können. Es reicht daher bei weitem nicht aus, nur den
Stundenlohn für eine Sollarbeitsstunde zu ermitteln. Erst wenn die dargestellten Umstände bekannt sind, kann der Gesamtvergleich
der Entgelte im Überlassungszeitraum vorgenommen werden, wobei sämtliche auf den Lohnabrechnungen ausgewiesene Bruttovergütungsbestandteile
in den Gesamtvergleich einzubeziehen sind (vgl. BAG, Urteil vom 24.9.2014, 5 AZR 254/13, [...]). Dies bedeutet, dass der Vergleich für jeden Leiharbeitnehmer monatsbezogen zu erfolgen hat.
Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die mit Bescheid vom 17.8.2015 festgesetzte Beitragsforderung unrichtig ermittelt
und/oder berechnet ist. Die Antragstellerin ist der Berechnung der Beitragshöhe nicht entgegen getreten. Nachdem die Schätzung
der Arbeitsentgelte im Zusammenwirken mit der Antragstellerin erfolgte, ist auch nicht ersichtlich, inwiefern diese zu Lasten
der Antragstellerin unzutreffend sein soll. Möglicherweise verbliebene Streitpunkte bleiben der Klärung im Hauptsacheverfahren
vorbehalten.
b) Vertrauensgesichtspunkte stehen der Beitragsforderung der Antragsgegnerin nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht entgegen.
Der gute Glaube an die Wirksamkeit eines Tarifvertrages, namentlich an die Tariffähigkeit einer Vereinigung, wird grundsätzlich
nicht geschützt (vgl. BAG, Urteil v. 15.11.2006, a.a.O. Rn. 23). Der Feststellung der Tarifunfähigkeit der CGZP zu in der
Vergangenheit liegenden Zeiträumen steht auch nicht das Verbot der echten Rückwirkung von Rechtsfolgen auf einen bereits abgeschlossenen
Sachverhalt bzw. das rechtsstaatliche Gebot des Vertrauensschutzes entgegen (vgl. im Einzelnen BVerfG, Nichtannahmebeschluss
v. 25.4.2015, a.a.O., Rn. 16ff.; LAG Berlin, Beschluss v. 9.1.2012, a.a.O., Rn. 176 ff.; Senat, Beschluss v. 10.5.2012, a.a.O.,
[...]; Senat, Beschluss v. 25.6.2012, a.a.O., [...]). Das BVerfG hat vielmehr ausdrücklich darauf hingewiesen, dass mit der
mangelnden Tariffähigkeit der CGZP hätte gerechnet werden können, da diese von Anfang an in Zweifel gezogen worden sei. Die
mangende Vorhersehbarkeit der genauen Begründung durch das BAG begründe keinen Vertrauensschutz. Die dennoch vollzogene Anwendung
der Tarifverträge habe einerseits zum "Genuss der besonders niedrigen Vergütungssätze" geführt, andererseits zu der nunmehrigen
Realisierung eines - vorhersehbaren - Risikos. Auch aus dem Verhalten anderer Stellen sei kein Vertrauensschutz zu begründen
(BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 25.4.2015, a.a.O., [...]).
Die Rechtsprechung, wonach ein Arbeitgeber sich bis zur Mitteilung einer geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung durch
die Einzugsstelle auf die bisherige Rechtsprechung verlassen darf (vgl. BSG, Urteil v. 18.11.1980, 12 RK 59/79, SozR 2200 § 1399 Nr. 13), lässt sich entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht (Zeppenfeld/Faust, NJW 2011, 1643 [1647]) nicht auf den vorliegenden Fall übertragen. Denn es gab vor dem 14.12.2010 weder eine sozial- noch eine arbeitsgerichtliche
höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach die CGZP als tariffähig anzusehen war (Senat, Beschluss v. 10.5.2012, a.a.O., [...]).
c) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist die Beitragsforderung für 2007 bis 2009 nicht verjährt.
Nach §
25 Abs.
1 Satz 1
SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Gemäß §
23 Abs.
1 Satz 2
SGB IV wurden im Jahr 2007 Beiträge, die nach dem Arbeitsentgelt zu bemessen waren, in voraussichtlicher Höhe der Beitragsschuld
spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des Monats fällig, in dem die Beschäftigung, mit der das Arbeitsentgelt erzielt
wurde, ausgeübt worden ist. Nach dieser Grundregel verjähren die in 2007 fällig gewordenen Ansprüche am 31.12.2011, die in
2008 fällig gewordenen Ansprüche am 31.12.2012 und die in 2009 fällig gewordenen Ansprüche am 31.12.2013.
Die Antragsgegnerin kann sich im Rahmen der summarischen Prüfung für die Nachforderungen der Jahre 2007 bis 2009 jedoch auf
§
25 Abs.
1 Satz 2
SGB IV berufen.
Die rechtlichen Voraussetzungen der 30jährigen Verjährungsfrist nach §
25 Abs.
1 Satz 2
SGB IV sind geklärt. Danach ist Voraussetzung, dass der Beitragsschuldner die Beiträge vorsätzlich vorenthalten hat. Es reicht aus,
dass der Vorsatz zur Vorenthaltung der Beiträge bis zum Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist eingetreten ist. Weiter genügt
es, dass der Beitragsschuldner bedingt vorsätzlich gehandelt, er also seine Beitragspflicht für möglich gehalten und die Nichtabführung
der Beiträge billigend in Kauf genommen hat. Diese Voraussetzungen müssen konkret festgestellt, d.h. anhand der Umstände des
Einzelfalles und bezogen auf den betroffenen Beitragsschuldner durch Sachverhaltsaufklärung individuell ermittelt werden.
Die objektive Beweislast trifft im Zweifel den Versicherungsträger, der sich auf die für ihn günstige längere Verjährungsfrist
beruft (BSG, Urteil v. 30.3.2000, B 12 KR 14/99 R, SozR 3-2400 § 25 Nr. 7; Urteil v. 26.1.2005, B 12 KR 3/04 R, SozR 4-2400 § 14 Nr. 7; jeweils m.w.N.). Der erkennende Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass diese Grundsätze auch
für die Nachforderung von Beiträgen auf der Grundlage des geschuldeten equal-pay-Lohnes wegen der Unwirksamkeit der von der
CGZP geschlossenen Tarifverträge gelten (Beschlüsse v. 10.5.2012, L 8 R 164/12 B ER, v. 25.6.2012, L 8 R 382/12 B ER, v. 20.9.2012, L 8 R 630/12 B ER; v. 7.11.2012, L 8 R 699/12 B ER, jeweils [...]).
Da es entscheidend ist, ob der Arbeitgeber seine Beitragspflicht tatsächlich für möglich gehalten hat, ist es unerheblich,
ob die Arbeitgeber der Zeitarbeitsbranche spätestens ab dem 14.12.2010 ihre rückwirkende Zahlungspflicht für möglich hätten
halten müssen. Insoweit dürfen die Voraussetzungen des bedingten Vorsatzes nicht mit dem im Zivilrecht geltenden Maßstab der
im Verkehr erforderlichen Sorgfalt bei Fahrlässigkeit vermischt werden (vgl. §
276 Abs.
2 Bürgerliches Gesetzbuch; Senat, Beschluss v. 7.11.2012, a.a.O.).
Soweit es in diesem Zusammenhang auf die Kenntnis des Arbeitgebers ankommt, ist bei juristischen Personen in erster Linie
auf die Kenntnis der für sie handelnden vertretungsberechtigten Organwalter (vgl. BGH, Urteil v. 8.12.1989, V ZR 246/87, NJW 1990, 975 f. m.w.N.) abzustellen. Handelt es sich - wie im vorliegenden Fall - um eine GmbH, ist also die Kenntnis zumindest eines
der Geschäftsführer maßgebend. Außerdem ist das Wissen derjenigen Mitarbeiter zuzurechnen, die mit der Wahrnehmung der Pflichten
des Arbeitgebers bei der Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags gemäß §
28e Abs.
1 Satz 1
SGB IV bevollmächtigt sind (vgl. §
166 Abs.
1 BGB). Darüber hinaus kann das Wissen anderer Mitarbeiter zuzurechnen sein, sofern dieses Wissen bei ordnungsgemäßer Organisation
im Betrieb weiterzugeben und im Rahmen der Erfüllung der Arbeitgeberpflichten abzufragen ist (vgl. BGH, Urteil v. 13.12.2000,
V ZR 349/99, NJW 2001, 359 f.). Schließlich kommt auch die Zurechnung des Wissens eines (selbstständigen) Rechtsanwalts oder Steuerberaters im Rahmen
der Wissensvertretung nach §
166 Abs.
1 BGB in Betracht, soweit die betreffenden Kenntnisse in Wahrnehmung des konkreten Mandats erlangt worden sind (Senat, Beschluss
v. 7.11.2012, a.a.O.).
Im Rahmen der im einstweiligen Rechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung erscheint es für die Forderungen der Jahre ab 2007
- auch wenn hier gegebenenfalls im Hauptsacheverfahren noch einzelfallbezogene Feststellungen getroffen werden müssen -angesichts
des gerichtskundigen (§
202 SGG i.V.m. §
291 Zivilprozessordnung) Verlaufs, den die Diskussion um rückwirkende Beitragsforderungen wegen der Tarifunfähigkeit der CGZP im Laufe des Jahres
2011 genommen hat, insbesondere im Hinblick auf die zahlreichen bereits seinerzeit durchgeführten und angekündigten Betriebsprüfungen,
zumindest nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die zuständigen Organe eines Unternehmens der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung
bis zum Ende des Jahres 2011 noch keine Kenntnis von einer möglichen Beitragsverpflichtung auch für das Jahr 2007 hatten.
Umstände, die Zweifel an einer dahingehenden Kenntnis im vorliegenden Fall begründen könnten, sind weder ersichtlich noch
von der Antragstellerin vorgetragen worden (Senat, Beschluss v. 20.9.2012, a.a.O.). Dies gilt umso mehr, als vorliegend eine
Mitarbeiterin der Antragstellerin von einem Mitarbeiter der Antragsgegnerin nach einem Aktenvermerk im September 2011 über
die "CGZP-Problematik grob informiert" wurde und diese noch im Jahr 2011 Ermittlungen zum equal-pay-Lohn bei den Entleihfirmen
bezogen auf den streitigen Zeitraum von 2007 bis 2009 aufnahm.
d) Die Antragstellerin hat schließlich nicht glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin von unzutreffenden Einzugsstellen
ausgegangen ist. Es reicht insoweit nicht aus, lediglich Änderungen im Bescheid vom 17.8.2015 gegenüber dem Bescheid vom 6.7.2012
darzustellen. Als Arbeitgeberin wäre sie ohne weiteres in der Lage gewesen, in Bezug auf ihre Arbeitnehmer darzulegen, dass
ggf. die Zuständigkeit anderer Einzugsstellen gegeben ist, als die Antragsgegnerin im Bescheid vom 17.8.2015 angenommen hat.
e) Ohne Erfolg beruft sich die Antragstellerin darauf, dass die sofortige Vollziehung des Beitragsbescheides für sie eine
unbillige Härte bedeuten würde. Allein die mit der Zahlung auf eine Beitragsforderung für die Antragstellerin verbundenen
wirtschaftlichen Konsequenzen führen nicht zu einer solchen Härte, da sie lediglich Ausfluss der Erfüllung gesetzlich auferlegter
Pflichten sind. Darüber hinausgehende, nicht oder nur schwer wieder gut zu machende Nachteile sind nicht erkennbar. Im Hinblick
auf die mit der Beitragsnachforderung verbundenen berechtigten Interessen der Versichertengemeinschaft sowie der einzelnen
Versicherten kann vielmehr gerade bei bestehender oder drohender Zahlungsunfähigkeit des Beitragsschuldners eine alsbaldige
Beitreibung geboten sein (vgl. bereits Senat, Beschluss v. 21.2.2012, L 8 R 1047/11 B ER, [...]). Eine beachtliche Härte in diesem Sinne ist also regelmäßig nur dann denkbar, wenn es dem Beitragsschuldner
gelingt darzustellen, dass das Beitreiben der Forderung aktuell die Insolvenz und/oder die Zerschlagung seines Geschäftsbetriebes
zur Folge hätte, die Durchsetzbarkeit der Forderung bei einem Abwarten der Hauptsache aber zumindest nicht weiter gefährdet
wäre als zurzeit (Senat, Beschluss v. 13.7.2011, L 8 R 287/11 B ER, [...]). Das ist vorliegend jedoch nicht glaubhaft gemacht.
3. Die Kosten des Antragsverfahrens tragen die Antragstellerin zu 3/4 und die Antragsgegnerin zu 1/4 (§
197a SGG i.V.m. §§
155 Abs.
1 Satz 1,
161 Abs.
1 Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO]), die des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin allein (§
197a SGG i.V.m. §§
154 Abs.
1,
161 Abs.
1 VwGO).
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens ist gem. §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 4 Gerichtskostengesetz entsprechend der ständigen Senatspraxis, im einstweiligen Rechtsschutz von einem Viertel des Hauptsachestreitwerts (Senat,
Beschluss v. 27.7.2009, L 8 B 5/09 R, [...]) einschließlich etwaiger Säumniszuschläge (Senat, Beschlüsse v. 31.8.2009, L 8 B 11/09 R, und v. 3.9.2009, L 8 B 12/09 R, jeweils [...] und sozialgerichtsbarkeit.de) auszugehen, auf 15.381,27 Euro festzusetzen.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§
177 SGG).