Anspruch auf Kindergeld
Keine Anwendung der Sondervorschrift zur Steuerfreistellung des Existenzminimums eines Kindes in den Veranlagungszeiträumen
1983 bis 1995 durch Kindergeld bei negativer Festsetzung des zu versteuernden Einkommens
Gründe
Die Entscheidung des Senates hängt weiterhin von der Gültigkeit des § 1 Abs. 3
BKGG in der Fassung des Gesetzes vom 21.12.1993 (a.F.) ab. In diesem Falle hätte der Kläger trotz des Gesetzes zur Familienförderung
vom 22.12.1999 nach wie vor keinen Anspruch auf Kindergeld sowie Kindergeldzuschlag für seine fünf Kinder über den 31.12.1993
hinaus. Da der für 1994 erteilte Bescheid über Einkommenssteuer ein zu versteuerndes Einkommen von negativ DM 8.727 und der
Bescheid für 1995 von negativ DM 10.674 ausweisen, somit Steuern nicht zu entrichten waren, kann die durch §
53 EStG in der Fassung des Gesetzes vom 22.12.1999 eröffnete Nachbesserungsregelung nicht in Betracht kommen.
Somit bleibt auch der Weg zu einer Anwendung des § 21
BKGG in der Fassung des Gesetzes vom 22.12.1999 verschlossen, so dass sich hier auch eine verfassungskonforme Auslegung des Begriffes
des anspruchsberechtigten Ausländers nach Maßgabe des § 1 Abs. 3
BKGG a. F. verbietet. Hinzu kommt, dass der Kläger, der die steuerrechtlichen Kinderfreibeträge nicht ausschöpfen kann, auch vom
Bezug des Kindergeldzuschlages ausgeschlossen wird, wenn die zur Prüfung gestellte Norm gültig ist.
Durch das Haushaltsbegleitgesetz 1983 ist das sog. duale System des Kinder- und Familienlastenausgleichs erneut eingeführt
worden. Neben einem Kindergeld wurden Kinderfreibeträge bei der Einkommenssteuer gewährt. Dies bedeutet, dass sich eine für
verfassungswidrig erachtete Rechtslage aus dem Zusammenwirken von Kindergeldrecht und Steuerrecht ergeben konnte (BVerfGE
82, 60 ff; 87, 153 ff). Am 10.11.1998 hat das BVerfG entschieden, dass das Existenzminimum eines Kindes 1985, 1987 und 1988 nicht durchweg ausreichend
berücksichtigt wurde und dabei allgemeine Merkmale bestimmt, nach denen das Existenzminimum eines Kindes für die Freistellung
von der Einkommenssteuer zu ermitteln sei. Der Gesetzgeber wurde verpflichtet, die Benachteiligung der betroffenen Steuerpflichtigen
in den noch nicht bestandskräftigen Fällen zu beheben. Dabei ist es der Entscheidung des Gesetzgebers überlassen worden, die
verfassungsrechtlich gebotene Änderung durch die Anhebung des Kinderfreibetrages, die Anhebung des Kindergeldes oder durch
einen anderen Ausgleich vorzunehmen (BVerfGE 99, 246- 279). Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Familienförderung vom 22.12.1999 den gebotenen Ausgleich in erster Linie im
Bereich des Einkommenssteuerrechts vorgenommen. In den Fällen, in denen die Einkommenssteuer in den Veranlagungszeiträumen
1983 bis 1995 noch nicht formell bestandskräftig oder hinsichtlich der Höhe der Kinderfreibeträge vorläufig festgesetzt war,
sollten die aufgeführten Beträge als Existenzminimum des Kindes steuerfrei belassen werden. Das dem Steuerpflichtigen im jeweiligen
Veranlagungszeitraum zustehende Kindergeld ist mit dem auf das bisherige zu versteuernde Einkommen des Steuerpflichtigen in
demselben Veranlagungszeitraum anzuwendenden Grenzsteuersatz in einen Freibetrag umzurechnen (§
53 EStG). Wenn eine steuerliche Nachbesserung nicht mehr durchgeführt werden konnte, weil die Steuerfestsetzung bindend und hinsichtlich
der Kinderfreibeträge nicht vorläufig erfolgt war, sollte bei noch nicht bestandskräftigen Entscheidungen zum Kindergeld eine
Nachbesserung des Kindergeldes ermöglicht werden (§ 21
BKGG n.F.).
Der Kläger dieses Verfahrens gehört nicht zu dem Kreis der Anspruchsberechtigten, denen die Nachbesserung durch die Regelung
des §
53 EStG zu Gute kommen kann. Das zu versteuernde Einkommen war negativ festgesetzt worden und Einkommenssteuer war nicht zu entrichten.
Da eine steuerrechtliche Nachbesserung somit ausgeschlossen ist, kann § 21
BKGG hier nicht zur Anwendung kommen. Nur der steuerpflichtige und Steuern zahlende Ausländer wird von der Nachbesserungsregelung
des §
53 EStG erfasst. Wenn der vom Gesetzgeber gewählte steuerrechtliche Ausgleich jedoch nicht möglich ist, kann auch der hilfsweise
geschaffene Ausgleich über § 21
BKGG niF. nicht durchgesetzt werden. Durch das Gesetz zur Familienförderung vom 22.12.1999 ist daher nach Auffassung des Senats
nur den im Veranlagungszeitraum unbeschränkt steuerpflichtigen Ausländern nachträglich die Berechtigung zum Kindergeldbezug
in seiner steuerlichen Entlastungsfunktion unabhängig vom Aufenthaltstitel zugebilligt worden (vgl. Beschlüsse des Senats
vom heutigen Tage, Az.: L 13 KG 53 u. 54/02).
Im übrigen hätte der Kläger auch keinen Anspruch auf Kindergeldzuschlag, wenn § 21
BKGG hier gleichfalls verfassungskonform ausgelegt werden könnte. Diesen sollen gerade die Familien erhalten, die die steuerrechtlichen
Kinderfreibeträge nicht ausschöpfen können. Dies ist nach Auffassung des Senats ein weiterer Beleg dafür, dass ein Ausländer
ohne Aufenthaltsberechtigung bzw. Aufenthaltserlaubnis, der keine Einkommenssteuer zu entrichten hatte, von der Nachbesserungsregelung
des § 21
BKGG nicht erfasst wird.