Gründe
Die aufgrund der Zulassung durch das Sozialgericht gemäß § 4 Abs. 3 2. Teilsatz JVEG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Staatskasse, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat und über
die der Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache in der Besetzung durch drei Berufsrichter ohne ehrenamtliche
Richter entscheidet (§ 4 Abs. 7 Satz 2 und 3 JVEG), ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die dem Antragsteller für seine Dolmetschertätigkeit bei der Untersuchung der Klägerin
am 01.11.2021 zustehende Vergütung unter Anwendung von §§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 9 Abs. 5 Satz 1 JVEG in der ab dem 01.01.2021 geltenden Fassung des KostRÄG 2021 vom 21.12.2020 (BGBl I 3229) zu Recht antragsgemäß auf 431,59
Euro festgesetzt. Es ist dabei zu Recht davon ausgegangen, dass die Übergangsregelung des § 24 Satz 1 JVEG nicht zur Anwendung des bis zum 31.12.2020 geltenden Rechts führt, weil der Auftrag an den Antragsteller nicht bereits durch
die Beweisanordnung vom 03.09.2020 bzw. deren Zugang oder die Ende November 2020 durch den Sachverständigen erfolgte Einbestellung
des Antragstellers zu der Untersuchung der Klägerin, sondern erst bei der Untersuchung der Klägerin am 11.01.2021 erteilt
worden ist. Der Senat schließt sich den überzeugenden Erwägungen des Sozialgerichts in dem angefochtenen Beschluss, die der
ganz herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung entsprechen (vgl. z.B. OLG Stuttgart, Beschl. v. 06.10.1994 - 1 Ws 203/94 -, juris Rn. 2; Jahnke/Pflüger, JVEG, 28. Aufl. 2021, § 24 Rn. 4; Binz, in: Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 5. Aufl. 2021, § 24 JVEG Rn. 3; Schneider, JVEG, 4. Aufl. 2021, § 24 Rn. 7; Simon/Pannen, in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl. 2021, § 24 JVEG Rn. 2 f.; Weber, in: Toussaint, Kostenrecht, 51. Aufl. 2021, § 24 JVEG Rn. 4; Bleutge, in: BeckOK-Kostenrecht, Stand: 01.10.2021, § 24 JVEG Rn. 5) nach eigener Prüfung an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf sie Bezug (§
142 Abs.
2 Satz 3
SGG).
Das Beschwerdevorbringen führt zu keiner anderen Bewertung. Entgegen der Auffassung der beschwerdeführenden Staatskasse ist
der Wortlaut von § 24 Satz 1 JVEG keinesfalls eindeutig in dem Sinne, dass bereits mit der Ladung des Dolmetschers zu einer mündlichen Verhandlung oder - bei
der gerichtlichen Anordnung, dass die Untersuchung durch den mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragten Sachverständigen
im Beisein eines Dolmetschers erfolgen soll, wie sie hier in der Beweisanordnung vom 03.09.2020 erfolgt ist - mit der Einbestellung
des Dolmetschers durch den Sachverständigen zu der Untersuchung der Auftrag an den Dolmetscher erteilt wird. Unter der Erteilung
eines Auftrags kann vielmehr zwanglos auch die verbindliche Aufforderung verstanden werden, die erforderliche Leistung zu
erbringen. Dies geschieht bei einem Dolmetscher, der in einem gerichtlichen Termin oder während einer sachverständigen Untersuchung
übersetzen soll, erst im Verhandlungstermin oder bei der konkreten Untersuchung, denn erst dann kann der Dolmetscher überhaupt
die erforderliche Leistung erbringen. Damit besteht ein wesentlicher Unterschied zu mit der Erstellung eines schriftlichen
Gutachtens beauftragten Sachverständigen und zu mit der Übersetzung von Schriftstücken beauftragten Übersetzern, die mit ihrer
Tätigkeit bereits mit Zugang (vgl. §
130 BGB) der gerichtlichen Aufforderung, ein Sachverständigengutachten oder eine Übersetzung anzufertigen, beginnen können und dies
in der Regel auch sollen. Bei Dolmetschern ist demgegenüber die Ladung zu einem Verhandlungstermin oder die Einbestellung
zu einem Untersuchungstermin durch den Sachverständigen lediglich Vorbereitungshandlung.
Aus § 9 Abs. 5 Satz 2 und 3 JVEG, wonach einem Dolmetscher im Falle der Aufhebung eines Termins, zu dem er geladen war, unter bestimmten Voraussetzungen eine
pauschale Ausfallentschädigung bis zur Höhe des Honorars für zwei Stunden zu gewähren ist, folgt nichts anderes. Bei der Ausfallentschädigung
handelt es sich in der Sache um den Ersatz eines Vertrauensschadens, der dem Dolmetscher dadurch entstanden ist, dass er wegen
des anberaumten Termins andere Aufträge nicht angenommen hat und deshalb Einkommensverluste erleidet. Der Ersatz eines Vertrauensschadens
setzt aber nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen nicht zwingend voraus, dass die Erbringung einer vergütungspflichtigen Tätigkeit
bereits rechtsverbindlich (vertraglich) vereinbart oder (einseitig hoheitlich) angeordnet wurde. Entscheidend ist vielmehr,
ob derjenige, dessen Vertrauen enttäuscht wurde, eine Grundlage für sein Vertrauen hatte, sein Vertrauen also schutzwürdig
ist, z.B. - in zivilrechtlichen Beziehungen - weil er aufgrund des Verhaltens seines potentiellen Vertragspartners davon ausgehen
durfte, dass es zum Vertragsschluss kommt. Eine solche Vertrauensgrundlage wird durch die Ladung eines Dolmetschers zu einem
Termin gesetzt. Vor diesem Hintergrund lässt § 9 Abs. 5 Satz 2 und 3 JVEG ohne weiteres die Sichtweise zu, dass einem zu einem Termin geladenen Dolmetscher erst in dem Termin der Auftrag zur Leistungserbringung
erteilt wird.
Für die Annahme, dass der Auftrag an einen Dolmetscher, der in einem gerichtlichen Termin oder bei einer Untersuchung durch
einen Sachverständigen dolmetschen soll, erst in dem Termin oder bei der Untersuchung erteilt wird, spricht vor allem der
Sinn und Zweck von § 24 Satz 1 JVEG. Die Vorschrift dient der Vereinfachung und damit sowohl der Zweckmäßigkeit als auch der Rechtssicherheit (Weber, in: Toussaint,
Kostenrecht, 51. Aufl. 2021, § 24 JVEG Rn. 2). Dieser Zweck wird am ehesten erreicht, wenn man auf den gerichtlichen Termin oder den Tag der Untersuchung durch
den Sachverständigen abstellt. Der entsprechende Tag ist in der Regel ohne weiteres, wie hier z.B. durch das Lesen der ersten
Seite des Sachverständigengutachtens, feststellbar. Demgegenüber bedürfte es, wenn es um das Dolmetschen während einer sachverständigen
Untersuchung geht, stets weiterer Ermittlungen, wenn man entsprechend der Auffassung der beschwerdeführenden Staatskasse darauf
abstellen würde, wann der Dolmetscher zu der Untersuchung einbestellt wurde. Hierzu müsste, wie es im vorliegenden Fall auch
erfolgt ist, stets der Sachverständige gesondert befragt werden. Es könnte sogar sein, dass der Zeitpunkt der Einbestellung
des Dolmetschers durch den Sachverständigen im Nachhinein gar nicht mehr feststellbar ist, z.B. wenn die Einbestellung telefonisch
erfolgt ist und weder der Sachverständige noch der Dolmetscher hierüber Aufzeichnungen geführt haben. Die Auffassung der beschwerdeführenden
Staatskasse kann damit zu Problemen führen, die § 24 Satz 1 JVEG gerade vermeiden will.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 Abs. 8 JVEG.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG, §
177 SGG).