Tatbestand
Streitig ist Krankenhausvergütung in Höhe von 26.802,01 €.
Der im Jahr 1984 geborene, bei der Beklagten und Widerklägerin (Beklagte) krankenversicherte und an einer an Taubheit grenzenden
Innenohrschwerhörigkeit beidseits leidende S R (Versicherter) wurde in der Zeit vom 30.08.2016 bis zum 03.09.2016 stationär
in dem von der Klägerin und Widerbeklagten (Klägerin) betriebenen, nach §
108 Abs.
1 SGB V zur Versorgung von Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenen Hochschulklinikum zwecks Versorgung
mit einem Kochlea-Implantat behandelt.
Mit Rechnung vom 19.09.2016 (Rechnungsnummer 1101287561, Aufnahmenummer: 36) forderte die Klägerin unter Zugrundelegung der
DRG D01B (Kochleaimplantation, unilateral) einen Betrag in Höhe von 29.695,96 € von der Beklagten.
Diese teilte der Klägerin mit Schreiben vom 23.09.2016 mit, dass sich nach einer Überprüfung ihrer übermittelten Abrechnung
Fragen zum OPS 5-209.25 (Andere Operationen am Mittel- und Innenohr: Einführung eines Kochleaimplantates, mit Einzelelektrode,
gehörerhaltend) ergeben hätten, weshalb sie den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Durchführung einer
Teilprüfung der Abrechnung des OPS beauftragt habe. Dieser wies die Klägerin mit Schreiben vom 27.09.2016 darauf hin, dass
er um Begutachtung gebeten worden sei, ob die Prozeduren korrekt seien und die Versorgung mit einem Kochlea-Implantat medizinisch
indiziert gewesen sei oder eine vergleichbare Alternative habe erfolgen können. Mit der Klägerin sei ein Begehungsverfahren
vereinbart worden.
Es werde gebeten, die Krankenakte zur Verfügung zu halten.
Am 24.01.2017 fand eine Vor-Ort-Prüfung durch den MDK statt, der in seinem Gutachten vom 25.01.2017 zu dem Ergebnis kam, dass
für OPS 5-209.25 kein Nachweis erbracht worden und daher die DRG D06C (Eingriffe an Nasennebenhöhlen, Mastoid, komplexe Eingriffe
am Mittelohr und andere Eingriffe an den Speicheldrüsen, Alter > 15 Jahre, ohne komplexe Prozedur, ohne komplexe Diagnose)
zugrunde zu legen sei. Aus dem Gutachten ging hervor, dass laut Controlling des klägerischen Hochschulklinikums sich ein entsprechender
Nachweis des OPS trotz Rücksprache und Anforderung in der medizinischen Fachabteilung nicht habe vorlegen lassen.
Daraufhin teilte die Beklagte der Klägerin (Schreiben vom 31.01.2017) mit, dass aus der Streichung des OPS 5-209.25 ein Erstattungsanspruch
in Höhe von 26.802,01 € resultiere, den sie gemäß §
9 Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach §
275 Abs.
1c SGB V (Prüfverfahrensvereinbarung - PrüfvV 2014) aufgerechnet habe. Die Einzelheiten, mit welchen Leistungsfällen genau verrechnet
worden sei, sei dem Zahlungsavis zu entnehmen. Im Rahmen der Abrechnung fasste die Beklagte ausweislich einer Zahlungsmitteilung
vom 03.02.2017 mit der Überweisungsnummer 712000497941 von der Klägerin in Rechnung gestellte Beträge sowie von ihr geforderte
Erstattungsbeträge in einer Vielzahl von Behandlungsfällen jeweils unter Angabe des Rechnungsdatums, der Rechnungsnummer bzw.
ggf. des sozialgerichtlichen Aktenzeichens, der Sammelüberweisung sowie der Aufnahmenummer zusammen und überwies insgesamt
391.233,41 € an die Klägerin. In Bezug auf die Behandlung des Versicherten wies die Sammelüberweisung einen Minusbetrag in
Höhe von 29.695,96 € (19.09.2016 1101287561 SAMU: 0001053534 36217265) und einen positiven Betrag in Höhe von 2.893,95 € (19.09.2016
1101287561 SAMU: 0001053534 36217265) aus.
Die Klägerin mahnte mit Schreiben vom 05.10.2017 unter Vorlage einer an das Medizin-Controlling ihres Hochschulklinikums gerichteten
ärztlichen Stellungnahme der Oberärztin Dr. B vom 17.03.2017 die Zahlung des Betrages in Höhe von 26.802,01 € bis spätestens
31.10.2017 an.
Am 18.12.2017 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Duisburg erhoben, mit der sie neben der Vergütung in Höhe von 26.802,01
€ außergerichtliche (Rechtsanwalts-)Kosten geltend gemacht hat. Zur Begründung hat sie vorgetragen, die beim Versicherten
durchgeführte Versorgung mit einem Kochlea-Implantat sei aus fachmedizinischer Sicht indiziert gewesen. § 7 Abs. 2 Satz 4
PrüfvV 2014 (Beschränkung des Vergütungsanspruchs des Krankenhauses auf den unstrittigen Betrag bei nicht fristgerechter Übermittlung
der angeforderten Krankenhausunterlagen), aus dem die Beklagte ihren Rückforderungsanspruch herleite, sei - abgesehen davon,
dass dieser keine materielle Ausschlussfrist regele - vorliegend nicht anwendbar, denn es habe sich um eine MDK-Prüfung vor
Ort gehandelt. Die hiermit korrespondierende Vorschrift sei ausschließlich § 7 Abs. 2 Satz 1 PrüfvV 2014, nach der bei der
Begehung die Vorgaben des §
276 Abs.
4 SGB V zu beachten seien. Alle folgenden Sätze des Abs. 2 bezögen sich ausdrücklich auf die Prüfung im schriftlichen Verfahren und
könnten für die Prüfung vor Ort nicht herangezogen werden. Eine analoge Anwendung des § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV 2014 auf die
vorliegende Konstellation scheide mangels Vorliegens einer planwidrigen Regelungslücke aus. Da die Beklagte nicht berechtigt
gewesen sei, die Rechnung zu kürzen, stehe ihr auch kein Erstattungsanspruch zu, der sie zu einer Aufrechnung habe berechtigen
können.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie einen weiteren Betrag in Höhe von 26.802,01 € nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten
über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.10.2017 sowie die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.358,86
€ zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
1.
die Klage abzuweisen und
2.
im Wege der hilfsweisen Widerklage die Widerbeklagte zu verurteilen, an die Widerklägerin für die Behandlung des Patienten
R in der Zeit vom 30.08.2016 bis 03.09.2016 zu viel gezahlte Vergütung i.H.v. 26.802,01 € an die Widerklägerin zurückzuzahlen.
Sie hat vorgetragen, dass ausweislich des Gutachtens des MDK diesem im Zeitpunkt der Überprüfung Nachweise fehlten, so dass
er anhand der vorgelegten Unterlagen den streitgegenständlichen OPS nicht habe bestätigen können, weil er von der Klägerin
nicht in die Lage versetzt worden sei, die Abrechnung hinreichend zu überprüfen. Dies wirke sich gemäß § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV
2014 auf deren Vergütungsanspruch aus. Die vorliegende Sachverhaltsvariante zeige eindrücklich, warum ein Bedarf an materiellen
Ausschlussfristen bestehe. § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV 2014 sei auch vorliegend anwendbar, denn die Konsequenzen einer mangelhaften
Informationspolitik könnten nicht davon abhängig gemacht werden, ob die Prüfung des MDK durch eine Begehung oder anhand von
Unterlagen erfolge. Die Erfahrung zeige, dass sich die Gutachten des MDK mangels Vorlage vollständiger Unterlagen durch die
Krankenhäuser immer wieder als unzutreffend erwiesen und die Krankenkassen infolgedessen Klagen zurücknehmen oder Ansprüche
anerkennen müssten. Diese Situation führe unter Geltung der PrüfvV 2014 zu einem materiellen Ausschluss nach § 7 Abs. 2 Satz
4, dessen Schutzgedanke sich ohne weiteres auf die Begehung vor Ort übertragen lasse. Bei beiden Formen der Prüfung sei der
MDK auf die Mitwirkung des Krankenhauses angewiesen, da ein Informationsdefizit zum Nachteil der Krankenkasse existiere, welches
eine analoge Anwendung rechtfertige. Nach Vorlage der Patientenakte gehe sie nunmehr davon aus, dass der OPS 5-209.25 korrekt
angesetzt worden sei.
Für den Fall, dass das Sozialgericht von der Unzulässigkeit der Aufrechnung ausgehe hat die Beklagte den streitigen Betrag
hilfsweise im Wege der Widerklage geltend gemacht.
Mit Urteil vom 29.01.2019 hat das Sozialgericht der Klage weitgehend - abgesehen von den außergerichtlichen (Rechtsanwalts-)Kosten
- stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Aufrechnung sei - unabhängig
davon, ob sie den Anforderungen des § 9 PrüfvV 2014 entspreche - unwirksam, da kein Rückforderungsanspruch der Beklagten aus
dem Behandlungsfall des Versicherten bestanden habe. Die Beklagte sei nicht berechtigt, unter Bezugnahme auf § 7 Abs. 2 Satz
4 PrüfvV 2014 nur den unstreitigen Rechnungsbetrag zu zahlen, denn diese Vorschrift finde - was sich bereits aus dem Wortlaut
des § 7 Abs. 2 PrüfvV 2014 ergebe - auf die vom MDK im Auftrag der Beklagten durchgeführte Prüfung vor Ort keine Anwendung;
auch eine analoge Anwendung scheide aus.
Gegen das ihr am 22.02.2019 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 21.03.2019 Berufung eingelegt. Das Sozialgericht habe die
Voraussetzungen des § 9 PrüfvV 2014 verkannt.
Dem Wortlaut der Vorschrift lasse sich eine beabsichtigte Verschärfung der Aufrechnungsmodalitäten des
BGB ebenso wenig entnehmen wie der Gedanke einer abschließenden Regelung. Die Vorschrift nehme vielmehr unmittelbar Bezug auf
die Regelungen der §§
387 ff.
BGB. Durch die auf dem Zahlungsavis gelistete, individualisierte Rechnungs- und Aufnahmenummer sei die Identifizierung und Bestimmbarkeit
der jeweiligen Leistungs- und Erstattungsansprüche jederzeit für beide Parteien möglich. Zudem bleibe sie bei ihrer Auffassung,
dass es sich bei § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV 2014 um eine auch auf die Prüfungen vor Ort anwendbare materielle Ausschlussfrist
handele und nehme Bezug auf ihre erstinstanzlichen Ausführungen. Weder der MDK noch die Beklagte könnten vor der Prüfung wissen,
welche Unterlagen für eine sachgerechte Prüfung der Abrechnung erforderlich seien. Im Gegensatz dazu verfüge das Krankenhaus,
das zunächst den alleinigen und umfassenden Überblick über die Dokumentation und die Vergütungsvoraussetzungen habe, naturgemäß
über einen Wissensvorsprung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 29.01.2019 zu ändern und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Klägerin zu verurteilen,
ihr 26.802,01 € zu zahlen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Die Beklagte sei schon nicht zur Aufrechnung berechtigt gewesen,
da ihr kein Rückzahlungsanspruch aus dem Behandlungsfall R zugestanden habe. Darüber hinaus sei die Aufrechnung mangels Bestimmtheit
unwirksam gewesen; sie habe nicht den Erfordernissen des § 9 PrüfvV 2014 entsprochen. Keinesfalls stehe der Beklagten der
mit der Hilfswiderklage geltend gemachte Betrag zu. Schon aus dem Wortlaut ergebe sich, dass § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV 2014
nicht auf die Prüfungen vor Ort anwendbar sei; eine analoge Anwendung komme mangels Erfüllung der Analogievoraussetzungen
nicht in Betracht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Patientenakte des Versicherten
sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht die Beklagte zur Zahlung von 26.802,01 € aus der stationären Behandlung weiterer bei ihr Versicherter
nebst Zinsen verurteilt.
Die von der Klägerin erhobene (echte) Leistungsklage ist im hier bestehenden Gleichordnungsverhältnis zulässig (vgl. BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr. 13, Rn. 9 m.w.N.; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr. 17, Rn. 12). Dem Vorbringen der Klägerin lässt sich insbesondere der Streitgegenstand ihrer Klage
hinreichend bestimmt entnehmen (zum maßgeblichen zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff vgl. BSGE 115, 95 = SozR 4-2500 § 2 Nr. 4, Rn. 32). Es genügt, dass die Klägerin die bezifferte Restzahlung auf eine Sammelrechnung mit klaren
Einzelpositionen geltend macht, deren Erfüllung durch Aufrechnung in der Anrechnungsreihenfolge des § 366 Abs. 2
BGB sie bestreitet (vgl. BSG, Urteil vom 30.07.2019 - B 1 KR 31/18 R -, BSGE 129, 1-10, SozR 4-7610 § 366 Nr. 2, Rn. 8)
Es ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass die Klägerin aufgrund stationärer Behandlungen anderer Versicherter der
Beklagten - eingeklagt sind ihre ältesten Forderungen aus dem Sammelavis vom 03.02.2017 - zunächst Anspruch auf die abgerechnete
Vergütung weiterer 26.802,01 € hatte; eine nähere Prüfung des Senats erübrigt sich insoweit (vgl. BSG, a.a.O. Rn. 9; Urteil vom 17.12.2013 - B 1 KR 57/12 R -, Rn. 8, juris jeweils m.w.N.).
Diese Vergütungsansprüche sind nicht durch Erfüllung infolge der von der Beklagten erklärten Aufrechnung erloschen, weil dieser
kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch in entsprechender Höhe als Gegenforderung zustand, so dass es an einer für
die Aufrechnung gemäß §
69 Abs.
1 Satz 3
SGB V i.V.m. §
387 ff.
BGB erforderlichen Gegenforderung fehlte (zur grundsätzlichen Zulässigkeit der Aufrechnung bei Behandlungsfällen und Forderungen
aus dem Jahr 2016 unter Geltung der PrüfvV 2014 vgl. BSG, Urteil vom 30.07.2019, a.a.O.).
Aufgrund des Behandlungsfalls R hatte die Klägerin gegen die Beklagte gemäß §
109 Abs.
4 Satz 3
SGB V i.V.m. § 7 KHEntgG und § 17b KHG einen (weiteren) Vergütungsanspruch in der hier streitigen Höhe.
Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme
der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes (§
109 Abs.
4 Satz 3
SGB V), wenn die Versorgung - wie vorliegend der Fall - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von §
39 Abs.
1 Satz 2
SGB V erforderlich ist (BSG, Urteil vom 08.09.2009 - B 1 KR 11/09 R -, Rn. 11, juris m.w.N.).
Die Beteiligten haben im Verhandlungstermin vor dem Senat übereinstimmend erklärt, dass zwischen ihnen unstreitig ist, dass
der Klägerin aus der Behandlung des Versicherten R der streitgegenständliche (weitere) Betrag in Höhe von 26.802,01 € zustand,
sofern er nicht in Folge der Regelungen der PrüfvV hinsichtlich seiner Geltendmachung ausgeschlossen war.
Entgegen der Auffassung der Beklagten war der Vergütungsanspruch der Klägerin aus diesem Behandlungsfall nicht nach § 7 Abs.
2 Satz 4 PrüfvV 2014 auf den "unstrittigen Rechnungsbetrag" beschränkt.
Hinsichtlich der Anwendbarkeit der PrüfvV 2014 auf den vorliegenden Fall kann offenbleiben, ob der MDK lediglich mit einer
sachlich rechnerischen Prüfung beauftragt worden ist oder ob in Bezug auf die Frage nach einer alternativen Versorgung auch
eine Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der stationären Versorgung von der Beklagten gewünscht war. Angesichts der Erweiterung
des §
275 Abs.
1c SGB V mit Wirkung vom 01.01.2016 auf sämtliche Prüfungsmodalitäten spricht allerdings alles ohnehin für eine uneingeschränkte Anwendung
der PrüfvV 2014 ab diesem Zeitpunkt.
Ebenso kann dahinstehen, ob die Vergütungsbeschränkung des § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV 2014 im Falle verfristeter Vorlage erforderlicher
Unterlagen den Verlust weiteren Vortragsrechts des Krankenhauses und die Anspruchskürzung auf die unstrittigen Vergütungsanteile
im Sinne einer materiellen Ausschlussfrist begründet (vgl. BSG, Urteil vom 19. November 2019 - B 1 KR 33/18 R -, SozR 4-2500 § 109 Nr 77, Rn. 16; zur Gegenmeinung Urteil des Senats vom 09.07.2020 - L 16 KR 395/16 - m.w.N. Revision abhängig B 1 KR 43/20 R).
Diese Fragen sind letztlich nicht entscheidungsrelevant, weil § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV 2014 ohnehin nur auf das schriftliche
Prüfungsverfahren des MDK, nicht aber auf dessen Prüfung vor Ort im Krankenhaus anwendbar ist. Dies folgt aus dem eindeutigen
Wortlaut und der Systematik des § 7 PrüfvV 2014.
In dieser Regelung wird ausdrücklich zwischen der Prüfung vor Ort und dem schriftlichen Verfahren differenziert (§ 7 Abs.
1 Satz 2, Abs. 2 Sätze 1 und 2 PrüfvV 2014). Danach richtet sich die Prüfung vor Ort nach den Vorgaben des §
276 Abs.
4 SGB V (§
7 Abs.
2 Satz 1 PrüfvV 2014). Dagegen ist das schriftliche Verfahren in §
7 Abs.
2 Sätze 2-4 PrüfvV 2014 geregelt. Zwar bestimmt §
276 Abs.
4 SGB V, dass der MDK die Krankenunterlagen im Krankenhaus einsehen kann (§
276 Abs.
4 Satz 1
SGB V), er knüpft aber keine Sanktionen an die Nichterfüllung eines entsprechenden Verlangens des MDK im Rahmen der Begehung des
Krankenhauses. Da nichts dafür spricht, dass dem GKV-Spitzenverband einerseits und der Deutschen Krankenhausgesellschaft andererseits
bei Abschluss der PrüfvV 2014 dieser Umstand nicht bekannt war, kommt eine Auslegung des § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV 2014 in
dem von der Beklagten gewünschten Sinn nicht in Betracht.
Ebenso wenig ist eine analoge Anwendung dieser Bestimmung auf die Prüfung vor Ort möglich. Inwieweit die Bestimmungen der
PrüfvV als Normenvertrag (BSG, Urteil vom 30.07.2019, a.a.O.) und damit als untergesetzliche Regelungen überhaupt im Sinne einer einseitig eine Vertragspartei
begünstigende erweiternden Anwendung analogiefähig sind, kann dahinstehen. Jedenfalls fehlt es an den weiteren Voraussetzungen
für die Analogie von Rechtsnormen.
Diese setzt eine planwidrige Regelungslücke voraus, die nach dem in § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV 2014 enthaltenen Rechtsgedanken
und dem mit ihm verfolgten Zweck dieselbe rechtliche Bewertung erfordert (vgl. BSG, Urteil vom 19.11.2019 - B 1 KR 13/19 R -, BSGE 129, 232-241, SozR 4-2500 § 76 Nr 6, Rn. 13). Schon eine solche Regelungslücke lässt sich nicht feststellen. Wie bereits ausgeführt,
haben die Vertragsschließenden zwei unterschiedliche Prüfregime in § 7 PrüfvV 2014 geregelt. Wenn sie nur für das eine Prüfverfahren
sanktionsrechtliche Konsequenzen vereinbaren, spricht nichts dafür, dass dies unbeabsichtigt geschehen ist. Dies gilt umso
mehr, weil hier die Prüfmodalitäten im schriftlichen Verfahren im Einzelnen in der PrüfvV 2014 geregelt worden sind, während
die Prüfung vor Ort ausschließlich den Bestimmungen des
SGB V unterliegen soll. Dass §
276 Abs.
4 SGB V keine entsprechenden rechtlichen Folgen an die vom Krankenhaus zu vertretenden Beeinträchtigungen der Prüfungsmöglichkeiten
durch den MDK knüpft, ist dabei aber so offensichtlich, dass das Fehlen einer Vereinbarung hierüber nicht als Versehen gewertet
werden kann.
Selbst wenn man aber davon ausgeht, dass die Vertragsschließenden den wohl eher seltenen Fall der Nichtverfügbarkeit von Krankenhausunterlagen
im Prüfungszeitpunkt nicht vor Augen hatten, führt dies nicht zu einer entsprechenden Anwendbarkeit des § 7 Abs. 2 Satz 4
PrüfvV 2014. Die Prüfung vor Ort steht nämlich in keinem Zusammenhang mit einer fristgerechten Vorlage von Unterlagen. Vielmehr
bedarf es für den Erfolg der Krankenhausbegehung in der Regel der Bereithaltung der Unterlagen im Zeitpunkt der Begehung.
Dies entspricht hier der Bitte des MDK um die entsprechende Bereitstellung. Letztere kann aber einer Fristsetzung von vier
Wochen, wie sie das schriftliche Verfahren vorsieht, nicht gleichgestellt werden. Es ist daher unter Annahme einer Regelungslücke
völlig offen, wie die Beteiligten diese geschlossen hätten. Insoweit wäre es auch nicht ausgeschlossen, dass die Beteiligten
im Hinblick auf das wohl eher seltene Vorliegen der entsprechenden Konstellation, die auch auf unvorhersehbaren Ereignissen
beruhen kann, auf Konsequenzen ganz verzichtet oder eine Nachfrist vereinbart oder dem MDK die Möglichkeit eingeräumt hätten,
eine - wie auch immer geartete - (Nach)Frist zu setzen. Jedenfalls verlangt der § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV 2014 innewohnende
Beschleunigungsgedanke nicht den Eintritt einer sofortigen Konsequenz bei Nichtbereitstellung der erforderlichen Unterlagen.
Die von der Beklagten gewünschte, allein ihre Interessen berücksichtigende extensive Auslegung letzterer Bestimmung lässt
sich daher nicht begründen.
Der von der Klägerin geltend gemachte Zinsanspruch ergibt sich - wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat - aus §
112 Abs.
2 SGB V i.V.m. §
15 Abs.
1 Satz 4 des nordrhein-westfälischen Landesvertrages.
Die hilfsweise erhobene Widerklage ist unbegründet, denn ein Erstattungsanspruch der Beklagten aus dem Fall des Versicherten
besteht, wie bereits ausgeführt, nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG in Verbindung mit §
154 Abs.
2 VwGO.
Gründe, die Revision zuzulassen (§
160 Abs.
2 SGG), sind nicht gegeben.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §
197a Abs.
1 Satz 1 Teilsatz 1
SGG i.V.m. §§
63 Abs.
2, 52 Abs. 1 und 3, 45 Abs. 1 sowie 47 Abs. 1 GKG.