Kein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung
Verweisbarkeit einer Krankenpflegerin und Haushälterin auf der unteren Anlernebene auf den allgemeinen Arbeitsmarkt in der
Form "leichte Einpackarbeiten in der Süßwarenindustrie"
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Die Klägerin ist am ________ 1955 in P_______ geboren und erwarb dort einen Abschluss als Landwirtschaftstechnikerin. Anschließend
war sie als Verkäuferin in der Zeit vom 15. November 1979 bis 31. Juli 1982 und als Buchhalterin in der Zeit vom 1. August
1982 bis 9. Februar 1990 tätig. Am 10. Februar 1990 kam sie nach Deutschland. Hier absolvierte sie zunächst Sprachkurse und
befand sich danach bis März 1997 in Weiterbildung. In der Zeit vom 1. April 1997 bis 15. September 2009 ging sie mit Unterbrechungen
in der Firma ihres geschiedenen Ehemanns einer geringfügigen Beschäftigung als Buchhalterin/Bürokraft nach. Zeitgleich war
sie in der Zeit von Juli 2003 bis November 2004 als Schwesternhelferin sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Nach Zeiten
der Arbeitslosigkeit und Arbeitsunfähigkeit nahm sie im November 2011 eine Tätigkeit als Haushalthilfe/Haushälterin auf einem
Gut in einem Privathaushalt auf. Diese Beschäftigung übte sie zunächst geringfügig und seit dem 1. Juni 2012 als sozialversicherungspflichtige
Tätigkeit aus. Seit dem 26. Januar 2016 war sie arbeitsunfähig erkrankt. Der Versicherungsverlauf weist für die Zeit vom 1.
Juni 2012 bis 31. Januar 2016 durchgängig Zeiten mit Pflichtversicherung aufgrund Beschäftigung nach.
Ein im Januar 2010 gestellter Rentenantrag zur Feststellung der Erwerbsminderung blieb auch nach Inanspruchnahme des Gerichts
erfolglos.
Am 18. Februar 2016 beantragte die Klägerin bei der Beklagten erneut eine Rente wegen Erwerbsminderung. Im von der Beklagten
beauftragten sozialmedizinischen Gutachten durch den Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Anästhesie Dr. R_______
vom 17. Mai 2016 nach persönlicher Untersuchung der Klägerin am 3. Mai 2016 sah dieser unter der Benennung der Diagnosen psychomentale
Minderbelastbarkeit bei chronifizierter Gemütsauslenkung (Dysthymie), chronischer Schmerzstörung mit somatischen und psychischen
Faktoren, Verschleißerkrankungen der Kniegelenke (rechts führend) mit Belastungseinschränkungen, Bluthochdruck (medikamentös
behandelt), chronischer Verschleiß der Wirbelsäule bei Schädigung der Zwischenwirbelscheibe mit belastungsabhängigen Schmerzen
kein quantitativ eingeschränktes Leistungsvermögen. Die Beklagte veranlasste wegen der vordergründig bestehenden Erkrankungen
des Bewegungsapparates eine weitere Begutachtung auf orthopädischem Fachgebiet durch den Orthopäden Dr. K_______, der die
Klägerin am 9. Juni 2016 persönlich untersuchte. Dieser folgerte ein Leistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten
über 6 Stunden täglich mit qualitativen Leistungseinschränkungen.
Die Beklagte lehnte den Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung mit Bescheid vom 20. Juni 2016 unter Bezugnahme auf die eingeholten
Sachverständigengutachten ab, weil die medizinischen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Unter Berücksichtigung der von den
Sachverständigen benannten Erkrankungen seien keine Einschränkungen festzustellen, die zur Minderung des quantitativen Leistungsvermögens
führen würden. Die Klägerin könne 6 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig
sein. Die Voraussetzungen für eine teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit seien ebenfalls nicht erfüllt. Zwar könne
sie aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen ihrer bisherigen Tätigkeit als Haushälterin im Privathaushalt nicht mehr
nachgehen. Aufgrund ihres beruflichen Werdegangs sei sie jedoch auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu verweisen.
Am 7. Juli 2016 stellte die Klägerin einen Antrag auf Überprüfung des Bescheides zum zuletzt gestellten Antrag auf Erwerbsminderungsrente.
Der Überprüfungsantrag wurde nach Rücksprache mit der Klägerin als Widerspruch aufgefasst und bearbeitet. Inhaltlich machte
sie unter Verweis auf die ärztliche Stellungnahme ihrer behandelnden Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. D_______
vom 14. April 2014 im Wesentlichen geltend, dass ihre seelischen Störungen (rezidivierende depressive Störungen, Anpassungsstörungen,
chronische Schmerzstörungen mit somatischen und psychischen Faktoren und eine Persönlichkeitsstörung) bei der Beurteilung
ihres Leistungsvermögens nicht hinreichend beachtet worden seien.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21. November 2016 unter Bezugnahme auf die im Widerspruchsverfahren
eingeholte gutachterliche Stellungnahme Dr. R_______ zurück. Die medizinischen Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente
seien nicht erfüllt. Der Befundbericht von Frau Dr. D_______ datiere vom 14. April 2014 und habe bereits bei der Begutachtung
vorgelegen. Ihre psychischen Erkrankungen seien bei der Beurteilung des Leistungsvermögens auch hinreichend berücksichtigt
worden. Sie sei nicht berufsunfähig. Aufgrund ihres bisherigen Berufslebens sei sie nach dem vom BSG entwickelten Mehrstufenschema zur Beurteilung der Berufsunfähigkeit der Gruppe der ungelernten Arbeiter zuzuordnen. Damit
sei sie auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verweisen.
Mit ihrer am 23. Dezember 2016 beim Sozialgericht Schleswig erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren mit im Wesentlichen
gleicher Begründung weiterverfolgt.
Das Sozialgericht hat Behandlungs- und Befundberichte der die Klägerin behandelnden Fachärzte für Orthopädie Dr. B_______
vom 11. April 2017, für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. D_______ vom 28. April 2017 sowie des Arztes für Allgemeinmedizin
Dr. S________ vom 24. April 2017 eingeholt.
Mit Beweisanordnung vom 25. Juli 2017 hat das Sozialgericht ein Sachverständigengutachten bei dem Facharzt für Neurologie
und Psychiatrie F_______ in Auftrag gegeben. In seinem am 8. November 2017 erstellten schriftlichen Gutachten nach persönlicher
Untersuchung der Klägerin am gleichen Tag hat er folgende Diagnosen festgestellt: auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet
eine rezidivierende depressive Störung - aktuell mittelgradig, auf internistischem Gebiet einen medikamentös eingestellten
Bluthochdruck sowie auf orthopädischem Gebiet diverse degenerative Veränderungen der Kniegelenke, der Hüftgelenke beidseits,
der Halswirbelsäule und Lendenwirbelsäule jeweils ohne eindeutige Nervenwurzelreizerscheinungen, Veränderungen des Sprunggelenks,
einen Senk-/Spreizfuß, einen Hallux Valgus sowie ein Impingement-Syndrom der Schulter rechts mit endgradiger Bewegungseinschränkung.
Der Sachverständige ist zu der Einschätzung gelangt, dass die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch körperlich leichte
Arbeiten für 6 Stunden und mehr in geschlossenen Räumen ohne Einfluss von Kälte, Zugluft und Feuchtigkeit im Sinne zusätzlicher
Stressoren, überwiegend im Sitzen, zeitweise im Gehen und Stehen verrichten könne. Ein bestimmter Wechsel der Haltungsarten
sei nicht erforderlich. Ausgeschlossen seien Arbeiten unter besonderem Zeitdruck, keine Nachtschichten, kein Heben und Tragen
von Lasten über 5kg ohne Hilfsmittel, kein Arbeiten auf Leitern und Gerüsten und keine Arbeiten, die eine besondere Belastbarkeit
der Schulter- und Kniegelenke erforderten. Computerarbeit sei teilweise möglich. Geistig einfache Arbeiten seien zumutbar.
Zu vermeiden seien Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an das Reaktionsvermögen, an die Auffassungsgabe, die Lern- und
Merkfähigkeit, das Gedächtnis, die Konzentrationsfähigkeit, die Entschluss- und Verantwortungsfähigkeit. An die Anpassungs-
und Umstellfähigkeit dürften keine besonderen Anforderungen gestellt werden. Arbeiten mit Publikumsverkehr seien möglich,
wenn diese gelegentlich und ohne besondere nervliche Belastung erfolgten. Wegefähigkeit liege vor.
Aufgrund der orthopädischen Erkrankungen der Klägerin hat das Sozialgericht weiteren Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens
durch den Facharzt für Orthopädie Dr. L_______ erhoben. Nach persönlicher Untersuchung der Klägerin am 28. Februar 2018 hat
er in seinem schriftlichen Gutachten vom 9. März 2018 folgende Diagnosen angeführt: degenerative und verformende Veränderungen
der Halswirbelsäule im Sinne einer mehrsegmentalen Degeneration mit Bandscheibenschäden, degenerative und verformende Veränderungen
der Lendenwirbelsäule, beider Hüftgelenke, des rechten Kniegelenks mit nachgewiesenen Knorpelschäden, ausgeprägte kombinierte
Fußfehlstatik beidseits, Schwellneigung der Beine bei nachgewiesener Veneninsuffizienz rechts, medikamentös eingestellter
Bluthochdruck. Darauf beruhend hat er ein Leistungsvermögen für über 6 Stunden für körperlich leichte Tätigkeiten überwiegend
im Sitzen, zweitweise im Gehen und Stehen in geschlossenen Räumen und ohne Kälteexposition angegeben. Bei der überwiegend
sitzenden Tätigkeit sollte die Gelegenheit zur selbst gewählten kurzzeitigen Körperhaltungsänderung zur Auflockerung der Muskulatur
gegeben sein, ohne dass sich ein fester Rhythmus dafür sinnvoll nennen ließe. Hebe- und Tragelasten oberhalb von 10 kg seien
weitgehend ausgeschlossen, gelegentlich darüber hinausgehende Belastungen seien auf 12,5 kg zu limitieren. Zu vermeiden seien
im Hinblick auf die Belastungsminderung der Wirbelsäule Arbeiten mit häufigem Bücken und einseitigen Körperhaltungen, insbesondere
Zwangshaltungen und Überkopfarbeiten. Aufgrund der Veränderungen in den großen körpertragenden Gelenken seien Tätigkeiten
mit häufigem Knien, Hocken, Klettern und Steigen und Fortbewegen auf unebenem Untergrund zu vermeiden. Die Einsetzbarkeit
der Arme und Hände sei nicht relevant eingeschränkt. Tätigkeiten an Tastaturen seien möglich, sofern die beschriebenen Haltungsänderungen
vorgenommen werden könnten. Tätigkeiten in Nacht- und Wechselschichten und unter besonderem Zeitdruck bzw. Akkordarbeit seien
zu vermeiden. Eine ausreichende Wegefähigkeit sei noch vorhanden, sofern die beschriebenen Einschränkungen des Leistungsvermögens
berücksichtigt und so besondere Belastungen der unteren Extremitäten vermieden würden.
Am 29. Juni 2018 hat das Sozialgericht Schleswig die Klage nach mündlicher Verhandlung und Beweisaufnahme durch Befragung
des Sachverständigen Dr. L________ durch Urteil abgewiesen. Die Klägerin erfülle die medizinischen Voraussetzungen für eine
Erwerbsminderungsrente nicht. Nach den im Klageverfahren eingeholten überzeugenden sowie schlüssigen Gutachten sei das quantitative
Leistungsvermögen nicht eingeschränkt. Sie könne noch körperlich leichte Tätigkeiten über 6 Stunden täglich verrichten. Unter
Berücksichtigung der von den Sachverständigen übereinstimmend festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen könne sie
noch leichte Pack- und einfache Sortiertätigkeiten in der Ausübungsform der Versandfertigmacherin unter wettbewerbsfähigen
Bedingungen unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nach einer Einarbeitungszeit von höchstens drei
Monaten nachgehen. Wegefähigkeit sei gegeben, da sie viermal täglich eine Wegstrecke von 500 Metern in jeweils 20 Minuten
zurücklegen könne. Auch habe der Sachverständige Dr. L_______ im Rahmen seiner Untersuchung festgestellt, dass die Halswirbelsäule
der Klägerin eine Beweglichkeit von 40° aufweise, so dass dies ihr eine Kopfdrehung erlaube, um ein Kfz sicher führen zu können.
Das Sozialgericht hat im Weiteren einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit verneint.
Die Klägerin könne zwar ihrer letzten "bisherigen" Tätigkeit als Haushälterin nicht mehr nachgehen. Diese Tätigkeit sei unter
Berücksichtigung des Mehrstufenschemas dem ungelernten Bereich zuzuordnen, so dass eine Verweisung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt
erfolgen könne.
Gegen das ihr am 21. Juli 2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20. August 2018 Berufung beim Schleswig-Holsteinischen
Landessozialgericht eingelegt. Sie macht geltend, aufgrund des durch die Sachverständigen festgestellten Leistungsvermögens
- leichte Tätigkeiten u.a. ohne Stressfaktoren, d.h. insbesondere ohne Aussetzung eines Zeitdrucks - sei eine Verweisung auf
die Tätigkeit als Versandfertigmacherin für sie unzumutbar. Nach der Tätigkeitsbeschreibung der Bundesagentur für Arbeit sei
die Tätigkeit als Versandfertigmacher darauf ausgerichtet, eigene Arbeitsabläufe mit Dritten zu koordinieren und vor diesem
Hintergrund einem besonderen Zeitdruck ausgesetzt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 29. Juni 2018 und den Bescheid vom 20. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 21. November 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 1. Februar 2016 bis 30. September 2018 Rente
wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts Schleswig für zutreffend und verweist im Übrigen auf die angefochtenen Bescheide.
Seit dem 1. Oktober 2018 erhält die Klägerin eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen mit einem monatlichen Zahlbetrag
in Höhe von 784,00 €.
Der Senat hat aufgrund des Beweisbeschlusses vom 19. Dezember 2018 Beweis erhoben durch die Einholung eines berufskundlichen
Sachverständigengutachtens durch den Berufskundler LA_______. Dieser führte in seinem schriftlichen Gutachten vom 27. Dezember
2018 aus, dass die zuletzt ausgeübte Tätigkeit der Klägerin als Krankenpflegerin und Haushälterin auf der unteren Anlernebene,
der Stufe II a - Versicherte mit einer Anlernzeit von bis zu 12 Monaten - des Stufenschemas des BSG, zuzuordnen sei. Eine Verweisung komme nach dem beruflichen Werdegang und dem ermittelten Leistungsvermögen auf einfache
gewerbliche Arbeiten wie leichte Pack- und einfache Sortierarbeiten in der Ausübungsform des Versandfertigmachers in Betracht.
Diese Arbeiten seien nach dem Mehrstufenschema den ungelernten Arbeiten zuzuordnen, ohne dass es sich hierbei um die allereinfachsten
Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt handele. Nach einer dreimonatigen Einarbeitungszeit könne sie diese vollwertig
und konkurrenzfähig verrichten. Bundesweit seien mehr als 300 bis 400 derartige Arbeitsplätze vorhanden.
Vor dem Hintergrund der Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. Oktober 2015 - L 8 R 926/11 hat der Senat die in diesem Verfahren erzielten Ermittlungsergebnisse beigezogen und den Sachverständigen LA______ zur ergänzenden
Stellungnahme aufgefordert.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 24. Oktober 2019 führte der Sachverständige LA_______ aus, dass die von ihm benannten
Tätigkeitsbereiche auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch vorhanden seien, die Bezeichnung jedoch auf "leichte Einpackarbeiten
in der Süßwarenindustrie" zu ändern sei. Aus der seit 2010 geänderten Berufssystematik auf fünfstellige Dokumentationsziffern
(DKZ) folge nicht, dass es diese Tätigkeiten nicht mehr gebe. Die Tätigkeitsbezeichnungen der Berufsgruppe 5220 nach dem alten
System der Warenaufmacher, Versandfertigmacher seien nach dem neuen System nunmehr den "Berufen in der Lagerwirtschaft" unter
den DKZ 51312, 51311 zugeordnet. Die Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten unter der DKZ sei in den Jahren
2013 bis 2018 gestiegen, wohingegen die Anzahl der geringfügig Beschäftigten gesunken sei. Süßwarenherstellerhelfer seien
bis 2010 unter der Berufskennziffer (BKZ) 4337 und nunmehr unter der DKZ 29201 erfasst. Diesbezüglich würde die Klassifikation
der Berufe Tätigkeiten im Produktionsprozess beschreiben, während die im Gutachten beschriebenen Verweisungstätigkeiten nach
dem industriellen Herstellungsprozess angesiedelt seien. Problematisch sei zudem, dass von den Betrieben im Rahmen der Meldeverfahren
häufig pauschale Tätigkeitsbezeichnungen gemeldet würden, um den Aufwand zu reduzieren. Dies entspreche aber nicht den Vorgaben
im Sozialversicherungssystem. In dem Verfahren des LSG Berlin-Brandenburg L 8 R 926/11 sei er ebenfalls als berufskundiger Sachverständiger beauftragt worden. Auf der Grundlage von Firmenauskünften habe er in
diesem Verfahren als zumutbare Verweisungstätigkeiten einfache Prüf- und Kontrollarbeiten bei der Herstellung von Lampen und
Leuchtmitteln, das Einpacken von hochwertigen Schreibgeräten sowie leichte Einpackarbeiten in der Süßwarenindustrie benannt.
Aufgrund anschließender Ermittlungen des LSG Berlin-Brandenburg sei dieses aufgrund der eingeholten Firmenauskünfte zu dem
Ergebnis gelangt, dass die von ihm benannten Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr in nennenswerter Anzahl
vorhandenen seien. Diese Firmenauskünfte seien einem Berufskundler nicht vorgelegt worden, so dass die entstandenen Widersprüche
nicht aufgeklärt worden seien. Hinsichtlich der Firma N_______ seien die Widersprüchlichkeiten nunmehr ausgeräumt. Dort seien
mehr als 300 Arbeitsplätze für leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen ohne Akkordarbeit vorhanden, wobei 80%-90% ohne Heben
und Tragen von Lasten seien. Hebe- und Trageleistungen von 25 kg-30kg würden erst am Ende des Herstellungsprozesses anfallen.
Auch die Firma C_______ sehe Arbeitsplätze für Produktionshelfer in der Verpackung - leichte Arbeit auch überwiegend im Sitzen
- vor. Heben und Tragen falle bis 5 kg an. Dort seien 15 solcher Stellen vorhanden. Unter Berücksichtigung des beschriebenen
Leistungsvermögens seien der Klägerin demnach leichte Einpackarbeiten in der Süßwarenindustrie zumutbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des Verwaltungsvorgangs der Beklagten, die
Gerichtsakte sowie hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 16.
Dezember 2019 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die gem. §§
143,144 Abs.
1 SGG statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht (§
151 Abs.
1 SGG) eingelegt worden.
Die Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 29. Juni 2018 zu Recht abgewiesen. Der angefochtene
Bescheid vom 20. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2016 ist rechtmäßig und verletzt die
Klägerin nicht in ihren Rechten. Ihr steht kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung zu.
Nach §
43 Abs.
1 und
2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung,
wenn sie teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre
Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine
Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß §
43 Abs.
1 Satz 2
SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte
gem. §
43 Abs.
2 Satz 2
SGB VI, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen
Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind gemäß §
43 Abs.
2 Satz 3
SGB VI auch Versicherte nach §
1 Satz 1 Nr.
2 SGB VI, die wegen Art und Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können und Versicherte, die
bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung
in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Nicht erwerbsgemindert ist gem. § 43 Abs. 3, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen
Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu
berücksichtigen.
Gemessen daran ist die Klägerin nach der Überzeugung des Senats noch in der Lage ihre verbliebene Leistungsfähigkeit auf dem
allgemeinen Arbeitsmarkt unter den üblichen Bedingungen mindestens sechs Stunden täglich zu verwerten.
Die allgemeine Wartezeit im Sinne des §
43 Abs.
1 und
2 Nr.
3 SGB VI ist ebenso erfüllt wie die 3/5-Belegung bei Eintritt eines angenommenen Leistungsfalls am 18. Februar 2016.
Jedoch liegen die sozialmedizinischen Leistungsvoraussetzungen weder für eine teilweise noch für eine volle Erwerbsminderungsrente
vor. Die Auswertung der im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten auf neurologisch-psychiatrischem
sowie orthopädischem Fachgebiet ergab in Übereinstimmung mit den eingeholten Behandlungs- und Befundberichten der die Klägerin
behandelnden Ärzte, dass die Klägerin unter folgenden Erkrankungen leidet: auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet besteht
eine rezidivierende depressive Störung, aktuell mittelgradig. Auf orthopädischem Gebiet bestehen degenerative und verformende
Veränderungen der Halswirbelsäule im Sinne einer mehrsegmentalen Degeneration mit Bandscheibenschäden, degenerative und verformende
Veränderungen der Lendenwirbelsäule, beider Hüftgelenke, des rechten Kniegelenks mit nachgewiesenen Knorpelschäden, ausgeprägte
kombinierte Fußfehlstatik beidseits. Im Übrigen liegt eine Schwellneigung der Beine bei nachgewiesener Veneninsuffizienz rechts
sowie ein medikamentös eingestellter Bluthochdruck vor.
Aufgrund dieser diagnostischen Lage ergeben sich hinsichtlich der beruflichen Leistungsfähigkeit der Klägerin qualitative,
aber keine quantitativen Leistungseinschränkungen. Sie kann noch körperlich leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen, zeitweise
im Gehen und zeitweise im Stehen für sechs Stunden täglich und länger verrichten. Bei überwiegend sitzender Tätigkeit soll
die Gelegenheit zur selbst gewählten kurzzeitigen Körperhaltungsänderung ohne festen Rhythmus zur Auflockerung der Muskulatur
gegeben sein. Die Tätigkeit ist örtlich auf geschlossene Räume unter Vermeidung von Kälte, Zugluft und Feuchtigkeit beschränkt.
Wegen der Venenschwäche ist eine Exposition von Hitze und Ganzkörperschwingungen ausgeschlossen. Aufgrund der orthopädischen
Leiden sind Tätigkeiten, die Hebe- und Tragelasten oberhalb von 10 kg erfordern, weitgehend ausgeschlossen. Gelegentlich darüber
hinausgehende Belastungen müssen bei 12,5 kg limitiert sein. Wegen der Belastungsminderung der Wirbelsäule sind Tätigkeiten
mit häufigem Bücken und einseitigen Körperhaltungen (Zwangshaltungen) und Überkopfarbeiten ausgeschlossen. Nicht verrichtet
werden können wegen der Veränderungen der großen körpertragenden Gelenke Tätigkeiten mit häufigem Knien und Hocken, Klettern
und Steigen sowie Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten. Ebenso ist ein Fortbewegen auf unebenem Grund zu vermeiden. Leistungsrelevante
Einschränkungen der Arme und Hände bestehen nicht. Ausgeschlossen sind wegen der Neigung zu erhöhten Blutdruckwerten auch
Tätigkeiten in Nacht- und Wechselschicht sowie unter besonderem Zeitdruck oder Akkordbedingungen. Wegen der psychiatrischen
Erkrankungen können nur geistig einfache Arbeiten unter Vermeidung von Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an das Reaktionsvermögen,
an die Auffassungsgabe, die Lern- und Merkfähigkeit, das Gedächtnis, die Konzentrationsfähigkeit, die Entschluss- und Verantwortungsfähigkeit
verrichtet werden. Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an die Anpassungs- und Umstellfähigkeit dürfen der Klägerin nicht
abverlangt werden. Arbeiten mit Publikumsverkehr sind möglich, wenn dieser nur gelegentlich und ohne besondere nervliche Belastung
erfolgt. Computerarbeit ist teilweise möglich.
Das Leistungsvermögen der Klägerin haben die Sachverständigen F_______ und Dr. L________ unabhängig voneinander nach persönlicher
Untersuchung der Klägerin und Auswertung aller im Verfahren eingereichten Behandlungs- und Befundberichte der die Klägerin
behandelnden Ärzte nahezu übereinstimmend aus ihrem fachlichen Blickwinkel festgestellt sowie nachvollziehbar und schlüssig
im Hinblick auf die vorgenommene Leistungseinschätzung als auch das Vorliegen der qualitativen Einschränkungen begründet,
so dass der Senat diesem folgt. Lediglich hinsichtlich der Hebe- und Tragelast kommen die Sachverständigen zu unterschiedlichen
Einschätzungen, da der Sachverständige F_______ die Hebe- und Tragelast bereits bei 5 kg limitiert sieht. Hier folgt der Senat
den Ausführungen des Sachverständigen Dr. L_______, da diese Einschränkung vor allem aus den orthopädischen Erkrankungen folgt
und der Sachverständige die Einsetzbarkeit der Arme und Hände nicht als eingeschränkt ansah. Zudem hat Herr F_______ in seinem
Gutachten keine Befunde erhoben, die eine solche Limitierung rechtfertigen würden. Die Befunde in den oberen Extremitäten
wurden in beiden Gutachten als unauffällig und altersentsprechend angegeben. Im Übrigen stehen die von den beiden Sachverständigen
erhobenen Befunde und das daraus abgeleitete Leistungsvermögen im Einklang mit den aktenkundigen Behandlungs- und Befundberichten
der behandelnden Ärzte und Fachärzte der Klägerin. Die bei ihr vorliegenden Erkrankungen und Funktionsdefizite werden umfassend
berücksichtigt.
Mit diesem vorhandenen Leistungsvermögen ist die Klägerin nach Auffassung des Senats noch in der Lage mindestens sechs Stunden
täglich unter betriebsüblichen Bedingungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu arbeiten. Dabei geht der Senat weiterhin von
der Vermutung eines "offenen Arbeitsmarktes" für gering qualifizierte Versicherte aus, wie vom BSG mit Urteil vom 11. Dezember 2019 (B 13 R 7/18 R) entschieden worden ist (vgl. BSG, Terminbericht Nr. 58/19 vom 11. Dezember 2019). Das BSG verneint darin aufgrund seiner in das Verfahren eingeführten arbeitsmarkt-, sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Untersuchungen
eine generelle Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes für Arbeitsplätze für sogenannte "Einfacharbeit" und Helfertätigkeiten
und hält ausdrücklich an seiner bisherigen Rechtsprechung zu notwendigen Verweisungen von Arbeitsplätzen fest. Der erkennende
Senat geht daher - wie bisher auch in seinen Entscheidungen - weiterhin von der Vermutung der Offenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes
aus.
Die bei der Klägerin festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen sind nicht derart gewichtig, dass eine Summierung
ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungseinschränkung vorliegt, die zu einem Anspruch
auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderungsrente trotz fehlender quantitativer Leistungseinschränkung führen könnte, wenn
keine mit dem vorhandenen Leistungsvermögen noch zumutbar ausübbare Verweisungstätigkeit benannt werden kann. Nach der Rechtsprechung
des BSG besteht eine Benennungspflicht nur dann, wenn eine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher
Leistungsbeeinträchtigungen vorliegt (vgl. Großer Senat, Beschluss vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 -, juris). Die Prüfung, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliegt, erfolgt nach der Rechtsprechung
des BSG in mehreren Schritten (vgl. BSG, Urteil vom 09. Mai 2012 - B 5 R 68/11 R, juris; BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 - B 13 R 78/09 R, juris). Maßgeblich sind jeweils die konkreten Umstände des Einzelfalls, wobei der Begründungaufwand insbesondere von der
Anzahl, Art und Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen abhängt (vgl. BSG, Urteil vom 23. Mai 2006 - B 13 RJ 38/05 R -, juris). Derart gravierende Einschränkungen liegen nach Auffassung des Senats bei der Klägerin jedoch nicht vor.
Zu prüfen ist danach, ob das Restleistungsvermögen der Klägerin noch die Verrichtung der auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
vorhandenen Handlungsfelder für körperlich einfache Arbeiten wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen
von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw. erlaubt. Dies ist zu bejahen. Bei der Klägerin
ist die Einsetzbarkeit der Arme und Hände unterhalb der Schulterebene nicht eingeschränkt, so dass ein Zureichen und Abnehmen
in ausgestreckter Armhaltung leichter Gegenstände noch möglich ist. Auch das Transportieren ist ihr möglich, da die Tätigkeiten
zumindest auch zeitweise im Gehen ausgeübt werden können. Vermieden werden sollen laut Dr. L_______ lediglich besondere Belastungen
der unteren Extremitäten. Damit sind Reinigungstätigkeiten, die in der Regel häufigeres Bücken bzw. Knien erfordern, ausgeschlossen.
Das Bedienen von Maschinen erfordert in der Regel eine Beanspruchung der Arme und eine gute Reaktionsfähigkeit. Laut dem Sachverständigen
F_______ kann die Klägerin nur Tätigkeiten ohne besondere Anforderungen an die Reaktionsfähigkeit verrichten, so dass zumindest
das Bedienen von leichten Maschinen noch möglich sein dürfte. Durch den Ausschluss von Reinigen und dem Bedienen von schweren
Maschinen ist der Klägerin jedoch nur ein kleinerer Teil der Arbeits- und Tätigkeitsfelder der Maschinenarbeit versperrt.
Hinsichtlich Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen bestehen aufgrund des vorhandenen Leistungsvermögens
keine Bedenken, da die Arme und Handgelenke für leichte Tätigkeiten, d.h. 5 kg und gelegentlich bis 12,5 kg, einsetzbar sind.
In psychomentaler Hinsicht sind nur besondere Anforderungen ausgeschlossen. Tätigkeiten mit Publikumsverkehr sind mit Einschränkungen
möglich. Auch Computerarbeit ist teilweise möglich. Darüber hinaus handelt es sich bei den benannten Verrichtungen nicht um
eine abschließende Aufzählung, so dass Verrichtungen wie beispielsweise das Messen, Prüfen, Überwachen und die (Qualitäts-)
Kontrolle von Produktionsvorgängen ergänzt werden können (vgl. BSG, Terminbericht Nr. 58/19 vom 11. Dezember 2019 - B 13 R 7/18 R). Auch diese Arbeiten können von der Klägerin mit ihrem vorhandenen Leistungsvermögen verrichtet werden. Soweit der Klägerin
bei überwiegend sitzender Tätigkeit Gelegenheit zur selbst gewählten kurzzeitigen Körperhaltungsänderung zur Auflockerung
der Muskulatur gegeben werden soll, bedingt dies keine Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes (vgl. auch Schleswig-Holsteinisches
LSG, Urteil vom 13. Januar 2015 - L 7 R 103/13 -, juris). Teilweise wird zwar in der Rechtsprechung eine ungewöhnliche Leistungseinschränkung darin gesehen, wenn ein Versicherter
einen Haltungswechsel jederzeit nach freiem Entschluss vornehmen können muss (vgl. BSG, Urteil vom 23. März 2000 - B 13 RJ 61/99 -, juris; Freudenberg in: jurisPK-
SGB VI, 2. Aufl. 2013, §
43 Rn. 174 m.w.N.). Die von dem Sachverständigen Dr. L_______ beschriebene Leistungseinschränkung überschreitet das in der zitierten
Rechtsprechung ausgeführte Maß des "üblichen" jedoch noch nicht. Zudem besteht im Rahmen der persönlichen Verteilzeit während
der Arbeitszeit die Möglichkeit einen Haltungswechsel vorzunehmen und ein paar Schritte zu gehen. Auch ist es auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt durchaus gängig insbesondere bei Sortier-, Verpackungs- und Kontrolltätigkeiten die Haltungsart zu wechseln bzw.
diese auch zeitweise im Stehen auszuüben.
Soweit das Sozialgericht Schleswig die Klägerin auf die Verweisungstätigkeit der Versandfertigmacherin verwiesen hat, finden
sich die beschriebenen zu verrichtenden leichten körperlichen Tätigkeiten auch weiterhin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt,
jedoch in leicht abgewandelter Form unter der Bezeichnung "leichte Einpackarbeiten in der Süßwarenindustrie".
Der Senat folgt insoweit den Ausführungen des berufskundigen Sachverständigen LA_______ in seiner ergänzenden Stellungnahme
vom 24. Oktober 2019 und der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung vom 16. Dezember 2019. Nach dem geschilderten Anforderungsprofil
für "leichte Einpackarbeiten in der Süßwarenindustrie" sind Arbeiten zu verrichten, die nicht über eine leichte Belastung
hinausgehen, körpernah überwiegend im Sitzen verrichtet werden, besondere Anforderungen an die Einsatzfähigkeit der Arme und
Hände hinsichtlich Kraft, Ausdauer und Feinmotorik nicht bestehen und Gewichte über 5 kg hinaus nicht bewegt werden müssen.
Dabei werden die zu verrichtenden Einzelarbeiten in ihrem Fortgang selbst und nicht durch ein fremdes Arbeitstempo bestimmt,
so dass sich kein besonderer Zeit- oder Leistungsdruck - wie beispielsweise bei Akkord- oder Fließbandarbeit - entwickelt.
Die Tätigkeiten werden in der Regel in "normaler" Tagesschicht verrichtet.
Der Senat ist anders als das LSG Berlin-Brandenburg in seinen Entscheidungen vom 20. Oktober 2018 - L 8 R 926/11 und vom 12. April 2018 - L 8 R 808/15 auch davon überzeugt, dass die von dem Sachverständigen beschriebene Tätigkeit mit dem oben beschriebenen Anforderungsprofil
für körperlich leichte Tätigkeiten noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt angeboten wird. In der ergänzenden Stellungnahme
vom 24. Oktober 2019 hat der Sachverständige unter Kenntnis der Ermittlungsergebnisse in den zitierten Verfahren des LSG Berlin-Brandenburg
nachvollziehbar und schlüssig die Widersprüchlichkeiten zu den Ergebnissen der Recherchen im Hinblick auf die Firma N_______
ausgeräumt. Aus den Angaben des Leiters Personal der Firma N_______ vom 21. August 2019 geht hervor, dass im Rahmen des Produktionsprozesses
bundesweit auch mehr als 300 Arbeitsplätze vorhanden sind, an denen überwiegend leichte Arbeit überwiegend im Sitzen verrichtet
wird, ohne dass Akkordarbeiten anfallen und bei 80 - 90 % kein Heben und Tragen von Lasten anfallen. Zudem klärte er hinsichtlich
der gegenüber dem LSG Berlin-Brandenburg angegebenen Hebe- und Tragelasten von 25 - 30 kg auf, dass nur an 10 % - 20 % der
Arbeitsplätze Tätigkeiten mit entsprechenden Tragelasten am Ende des Herstellungsprozesses, an dem die kartonierten Produkte
manuell auf Paletten zu stapeln sind, anfallen. Die unterschiedlichen Angaben erklärte er damit, dass betriebsintern andere
Tätigkeitsbezeichnungen für die Arbeitsplätze vorhanden seien. Tätigkeitsbezeichnungen wie den Versandfertigmacher oder Warenaufmacher
werden im Betrieb nicht genutzt, sondern die Mitarbeitenden auf den beschriebenen Arbeitsplätzen werden unter der Bezeichnung
Süßwarenherstellerhelfer oder Produktionshelfer geführt. Der Senat geht davon aus, dass entsprechende Arbeitsplätze nicht
nur bei der Firma N________, sondern auch in anderen Betrieben der Süßwarenindustrie vorgehalten werden und in einer Größenordnung
von mehr als 300 bis 400 vorhanden sind. Exemplarisch hat der Sachverständige dies durch einen weiteren Süßwarenhersteller,
allerdings in einer Größenordnung von 15 Arbeitsplätzen, bestätigt erhalten. Jedoch hat der Sachverständige in der mündlichen
Verhandlung überzeugend und nachvollziehbar erläutert, dass nach Auskunft des Bundesverbandes der Süßwarenindustrie leichte
Einpackarbeiten regelmäßig in Betrieben, d.h. auch anderen Betrieben als der Firma N_________ und Confiserie C________, anfallen,
in denen größere Einzelartikel hergestellt und eingepackt werden, weil diese Artikel (noch) nicht maschinell verpackt werden
können. Dieses Ergebnis steht auch nicht im Widerspruch zu den Ermittlungsergebnissen des LSG Berlin-Brandenburg, welches
sich im Rahmen seiner Recherchen jedenfalls nicht an den Bundesverband der Süßwarenindustrie gewendet hatte. Darüber hinaus
sieht der Sachverständige Tätigkeiten mit ähnlichen bzw. vergleichbaren Anforderungen und Belastungen z.B. beim Herrichten
und Einpacken von Tee, dem Einpacken von Naht- bzw. Operationsmaterial, in der optischen Industrie oder bei der Bearbeitung
von Retouren im Versandhandel.
Diese Tätigkeit kann die Klägerin nach Auffassung des Senats mit ihrem vorhandenen Leistungsvermögen auch noch zumutbar verrichten.
Soweit die Klägerin vorbringt, dass die Tätigkeit des Versandfertigmachers, wie aus der Tätigkeitsbeschreibung der Bundesagentur
für Arbeit folgt, insbesondere auch Zeitdruck ausgesetzt ist, welcher ihr aufgrund der seelischen Beeinträchtigungen nicht
zumutbar sei, ist anzumerken, dass der Sachverständige in seinem Gutachten nicht auf das Anforderungsprofil des Versandfertigmachers
unter Berücksichtigung der Tätigkeitsbeschreibung der Bundesagentur für Arbeit abstellt, sondern auf "leichte Einpackarbeiten
in der Süßwarenindustrie", die er berufssystematisch aufgrund der berufssystematischen Neuordnung ab 2010 auch im Bereich
der Berufe der Lagerwirtschaft (Dokumentationsziffer 513) verortet. Auch wenn viele der zur alten Berufsgruppe 522 (Warenaufmacher,
Versandfertigmacher) genannten Tätigkeitsbezeichnungen aufgrund der sich verändernden Arbeitswelt nicht mehr vorhanden sind,
ist das Herrichten und Einpacken hergestellter Waren und Güter als selbstständige Tätigkeit weiterhin anzutreffen. Dies ist
insofern auch nachvollziehbar, da unter diesen Bereich vielfältige Tätigkeiten in verschiedenen Branchen und mit unterschiedlichen
Produkten fallen.
Auch stellt sich die zu verrichtende Tätigkeit weder als eine Arbeit im Akkord noch als Fließbandarbeit dar, da die Einzelarbeitsverrichtungen
nicht durch eine "Anlage oder Maschine" bestimmt werden und die Arbeitnehmerin den Fortgang ihrer zu verrichtenden Einzelarbeit
selber bestimmt. Ein besonderer Zeit- oder Leistungsdruck besteht nicht. Die Tätigkeiten werden mit einem mittleren Arbeitsergebnis
kalkuliert und in einem normalen Arbeitstempo verrichtet. Ein besonderer Zeitdruck, der mit einer besonderen - für die Klägerin
zu vermeidender - nervlichen Belastung einhergeht, besteht hier nach der ausführlichen Tätigkeitsbeschreibung des Sachverständigen
LA______ nicht. Nacht- und Wechselschichten, die der Klägerin nicht mehr zumutbar sind, fallen bei diesen Tätigkeiten nicht
an. Dies folgt insbesondere aus den Angaben der Firma N_______ gegenüber dem Sachverständigen LA_______. Soweit der Prozessbevollmächtigte
auf eine aktuelle Stellenanzeige der Firma N________ hinweist, steht dies dem gefundenen Ergebnis nicht entgegen. Zum einen
bezieht sich die Anzeige nicht allein auf die hier beschriebene Tätigkeit, sondern gesucht werden Saisonarbeitskräfte für
alle Tätigkeiten im Herstellungsprozess. Darüber hinaus zeigt eine eigene Recherche des Senats, dass die Tätigkeiten laut
Anzeige in Früh- und/oder Spätschicht ausgeübt werden können. Dies entspricht auch den Angaben, die gegenüber dem Sachverständigen
LA_______ getätigt worden sind. Es bestehen demnach keine Anhaltspunkte, dass diese Tätigkeiten nicht in normaler Tagesschicht
verrichtet werden können. Auch unter Berücksichtigung der Wirbelsäulenerkrankung ist die bezeichnete Tätigkeit der Klägerin
zumutbar. Die Arbeiten werden überwiegend im Sitzen ausgeübt und können nach der Aussage des Sachverständigen LA_______ ohne
weiteres auch im Stehen ohne Unterbrechung fortgeführt werden.
Anhaltspunkte für eine fehlende rentenrechtliche Wegefähigkeit sind nicht ersichtlich. Die Klägerin ist in der Lage viermal
tätlich eine Wegstrecke von mehr als 500 Metern in jeweils höchstens 20 Minuten zurückzulegen. Die zweimal tägliche Nutzung
von öffentlichen Verkehrsmitteln während der Hauptverkehrszeit ist ihr ebenfalls möglich.
Der 1955 geborenen Klägerin steht auch kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu.
Nach §
240 Abs.
1 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bei Erfüllung der sonstigen
Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig
sind gem. §
240 Abs.
2 Satz 1
SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig
und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als
sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist,
umfasst gem. §
240 Abs.
2 Satz 2
SGB VI alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs
ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet
werden können. Berufsunfähig ist gem. §
240 Abs.
2 Satz 4
SGB VI nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage
nicht zu berücksichtigten. Danach ist die Klägerin nicht berufsunfähig, auch wenn sie ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als
Haushälterin, die überwiegend mittelschwere Tätigkeiten umfasst, mit dem festgestellten Leistungsvermögen nicht mehr ausüben
kann.
Für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit der Klägerin ist - wie das Sozialgericht in seiner Entscheidung zutreffend ausgeführt
hat - die zuletzt ausgeübte sozialversicherungspflichtige Tätigkeit als Haushälterin maßgeblich. Nach den überzeugenden Ausführungen
des berufskundigen Sachverständigen LA______, kann die Klägerin diese Tätigkeit mit dem festgestellten Leistungsvermögen nicht
mehr ausüben. Eine Berufsunfähigkeit im rentenrechtlichen Sinne liegt jedoch nur dann vor, wenn die Klägerin nicht mehr für
eine ihr zumutbare Verweisungstätigkeit einsetzbar ist. Für die Beantwortung der Frage nach der zumutbaren Verweisungstätigkeit
ist die Bestimmung des qualitativen Werts des zuletzt auf Dauer versicherungspflichtig ausgeübten Berufs maßgeblich. Hierzu
hat das BSG in ständiger Rechtsprechung das sog. Mehrstufenschema entwickelt, welches auch der Senat in seinen Entscheidungen zugrunde
legt. Es differenziert zwischen ungelernten Berufen auf der 1. Stufe, Berufen mit einer Ausbildung bis zu 2 Jahren auf der
2. Stufe, Berufen mit einer Ausbildung von mehr als zwei Jahren auf der 3. Stufe, Berufen, die zusätzliche Qualifikationen
oder Erfahrungen oder den erfolgreichen Besuch einer Fachschule voraussetzen auf der 4. Stufe, Berufen, die einen erfolgreichen
Abschluss einer Fachhochschule oder eine zumindest gleichwertige Berufsausbildung voraussetzen auf der 5. Stufe und Berufen,
deren hohe Qualität regelmäßig auf einem Hochschulstudium oder einer vergleichbaren Qualifikation beruht auf der sechsten
Stufe (ständige Rspr., vgl. BSG vom 15. November 1983 - 1 RJ 112/82 -, juris; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 28. Februar 2006 - L 7 RJ 51/04 -, juris; Nazarek, jurisPK-
SGB VI, 2. Aufl. 2013, §
240 Rn. 53 ff.). Als in diesem Sinne des §
240 Abs.
2 Satz 2
SGB VI zumutbar ist stets ein beruflicher Abstieg auf die nächst niedrigere Qualifikationsstufe. Eine Verweisung auf den allgemeinen
Arbeitsmarkt ist demnach zumutbar für Versicherte der 1. Stufe und Versicherte der 2. Stufe, deren bisheriger Beruf dem sog.
Angelerntenbereich, d.h. einem einfach Angelernten mit einer Anlernzeit von bis zu einem Jahr, zuzuordnen ist.
Gemessen daran kommt der Klägerin unter Berücksichtigung ihres Ausbildungs- und Berufsverlaufs sowie der von ihr zuletzt ausgeübten
versicherungspflichtigen Tätigkeit kein besonderer Berufsschutz zu, sondern sie ist sozial zumutbar auf den allgemeinen Arbeitsmarkt
zu verweisen. Die Klägerin hat sich von ihren bisherigen Tätigkeiten als Landwirtschaftstechnikerin und Buchhalterin gelöst,
ohne dass ersichtlich ist, dass dies aus gesundheitlichen Gründen erfolgte. Dies gilt ebenso für die nachfolgenden in der
Bundesrepublik Deutschland ausgeübten Tätigkeiten als Krankenpflegehelferin in den Jahren 2003/2004 sowie die Tätigkeit als
Buchhalterin in dem Betrieb ihres geschiedenen Ehemannes, welche zudem nicht versicherungspflichtig war und aus diesen Gründen
schon nicht herangezogen werden kann. Die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung als Haushälterin ist dem ungelernten
Bereich, d.h. Anlernzeit bis zu einem Jahr, zuzuordnen. Die Klägerin ist auf den gesamten allgemeinen Arbeitsmarkt zu verweisen,
ohne dass eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und folgt der Sachentscheidung.
Gründe die Revision zuzulassen sind nicht ersichtlich.