Gründe
Der Beschwerde des Antragsgegners mit dem Antrag,
den Beschluss des Sozialgerichts Itzehoe vom 20. September 2021 (Az.: S 22 SO 110/21 ER) aufzuheben und den Antrag abzulehnen,
ist zulässig und begründet.
Der Antragsteller hat keinen Anspruch darauf, ihm durch Erlass einer einstweiligen Anordnung Leistungen der Grundsicherung
nach dem Vierten Kapitel Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) vorläufig zuzusprechen. Der insoweit stattgebende Beschluss des Sozialgerichts Itzehoe ist daher aufzuheben.
Gemäß §
86 b Abs.
2 SGG kann das Gericht auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige
Anordnung treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (sog. Regelungsanordnung).
Voraussetzung für den Erlass einer solchen Regelungsanordnung ist das Vorliegen eines Anordnungsanspruches und eines Anordnungsgrundes.
Der Anordnungsanspruch bezieht sich auf den materiellen Anspruch, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird. Es muss also
ein rechtlicher Anspruch auf die begehrte Maßnahme bestehen. Hierzu findet eine Abschätzung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache
statt, wobei grundsätzlich überwiegende Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestehen müssen, damit ein Anordnungsanspruch
vorliegt. Der Anordnungsgrund betrifft die Notwendigkeit einer Eilentscheidung. Die erforderliche Notwendigkeit einer vorläufigen
Regelung wird bejaht, wenn ein Abwarten auf eine Entscheidung in der Hauptsache nicht zumutbar ist. Gemäß §
86 b Abs.
2 Satz 4
SGG in Verbindung mit §§
920 Abs.
2,
294 Zivilprozessordnung (
ZPO) sind Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft zu machen. Insbesondere der materielle Anspruch kann vom Gericht aufgrund
einer lediglich summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage festgestellt werden, sofern das Gericht nicht wegen zu erwartender
schwerer oder unzumutbarer Nachteile im Hinblick auf Grundrechte der Betroffenen, vor die sich die Gerichte schützend und
fördernd stellen müssen, entweder zu einer vollintensivierten Prüfung oder zu einer Folgenabwägung gehalten ist, in die die
grundrechtlichen Belange umfassend einzustellen sind (dazu und zu den Anforderungen insbesondere BVerfG, Beschluss vom 6.
Februar 2007 - 1 BvR 3101/06; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927). Daran gemessen hat der Antrag keinen Erfolg.
In Anwendung dieser Grundsätze geht der Senat nach Durchführung der Beweisaufnahme im Beschwerdeverfahren anders als das Sozialgericht
nicht davon aus, dass der Antragsteller das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs glaubhaft gemacht hat. Es bestehen erhebliche
Zweifel an der Hilfebedürftigkeit des Antragstellers. Auch eine Güter- und Folgenabwägung führt nicht dazu, dass dem Antragsteller
vorläufig Leistungen gezahlt werden müssten.
Gemäß § 19 Abs. 2 SGB XII ist Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel dieses Buches Personen zu leisten, die die
Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 SGB XII erreicht haben oder das 18. Lebensjahr vollendet haben und dauerhaft voll erwerbsgemindert sind, sofern sie ihren notwendigen
Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen,
bestreiten können. Die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gehen der Hilfe zum Lebensunterhalt
nach dem Dritten Kapitel vor. Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB XII sind leistungsberechtigt Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder
nicht ausreichend aus Einkommen und Vermögen nach § 43 SGB XII i.V.m. §§ 82 bis 84 SGB XII und § 90 SGB XII bestreiten können, wenn sie die Voraussetzungen nach Absatz 2, 3 oder 3a erfüllen.
Der 1960 geborene Kläger gehört grundsätzlich zum leistungsberechtigten Personenkreis des § 41 Abs. 1, 2 SGB XII, da er das 18. Lebensjahr vollendet hat, ausweislich des Bescheids der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 25. Februar
2021 dauerhaft voll erwerbsgemindert ist und sich gewöhnlich im Inland aufhält.
Allerdings ist der Antragsteller nicht hilfebedürftig, da er seinen notwendigen Lebensunterhalt aus dem nach § 43 Abs. 1 SGB XII i.V.m. §§ 82 bis 84 SGB XII zu berücksichtigen Einkommen bestreiten kann.
Den notwendige Lebensunterhalt, auf dessen Deckung durch nach § 43 Abs. 1 SGB XII zu berücksichtigendes Einkommen und Vermögen es ankommt, bestimmt sich nach § 42 SGB XII. Danach umfassen Bedarfe bei Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in diesem Fall bei dem Antragsteller
nur den Regelsatz nach den Regelbedarfsstufen (Nr. 1) und die Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 42 a SGB XII (Nr. 4a). Hieraus ergibt sich ein Gesamtbedarf bis einschließlich 31. Dezember 2021 von 584,98 EUR monatlich und ab dem 1.
Januar 2022 von 587,98 EUR monatlich, der sich aus dem Regelsatz nach der Regelbedarfsstufe 2 in Höhe von 401,00 EUR bzw.
404,00 EUR monatlich und den anteiligen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 183,98 EUR zusammensetzt. Entgegen der
Auffassung des Antragstellers sind bei ihm nicht die insgesamt für die Unterkunft und Heizung anfallenden Aufwendungen in
Höhe von 552,00 EUR als Bedarf zu berücksichtigen. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob die Auffassung des Antragstellers
aufgrund des Mietvertrages allein zivilrechtlich zur Zahlung der Miete verpflichtet zu sein, zutreffend ist. Nach gefestigter
Rechtsprechung sind die Kosten der Unterkunft und Heizung im Regelfall unabhängig von Alter und Nutzungsintensität anteilig
pro Kopf aufzuteilen, wenn Hilfebedürftige eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen, insbesondere anderen Familienangehörigen,
nutzen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Personen Mitglieder einer Einsatzgemeinschaft sind oder nicht (vgl. BSG, Urteil vom 29. November 2012 - B 14 AS 36/12 R - juris Rn. 26 m.w.N.; Löcken in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 35 Rn. 72). Auf die Frage, wer zivilrechtlich (Haupt-)Mieter der Wohnung ist, kommt es dabei grundsätzlich nicht an (BSG, Urteil vom 30. März 2017 - B 14 AS 13/16 R - juris Rn. 16; Löcken in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, § 35 Rn. 72).
Der Gesamtbedarf des Antragstellers von 584,98 EUR bzw. 587,98 EUR kann vollumfänglich durch das nach § 43 SGB XII zu berücksichtigende Einkommen gedeckt werden. Nach § 43 Abs. 1 SGB XII sind für die Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts nicht nur das Einkommen des Antragstellers, sondern auch das Einkommen
seiner Ehefrau, der Zeugin S, zu berücksichtigen. So bestimmt § 43 Abs. 1 SGB XII, dass grundsätzlich für den Einsatz des Einkommens die §§ 82 bis 84 SGB XII und für den Einsatz des Vermögens die §§ 90 und 91 SGB XII anzuwenden sind. Einkommen und Vermögen des nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner sowie des Partners einer
eheähnlichen oder lebenspartnerschaftlichen Gemeinschaft, die dessen notwendigen Lebensunterhalt nach § 27 a übersteigen,
sind zu berücksichtigten.
Nach der Beweisaufnahme hat der Antragsteller nach Auffassung des Senats nicht glaubhaft gemacht, das es sich bei ihm und
seiner Ehefrau um dauernd getrennt lebende Ehegatten handelt.
Das Gesetz unterstellt - vor dem Hintergrund des Art.
6 Abs.
1 Grundgesetz (
GG) verfassungsrechtlich unbedenklich -, dass nicht dauernd getrennt lebende Ehegatten ihren Verpflichtungen zur Gewährung von
Unterhalt (§§
1360 ff.
Bürgerliches Gesetzbuch -
BGB) nachkommen (vgl. Leopold in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl. 2020, § 7 Rn. 211). Zur Beurteilung der Frage, ob Ehegatten nicht dauerhaft getrennt leben, sind die familienrechtlichen Grundsätze
zum Gegenbegriff Getrenntleben (vgl. §
1567 BGB) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 18. Februar 2010 - B 4 AS 49/09 R - juris Rn. 13; Leopold in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, § 7, Rn. 214). Ein dauerhaftes Getrenntleben ist anzunehmen, wenn nach den tatsächlichen Verhältnissen davon ausgehen ist, dass
eine Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen den Ehegatten aufgehoben worden ist. Getrenntleben liegt nicht schon bei
jeder räumlichen Trennung vor, insbesondere dann nicht, wenn mit der Fortführung der Wirtschafts- und Lebensgemeinschaft zu
rechnen ist. Die Trennung muss mehr als nur vorübergehender Natur sein (LSG Hessen, Urteil vom 9. März 2016 - L 6 AS 93/14 - juris Rn. 39; Leopold in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl. 2020, § 7 Rn. 214). Erforderlich ist daher, dass unter Berücksichtigung der die Beziehung der Ehegatten zueinander kennzeichnenden
Gesamtumstände mindestens einer von den Ehegatten den Willen hat, sich von dem anderen Ehegatten unter Aufgabe der bisherigen
Lebensgemeinschaft auf Dauer zu trennen. Die Annahme eines derartigen Trennungswillens setzt nicht voraus, dass die Eheleute
keinerlei Kontakt mehr zueinander haben. Maßgebend ist deshalb, ob die Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft der Ehe oder Lebenspartner
nach den tatsächlichen Verhältnissen nicht nur vorübergehend aufgehoben ist und der Wille, füreinander einzustehen, nicht
mehr besteht. Dies erfordert neben einer räumlichen Trennung auch einen nach außen erkennbaren durch entsprechende Umstände
hinreichend klar dokumentierten Willen zumindest eines Ehegatten, die Ehe - in der individuell gewählten Gestaltungsform -
auf Dauer aufzulösen (Coseriu/Filges in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 27 Rn. 16; BSG, Urteil vom 18. Februar 2010 - B 4 AS 49/09 R - juris Rn. 13). Das Getrenntleben kann grundsätzlich auch in der ehelichen Wohnung vollzogen werden (vgl. §
1567 Abs.
1 Satz 2
BGB; Coseriu/Filges in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, , § 27 Rn. 17). Soweit die Ehegatten aber dort weiterhin zusammenleben, ist eine vertiefte Prüfung, ob die Eheleute tatsächlich
getrennt leben, erforderlich. Notwendig ist in jedem Falle eine Trennung der wesentlichen ökonomischen Gemeinsamkeiten und
der nach außen erkennbare Wille mindestens eines der Ehegatten, mit dem anderen Ehegatten nicht mehr zusammenleben zu wollen
(Leopold in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl. 2020, § 7 Rn. 216 unter Verweis auf BGH, Urteil vom 23. November 1962 - IV ZR 134/62 - juris). Nicht ausreichend ist regelmäßig die Aufhebung allein der Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft, insbesondere durch
getrenntes Schlafen und getrenntes Essen (OVG Lüneburg, Beschluss vom 4. November 1987 - 4 B 352/87 - FEVS 37, 324; Leopold in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, , § 7 Rn. 216). Auch die Weigerung eines Ehegatten, Vermögen für die Pflege des anderen einzusetzen, rechtfertigt für sich betrachtet
noch nicht zwingend die Annahme eines Getrenntlebens (BSG, Urteil vom 6. Dezember 2018 - B 8 SO 2/17 R - juris Rn. 16).
In Anwendung dieser Grundsätze sind der Antragsteller und seine Ehefrau nicht als dauernd getrennt lebend anzusehen. Weder
beim Antragsteller noch bei der Ehefrau besteht der nach außen erkennbare Wille, die Ehe in der von ihnen gewählten individuellen
Gestaltungsform dauerhaft aufzulösen. Auch ist eine Trennung der wesentlichen ökonomischen Gemeinsamkeiten nicht erkennbar.
So besteht bei dem Antragsteller schon kein Wille sich dauerhaft von seiner Ehefrau trennen zu wollen. Der Antragsteller hat
mehrfach glaubhaft betont, dass er weiterhin für seine Ehefrau da sei und in jeder Lebenslage zu ihr stehe. Er habe ihr sein
Wort gegeben und dazu stehe er weiterhin. Er fühle sich in der Lage, ihre psychischen Probleme mit ihr gemeinsam durchzustehen.
Dementsprechend fühle er sich auch weiterhin aus einer zwischen den Eheleuten in der Vergangenheit getroffenen Absprache hinaus
verpflichtet, die Miete allein aus seinen finanziellen Mittel zu bestreiten.
Hinsichtlich der Ehefrau des Antragstellers bestehen erhebliche Zweifel, ob überhaupt ihrerseits ein Wille zur dauerhaften
Trennung unter Aufgabe der bisherigen Lebensgemeinschaft besteht. Soweit ein solcher überhaupt besteht, ist er zumindest nicht
nach außen als solcher erkennbar. Zwar hat die Ehefrau im Rahmen der Zeugenbefragung bekundet, dass sie ihr Leben und der
Antragsteller sein Leben leben würde, doch steht sie einer dauerhaften Trennung insbesondere einer Scheidung ambivalent gegenüber.
So bestehe gelegentlich der Wunsch nach einer Scheidung, dann aber wieder denke sie, dass sie ihren Mann brauche und er sie
unterstützen könne. Auch hat die Ehefrau bisher noch keinen Anwalt zur Vorbereitung eines Scheidungsverfahrens aufgesucht,
obwohl sie eine Scheidung bereits in ihrer E-Mail an Frau E vom 10. Mai 2021 angekündigte. Es besteht zurzeit nicht Absicht,
sich im Hinblick auf eine dauerhafte Trennung anwaltlich beraten zu lassen. Auch die Tatsache, dass der Antragsteller und
seine Ehefrau nach eigenen Angaben über getrennte Lebensbereiche innerhalb des angemieteten Hauses verfügen und getrennt voneinander
Essen, kann keine dauerhafte Auflösung der Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft in der von den Eheleuten gewählten individuellen
Gestaltungsform begründen. Der Antragsteller und seine Ehefrau hatten von Anfang an im Grundsatz ein getrenntes Wirtschaften
vereinbart. Insoweit kann auch dahinstehen, ob die Ehefrau am Anfang des Monats ihre gesamte Erwerbsunfähigkeitsrente von
dem "gemeinsamen" Konto abhebt oder ob und in welchem Umfang Beträge zur Verfügung des Antragstellers auf dem Konto verbleiben.
Das weitere Bestehen der Lebensgemeinschaft zwischen dem Antragsteller und seiner Ehefrau zeigt sich insbesondere daran, dass
die Ehefrau in nicht unerheblichen Maß durch den Antragsteller angebotene Hilfestellungen im Alltag in Anspruch nimmt. So
hilft der Antragsteller seiner gehbehinderten Ehefrau, die ihren Lebensbereich im Obergeschosses des gemeinsam bewohnten Hauses
hat, bei der Bewältigung der Treppe vom Obergeschoss in das Erdgeschoss und bei alltäglichen Kleinigkeiten wie dem Aufheben
von Dingen. Weiterhin begleitet der Antragsteller die Ehefrau beim Einkaufen, da diese insbesondere beim Transport des Rollstuhls
im Auto einschließlich Ein- und Ausladen Hilfe benötigt. Dementsprechend begleitet der Antragsteller seine Frau grundsätzlich
auch auf längeren Autofahrten. Insoweit verlässt sich die Ehefrau auf die Bereitstellung entsprechender, für sie existenzieller
Unterstützungsangebote durch den Antragsteller. Sie hat trotz Betonung der Eigenständigkeit ihrer Lebensführung und der des
Antragstellers bisher noch keine nachhaltigen Bemühungen zur Beendigung bzw. Reduzierung dieser Abhängigkeit von den Unterstützungsleistungen
des Antragstellers unternommen. So beschränkt sich die Wohnungssuche der Ehefrau auf die Hinterlegung eines Suchprofils bei
I mit entsprechender Benachrichtigungsfunktion. Andere Möglichkeiten der Wohnungssuche wie Kontaktaufnahme mit Wohnungsbaugesellschaften
wurden nicht genutzt. Auch wurden die Wohnbereiche in dem gemeinsam bewohnten Haus so zwischen dem Antragsteller und seiner
Ehefrau aufgeteilt, dass diese zur Nutzung der Küche, Treffen mit Freunden in dem Haus und Verlassen des Hauses die Hilfe
des Antragstellers benötigt. Die Ehefrau nutzt nach eigenen Angaben das Obergeschoss des Hauses und der Antragsteller das
Erdgeschoss. Eine Änderung dieser Verhältnisse ist nicht geplant.
Schließlich fehlt es auch an der Trennung der wesentlichen ökonomischen Gemeinsamkeiten. So trägt weiterhin allein der Antragsteller
die Mietkosten für das gemeinsam bewohnte Haus. Von Seiten der Ehefrau besteht auch keine nennenswerte Initiative dies zu
ändern. Dies gilt auch für die Heizkostenabschläge und die Abschläge für Strom, die nach Aussage der Ehefrau allein vom Antragsteller
beglichen werden. Auch besteht nach wie vor ein "gemeinsames" Konto der Eheleute, auf das alle Einkommenszuflüsse wie Wohngeld,
Pflegegeld, Rentenzahlung, Kindergeld und Kindesunterhalt eingehen. Auf dieses Konto und die dort eingehenden Zahlungen haben
beide Eheleute unbeschränkt Zugriff und sind daher grundsätzlich in der Lage, über das Einkommen des jeweils anderen zu verfügen.
Soweit der Antragsteller vorgetragen hat, dass das gemeinsame Konto nur aus finanziellen Gründen zur Verringerung von Kontoführungsgebühren
fortgeführt wird, führt dies nicht zu einer abweichenden Betrachtungsweise. Gerade in dem Grund für die Weiterführung des
Kontos - Einsparung von Kontogebühren zum beiderseitigen finanziellen Vorteil - zeigt sich das noch bestehende gemeinsame
Wirtschaften mit der Folge der Verwirklichung entsprechender Einsparungen. Dies zeigt sich auch an den Unterhaltskosten für
das Auto der Ehefrau. Obwohl die Ehefrau nach eigenen Angaben alleine für das Auto aufkommt und diese allein nutzt, wurde
der diesbezügliche Versicherungsvertrag von dem Antragsteller zur Nutzung seiner Schadensfreiheitsklasse und den entsprechend
niedrigeren Beiträgen abgeschlossen.
Die Berücksichtigung des Einkommens der Ehefrau des Antragstellers bei der Feststellung der Hilfebedürftigkeit des Antragstellers
ist entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht verfassungswidrig. Grundlage für die Berücksichtigung des Einkommens
der Ehefrau ist nicht die Eheschließung an sich, da das Gesetz eine Einkommensberücksichtigung auch bei Partnern einer eheähnlichen
Gemeinschaft vorsieht (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB XII), sondern die bei nicht getrennt lebenden Eheleuten bestehende Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft mit den entsprechenden
wirtschaftlichen Rechtsfolgen für die Bedürftigkeit. Bei der Ermittlung der Bedürftigkeit kann daher grundsätzlich auch das
Einkommen und Vermögen von Personen einbezogen werden, von denen in der Gemeinschaft ein gegenseitiges Einstehen in den Not-
und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann. Die gilt jedenfalls im Rahmen einer Ehe oder Lebenspartnerschaft und im
Verhältnis einander unterhaltspflichtiger Verwandter, soweit wechselseitige Unterhaltsansprüche bestehen (BVerfG, Beschluss
vom 16. Juni 1987 - 1 BvL 4/84 - juris Rn. 42, 47). Allerdings ist eine Anrechnung auch dann nicht verfassungsrechtlich ausgeschlossen, wenn zivilrechtlich
keine Unterhaltsansprüche bestehen (BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 1958 - 1 BvL 3/57, 1 BvL 4/57, 1 BvL 8/58 - juris Rn. 40). Maßgebend sind aber insoweit nicht möglicherweise bestehende Rechtsansprüche, sondern faktische wirtschaftliche
Verhältnisse der Hilfebedürftigen, also das tatsächliche gemeinsame Wirtschaften (BVerfG, Beschluss vom 27. Juli 2016 - 1 BvR 371/11- unter Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 1958 - 1 BvL 3/57, 1 BvL 4/57, 1 BvL 8/58).
Das SGB XII unterliegt auch nicht dem Zitiergebot. Art.
19 Abs.
1 Satz 2
GG verlangt, dass ein Gesetz, welches ein Grundrecht einschränkt, das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennt. Dieser Satz
2 knüpft an die in Art.
19 Abs.
1 Satz 1
GG umschriebene Voraussetzung an, dass "ein Grundrecht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann".
Für diesen Fall wird bestimmt, dass das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen muss. In der verfassungsgerichtlichen
Rechtsprechung ist aus dieser Regelung in ihrem Zusammenhang hergeleitet worden, das Zitiergebot diene zur Sicherung derjenigen
Grundrechte, die aufgrund eines speziellen, vom
Grundgesetz vorgesehenen Gesetzesvorbehalts über die im Grundrecht selbst angelegten Grenzen hinaus eingeschränkt werden könnten (BVerfG,
Beschluss vom 4. Mai 1983 - 1 BvL 46/80 - juris Rn. 26). Ausgelöst wird das Zitiergebot somit nur, wenn eine durch ausdrücklichen Vorbehalt grundsätzlich erlaubte
Grundrechtseinschränkung durch Gesetz vorgenommen oder zugelassen wird (BVerfG, Beschluss vom 27. November 1990 - 1 BvR 402/87 - juris Rn. 85). Dies ist bei dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art.
1 Abs.
1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip gemäß Art.
20 Abs.
1 GG) nicht der Fall. Es steht nicht unter einem solchen Gesetzesvorbehalt, sondern wurde durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
entwickelt, ist dem Grunde nach unverfügbar und bedarf der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber
(BVerfG, Urteil vom 09. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 -, juris Rn. 133).
Ein Anspruch des Antragstellers auf Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ohne Berücksichtigung
des Einkommens seine Ehefrau kann auch nicht auf Art. 11 International Covenant on Economic, Social an Cultural Rights (ICESCR)
gestützt werden. Art. 11 ICESCR enthält keine Rechtsansprüche des Leistungsberechtigten gegen die Verwaltung. Adressat des
in Art. 11 ICESCR normierten Programmsatzes und des entsprechenden Umsetzungsauftrags durch sind allein die Vertragsstaaten.
Eine Justiziabilität für bestimmte Maßnahmen oder Ansprüche ergibt aus diesem Umsetzungsauftrag nicht.
Unter Berücksichtigung des nach § 43 Abs. 1 SGB XII zur Deckung des notwendigen Lebensunterhalts einzusetzenden Einkommens steht dem Gesamtbedarf des Antragstellers von 584,98
EUR bis einschließlich 31. Dezember 2021 bzw. 587,98 EUR ab 1. Januar 2022 ein anrechenbares Einkommen von insgesamt mindestens
626,12 EUR bzw. 622,61 EUR gegenüber. Dieses setzt sich zusammen aus dem Einkommen des Antragstellers in Höhe von mindestens
245,00 EUR und dem ihren eigenen notwendigen Lebensunterhalt und den ihres Sohnes übersteigenden Einkommen der Ehefrau in
Höhe von 383,12 EUR bzw. 377,61 EUR.
Der Antragsteller erhält als Einkommen im Sinne von § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII Wohngeld in Höhe von monatlich mindestens 245,00 EUR, welches vollumfänglich zur Deckung seines notwendigen Lebensunterhalts
einzusetzen ist. Das Pflegegeld ist gemäß §
13 Abs.
5 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (
SGB XI) nicht auf den notwendigen Lebensunterhalt anzurechnen.
Der notwendige Lebensunterhalt der Ehefrau betrug bis einschließlich 31. Dezember 2021 653,18 EUR monatlich und ab dem 1.
Januar 2022 656,69 EUR monatlich. Dieser setzt sich zusammen aus dem Regelsatz nach der Regelbedarfsstufe 2 in Höhe von 401,00
EUR bzw. 404,00 EUR monatlich, dem Mehrbedarf nach §
30 Abs.
1 Nr.
2 SGB XI in Höhe von 68,17 EUR monatlich bzw. 68,68 EUR monatlich und den anteiligen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von
184,01 EUR monatlich. Beim Sohn der Ehefrau betrug der notwendige Lebensunterhalt bis einschließlich 31. Dezember 2021 493,01
EUR monatlich und ab dem 1. Januar 2022 495,01 EUR monatlich bestehend aus dem Regelsatz nach der Regelbedarfsstufe 5 in Höhe
von 309,00 EUR bzw. 311,00 EUR monatlich, und den anteiligen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 184,01 EUR monatlich.
Zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhalts steht der Ehefrau des Antragstellers eine Rente in Höhe von 1110,31 EUR netto
zur Verfügung. Beiträge für Versicherungen im Sinne des § 83 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII bestehen nicht. Das Pflegegeld ist gemäß §
13 Abs.
5 SGB XI nicht anzurechnen. Dies führt dazu, dass das Einkommen der Ehefrau ihren notwendigen Lebensunterhalt bis einschließlich 31.
Dezember 2021 um 457,13 EUR monatlich und ab 1. Januar 2022 um 453,62 EUR monatlich überstiegt.
Seinen notwendigen Lebensunterhalt in Höhe von 493,01 EUR bzw. 495,01 EUR monatlich kann der Sohn in Höhe von 419,00 EUR aus
eigenem Einkommen bestehenden aus Unterhalt in Höhe von 200,00 EUR monatlich und Kindergeld in Höhe von 219,00 EUR monatlich
(§ 82 Abs. 1 Satz 3 SGB XII) decken. Es verbleibt ein monatlicher Bedarf von 74,01 EUR bzw. 76,01 EUR, auf den das übersteigende Einkommen der Ehefrau
anzurechnen ist.
Der dann noch bestehende Einkommensüberhang der Ehefrau in Höhe von 383,12 EUR bzw. 377,61 EUR ist auf den Bedarf des Antragstellers
gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB XII anzurechnen, welches zu zusammen mit dessen Einkommen zu einer vollständigen Deckung seines Gesamtbedarfs führt.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).