Zulässigkeit der Berufung im sozialgerichtlichen Verfahren bei Untätigkeitsklagen und bei Überprüfungsbescheiden als Verfahrensgegenstand;
Umfang einer Vollmacht im Verwaltungsverfahren
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet war, verschiedene Überprüfungsanträge vom 7. April 2009 zu
bescheiden. Mit den hier streitgegenständlichen zwölf Überprüfungsanträgen begehrt der Kläger die Überprüfung der Leistungshöhe
im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 31. März 2009. Der 1956 geborene Kläger ist alleinstehend und bezieht seit dem 1. Januar
2005 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von dem Beklagten. Mit (hier nicht streitgegenständlichem) Bescheid vom 12. März 2009 bewilligte der Beklagte dem Kläger
für die Zeit vom 1. April bis 30. September 2009 Leistungen nach dem SGB II. Am 6. April 2009 suchte der Kläger eine Rechtsanwältin auf, für deren Kanzlei er dann am selben Tag folgende Vollmacht unterzeichnete:
Der Kanzlei wird "in Sachen M. gegen ARGE Grundsicherung G. wegen Leistungen SGB II Vollmacht erteilt". Am 7. April 2009 legte die Bevollmächtigte gegen den Bescheid vom 12. März 2009 Widerspruch ein und rügte
neben der Begründungspflicht auch die Berechnung der Unterkunftskosten. Der Beklagte half dem Widerspruch mit Bescheid vom
8. Juni 2010 in vollem Umfang ab, weil die Abzüge für die Warmwasserbereitung im Ausgangsbescheid nicht zutreffend berechnet
waren. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers stellte am 7. April 2009 darüber hinaus Überprüfungsanträge nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) bezüglich verschiedener Bescheide, mit denen für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. März 2009 Leistungen bewilligt worden
waren. Im Einzelnen beantragte die Prozessbevollmächtigte die Überprüfung des Bescheides vom 18. November 2004 für den Zeitraum
vom 1. Januar bis 30. April 2005, des Bescheides vom 14. April 2005 für den Zeitraum vom 1. Mai bis 30. September 2005, des
Bescheides vom 5. September 2005 für den Zeitraum vom 1. Oktober 2005 bis 31. März 2006, des Bescheides vom 20. März 2006
für den Zeitraum vom 1. April 2006 bis 30. September 2006, des Bescheides vom 13. Mai 2006 für den Zeitraum vom 1. Juli 2006
bis 30. September 2006, des Bescheides vom 25. August 2006 für den Zeitraum vom 1. August 2006 bis 31. März 2007, des Bescheides
vom 5. März 2007 für den Zeitraum vom 1. April 2007 bis 30. September 2007, des Bescheides vom 2. Juni 2007für den Zeitraum
vom 1. Juli 2007 bis 30. September 2007, des Bescheides vom 28. August 2007 für den Zeitraum vom 1. Oktober 2007 bis 31. März
2008, des Bescheides vom 25. Februar 2008 für den Zeitraum vom 1. April 2008 bis 30. September 2008, des Bescheides vom 27.
März 2008 für den Zeitraum vom 1. April 2008 bis 30. September 2008, des Bescheides vom 17. Mai 2008 für den Zeitraum vom
1. Juli 2008 bis 30. September 2008 und des Bescheides vom 16. September 2008 für den Zeitraum vom 1. Oktober 2008 bis 31.
März 2009. Bezüglich dieser Überprüfungsanträge hat der Beklagte keine Entscheidung getroffen. Am 30. Oktober 2009 hat der
Prozessbevollmächtigte des Klägers vor dem Sozialgericht Gotha Untätigkeitsklage erhoben, weil der Beklagte nicht über den
Überprüfungsantrag vom 7. April 2009 bezüglich des Bewilligungsbescheides vom 18. November 2004 (Bewilligungsabschnitt vom
1. Januar bis 30. April 2005) entschieden hat (S 29 AS 6055/09).
Am selben Tag erhob der Prozessbevollmächtigte noch zwölf weitere Untätigkeitsklagen: S 29 AS 6043/09 wegen der Überprüfung des Änderungsbescheides vom 13. Mai 2006, S 29 AS 6044/09 wegen der Überprüfung des Bewilligungsbescheides vom 5. September 2005, S 29 AS 6045/09 wegen der Überprüfung des Bewilligungsbescheides vom 5. März 2007, S 29 AS 6046/09 wegen der Überprüfung des Änderungsbescheides vom 2. Juni 2007, S 29 AS 6048/09 wegen der Überprüfung des Bewilligungsbescheides vom 28. August 2007, S 29 AS 6050/09 wegen der Überprüfung des Bewilligungsbescheides vom 27. März 2008, S 29 AS 6052/09 wegen der Überprüfung des Bewilligungsbescheides vom 25. August 2006, S 29 AS 6053/09 wegen der Überprüfung des Bewilligungsbescheides vom 25. Februar 2008, S 29 AS 6054/09 wegen der Überprüfung des Bewilligungsbescheides vom 20. März 2006, S 29 AS 6056/09 wegen der Überprüfung des Änderungsbescheides vom 17. Mai 2008, S 29 AS 6057/09 wegen der Überprüfung des Bewilligungsbescheides vom 16. September 2008 und S 29 AS 6058/09 wegen der Überprüfung des Bewilligungsbescheides vom 14. April 2005.
Mit Verbindungsbeschluss vom 29. März 2010 wurden die obengenannten Verfahren mit dem Verfahren S 29 AS 6055/09 verbunden und dieses wurde zum führenden Verfahren bestimmt. Mit Verbindungsbeschluss vom 17. Juni 2010 wurde auch das Verfahren
S 29 AS 6053/09 mit dem Verfahren S 29 AS 6055/09 verbunden und letzteres zum führenden Verfahren bestimmt. Der Beklagte hat sich zu den Untätigkeitsklagen dahingehend eingelassen,
dass die Überprüfungsanträge vom 7. April 2009 bei ihm eingegangen seien und bisher nicht darüber entschieden worden sei,
weil für die Überprüfungsanträge keine Vollmacht vorliege. Der Beklagte bestreitet, dass der Kläger Kenntnis vom Tätigwerden
des Bevollmächtigten hatte. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat dazu ausgeführt, dass er im Rahmen des Beratungsgesprächs
am 6. April 2009 umfassend bevollmächtigt worden sei und angeregt, den Kläger im Rahmen eines Erörterungstermins zu hören.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht Gotha die Klage mit Gerichtsbescheid vom 24. Juni 2010 als unzulässig
abgewiesen. Aufgrund des unsubstantiierten Vortrags des Klägers sei eine Überprüfung nicht geboten gewesen, zudem sei die
Klage rechtsmissbräuchlich, weil mit ihr nur eine formale Rechtsposition ohne eigenen Nutzen ausgenutzt werde. Dagegen wendet
sich der Kläger mit seiner Berufung. Es sei für ihn nicht erkennbar, warum der Beklagte nicht über die Überprüfungsanträge
entscheide. Die Kosten der Unterkunft seien offensichtlich fehlerhaft berechnet. Er hat klargestellt, dass der Überprüfungsantrag
bezüglich des Bescheids vom 25. August 2008 (S 29 AS 6053/09) nicht Gegenstand des Berufungsrechtsstreits sein soll.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gotha vom 24. Juni 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über die Überprüfungsanträge
des Klägers vom 7. April 2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf die Ausführungen im Gerichtsbescheid. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten
und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und begründet, so dass der Beklagte in Anwendung von §
131 Abs.
3 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zur Entscheidung über die Überprüfungsanträge zu verpflichten war. Der Zulässigkeit der form- und fristgerecht erhobenen
Berufung steht §
144 Abs.
1 Satz 1
SGG nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde
durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst-
oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Diese Regelung gilt
jedoch hier nicht. Das ergibt sich zwar nicht schon daraus, dass die angegriffene Entscheidung eine Untätigkeitsklage zum
Gegenstand hat. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 25. August 2011 - L 9 AS 1255/10 -; so auch BSG, Urteil vom 6. Oktober 2011 - B 9 SB 45/11 B -) ist §
144 SGG ist auch auf Untätigkeitsklagen anwendbar, denn die Klage betrifft inhaltlich einen auf eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung
gerichteten Verwaltungsakt. Der davon abweichenden Rechtsprechung (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. November 2007
- L 15 B 174/07 SO NZB - und vom 6. Dezember 2010 - L 18 AS 1272/10 -; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18. November 2010 - L 7 SO 2708/10) folgt der Senat nicht, weil er sie nicht für überzeugend
hält (wie hier LSG Baden-Württemberg, Breithaupt 2010, 877). Zwar teilt der Senat die Ansicht, dass der Erlass eines Verwaltungsaktes
nicht als "Dienstleistung" i.S.d. §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG anzusehen ist. Außerdem ist nach dem Wortlaut des §
131 Abs.
3 SGG Gegenstand der Untätigkeitsklage nach §
88 SGG nur die Bescheidung des Antrags (§
88 Abs.
1 SGG), also die Erteilung eines Bescheides, nicht der materielle (Leistungs-)Anspruch als solcher, auf den sich der Antrag oder
Widerspruch bezieht (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, vgl. SozR 3-1500 §
88 Nr. 2; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl., §
88 Rdnr. 2; Hk-
SGG, 3. Aufl., §
88 Rdnr. 4); eine unmittelbare Klage auf Leistung oder den Erlass eines Verwaltungsaktes mit bestimmtem Inhalt ist im Gegensatz
zu den Parallelvorschriften des §
75 der
Verwaltungsgerichtsordnung oder des § 46 der Finanzgerichtsordnung ausgeschlossen. Diese allein formale Betrachtungsweise stellt aber keinen sachlichen Grund dar, bei Untätigkeitsklagen (deren
Ziel nicht die Erteilung eines irgendwie gearteten Bescheids als Selbstzweck, sondern letzten Endes ein auf eine Leistung
gerichteter Verwaltungsakt und ein Bescheid als Zulässigkeitsvoraussetzung einer entsprechenden Klage ist) geringere Anforderungen
zu stellen als bei diesbezüglichen Verpflichtungsklagen. Soweit die Gegenmeinung zur Begründung anführt, §
88 SGG gehe über den Schutz eines materiellen Anspruches hinaus, sichere den Bürger davor, durch bloßes Untätigbleiben der Verwaltung
in seinen Rechten verletzt zu werden, eröffne auf diese Weise erst dessen Zugang zu einer gerichtlichen Überprüfung und diene
damit der Rechtsweggarantie des Art.
19 Abs.
4 Grundgesetz (
GG), liegt ein Zirkelschluss vor, denn Art.
19 Abs.
4 GG garantiert gerade keinen Instanzenzug (vgl. BVerfGE 49, 329, 343). Es führt hier zu keiner anderen Beurteilung, dass mit der Klage nicht direkt der Erlass eines auf eine Geldleistung
gerichteten Verwaltungsakts, sondern die Verpflichtung der Behörde zu einer Entscheidung im sog. Zugunstenverfahren nach §
44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) begehrt wurde. Zwar ist ein entsprechender Antrag primär auf Überprüfung eines bereits erlassenen Verwaltungsakts gerichtet.
Ein entsprechendes Begehren ist aber regelmäßig mit dem Anliegen verbunden, eine Änderung zugunsten des Betroffenen - wie
hier durch höhere SGB II-Leistungen für die Vergangenheit - herbeizuführen, so dass es der Sache nach letztlich auch um einen auf eine Geldleistung
gerichteten Verwaltungsakt im Sinne von §
144 Abs.
1 Satz 1
SGG geht. §
144 Abs.
1 Satz 1
SGG kommt jedoch vorliegend nicht zur Anwendung, weil die Ausnahmeregelung des Satzes 2
SGG eingreift, die eine Berufungsbeschränkung ausschließt, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr
als ein Jahr betrifft. Diese Vorschrift hält der Senat hier für anwendbar. Der Kläger begehrt die Überprüfung der Leistungshöhe
im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 31. März 2009, also für mehr als ein Jahr. Aus den oben angeführten Gründen sieht der Senat
kein Hindernis für die Anwendung des §
144 Abs.
1 Satz 2
SGG darin, dass es hier um die Verpflichtung des Beklagten zum Erlass eines Überprüfungsbescheides geht. Der Senat geht auf der
Grundlage des erstinstanzlichen Klagebegehrens für die Prüfung des §
144 Abs.
1 Satz 2
SGG auch davon aus, dass der Zeitraum der zur Überprüfung gestellten Bewilligungsbescheide wegen der vom Sozialgericht vorgenommenen
Verbindung der einzelnen Klagen zusammenzurechnen ist (vgl. BSG, Urteil vom 24. Januar 1974 - 6 RKa 2/73 -, BSG, Urteil vom 22. März 1989 - 7 Rar 106/88 -), weil alle Überprüfungsanträge denselben Entstehungsgrund und gleichartige wiederkehrende
Leistungen zum Gegenstand haben (anders wohl 4. Senat, Beschluss vom 16. April 2012 - L 4 AS 1389/11 NZB, wonach §
144 Abs.
1 Satz 2
SGG nicht einschlägig ist, wenn SGB II- Leistungen für mehrere Bewilligungsabschnitte im Wege der Verbindung oder objektiven Klagehäufung in einem Rechtsstreit
geltend gemacht werden). Das sachlich verfolgbare (materiell mögliche) Prozessziel ist die Verpflichtung des Beklagten zur
Verbescheidung des Klägers auf die für den Zeitraum von Januar 2005 bis März 2009 gestellten Überprüfungsanträge. Dem Begriff
der wiederkehrenden und laufenden Leistung im Sinne des §
144 Abs
1 Satz 2
SGG sind die Wiederholung, die Gleichartigkeit und der Ursprung in demselben Rechtsverhältnis gemeinsam (BSG, Urteil vom 22.9.1976 - 7 RAr 107/75 - SozR 1500 § 144 Nr 5). Leistungen beruhen auf demselben Rechtsverhältnis, wenn ihnen derselbe Leistungsfall zu Grunde liegt (BSG, Urteil vom 18.3.1982 - 7 RAr 50/80 - SozR 4100 § 118 Nr 10), auf den die Einzelansprüche zurückgeführt werden können. Lediglich ein natürlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang
oder dasselbe Sozialrechtsverhältnis reichen hierfür nicht aus. Zwar schafft § 41 SGB II eine zeitliche Zäsur, die den jeweiligen Streitgegenstand in zeitlicher Hinsicht umschreibt (vgl. zur Nichtanwendbarkeit
des §
96 SGG im Bereich des SGB II: BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 17) und auf die Dauer um sechs bzw. maximal zwölf Monaten begrenzt. Die Leistungsbewilligung
im SGB II für jeweils sechs Monate erfolgt u. a. deswegen, weil es Ziel des Gesetzes ist, die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen wieder
in Arbeit zu integrieren und ein dauerhafter Bezug von Leistungen nach dem SGB II (als rentenähnliches Recht) die Ausnahme sein soll (BSG, Beschluss vom 30.7.2008 - B 14 AS 7/08 B). Insofern kann mit der Behauptung der lediglich fiktiven Möglichkeit, auch noch über den Bewilligungszeitraum hinaus Leistungen
nach dem SGB II zu beziehen, die Berufungsfähigkeit nicht hergestellt werden (Beschluss vom 22. Juli 2010 - B 4 AS 77/10 B -). Darum geht es jedoch vorliegend nicht, denn hier hat der Kläger verschiedene Bewilligungsbescheide zur Überprüfung
gestellt, so dass nicht von einer lediglich fiktiven Möglichkeit des Leistungsbezugs gesprochen werden kann. Vielmehr kommt
es auf das sachlich verfolgbare (materiell mögliche) Prozessziel an (BSG aaO.), und das sieht der Senat in der Verpflichtung des Beklagten zur Verbescheidung der Kläger auf die für den Zeitraum
von Januar 2005 bis März 2009 - und damit einen Zeitraum von mehr als einem Jahr - gestellten Überprüfungsanträge, so dass
sich die Zulässigkeit der Berufung jedenfalls aus §
144 Abs.
1 Satz 2
SGG ergibt. Andernfalls käme die Vorschrift in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende generell nicht zur Anwendung.
Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber dies anordnen wollte, sieht der Senat nicht.
Die Berufung ist auch begründet, denn der Kläger kann von dem Beklagten verlangen, dass dieser über die am 7. April 2009 gestellten
Überprüfungsanträge entscheidet. Die von ihm erhobene Untätigkeitsklage ist zulässig. Die Untätigkeitsklage geht als Unterart
der Verpflichtungsklage auf Verbescheidung eines Antrags bzw. Widerspruchs. Nach §
88 Abs.
1 SGG ist eine Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsaktes zulässig, wenn ein Antrag
auf Vornahme eines Verwaltungsaktes ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden ist. Der
Kläger hat am 7. April 2009 die Überprüfung von verschiedenen Bescheiden beantragt. Bei Erhebung der Untätigkeitsklage am
30. Oktober 2009 war die erforderliche Sechsmonatsfrist bereits abgelaufen. Soweit das Sozialgericht die Klage deshalb als
unzulässig behandelt hat, weil aufgrund des unsubstantiierten Vortrages des Klägers eine Überprüfung nach § 44 Abs. 1 SGB X nicht geboten gewesen sei, ist nicht erkennbar, welche Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Untätigkeitsklage nach §
88 SGG das Gericht konkret verneint. Soweit es um die Frage geht, ob der Beklagte ohne zureichenden Grund sachlich nicht entschieden
hat, handelt es sich nicht um eine Prozessvoraussetzung (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. A., §
88 Rdnr. 6). Der Senat sieht in der Erhebung der Untätigkeitsklagen auch keine rechtsmissbräuchliche Rechtsverfolgung. Eine
solche könnte dann angenommen werden, wenn ein materiell rechtlicher Anspruch offensichtlich unter jedem denkbaren Gesichtspunkt
ausscheidet. Dies ist hier aber gerade nicht der Fall. Sowohl aus dem Sachzusammenhang mit dem vom Kläger am selben Tag eingelegten
Widerspruch als auch aus seinem späteren Vortrag ergibt sich, dass der Kläger sich von den Überprüfungsanträgen höhere Leistungen
aufgrund der veränderten Berechnung der Kosten der Unterkunft verspricht. Die Untätigkeitsklage ist auch begründet. Es ist
kein zureichender Grund erkennbar, dass der Beklagte nicht über die Überprüfungsanträge entschieden hat. Soweit der Beklagte
die Ansicht vertritt, dass er nicht über die Überprüfungsanträge entscheiden muss, weil hierfür keine ausreichende Bevollmächtigung
erteilt wurde, geht diese Ansicht fehl. Zum einen ist aus dem Gesamtumständen des Einzelfalles hier davon auszugehen, dass
eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung vorlag, zum anderen würde eine für den Leistungsträger nicht ausreichende Bevollmächtigung
nicht automatisch die Folge nach sich ziehen, dass dieser sich auf Nichtstun beschränken darf. Nach dem über § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II geltenden § 13 Zehntes Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) kann sich ein Beteiligter durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Die Vollmacht ermächtigt zu allen das Verwaltungsverfahren
betreffenden Verfahrenshandlungen, sofern sich aus ihrem Inhalt nicht etwas anderes ergibt. Der Bevollmächtigte hat auf Verlangen
seine Vollmacht schriftlich nachzuweisen. Der Umfang der Vollmacht bestimmt sich nach dem tatsächlichen Inhalt der Erklärung
(vgl. LSG Niedersachsen Bremen, Beschluss vom 7. Dezember 2011, L 7 AS 906/11 B). Der Kläger hat hier "in Sachen M. gegen ARGE Grundsicherung Gotha wegen Leistungen SGB II Vollmacht erteilt." Er hat diese Vollmacht anlässlich eines Beratungsgesprächs am 6. April 2009 in der Kanzlei seiner Prozessbevollmächtigten
unterzeichnet. Anlass der Beratung war offensichtlich zunächst der ebenfalls am 7. April 2009 mit Widerspruch angegriffene
Bewilligungsbescheid vom 12. März 2009. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat hier eine mangelnde Begründung und die
fehlerhafte Berechnung der Kosten der Unterkunft gerügt. Es liegt auf der Hand, dass der Prozessbevollmächtigten in diesem
Zusammenhang auch die möglicherweise fehlerhafte Berechnung der Kosten der Unterkunft für die vergangenen Bewilligungszeiträume
aufgefallen ist. Es ist somit naheliegend, dass die am 6. April 2009 erteilte Vollmacht des Klägers auch für die Überprüfung
der in der Vergangenheit ergangenen Bescheide gelten sollte. Ein allgemeiner Rechtssatz, wie ihn der Beklagte annimmt, dass
eine Vollmacht jeweils nur für einen Bewilligungsabschnitt gelten kann, existiert nicht. Soweit in diesem Zusammenhang in
der Kommentarliteratur das Urteil des Bundessozialgerichts vom 15. August 1991 - 12 RK 39/90 zitiert wird, betrifft dieses eine andere Fallkonstellation. In diesem Verfahren ging es darum, ob eine für das Verwaltungsverfahren
erteilte Vollmacht nach der bis zum 30. Juni 2008 gültigen Fassung des §
73 Abs.
2 Satz 1
SGG auch zur Führung eines sozialgerichtlichen Klageverfahrens berechtigt. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Prozessbevollmächtigte
des Klägers nicht ausreichend durch die Vollmacht vom 6. April 2009 zur Stellung der Überprüfungsanträge bevollmächtigt gewesen
wäre, so hätte der Beklagte nicht untätig bleiben dürfen. Das Bestehen - aber auch das Fehlen der Vollmacht - ist von Amts
wegen in jeder Lage des Verwaltungsverfahrens zu beachten. Verfahrenshandlung des vollmachtlosen Vertreters sind schwebend
unwirksam und können durch die Vollmachterteilung voll wirksam werden (BSGE 32, 253, 254). Auch wenn die Behörde erkennt, dass ein Vertreter ohne Vollmacht handelt oder die Vertretungsmacht nicht festzustellen
ist, kann sie ihn zunächst als Vertreter ohne Vertretungsmacht auftreten und seine Verfahrenshandlung später vom Vollmachtgeber
genehmigen lassen (Krasney in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 13 SGB X Rz. 7). Wenn der Beklagte ernsthafte Zweifel an der ordnungsgemäßen Bevollmächtigung der Prozessbevollmächtigten gehabt hätte,
dann hätte er von seinem Recht nach § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X Gebrauch machen müssen und von der Prozessbevollmächtigten einen weiteren Nachweis verlangen müssen. Dies hat der Beklagte
nicht getan. Auch die Erklärung des Prozessbevollmächtigten im erstinstanzlichen Verfahren, dass eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung
vorliege und dass der Kläger dazu befragt werden könne, hat den Beklagten zu keinerlei Reaktion veranlasst. Der Umstand, dass
die Überprüfungsanträge zunächst nicht begründet wurden, führt ebenfalls nicht dazu, dass der Beklagte untätig bleiben darf.
Der Beklagte ist zwar nicht verpflichtet, ohne einen erkennbaren Anlass einen zur Überprüfung gestellten Bescheid in Gänze
zu überprüfen, doch sind die Überprüfungsanträge hier im Sachzusammenhang mit dem anderen Handeln des Klägers zu sehen. Wenn
er am selben Tag zusammen mit den Überprüfungsanträgen einen Widerspruch einreicht, in dem er die Berechnung der Kosten der
Unterkunft rügt, liegt es nahe, dass auch für die Vergangenheit die Kosten der Unterkunft überprüft werden sollten. Dies umso
mehr, als dass der Beklagte dem Widerspruch wegen der geänderten Weisungslage in Bezug auf die Kosten der Warmwasserbereitung
abgeholfen hat. Es kann also gerade nicht davon die Rede sein, dass - wovon das Sozialgericht ausgegangen ist - kein Anhaltspunkt
für eine Überprüfung bestand. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§
160 Abs
2 SGG).