Klagebefugnis hinsichtlich übergegangener Unterhaltsansprüche
»1. Der Unterhaltsberechtigte kann gem. § 91 BSHG auf das Sozialamt übergegangene Unterhaltsansprüche nicht im Wege der Prozeßstandschaft für das Sozialamt mit einklagen.
2. Will der Unterhaltsberechtigte neben seinen eigenen Unterhaltsansprüchen die auf das Sozialamt übergegangenen mit geltend
machen, bedarf es einer Rückabtretung.
3. Für die Klage kann in derartigen Fällen auch Prozeßkostenhilfe bewilligt werden.«
4. Bezieht ein Unterhaltsberechtigter Sozialhilfe, so kann ihm im Hinblick auf den gesetzlichen Forderungsübergang des § 91 BSHG wegen ansonsten fehlender Erfolgsausicht Prozeßkostenhilfe nur für die Zeit nach Rechtshängigkeit der Klage bewilligt werden.
5. Im Hinblick auf den klaren Wortlaut des §
265 ZPO reicht die Anhängigkeit der Unterhaltsklage nicht aus.
6. Eine gewillkürte Prozeßstandschaft auf der Grundlage einer Einziehungsermächtigung des Sozialhilfeträgers ist mangels schutzwürdigen
Interesses des Unterhaltsberechtigten unzulässig.
7. Möglich ist dagegen die Rückübertragung der übergegangenen Unterhaltsansprüche auf den Unterhaltsberechtigten. In einem
solchen Fall ist dem Berechtigten in vollem Umfang Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, da die einheitliche Erledigung des gesamten
Unterhaltsrechtsstreits sinnvoll und prozeßökonomisch ist.
Gründe:
Mit der Beschwerde rügt die Klägerin, dass ihr vom Amtsgericht Prozesskostenhilfe für die Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs
nur für die Zeit ab Rechtshängigkeit, nicht jedoch für Rückstände ab Anhängigkeit und vor Anhängigkeit des Verfahrens bewilligt
worden ist. Der Auffassung des Amtsgerichts, dass ihr wegen des gesetzlichen Forderungsübergangs nach § 91
BSHG n. F. die Prozessführungsbefugnis abgesprochen hat, könne nicht gefolgt werden, da dieses zu Unrecht die vom Sozialamt erteilte
Einziehungsermächtigung nicht als zulässig erachtet habe.
Die gem. §
127
ZPO zulässige Beschwerde bleibt erfolglos. Nach § 91
BSHG n. F. sind die Unterhaltsansprüche der Klägerin bzw. des von ihr gemäß §
1629 Abs.
3
BGB in Prozessstandschaft vertretenen Kindes bis zur Höhe der geleisteten Sozialhilfe auf das Sozialamt übergegangen. Insoweit
können die Ansprüche nur vom Sozialamt als Inhaber der Forderung eingeklagt werden. Zu Recht hat das Amtsgericht deshalb Prozesskostenhilfe
nur für die Zeit ab Rechtshängigkeit der Unterhaltsklage bewilligt, denn allgemeiner Auffassung ist die Klägerin, soweit noch
keine Hilfe zum Lebensunterhalt bewilligt worden ist, als Gläubigerin der Unterhaltsforderung bzw. als Prozessstandschafterin
gemäß §
1629 Abs.
3
BGB für das anspruchsberechtigte Kind berechtigt, die Unterhaltsansprüche für die Zukunft selbst einzuklagen. Der Umstand, dass
im Falle laufender Hilfegewährung während des Rechtsstreits ständig Unterhaltsansprüche auf das Sozialamt übergehen, stellt
die Prozessführungsbefugnis der Klägerin gemäß §
265
ZPO nicht in Frage. Sie hat dem lediglich durch Antragsumstellung auf Zahlung an das Sozialamt Rechnung zu tragen. §
265
ZPO gilt jedoch kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung nur für die Zeit ab Rechtshängigkeit, nicht ab Anhängigkeit. Aus diesem
Grunde bleibt die Beschwerde erfolglos, soweit sie nicht die Ansicht vertritt, Prozesskostenhilfe hätte ihr zumindest für
die Zeit ab Anhängigkeit der Klage gewährt werden müssen. Das ist nicht der Fall, denn mangels entsprechender Regelung im
Sinne des §
265
ZPO für die Zeit von Anhängigkeit bis Rechtshängigkeit verliert die Klägerin ihre Prozessführungsbefugnis für diesen Zeitraum
durch den mit der Gewährung von Sozialhilfe verbundenen Anspruchsübergang.
Die Klägerin kann ihre Prozessführungsbefugnis auch nicht durch die von ihr vorgelegte Einziehungsermächtigung des Sozialamts
begründen. Der Senat vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass eine derartige gewillkürte Prozessstandschaft
mangels schutzwürdigen Interesses der Klägerin an der Einziehung der Forderung unzulässig ist (FamRZ 1990, 1369 f.; ebenso KG, FamRZ 1982, 427; OLG Hamburg, FamRZ 1988, 843; a. A. KG, FamRZ 1988, 300). Der Senat hält an dieser Rechtsauffassung fest.
Das von der Klägerin verfolgte Ziel, im Rahmen der Klage auf Zahlung von Unterhalt ab Rechtshängigkeit aus prozessökonomischen
Gründen die in der Zeit davor aufgelaufenen Rückstände miteinzuklagen, kann nach Auffassung der Familiensenate des Oberlandesgerichts
Hamm lediglich durch eine treuhänderischen Rückübertragung des Unterhaltsanspruchs auf das Kind erfolgen. Eine derartige Inkassozession,
die ein wirtschaftliches Interesse des Zessionars nicht erfordert, ist vom BGH auch für Unterhaltsansprüche als zulässig erachtet
worden (BGH, NJW 1980, 991; BGH, WM 1985, 614 und BGH, FamRZ 1982, 515; vgl. Künkel, FamRZ 1994, 540, 542). Die Entscheidung BGH, FamRZ 1994, 829 steht dem nicht entgegen. Sie bezieht sich lediglich auf den umgekehrten Fall der Abtretung von Unterhaltsansprüchen durch
Hilfeempfänger an den Sozialhilfeträger. Eine derartige Abtretung hat der Senat auch bisher als unzulässig erachtet, da sie
eine Umgehung des § 91
BSHG a. F. darstellt. Die Rückabtretung seitens des Hilfeträgers an den Hilfeempfänger ist indessen öffentlich-rechtlich nicht
geregelt, insbesondere auch nicht durch die in § 91
BSHG n. F. eingeführte Möglichkeit der Klage des Sozialamtes auf künftige Leistungen ausgeschlossen. Zu beachten wird allerdings
sein, dass durch die Inkassozession der einmal geschehene Forderungsübergang nicht wirkungslos bleibt. Die aus dem BSHG folgenden Einschränkungen des Rückgriffs sind zu beachten (ebenso Künkel, aaO.).
Sollte die Klägerin mithin eine derartige Inkassozession vorlegen, wird ihr Prozesskostenhilfe zu bewilligen sein. Dem steht
nicht fehlende Kostenarmut entgegen, da bei der Prüfung dieser Frage jedenfalls in Fällen der vorliegenden Art nicht auf die
Kostenarmut des Zedenten, sondern des Zessionars abzustellen ist. Durch die Rückabtretung wird lediglich der ursprüngliche
Forderungsinhaber wieder Berechtigter, wobei anstelle des Kindes wie vor dem gesetzlichen Forderungsübergang vorliegend dessen
Mutter als gesetzliche Prozessstandschafterin die Rolle der Klägerin einnimmt. Das Argument des Vorschiebens einer wirtschaftlich
nicht leistungsfähigen Prozesspartei greift deshalb nicht durch, weil es sich bei der Klägerin um die ursprüngliche Prozesspartei
handelt, mit dem sich der Forderungsschuldner ohne die Überleitung der Ansprüche ohnehin im Falle eines Rechtsstreits hätte
auseinandersetzen müssen (im Ergebnis wie hier Kalthöhner-Büttner, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 1988, Rdn. 37, 38;
KG, FamRZ,1988, 301). Zusätzliche Kosten entstehen ohnehin nur, wenn es sich um Rückstände im Sinne von § 17 Abs. 4
GKG handelt (Beträge vor Anhängigkeit). Unechte Rückstände aus der Zeit zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit erhöhen den
Streitwert nicht. Für den Fiskus verbilligt sich aber selbst im Falle echter Rückstände das Verfahren durch die einheitliche
Klage des Hilfeempfängers im Wege der Prozesskostenhilfe: Da dem Kläger für seine Klage auf Zahlung von künftigem Unterhalt
ohnehin Prozesskostenhilfe bewilligt werden muss, verteuert sich der Rechtsstreit lediglich um die Differenzgebühren zwischen
dem Jahreswert des gemäß § 17 Abs. 1 und den diesen übersteigenden echten Rückständen gemäß § 17 Abs. 4
GKG. Diese geringfügigen Kostenerhöhungen werden im Regelfall durch den Verwaltungsaufwand auf gewogen, der bei der eigenen Geltendmachung
der Ansprüche dem Hilfeträger entstünde. Gerade in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die bislang erbrachten Sozialhilfeleistungen
teilweise geringer waren als die Unterhaltsforderung, erscheint der Weg der einheitlichen Geltendmachung. der Ansprüche durch
den Hilfeempfänger auch sinnvoll und prozessökonomisch. Die gegenteilige Meinung würde dazu führen, dass nicht nur über den
Unterhalt für die Vergangenheit und die Zukunft in zwei verschiedenen gerichtlichen Verfahren mit unterschiedlichen Prozessparteien
zu entscheiden wäre, sondern auch über Teilbeträge eines einheitlichen monatlichen Unterhaltsanspruchs in der Zeit vor Rechtshängigkeit
der Klage.