OLG Hamm, Urteil vom 23.02.1988 - 2 WF 82/88
a. Keine Aussetzung eines Unterhaltsrechtsstreits wegen Widerspruchseinlegung gegen die Überleitungsanzeige nach § 90
BSHG.
Fundstellen: DRsp IV(412)201a, FamRZ 1988, 633
»...Das AG hat den Unterhaltsrechtsstreit zu Unrecht [deswegen] ausgesetzt, weil der Bekl. die Überleitungsanzeige nach §
90
BSHG durch Widerspruch im Verwaltungsverfahren angefochten hat.
Eine Aussetzung kommt lediglich nach der Vorschrift des §
148
ZPO wegen Vorgreiflichkeit in Betracht. Vorgreiflichkeit der Entscheidung über den Widerspruch liegt jedoch nicht vor. Sie ist
nur dann anzunehmen, wenn die Entscheidung des auszusetzenden Rechtsstreits mindestens teilweise vom Bestehen eines Rechtsverhältnisses
abhängt, über das ein anderer Prozeß schwebt oder das von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist. ...
Die Entscheidung der Widerspruchsbehörde über die Rechtmäßigkeit der Überleitungsanzeige ist in diesem Sinne nicht vorgreiflich
für den Unterhaltsrechtsstreit (ebenso: OLG Zweibrücken, NJW 1986,730; OLG Schleswig, FamRZ 1978,153; LG Hannover, MDR 1982,586;
Göppinger, Unterhaltsrecht, 5. Aufl., Rz. 3112; aA. LG Duisburg, MDR 1983,138 ..).
Prüfungsgegenstand im Verwaltungsverfahren oder Verwaltungsrechtsstreit ist die Rechtmäßigkeit der Überleitung. Das Bestehen
des übergeleiteten Unterhaltsanspruchs ist nach herrschender Auffassung im Verwaltungsrecht grundsätzlich keine Voraussetzung
für die Rechtmäßigkeit der Überleitung (BVerwGE 42,198). Umgekehrt ist das Zivilgericht bei der Entscheidung über die Unterhaltsklage
unabhängig von der Anfechtung der Überleitungsanzeige an die Tatbestandswirkung dieses Verwaltungsakts gebunden und hat von
der Rechtmäßigkeit desselben so lange auszugehen, bis ggf. eine anderweitige Entscheidung im Verwaltungsverfahren getroffen
worden ist. Etwas anderes gilt allenfalls im Falle der Nichtigkeit des Verwaltungsakts. Die Anfechtung der Überleitungsanzeige
ändert an der Bindungswirkung nichts (BGH, FamRZ 1985,778 ff.). Mit Rücksicht darauf besteht keine Abhängigkeit der Entscheidung
des Zivilgerichts von der im Verwaltungsverfahren ergehenden Entscheidung, weil das Zivilgericht von der Gläubigerstellung
des Sozialamts auszugehen hat. Der Umstand, daß diese klagebegründende Tatsache später möglicherweise wegfallen kann, ist
unerheblich, weil für das Zivilgericht die Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich ist. Die
Möglichkeit einer späteren Änderung rechtfertigt die Aussetzung nicht.
Allein diese Lösung erscheint auch sachgerecht im Rahmen der nach §
148
ZPO vorzunehmenden Ermessensentscheidung. [Wird ausgeführt] ...«