OLG Hamm, Urteil vom 06.09.1989 - 5 UF 94/89
Anforderungen an eine wirksame Rechtswahrungsanzeige des Sozialhilfeträgers gem. § 91 Abs. 2
BSHG mit verzugsbegründender Wirkung als Voraussetzung für einen rückwirkenden Unterhaltsanspruch.
Fundstellen: DRsp I(167)376c, FamRZ 1990, 307
Normenkette: ,
BSHG § 91 Abs.2
Teilabdruck zur Barunterhaltspflicht nach Übertragung der Personensorge auf einen Dritten hier vorstehend unter a.
»... Die rückwirkende Inanspruchnahme des Bekl. [gem. § 1613 BGB] ergibt sich im vorl. Fall aufgrund der Rechtswahrungsanzeige
v. 25. 2. 1986. Nach der Bestimmung des § 91 Abs. 2
BSHG ist die Inanspruchnahme des Unterhaltsverpflichteten für einen zurückliegenden Zeitraum möglich, wenn ihm die Gewährung der
Sozialhilfe unverzüglich schriftlich mitgeteilt wurde. Die Rechtswahrungsanzeige führt somit vergleichbare Rechtsfolgen wie
die Mahnung herbei und hat eine der Mahnung vergleichbare Warnungsaufgabe (BGH, FamRZ 1983, 895;
BVerwGE 50, 64, 66). Dies bedeutet jedoch nicht, daß an die Wirksamkeit der Rechtswahrungsanzeige die gleichen Voraussetzungen zu stellen
sind wie an eine zivilrechtliche Mahnung. Die Rechtswahrungsanzeige unterliegt z. B, nicht den Bestimmtheitsanforderungen
einer Mahnung (BGH, aaO.). Sie ist zwar kein Verwaltungsakt, da sie keine unmittelbaren hoheitlichen Folgen erzeugt, jedoch
ein öffentlich-rechtliches Rechtsinstitut eigener Art und kann dementsprechend nach den Bestimmungen der Verwaltungszustellungsgesetze
mitgeteilt werden (BGH, aaO.). Daraus folgt auch, daß die zivilrechtlichen Bestimmungen über die Vertretungsmacht für die
Rechtswahrungsanzeige [nicht entsprechend anwendbar sind]. Vielmehr kann der Sozialhilfeträger die vertrauenszerstörende Wirkung
der Rechtswahrungsanzeige (BGH, aaO.) auch gegenüber dem selbst sorgeberechtigten Unterhaltsverpflichteten herbeiführen. Dem
steht auch die Entscheidung des OLG Düsseldorf (FamRZ 1978, 436) nicht entgegen. Diese Entscheidung besagt lediglich, daß die Rechtswahrungsanzeige Rechtswirkungen nur zwischen dem Sozialhilfeträger
und dem Pflichtigen erzeugen und nicht zu einer rückwirkenden Inanspruchnahme durch den Unterhaltsberechtigten führen kann.
Im vorl. Fall geht es ausschließlich um die Wirkung der Rechtswahrungsanzeige im Verhältnis zwischen der klagenden Stadt als
Sozialhilfeträgerin und dem Bekl. In diesem Verhältnis ist die Rechtswahrungsanzeige rechtswirksam nach § 91 Abs. 2
BSHG ergangen und hat die rückwirkende Inanspruchnahme des Bekl. ermöglicht. ... «