Anrechnung des Pflegegeldes auf den Kindesunterhaltsanspruch
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hagen vom 23.09.1991 ist insgesamt aufzuheben, nachdem die Klägerin die Berufung
auf einen Betrag von noch 6.167,67 DM beschränkt hat und auch dieser Restbetrag der Klägerin nach Überleitung der Unterhaltsansprüche
wegen der von ihr zugunsten des Sohnes der Beklagten gezahlten Hilfe zum Lebensunterhalt für die Zeit von Dezember 1989 bis
Juni 1991 in Höhe von insgesamt 16.136,00 DM nicht zusteht.
Die Beklagte war für diesen Zeitraum nach §§
1601,
1602 Abs.
1
BGB nicht verpflichtet, ihrem Sohn Unterhalt zu zahlen, da dieser nicht bedürftig war. Sein Bedarf für den allgemeinen Lebensunterhalt
des Sohnes - die Parteien gehen übereinstimmend von einem Bedarf von 850,00 DM pro Monat aus - ist hinsichtlich des jetzt
noch im Streit befindlichen Restbetrages von 6.167,67 DM durch das an den Sohn der Beklagten gemäß § 69 Abs. 3 und Abs. 4
BSHG gezahlte Pflegegeld gedeckt worden. Der Senat brauchte deshalb auf die Anrechnung des von der Klägerin, an den Sohn der Beklagten
gezahlten Wohngeldes nicht weiter einzugehen.
Vom Grundsatz her ist das nach § 69
BSHG gezahltes Pflegegeld dem Einkommen des Anspruchsberechtigten hinzuzurechnen - wie bei sonstigen nicht subsidiären Sozialleistungen
(BGH, FamRZ 1984, 769 ff; BGH FamRZ 1987, 259 ff; einschränkend wendet "Anrechnung des Pflegegeldes für ein behindertes Kind nach 69 BSHG als Elterneinkommen?", FamRZ 1987, 1106 ff.). Auf die Frage, ob das zugunsten minderjähriger Kinder gezahlte Pflegegeld als Teil des Elterneinkommens gilt, ist nicht
näher einzugehen. Vorliegend ist das Pflegegeld an den Sohn der Beklagten direkt gezahlt worden. Sinn und Zweck der Zahlung
von Pflegegeld ist es zwar, dem Pflegebedürftigen die Mittel zu verschaffen, um die Pflegebereitschaft der in § 69 Abs. 2 Satz 1 BSHG genannten Personen zu erhalten; es wird aber unabhängig von dem tatsächlichen Aufwand und einem darüber hinaus zu führenden,
Nachweis gewährt. Dem Pflegebedürftigen steht das Pflegegeld zur freien Verfügung, er braucht es an eine Pflegeperson nicht
weiterzuleiten (Knapp/Fichtner, Kommentar zum Bundessozialhilfegesetz, 7. Aufl., zu § 69 Rdn. 10). Das Pflegegeld wird auch ungeachtet des tatsächlichen Aufwandes gezahlt, d.h. unabhängig davon, ob im konkreten
Fall tatsächlich Aufwendungen in entsprechender Höhe anfallen und auch unabhängig davon, ob es im Einzelfall erforderlich
ist, die Pflegebereitschaft von Familienangehörigen oder Dritten durch entsprechende Geldzuwendungen aufrechtzuerhalten (Oestreicher/Schelter/Kunz,
Kommentar zum BSHG, Rdn. 14 und Rdn. 18; Schellhorn/Iirasek/Seipp, Kommentar zum BSHG, 4. Aufl., § 69 Rdn. 37).
Allerdings besteht nach §
1610 a
BGB die gesetzliche Vermutung, dass die Kosten für Aufwendungen infolge eines Körper- oder Gesundheitsschadens nicht geringer
sind als die Höhe der Sozialleistungen und dass das Pflegegeld den behinderungsbedingten Mehrbedarf abdeckt und somit eine
Anrechnung auf den allgemeinen Unterhaltsanspruch entfällt. Wenn für Aufwendungen infolge eines Körper- oder Gesundheitsschadens
Sozialleistungen in Anspruch genommen werden, so wird bei der Feststellung eines Unterhaltsanspruchs gemäß §
1610 a
BGB vermutet, dass die Kosten der Aufwendungen nicht geringer sind als die Höhe der bezogenen Sozialleistungen. Das Pflegegeld
nach § 69
BSHG soll als Hilfe in einer besonderen Lebenslage nicht den allgemeinen Lebensbedarf des Pflegebedürftigen decken, sondern nach
den bereits erwähnten Grundsätzen nur als Mittel dazu dienen, die Pflegebereitschaft zu erhöhen (OLG Hamburg, FamRZ 1992,
444 ff.). Die gesetzliche Vermutung des 1610 a
BGB, nämlich dass die primären Sozialleistungen den behinderungsbedingten Mehrbedarf abdecken, (vgl. dazu Urteil des Senats vom
05.07.1991, FamRZ 1991, 1199)ist gemäß §
292
ZPO widerlegbar. Eine Anrechnung auf den allgemeinen Lebensbedarf des pflegeberechtigten Sohnes und damit auf den Unterhaltsanspruch
gegen die Beklagte erfolgt aber dann, wenn es gelingt, die gesetzliche Vermutung zu widerlegen, dass das Pflegegeld den Mehrbedarf
abdeckt. Dieser Nachweis ist der Beklagten gelungen, sie hat diese gesetzliche Vermutung widerlegt. Insoweit wird auf die
Beweiswürdigung der Aussage des Zeugen ... im angefochtenen Urteil verwiesen. Danach ist das Pflegegeld vom Sohn der Beklagten
für dessen private Lebensführung verbraucht worden, weil die Beklagte die Pflegeleistungen zugunsten ihres Sohnes unentgeltlich
erbracht hat, was die Klägerin in der Berufungsinstanz im Übrigen nicht mehr bestritten hat.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist § 69 Abs. 5
BSHG im vorliegenden Fall weder direkt noch entsprechend anzuwenden, weil an die Beklagte Pflegebeihilfe im Sinne des § 69 Abs. 2
BSHG nicht gezahlt worden ist, denn nur für diesen Fall rechtfertigt sich eine Kürzung nach dieser Vorschrift.
Nach der Berechnung der Klägerin zum noch offenem Restbetrag von 6.167,67 DM übersteigt das von der Klägerin gezahlte Pflegegeld
den auf den jeweiligen Monat entfallenden übergeleiteten Unterhaltsanspruch nach §§ 90, 91
BSHG gegen die Beklagte.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§
97,
710 Nr. 8
ZPO.