Geltendmachung von übergegangenen Unterhaltsansprüchen
Tatbestand:
Die am 18. 08. 1986 geborene Klägerin ist die Tochter des Beklagten aus dessen rechtskräftig geschiedener Ehe mit der gesetzlichen
Vertreterin des Kindes.
Die Parteien streiten um Kindesunterhalt.
Die Klägerin fordert rückständigen Unterhalt für den Zeitraum Juni 1992 bis April 1993 in Höhe von insgesamt 3.282, 00 DM
und ab Mai 1993 einen monatlichen Unterhalt von 318,00 DM.
Die Mutter der Klägerin erhält seit März 1992 von der Stadt Karlsruhe Hilfe zum Lebensunterhalt für sich und - in einer die
Klage übersteigenden Höhe - für das klagende Kind.
Der am 16.05.1949 geborene Beklagte hat in seinem erlernten Beruf als Elektroschweißer nur einige Jahre gearbeitet. Anschließend
war er als Kraftfahrer beschäftigt und ist zeitweise Taxi gefahren. Seine Arbeitsstelle bei der Firma W. hat er betriebsbedingt
verloren. Ein arbeitsgerichtlicher Prozeß wurde durch Vergleich vom 05.06.1992 (I 105) beendet. Der Beklagte hat Arbeitslosengeld
vom 01.09.1992 bis 24.04.1993 in Höhe von wöchentlich 327,00 DM, vom 26.04.1993 bis 07.06.1993 von 344,40 DM wöchentlich und
vom 03.06.1993 bis 22.10.1993 von 313,20 DM wöchentlich sowie Arbeitslosenhilfe vom 23.10.1993 bis 31.12.1993 in Höhe von
267,00 DM wöchentlich und ab 01.01.1994 von 258,00 DM wöchentlich bezogen (I 75).
Die Klägerin hat vorgetragen, der Beklagte sei zur Zahlung des geltend gemachten Unterhalts ungeachtet seiner Arbeitslosigkeit
leistungsfähig. Er müsse sich jedenfalls so behandeln lassen, als verfüge er über ausreichend Einkünfte, um wenigstens den
Mindestunterhalt des Kindes sicherzustellen.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie
ab dem 01.05.1993 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 318,00 DM, zahlbar jeweils im voraus bis zum 03. eines jeden Monats
und
rückständigen Unterhalt für die Zeit von Juni 1992 bis April 1993 in Höhe von 3.282,00 DM nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung
zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat die Aktivlegitimation der Klägerin im Hinblick darauf bestritten, daß sie Sozialhilfeleistungen erhalte und
infolgedessen die Unterhaltsansprüche der Klägerin gegen den Beklagten auf die Stadt K. übergegangen seien. Er hält sich im
übrigen nicht für leistungsfähig.
Das Amtsgericht hat den Beklagten im wesentlichen antragsgemäß verurteilt. Hinsichtlich des rückständigen Unterhalts für den
Zeitraum von März bis Dezember 1993 hat es die Klage im Umfang geleisteter Teilzahlungen abgewiesen. Die Aktivlegitimation
der Klägerin hat das Amtsgericht nicht in Zweifel gezogen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten. Er hält an seiner Ansicht fest, daß die Klägerin nicht aktivlegitimiert
sei. Im übrigen sei er zu den im angegriffenen Urteil festgesetzten Unterhaltszahlungen nicht leistungsfähig, da bereits sein
Existenzminimum gepfändet sei; ein Unterschreiten der Pfändungsfreigrenze sei ihm nicht zumutbar. Er habe früher - erfolglos
- beim Arbeitsamt um eine Umschulungsmaßnahme nachgesucht. Bei der gegenwärtigen Arbeitsmarktsituation habe er in der Zeit
seiner Arbeitslosigkeit - selbst bei intensiven Bemühungen - keine, jedenfalls keine besser bezahlte Stelle finden können.
Seit dem 01.05.1994 ist der Kläger bei der Firma M. in K. als Fahrer mit einem Nettoverdienst im August von 1.425,00 DM beschäftigt.
Er sieht sich weiterhin außerstande, den geforderten Kindesunterhalt zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Amtsgerichts K. aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt zuletzt,
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß bis einschließlich des Monats der Verkündung des Berufungsgerichts Zahlung
der Unterhaltsbeträge an den Sozialhilfeträger, ab diesem Zeitpunkt Leistung an die Klägerin selbst begehrt wird.
Sie meint, der Beklagte sei seiner unterhaltsrechtlichen Obliegenheit, jedenfalls den Mindestunterhalt des Kindes sicherzustellen,
nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Er sei daher weiterhin jedenfalls insoweit als leistungsfähig anzusehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
I. Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat der unterhaltsbedürftigen Klägerin
im Ergebnis zutreffend einen Unterhaltsanspruch im stattgegebenen Umfang zuerkannt und den Beklagten zur Zahlung der festgesetzten
Unterhaltsbeträge als leistungsfähig angesehen.
A. Die Klägerin ist allerdings für den Unterhalt in der Vergangenheit nicht aktivlegitimiert. In diesem Zusammenhang ist zunächst
zu prüfen, für welchen Zeitraum und in welchem Umfang, d. h. in welcher Höhe, Unterhaltsansprüche auf den Sozialhilfeträger
übergegangen sind.
1. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts kann die Klägerin ihre Aktivlegitimation nicht aus der "Abtretungserklärung" vom
11. 05. 1992 (I 41) herleiten. Denn nach der Rechtsprechung des BGH (FamRZ 1994, 829 = NJW 1994, 1733), der sich der Senat anschließt, entbehrt die gegenüber einem Träger der Sozialhilfe abgegebene privatrechtliche Erklärung
eines Hilfeempfängers, die durch einen Unterhaltsprozeß erlangten Beträge zur Abtragung der entstehenden Sozialhilfeaufwendungen
abzuführen, der gesetzlichen Grundlage und ist nichtig.
2. a) Nach der Rechtsprechung des Senats erfaßt der gesetzliche Anspruchsübergang nach § 91 Abs. 1 Satz 1 BSHG 1993 auch Unterhaltsansprüche vor dem Inkrafttreten der Neuregelung am 27.06.1993 (Senatsurteil vom 05. 05. 1994, NJW 1994,
2902; so auch 18. ZS., Urt. v. 31.5.1995, 18 UF 174/83; OLG Hamburg, FamRZ 1994, 126; OLG Köln, FamRZ 1994, 970; OLG Frankfurt, NJW-RR 1994, 1223, 1224; Scholz, FamRZ 1994, 1; Künkel, FamRZ 1994, 540, 549, 550; a. A. OVG Münster, FamRZ 1994, 594, 595 = NJW 1994 675). Da der Beklagte aufgrund der Aufforderung vom 11.05.1992 mit der Unterhaltszahlung ab 01.06.1992 in
Verzug war, wirkt der Übergang des Unterhaltsanspruchs der Klägerin zurück (§ 91 Abs. 3
BSHG i.V. m. §
1613
BGB).
b) Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 BSHG geht ein Unterhaltsanspruch nur bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen auf den Sozialhilfeträger über. Diese Leistungen
übersteigen hier die monatlich geltend gemachten Mindestunterhaltsbeträge nach der jeweils aktuellen Düsseldorfer Tabelle
(vgl. Schreiben des Sozialamts der Stadt K. vom 17.07.1992, 08.03.1993 und 24.06.1994 - II 7, 35, 21). Das klagende Kind verlangt
rückständige Unterhaltsbeträge, welche die gewährten Sozialhilfeleistungen nicht übersteigen, und zwar Unterhalt bis zur Vollendung
seines 6. Lebensjahres für Juni 1992 nach der damals gültigen Düsseldorfer Tabelle, Stand 01.01.1989, in Höhe von (251,00
DM - 35,00 DM anteiliges Kindergeld =) 226,00 DM, für Juli 1992 nach der aktuellen Düsseldorfer Tabelle, Stand 01.07.1992
(291,00 DM - 35,00 DM =) 256,00 DM und ab August 1992 infolge Wechsels in die höhere Altersstufe von monatlich (353,00 DM
- 35,00 DM =) 318,00 DM.
c) Eine Einschränkung des Anspruchsübergangs ergibt sich hier auch nicht aus § 91 Abs. 2 Satz 1 BSHG. Nach dieser Vorschrift geht der Unterhaltsanspruch nur über, soweit ein Hilfeempfänger sein Einkommen und Vermögen nach
den Bestimmungen des 4. Abschnitts des BSHG mit Ausnahme des § 84 Abs. 2 oder des § 85 Nr. 3 Satz 2 BSHG einzusetzen hat. Der Unterhaltspflichtige genießt nämlich den gleichen Schutz, den er als Hilfeempfänger hätte. Es ist deshalb
- aus unterhaltsrechtlicher Sicht - eine Vergleichsberechnung nach sozialhilferechtlichen Maßstäben anzustellen, um zu verhindern,
daß der Unterhaltspflichtige selbst sozialhilfebedürftig wird (vgl. Schellhorn/Schellhorn, FuR 1993, 261, 265; Münder, NJW 1994, 494, 496; Künkel, FamRZ 1994, 546).
aa) Dabei ist zu berücksichtigen, daß die unterhaltsrechtlichen Selbstbehaltsätze auf den sozialhilferechtlichen Eigenbedarf
(Selbstbehalt) als Grenze für den Einsatz des vorhandenen Einkommens nicht aufeinander abgestimmt und identisch sind. Für
die Bemessung des sozialhilferechtlichen Eigenbedarfs sieht das Bundessozialhilfegesetz keine bestimmte Berechnungsmethode vor. Entscheidende Bedeutung kommt aber den Leistungen der Sozialhilfe zu, die das Existenzminimum
gewährleisten sollen (BVerfG, FamRZ 1990, 955; 1993, 285). Im Rahmen der Gewährung der das Existenzminimum sichernden Hilfe zum Lebensunterhalt sind insbesondere zu berücksichtigen
(vgl. OLG Köln, FamRZ 1994, 53, 54; Schellhorn/Schellhorn, FamRZ 1993, 266; Münder, NJW 1994, 496):
- einfacher Regelsatz für den Haushaltsvorstand gem. § 22
BSHG
- Zuschlag zur Abgeltung einmaliger Leistungen im Sinne des § 21
BSHG (Kleidung, Haushaltsgegenstände usw.)
- tatsächliche Kosten der Unterkunft und Heizung gem. § 1 und 3 RegelsatzVO.
Darüber hinaus ist zu beachten, daß nach § 76 Abs. 2a Nr. 1
BSHG vom bereinigten Einkommen nach § 76 Abs. 2
BSHG Beträge in angemessener Höhe für Erwerbstätige abzusetzen sind.
Für einmalige Leistungen kann in Anbetracht der heutigen Kosten für diese Bedarfspositionen ein Zuschlag von 25 % des Regelsatzes
angenommen werden (vgl. OVG Münster, NJW 1988, 2405, 2406; LG Hamburg, Rpfleger 1991, 515 m. w. N.; Künkel, FamRZ 1994, 551).
Hinsichtlich der angemessenen Höhe des Freibetrages für Erwerbstätige gem. § 76 Abs. 2a Nr. 1
BSHG kommt es nach Streichung des § 23 Abs. 4
BSHG nicht mehr in Betracht, sich am Eckregelsatz des § 22
BSHG zu orientieren (vgl. LG Hamburg, aaO., m. w. N.; Künkel, aaO.). Maßstab ist vielmehr das bereinigte Nettoeinkommen im Sinne
des § 76 Abs. 2
BSHG. Der Freibetrag für Erwerbstätige dient dem Ausgleich für die mit der Erwerbstätigkeit verbundenen Aufwendungen unter Erhaltung
des Arbeitsanreizes (vgl. OLG Köln, FamRZ 1992, 845, 846; FamRZ 1994, 52, 54). Insoweit ist er dem im Unterhaltsrecht anerkannten "Erwerbstätigenbonus" vergleichbar, der mit 1/7 des bereinigten
Nettoeinkommens angesetzt wird. Der Senat ist daher der Auffassung, daß die Anerkennung eines sozialhilferechtlichen Freibetrages
für Erwerbstätige in Höhe von 1/7 (rund 15 %) des einzusetzenden Einkommens im Sinne des § 76 Abs. 2
BSHG gerade auch im Hinblick auf eine insoweit vorzunehmende Angleichung zwischen Unterhalts- und Sozialhilferecht sachgerecht
ist und zu einem befriedigendem Ergebnis führt. Hierbei kann es mit Blick auf die gebotene, einheitlich unterhaltsrechtliche
Betrachtungsweise auch auf ein fiktives Einkommen des Unterhaltspflichtigen ankommen (a. A. Künkel, FamRZ 1991, 14, 21).
Die angemessenen Wohnkosten können, soweit deren tatsächliche Höhe nicht dargelegt ist, mit etwa 1/3 des maßgeblichen unterhaltsrechtlichen
Selbstbehalts angesetzt werden.
bb) Danach ergibt sich aus unterhaltsrechtlicher Sicht folgende (Kontroll-) Berechnung nach sozialhilferechtlichen Maßstäben:
Juni 1992 bis Dezember 1993
Berechnung nach sozialhilferechtlichen Maßstäben:
einfacher Regelsatz gem. § 22 BSHG/Baden-Württemberg, Stand 01.07.1992, DAVorm. 1992, 831, 832) 200,00 DM
Zuschlag von 25 % für einmalige Leistungen 127,50 DM
Kosten der Unterkunft, geschätzt mit 1/3 des unterhaltsrechtlichen Selbstbehalts von 1.300,00 DM gegenüber einem minderjährigen
Kind 430,00 DM
Heizungskosten (geschätzt) 70,00 DM
----------
gesamt 1.027,50 DM
Vergleichsberechnung
Dem steht ein - fiktives - monatliches Nettoeinkommen des Beklagten von mindestens 1.800,00 DM gegenüber. Nach Abzug eines
Freibetrages für Erwerbstätige gem. § 76 Abs. 2 Buchst. a Nr. 1
BSHG von 15 % (= 270,00 DM) - ein Zuschlag zum Eckregelsatz von maximal 50 % wäre niedriger - verbleibt ein sozialhilferechtlich
einzusetzendes Einkommen in Höhe von 1.530, 00 DM.
Da das anrechenbare monatliche Nettoeinkommen den sozialhilferechtlichen Eigenbedarf übersteigt, geht der geltend gemachte
- und vom Träger der Sozialhilfe geleistete - Unterhalt für den Zeitraum Juni 1992 bis Dezember 1993 in voller Höhe auf den
Sozialhilfeträger über.
ab Januar 1994
sozialhilferechtliche Berechnung
einfacher Regelsatz nach § 22
BSHG (Baden-Württemberg, Stand 01. 01. 1994, DAVorm 1994, 45, 46) 520,00 DM
Zuschlag von 25 % (einmalige Leistungen) 130,00 DM
Kosten für Unterkunft und Heizung 500,00 DM
----------
gesamt 1.150,00 DM
Vergleichsberechnung
Das sozialhilferechtlich einzusetzende Einkommen von 1.530,00 DM übersteigt den Betrag von 1.150,00 DM, so daß der Unterhaltsanspruch
auch ab Januar 1994 uneingeschränkt übergegangen ist.
Nach § 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BSHG sind somit die vom Amtsgericht zutreffend errechneten Unterhaltsansprüche in voller Höhe auf den Träger der Sozialhilfe übergegangen.
3. Für die Geltendmachung rückständigen Unterhalts in Höhe der vom Forderungsübergang erfaßten Beträge vor Rechtshängigkeit
der Klage ist der Hilfeempfänger nicht aktivlegitimiert. Nach Sinn und Zweck der Neufassung des § 91
BSHG 1993 soll dem Träger der Sozialhilfe im Wege der cessio legis ein Unterhaltsanspruch verschafft werden mit allen regulären
Folgen uneingeschränkter Inhaberschaft des Rechts und seiner Geltendmachung (BT-Drucks, 12/4401, S. 82; Künkel, FamRZ 1994,
540, 541). Für die Vergangenheit gilt deshalb der Grundsatz, daß die vor Rechtshängigkeit übergegangenen Ansprüche nur von dem
Sozialhilfeträger selbst eingeklagt werden können, und daher eine Rückübertragung und Einziehungsermächtigung auf den bisherigen
Unterhaltsgläubiger nach § 32
SGB I unwirksam sind (BGH, FamRZ 1994, 829 = NJW 1994, 1733 - Revisionsentscheidung zu OLG Karlsruhe, FamRZ 1993, 999 -; Göppinger/Wax/van Els, Unterhaltsrecht, 6. Aufl. 1994, Rn. 1657; Hampel, Die Bemessung des Unterhalts, 1994, Rn. 390 b;
H. Vogel, Anm. zu OLG Stuttgart, FamRZ 1994, 1733, 1734). Wie der BGH hervorhebt (FamRZ 1994, 829, 830), ist es Sache des Trägers der Sozialhilfe, auf den gesetzlich vorgesehenen Wegen den Nachrang der Sozialhilfe durch
Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber Dritten, insbesondere gegen den Unterhaltsschuldner, zu realisieren. Der Sozialhilfeträger
darf die für den Unterhaltsberechtigten mit der Geltendmachung der Ansprüche für den Sozialhilfeträger verbundenen Risiken
(Kostentragungspflicht im Fall des Unterliegens; ggf. Ratenzahlungspflicht bei Prozeßkostenhilfegewährung) nicht auf den Hilfeempfänger
abwälzen.
Im übrigen fehlt es an einem eigenen schutzwürdigen, gegebenenfalls wirtschaftlichen Interesse des Hilfeempfängers dafür,
die auf den Sozialhilfeträger übergegangenen Ansprüche im eigenen Namen zur Zahlung an die Sozialhilfebehörde geltend zu machen.
Dies aber wäre Voraussetzung für eine gewillkürte Prozeßstandschaft (BGHZ 92, 347, 349). Denn Sozialhilfe wird regelmäßig als verlorener Zuschuß ohne Rückerstattungsverpflichtung des Empfängers gewährt (§§
2 Abs. 1, 4
BSHG). Wirtschaftliche Betrachtung spräche sogar dagegen, gleichzeitig mit eigenen Unterhaltsansprüchen für Gegenwart und Zukunft
solche - außerhalb der im Laufe des Verfahrens selbst übergehenden Ansprüche, für die §
265 Abs.
2
ZPO eingreift - für die Vergangenheit im Interesse des Sozialhilfeträgers einzuklagen, da der Unterhaltsgläubiger dadurch u.
U. sogar Einbußen bei der Vollstreckung eigener Ansprüche erleiden würde.
Eine gewillkürte Prozeßstandschaft kann für Ansprüche, die bereits vor Rechtshängigkeit auf den Träger der Sozialhilfe übergegangen
sind, auch nicht daraus hergeleitet werden, daß sich der Unterhaltsgläubiger weitergehender eigener - als der übergegangenen
Ansprüche - berühmt oder er "Unterhalt für die Vergangenheit und Gegenwart gleichzeitig mit künftigem Unterhalt für die Zeit
ab Rechtshängigkeit" geltend macht (so aber: OLG Celle, NJW 1994, 2771; OLG Köln, FamRZ 1994, 970). Denn dann bliebe es der Willkür des Klägers überlassen, allein dadurch, daß er sich - sei es völlig zu Unrecht oder in
geringer Höhe - zusätzlicher eigener Ansprüche berühmt und diese mit einer Klage geltend macht, eine Prozeßstandschaft zum
Nachteil des Sozialhilfeträgers zu begründen. Auch mit Blick auf den verfassungsrechtlich gewährten Eigentumsschutz (Art.
14 Abs. I
GG) und Grundsatz rechtlichen Gehörs (Art.
103 Abs.
1
GG) begegnet es Bedenken, wenn solcherart über Ansprüche des Sozialhilfeträgers ohne dessen zureichende Beteiligung am Verfahren
mitentschieden werden würde.
4. Es hat deshalb bei den durch §
265 Abs.
2
ZPO gesetzten Grenzen für eine Prozeßstandschaft hinsichtlich der während des Verfahrens durch die laufend gewährte Sozialhilfe
auf den Sozialhilfeträger übergehenden Unterhaltsansprüche zu verbleiben.
Abweichend von diesem Grundsatz kann ausnahmsweise in einem Übergangsfall, in dem - wie hier - die Neufassung des § 91
BSHG 1993 am 27. 06. 1993 während des rechtshängigen Prozesses in Kraft getreten ist, eine Prozeßstandschaft des Unterhaltsgläubigers
für die Sozialbehörde gem. §
265 Abs.
2
ZPO auch für rückständigen Unterhalt vor Rechtshängigkeit Platz greifen. Denn infolge der Rückwirkung des § 91 Abs. 1
BSHG 1993 auf bisher nicht übergeleitete Ansprüche wegen rückständigen Unterhalts vor Rechtshängigkeit (vgl. oben I A 2) ist insoweit
während des Prozesses ein gesetzlicher Anspruchsübergang auf den Sozialhilfeträger eingetreten. Deshalb bleibt die Klägerin
insoweit gemäß §
265 Abs.
2
ZPO weiterhin prozeßführungsbefugt (Senatsurteil vom 5. 5. 1994, aaO.), dies allerdings nur mit der Maßgabe, daß sie für die
Vergangenheit in Höhe des Bezugs der Hilfe zum Lebensunterhalt Leistung an den Sozialhilfeträger und nur für die Zukunft Zahlung
an sich selbst verlangen kann (BGH, FamRZ 1982, 23, 25 = NJW 1982, 232, 233; FamRZ 1992, 797).
5. Der Zeitpunkt, ab dem der Unterhaltsgläubiger Zahlung an sich begehren kann, ist umstritten. Der Senat hält an seiner anfänglichen
Rechtsprechung (NJW 1994, 2902), wonach der Unterhaltsgläubiger bis einschließlich des Monats nach Urteilsverkündung Zahlung nur an den Sozialhilfeträger
verlangen kann (so auch OLG Köln, FamRZ 1979, 1055; OLG Düsseldorf, FamRZ 1981, 697, 698; offengelassen in BGH, FamRZ 1982, 23, 25), nach Überprüfung nicht fest. Für ein Abweichen von der generellen prozessualen Regel, daß es für die Antragstellung
und rechtliche Beurteilung auf die letzte mündliche Verhandlung in der Tatsacheninstanz ankommt, bestehen letztlich keine
zureichenden Gründe. Solange ein Anspruchsübergang noch nicht erfolgt ist, bleibt der Unterhaltsgläubiger Vollrechtsinhaber,
und zwar ungeachtet dessen, daß mit künftigen Leistungen des Sozialamts zu rechnen ist (vgl. § 91 Abs. 3 Satz 2 BSHG). Der Anspruchsübergang tritt für jeden Monat jeweils erst mit der Sozialhilfeleistung ein (BGH, FamRZ 1982, 23). Die bloße Erwartung künftiger Leistungen rechtfertigt es nicht, von dieser Regel abzuweichen und - ohne zwingende Gründe
- den späteren Zeitpunkt der Urteilsverkündung zu wählen. Vom Unterhaltsgläubiger kann nur verlangt werden, daß er Zahlung
an den Sozialhilfeträger begehrt, soweit sich der Forderungsübergang in dem maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung
bereits verwirklicht hat. Für eine weitergehende Prozeßstandschaft für den erst künftigen Rechtsinhaber Sozialamt fehlt es
an einer gesetzlichen Grundlage (vgl. oben I A 3 u. 4). Auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung kann sich im
übrigen die Partei einrichten; der Verkündungstermin liegt außerhalb ihrer Dispositionsmöglichkeiten. Auch pragmatische Erwägungen
rechtfertigen letztlich kein abweichendes Ergebnis.
Ist die mündliche Verhandlung - oder der entsprechende Zeitpunkt im schriftlichen Verfahren (§
128 Abs.
3 Satz 2
ZPO) - der maßgebliche Stichtag, ab dem der Gläubiger Leistung an sich selbst fordern kann, so ist bei Zahlungen wegen Unterhalts
und Hilfe zum Lebensunterhalt der Monatserste nach der (letzten) mündlichen Verhandlung maßgebend (so auch OLG Hamm, FamRZ
1979, 712; OLG Celle, NJW 1994, 2771 unter 2. a). Laufende Hilfe zum Lebensunterhalt und Unterhalt sind jeweils für einen Kalendermonat, und zwar im voraus (vgl.
§ 1361 Abs. 4 Satz 2, §
1585 Abs.
1 Satz 2, §
1612 Abs.
3 Satz 1
BGB), zu leisten. Deshalb ist unter Berücksichtigung, daß in Höhe der Leistung der Unterhalt für den ganzen Monat übergeht, entscheidend,
ob und inwieweit sich der Forderungsübergang am Stichtag bereits verwirklicht hat (Künkel, FamRZ 1994, 542 Fn. 20; Seetzen, NJW 1994, 2505, 2506).
B. Der Beklagte ist unterhaltsrechtlich verpflichtet, wenigstens den Mindestunterhalt der Klägerin sicherzustellen.
1. Es ist weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich, daß der Beklagte nicht bereits vor dem 01. 05. 1994 eine Arbeitsstelle
hätte finden können, die es ihm ermöglicht hätte, unter Wahrung seines Selbstbehalts den Mindestunterhalt der Klägerin zu
zahlen, so daß er - teilweise fiktiv - als leistungsfähig angesehen werden muß.
Der Beklagte hat in keiner Weise dargelegt, welche Bemühungen er seit Eintritt seiner Arbeitslosigkeit bis zum Beginn seiner
neuen Erwerbstätigkeit als Fahrer unternommen hat. Von einem Arbeitssuchenden wird verlangt, daß er nahezu die gesamte Zeit,
die ein Vollerwerbstätiger berufstätig ist, für die Arbeitssuche aufwendet (vgl. Kalthoener/Büttner, Die Rechtsprechung zur
Höhe des Unterhalts, 5. Aufl., Rn. 619). Dazu gehört nicht nur die Meldung beim Arbeitsamt, sondern auch eine umfangreiche
Privatinitiative, die Bewerbungen auf Stellenanzeigen in Zeitungen und Eigeninserate über einen längeren Zeitraum, sogar auch
außerhalb des unmittelbaren Wohnbereichs umfassen muß. Zwar mag sich - wie der Beklagte vorträgt - die allgemeine Arbeitsmarktsituation
im Vergleich zum Zeitpunkt, als die höchstrichterliche Rechtsprechung (BGH, FamRZ 1982, 255, 256 = NJW 1982, 1873, 1874; FamRZ 1986, 244, 246 = NJW 1986, 718, 719; FamRZ 1986, 885, 886 und 1085, 1086; FamRZ 1987, 144 u. ö.) ihre Anforderungen an die Bemühungen um eine Arbeitsstelle aufgestellt hatte, erheblich verschlechtert haben. Entgegen
seiner Auffassung enthebt dies den Beklagten jedoch nach den Gegebenheiten des vorliegenden Falles nicht davon, sich mit vollem
persönlichen Einsatz um eine angemessene Arbeit zu bemühen. Es bestehen keine konkreten Anhaltspunkte dafür, daß eine reale
Beschäftigungschance selbst bei ausreichenden Arbeitsplatzbemühungen nicht bestanden hat (vgl. BGH, FamRZ 1987, 144).
Diesen Anforderungen an eine intensive Arbeitsplatzsuche ist der Beklagte nach seinem eigenen Vortrag nicht gerecht geworden.
Der Beklagte hat weder Bewerbungsschreiben noch Eigeninserate vorgelegt, aus denen sich Rückschlüsse auf die Ernsthaftigkeit
seines Arbeitswillens ziehen lassen könnten. Es bestehen keine konkreten Anhaltspunkte dafür, daß es ihm im Falle ausreichender
Bemühungen nicht möglich gewesen wäre, bereits früher eine angemessene Arbeitsstelle zu finden und ein Einkommen zu erzielen,
das an seinen früheren Verdienst vor der Arbeitslosigkeit anknüpft und das er nach seinem Alter, seiner Vorbildung und seinem
beruflichen Werdegang erzielen könnte. Der 45jährige Beklagte hat in seinem erlernten Beruf als Elektroschweißer zwar nur
wenige Jahre gearbeitet; er trägt aber keine überzeugenden Gründe vor, weshalb es ihm nicht möglich sein sollte, etwa diesen
Beruf wieder zu ergreifen. Es ist im übrigen weder vorgetragen noch ersichtlich, warum er nicht auch in seiner jetzigen Stellung
als Fahrer bei der Firma M. einen höheren Lohn erzielen könnte.
Der Beklagte hat in seiner Berufungsschrift (II 5) lediglich mitgeteilt, daß er seit dem 01.05.1994 als Fahrer beschäftigt
ist. Zur durchschnittlichen Höhe seines Verdienstes seit Mai 1994 und zum Umfang seiner Beschäftigung trägt der Beklagte nichts
vor. Er hat sich darauf beschränkt, die Verdienstabrechnung (nur) für den Monat August vorzulegen, die ausschließlich den
Grundlohn von brutto 1.786, 00 DM und die Abzüge für Lohnsteuer sowie die Arbeitnehmeranteile für Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung
mit einem Auszahlungsbetrag von netto 1.425,04 DM ausweist.
Es muß deshalb davon ausgegangen werden, daß der Beklagte in der Lage ist, einen Verdienst von wenigstens monatlich 1.800,
00 DM netto einschließlich Urlaubs- und Weihnachtsgeld zu erzielen. Sein pauschaler Hinweis auf die allgemeine schlechte Lage
auf dem Arbeitsmarkt rechtfertigt keine andere Beurteilung. Nach Abzug des monatlichen Kindesunterhalts von 318,00 DM für
den laufenden Unterhalt verbleibt dem Beklagten der mit monatlich 1.300, 00 DM anzusetzende notwendige Eigenbedarf (Selbstbehalt).
Auf die - in einzelnen nicht substantiierten - Pfändungen kommt es nicht an.
Damit hat die Berufung des Beklagten im Ergebnis keinen Erfolg.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus §
97
ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§
708 Nr. 10,
711
ZPO.
III. Der Senat hat die Revision zugelassen. Grundsätzliche Bedeutung hat insbesondere die Frage, ob der gesetzliche Anspruchsübergang
nach § 91 Abs. 1 Satz 1 BSHG 1993 auch Unterhaltsansprüche aus der Zeit vor dem Inkrafttreten der Neuregelung am 27.06.1993 erfaßt.