Prozeßkostenvorschuß - Vermögen - Freistellungsanspruch Sozialhilfe - Rückabtretung
Gründe:
I. Die Klägerin begehrt Prozeßkostenhilfe für ihre am 30.03.1998 eingereichte - bisher nicht zugestellte - Klage auf Getrenntlebensunterhalt
in Höhe von monatlich 925,00 DM ab April 1998, rückständigen Ehegattenunterhalt für Februar und März 1998 in Höhe von zusammen
1570,00 DM und Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 415,00 DM ab April 1998 sowie rückständigen Kindesunterhalt für Februar
und März 1998 in Höhe von zusammen 300,00 DM. Ihr beklagter Ehemann habe ein monatliches Nettoeinkommen von 2810,00 DM, zahle
aber lediglich monatlichen Kindesunterhalt für den am 29.12.1992 geborenen ehegemeinsamen Sohn Markus in Höhe von 265,00 DM
und Ehegattenunterhalt in Höhe von monatlich 140,00 DM.
Die Parteien streiten insbesondere um die Bereinigung des zu berücksichtigenden Einkommens des Beklagten.
Die Klägerin, die für eine Umschulungsmaßnahme vom Arbeitsamt Unterhaltsgeld in Höhe von monatlich 452,00 DM erhält, bezieht
seit 24.10.1996 für sich und das Kind ergänzende Sozialhilfe, und zwar im Klagezeitraum wie folgt:
im Monat für die Klägerin selbst für das Kind Markus zusammen
Februar 1998 263,60DM 445,00 DM 708,60DM
März 1998 263,60DM 445,00 DM 708,60DM
April 1998 0,00DM 408,60 DM 408,60DM
Mai 1998 448,60DM 445,00 DM 893,60DM
Juni 1998 448,60DM 445,00 DM 893,60DM
ab Juli 1998 450,00 DM 446,00 DM 896,00DM
Das Sozialamt des Landratsamts Karlsruhe hat die übergegangenen Ansprüche durch Abtretungserklärung vom 08.11.1996 gemäß §
91 Abs. 4
BSHG auf die Klägerin rückübertragen, die ihrerseits die geltend gemachten Unterhaltsansprüche an das Sozialamt abgetreten hat.
Durch Beschluß vom 27.05.1998 hat das Amtsgericht Prozeßkostenhilfe versagt, da die Klägerin nicht bedürftig sei. Sie könne
von dem Sozialhilfeträger, der Inhaber des Unterhaltsanspruchs geblieben sei und weiterhin das Prozeßkostenrisiko trage, einen
Prozeßkostenvorschuß verlangen.
Gegen die Versagung der Prozeßkostenhilfe richtet sich die Beschwerde der Klägerin, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat.
II.
Die gemäß §
127 Abs.
2 Satz 2
ZPO zulässige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg. Die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine Prozeßkostenhilfebewilligung
(§
114
ZPO) liegen bezüglich des Ehegattenunterhaltes vor, da die bedürftige Klägerin Trennungsunterhalt geltend macht, der die gewährte
Sozialhilfeleistungen der Höhe nach erheblich übersteigt.
1. Dem Amtsgericht ist grundsätzlich darin zuzustimmen, daß einer Partei, die einen rückabgetretenen, zuvor auf das Sozialamt
übergegangenen Unterhaltsanspruch im eigenen Namen einklagt, ein Anspruch auf Zahlung eines Prozeßkostenvorschusses gegen
das Sozialamt zusteht (Johannsen/Henrich/Thalmann, Eherecht, 3. Aufl., §
115
ZPO, Rn. 20 unter Bezugnahme auf OLG Koblenz, FamRZ 1997, 1086 entgegen OLG Köln, FamRZ 1997, 297, 298). Dieser Anspruch zählt zum Vermögen der Klagpartei, das sie gemäß §
115 Abs.
2
ZPO grundsätzlich zur Deckung der Prozeßkosten einzusetzen hat (vgl. Zöller/Philippi,
ZPO, 20. Aufl., §
115, Rn, 66).
Das OLG Koblenz stützt seine entsprechende Ansicht auf § 91 Abs. 4 Satz 2 BSHG, wonach von dem Träger der Sozialhilfe Kosten, mit denen der Hilfeempfänger durch die mögliche Rückübertragung des auf die
Sozialbehörde übergegangenen Unterhaltsanspruchs und die Abtretung des geltend gemachten Unterhaltsanspruchs belastet wird,
zu übernehmen hat. Die Forderung eines Vorschusses zur Geltendmachung eventueller Rechte rechtfertige sich daraus, daß der
Hilfeempfänger Rechte des Sozialhilfeträgers geltend mache, also in dessen Position trete. Die Prüfung, ob Ansprüche des Sozialhilfeträgers
im Prozeß geltend gemacht werden und eine Inanspruchnahme aussichtsreich erscheine, solle vom Sozialhilfeträger vorgenommen
werden. Ihm sei es daher auch möglich und zumutbar, die anfallenden Prozeßkosten für den Hilfeempfänger als Prozeßkostenvorschuß
zur Verfügung zu stellen.
Demgegenüber vertritt das OLG Köln die Auffassung, daß es sich bei § 91 Abs. 4 Satz 2 BSHG um einen Übernahme- (= Freistellungs-)Anspruch handle, der nach Prozeßende von der Partei gegen den Sozialhilfeträger geltend
zu machen sei. Dessen Verpflichtung zur Kostenübernahme beinhalte deshalb keinen Prozeßkostenvorschußanspruch des Hilfeempfängers
gegen den Sozialhilfeträger (ebenso auch Heiß/ Hußmann, Unterhaltsrecht, S. 16.55 a- wohl auch Gerhardt in Handbuch Fachanwalt,
Familienrecht, 1997, Kapitel 6, Rn. 23,- Hinweis des OLG Hamm zu § 91
BSHG und § 7
UVG, Fam RZ 1997, 275).
Der erkennende Senat schließt sich grundsätzlich der Ansicht des OLG Koblenz an. Wenn die gegenteilige Ansicht des OLG Köln
darauf abstellt, daß der Hilfeempfänger regelmäßig bedürftig im Sinne des Prozeßkostenhilferechts sei und deshalb eine Kostenbelastung
durch die Rechtsverfolgung der rückübertragenen Ansprüche regelmäßig erst mit dem Ende des Rechtsstreits (Erstattungsansprüche
des Gegners bei verlorenen Prozessen) in Betracht komme, so trifft dies gerade dann nicht zu, wenn Vermögen in Form eines
Prozeßkostenvorschußanspruchs vorhanden ist, §
115 Abs.
2
ZPO. Mit diesem Vermögen ist der Hilfeempfänger in der Lage, nicht erst die Erstattungsansprüche des Gegners zu begleichen, sondern
bereits den nach § 65 Abs. 1 S. 1 GKG grundsätzlich erforderlichen Vorschuß in Höhe der Verfahrensgebühr nach dem Kostenverzeichnis 1201 zu zahlen (die Gebührenfreiheit nach § 65 Abs. 7 Nr. 2
GKG steht nicht dem Hilfeempfänger, sondern nur dem Sozialhilfeträger zu), ebenso den Vorschuß an den beauftragten Rechtsanwalt
nach § 17
BRAGO in Höhe von zumindest einer Prozeß- und einer Verhandlungsgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 und 2
BRAGO. Der Hilfeempfänger kann damit grundsätzlich keine Prozeßkostenhilfe erhalten, weil er insoweit Auslagenvorschuß vom Sozialhilfeträger
verlangen kann (vgl. Zöller, aaO, § 114 Rn. 10 a). Denn es kann nicht Aufgabe der Prozeßkostenhilfe sein, die vorrangig den
Sozialämtern obliegende Durchsetzung ihrer Aufwendungen als Unterhaltsansprüche gegen den Unterhaltsschuldner zu finanzieren
(OLG Koblenz, aaO).
Diese Erwägungen gelten nicht nur für Unterhaltsrückstände, sondern grundsätzlich auch für die Geltendmachung von künftigen
Unterhaltsansprüchen, die der Träger der Sozialhilfe nach § 91 Abs. 3 Satz 2 BSHG bis zur Höhe der bisherigen monatlichen Aufwendungen selbst einklagen kann. Denn nach § 91 Abs. 4 Satz 1 und 2
BSHG sind von ihm auch die Kosten zu übernehmen, mit denen der Hilfeempfänger nicht nur durch die Rückübertragung der übergegangenen
Unterhaltsansprüche belastet wird, sondern auch durch die Abtretung geltend gemachter Unterhaltsansprüche. Ausgehend von dem
Anliegen des Gesetzgebers, die Verwaltung, die subsidiäre Sozialleistungen erbringt, bei der Durchsetzung der übergegangenen
Ansprüche zu entlasten, ist eine Differenzierung nach Unterhaltsansprüchen, die vor oder nach Anhängigkeit oder nach Rechtshängigkeit
einer Klage entstanden sind, in der Regel nicht sachgerecht.
Nach diesen Grundsätzen hat das Familiengericht zu Recht den Prozeßkostenhilfeantrag bezüglich des ab Februar 1998 geltend
gemachten Kindesunterhalts versagt und insoweit die Klägerin auf einen Prozeßkostenvorschuß gegen den Sozialhilfeträger verwiesen
(§ 91 Abs. 4
BSHG). Denn die auf das Sozialamt übergegangenen und rückabgetretenen öffentlich-rechtlichen Kindesunterhaltsleistungen von monatlich
445,00 DM bzw. 446,00 DM übersteigen den von der Klägerin geltend gemachten privatrechtlichen Anspruch nach §§
1601 ff.
BGB in Höhe von monatlich 415,00 DM (bis auf eine monatliche Zahlung von 408,60 DM, was nicht streitwertrelevant ist). Daher
nimmt die Klägerin mit ihrer Kindesunterhaltsklage in erster Linie die Interessen der Sozialhilfe, weniger ihre (wertmäßig
geringeren) Interessen auf eine Titelverschaffung ".inter partes" wahr, was es rechtfertigt, den eigentlichen Interessenschuldner
kostenmäßig - im Wege des in § 91 Abs. 4
BSHG normierten Erstattungsanspruchs - in Anspruch zu nehmen. Diese kostenmäßige Haftung desjenigen, dessen eigentlichen Interessen
wahrgenommen werden, der also der wahre Antragsteller ist, entspricht allgemeinem Kostenrecht (vgl. § 2 Nr. 2
KostO; Johannsen/Henrich/Thalmann, aaO, 114
ZPO, Rn. 2 zu §
1629 Abs.
3
BGB).
Der Klägerin hat somit das Familiengericht hinsichtlich ihres (für das Sozialamt) eingeklagten Kindesunterhalts zu Recht Prozeßkostenhilfe
versagt und sie auf den Vorschußweg gegenüber der Sozialbehörde verwiesen.
2. Etwas anderes gilt aber dann, wenn - wie vorliegend - die Klägerin künftigen Trennungsunterhalt geltend macht, der die
öffentlichen Leistungen wesentlich (und damit streitwerterhöhend) übersteigt. In diesen Fällen bleibt der Unterhaltsberechtigte
Forderungsinhaber der die öffentlichen Leistungen übersteigenden Beträge; denn ein Anspruchsübergang nach § 91 Abs. 1 Satz 1 BSHG findet nur "bis zur Höhe der geleisteten Aufwendung" des Sozialhilfeträgers statt. Deshalb besteht für den nicht kraft Gesetzes
übergegangenen Unterhaltsanspruch auch kein Anspruch gegen den Sozialhilfeträger auf Zahlung eines Prozeßkostenvorschusses
mit der Folge, daß im Umfang dieser Differenz Prozeßkostenhilfe - bei Bejahung hinreichender Erfolgsaussicht - eigentlich
zu gewähren wäre, während hinsichtlich des rückabgetretenen Sockelbetrages (also im Umfang der geringeren Sozialhilfeleistung)
weiterhin ein Kostenvorschuß des Sozialhilfeträgers in Betracht käme.
Diese Aufspaltung eines Unterhaltsanspruchs (hier Trennungsunterhalt) in einen mit Prozeßkostenhilfe versehenen Teil und einen
restlichen Abschnitt, für den nach § 91 Abs. 4
BSHG Prozeßkostenvorschuß geltend zu machen wäre, ist weder sinnvoll noch prozeßökonomisch und übersieht die Bedeutung der Einheitlichkeit
des Verfahrens, kostenrechtliche Folgen der Streitwertvorschrift des § 17
GKG sowie die Tatsache, daß vorliegend ein Vermögenseinsatz in Form eines Vorschusses nicht zumutbar wäre (§
115 Abs.
2, 1. Halbsatz
ZPO).
a) Da die Klägerin sich eines - die gewährte Sozialhilfe erheblich übersteigenden - Trennungsunterhaltes ohne zeitliche Befristung
berühmt, ist in ihm stets auch - als wertmäßig geringerer Teil - die rückabgetretene Sozialhilfeleistung mit enthalten, den
die Klagpartei (sozusagen automatisch) damit ebenfalls geltend macht. Dies ändert aber nichts daran, daß sie mit ihrer einheitlichen
Klage ureigene Interessen wahrnimmt, nämlich eine ihren vollen Rechtsanspruch ausschöpfende Unterhaltstitulierung erlagen
will, aufgrund derer sie künftig - in diesem Umfang - von der Notwendigkeit einer zu beanspruchenden Sozialhilfe befreit ist.
b) Daß in diesem Fall die privatrechtlichen Interessen der Klagpartei jene öffentlichrechtlichen Interessen der Sozialbehörde
übersteigen, zeigt auch ein Blick auf § 17
GKG: Der für die Kostenregelung maßgebliche Streitwert der einheitlichen (gesamten) Trennungsunterhaltsklage umfaßt streitwertmäßig
auch jenen bezüglich der Sozialhilfeleistungen und übersteigt ihn stets. Kostenmäßig ist daher der Teilstreitwert bezüglich
der Sozialhilfeleistungen gar nicht maßgeblich-, vielmehr ist er ohne Einfluß auf den für die Unterhaltsklage der Klägerin
festzusetzenden Streitwert.
c) Im übrigen wäre die Sozialhilfe in Fällen vorliegender Art gehalten, aus Kostenwahrungsgründen die Zahlung eines Vorschusses
aus dem sie betreffenden, geringeren Teilstreitwert schon deswegen zu verweigern, weil die Klägerin aus ihrem (stets höheren)
Gesamtstreitwert der einheitlichen Unterhaltsklage (ebenfalls) vorschußpflichtig ist, sofern ihr nicht Prozeßkostenhilfe infolge
Bedürftigkeit bewilligt werden müßte.
d) Ist aber ein Prozeßkostenvorschuß nicht oder nur schwer durchsetzbar, dann besteht kein aktuell einsetzbarer Vermögenswert.
Ein Vermögenseinsatz ist dann im Sinn des §
115 Abs.
2
ZPO nicht zumutbar mit der Folge, daß im Umfange der gesamten Unterha)tsklage eine Prozeßkostenhilfebewilligung zugunsten der
Klägerin zu prüfen ist, wobei allerdings die subjektiven Voraussetzungen im Sinn einer Ratenfreiheit bereits geklärt sind
(vgl. Senat, FamRZ 1994, 714).
3. Die Prüfung der objektiven Voraussetzungen, nämlich der hinreichenden Erfolgsaussicht der Trennungsunterhaltsklage ist
daher vorliegend noch offen und der ersten Instanz vorzubehalten, da das Amtsgericht - aus seiner Sicht zu Recht - bisher
noch gar nicht in eine derartige Erfolgsprüfung einzutreten hatte und daher der Senat einer amtsgerichtlichen, erstmaligen
Entscheidung nicht vorgreifen will.
4. Für eine Kostenentscheidung besteht im Verfahren wegen Prozeßkostenhilfe kein Anlaß (§
127 Abs.
4
ZPO).