Asylbewerber ist im Krankenhaus nicht selbstzahlender Privatpatien - Arzthaftung; Krankenhaus; Privatpatient; Asylbewerber;
Sozialhilfeempfänger
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Ein
Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Bezahlung seiner stationären Behandlung in der Augenklinik steht der Klägerin
weder aus Vertrag noch aus anderen Rechtsgründen zu.
Hinsichtlich des ersten stationären Aufenthalts in der Zeit vom 25.07. bis zum 26.08.1992 haben die Parteien keine ausdrückliche
Abmachung getroffen wonach der Beklagte als sog. Selbstzahler behandelt wird.
Ein solcher Vertrag ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht etwa durch die Erklärung des Beklagten zustande gekommen,
er sei mit dem operativen Eingriff einverstanden. Diese Erklärung war als Einwilligung in den medizinischen Eingriff zu dessen
Rechtfertigung erforderlich. Sie wurde von den behandelnden Ärzten eingefordert und hatte mit der Kostenübernahme nichts zu
tun.
Der Senat vermag auch nicht festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Vertrag über Krankenhauspflege mit Selbstzahlerverpflichtung
des Beklagten stillschweigend zustande gekommen ist.
Allerdings kann je nach den Umständen des Einzelfalles ohne ausdrückliche Erklärung insbesondere in der Entgegennahme üblicherweise
nur gegen Vergütung gewährter Leistungen die Annahme eines Vertragsangebotes durch schlüssiges Verhalten liegen. Ein stillschweigender
Vertragsschluß unter diesem Aspekt setzt auch und besonders beim Krankenhausaufnahmevertrag voraus, dass insbesondere der
Patient die ihm gewährte Behandlung als an ihn gerichtetes Vertragsangebot mit Entgeltverpflichtung durch ihn aufzufassen
hat (Laufs-Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts § 41 RZ 12). Daran fehlte es im Streitfall, denn nach dem eigenen Vortrag der
Klägerin sind beide Parteien, insbesondere auch sie selbst, zunächst von einer Kostenübernahme durch den Sozialhilfeträger
ausgegangen, wofür insbesondere der Umstand spricht, dass sie bereits - wie aus dem Schreiben der Stadt E. vom 15.09.1992
(Bl. 93 d. A.) hervorgeht - unter dem 30.07.1992 Kostenübernahme bei deren Sozialamt beantragt hat. Auch trägt das Verordnungsformular
der niedergelassenen Augenärzte für die zweite Behandlung vom 03.09.1992 den Vermerk Sozialamt H. (als Kostenträger).
Von einer Kostenübernahme seitens des zuständigen Sozialamtes bzw. der Gemeinde geht auch das Schreiben vom 04.02.1993 an
die Rechtsanwälte W., Z. und W. aus, in welchem sie Bezug nimmt auf den ursprünglich zuständigen Kostenträger, die Stadt E..
Ging die Klägerin aber selbst davon aus, dass die Kosten von diesem Träger erstattet werden würden, so bestand aus ihrer Sicht
keine Veranlassung und auch keine Absicht, wegen des Entgelts in vertragliche Beziehungen zum Beklagten persönlich zu treten.
Soweit die Klägerin vorträgt, die Annahme, der Sozialhilfeträger werde einspringen, habe nur darauf beruht, dass der Beklagte
als Ursache für die Augenverletzung einen Sturz im Badezimmer angegeben habe, weist der Beklagte zu Recht darauf hin, dass
zum einen nach dem Schreiben der Klinikärztinnen vom 19.08.1992 (Bl. 7 der Ermittlungsakte) nicht klar ist, ob der Beklagte
in der Tat schon bei der stationären Aufnahme am 24.07.1992 auf diese Unfallursache hingewiesen hat. Eher scheint es nach
dem Inhalt dieses Schreibens so gewesen zu sein, dass er erst am 27.07.1992, also drei Tage nach dem Unfall und der ursprünglichen
Aufnahme, Angaben zum Unfallgeschehen gemacht hat. Im übrigen kann dies auch dahinstehen, denn selbst wenn er schon bei der
ersten Aufnahme am 24.07. eine solche Angabe gemacht hätte, bedeutet dies noch nicht, dass die unmittelbar behandelnden Ärzte,
denen er als Notfallpatient unmittelbar vorgestellt worden war, sich vor der Behandlung Gedanken darüber gemacht haben, ob
nach dem geschilderten Unfallhergang der Sozialhilfeträger eintreten werde oder aber, ob man den Beklagten unmittelbar vertraglich
binden solle.
Auch soweit die Klägerin vorträgt, sie sei nur aufgrund der Angaben des Beklagten, er sei im Bad gestürzt, von einer Kostenübernahme
durch den Sozialhilfeträger ausgegangen, ergibt sich hieraus noch nicht, dass sie den Beklagten unmittelbar vertraglich hat
binden wollen. Sie trägt nämlich nicht schlüssig vor, dass sie nur aufgrund eines Irrtums die Behandlung des Beklagten vorgenommen
habe und bei Kenntnis der wahren Sachlage davon Abstand genommen hätte bzw. auf einem privatrechtlichen Vertragsabschluß mit
dem Beklagten bestanden hätte. Vielmehr war sie, was die Klägerin auch wiederholt selbst schriftsätzlich vorgetragen hat,
verpflichtet, den am Auge schwer verletzten Beklagten als Notfall im Rahmen ihrer Kapazitäten aufzunehmen und zu behandeln.
So hat sie unter anderem in ihrem Schriftsatz vom 08.06.1994 zutreffend ausgeführt, da der Beklagte als Notfall eingewiesen
worden sei, sei sie auch ohne schriftlichen Aufnahmevertrag zur Behandlung verpflichtet gewesen.
Auch aus dem Umstand, dass der Beklagte sich faktisch hat behandeln lassen, kann nicht etwa geschlossen werden, dass er damit
auch stillschweigend eine entsprechende vertraglich bindende Erklärung zu seinen finanziellen Lasten hat abgeben wollen. Vielmehr
muß nach der konkreten Situation davon ausgegangen werden, dass ihm als Notfallpatienten nur an einer medizinisch sachgerechten
Behandlung gelegen war und er davon ausgegangen ist, auch als Asylant medizinische Hilfe zu erhalten und finanziert zu bekommen.
Gegenteiliges hat die Klägerin jedenfalls nicht substantiiert dargetan und ist im übrigen auch nicht anzunehmen, denn es spricht
nichts dafür, dass der Beklagte insoweit weitergehende Kenntnisse gehabt haben könnte als die Klägerin selbst, die, wie erwähnt,
nach eigenem Vortrag zunächst davon ausgegangen ist, das Sozialamt werde die Kosten tragen.
Diese Erwägungen gelten insbesondere hinsichtlich der ersten stationären Behandlung. Nach den insoweit vorliegenden Unterlagen
war es schlechterdings so, dass man auch seitens der Krankenhausverwaltung davon ausgegangen ist, der Sozialhilfeträger werde
hier die Kosten übernehmen und sich von daher auch gar nicht veranlaßt gesehen hat, den Beklagten unmittelbar selbst vertraglich
zu binden.
Aber auch hinsichtlich der zweiten stationären Behandlung begründet der von der Ehefrau des Beklagten unterschriebene Behandlungsvertrag
vom 08.09.1992 keine vertragliche Zahlungsverpflichtung des Beklagten gemäß §
1357 BGB, vorausgesetzt die Ehefrau hat den Inhalt des von ihr unterzeichneten Formulars überhaupt verstanden. Die Klägerin hat immerhin
niemanden konkret benennen können, der der Ehefrau des Beklagten damals den Inhalt des Schriftstückes, das sie unterzeichnet
hat, erläutert hat. Auch hat die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen, dass die Ehefrau über so ausreichende Deutschkenntnisse
verfügte, dass sie diesen Inhalt von sich aus hätte verstehen können.
Diese Frage kann jedoch letztlich dahinstehen, denn die Voraussetzungen des §
1357 BGB liegen ohnehin nicht vor. Zwar sind ärztliche Behandlungen grundsätzlich zum Lebensbedarf der Familie im Sinn von §
1357 BGB zu zählen, da sie der Gesundheit als dem primären und ursprünglichen Lebensbedarf dienen. Dies allein begründet jedoch noch
keine Verpflichtung des Ehegatten für die Zahlung der Behandlungskosten, denn insoweit ist die Einschränkung des §
1357 Abs.
1 Satz 2
BGB zu beachten, wonach durch Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie beide Ehegatten verpflichtet werden,
es sei denn, dass sich aus den Umständen etwas anderes ergibt. Zu den hiernach maßgeblichen Umständen gehören insbesondere
auch die wirtschaftlichen Verhältnisse der Familie in Bezug auf die voraussichtlichen Kosten der ärztlichen Behandlung. Übersteigen
diese Kosten der ärztlichen Behandlung die wirtschaftlichen Verhältnisse der Familie, so scheidet eine Inanspruchnahme über
§
1357 BGB von vornherein aus (so BGH FamRZ 1992, 291 f). Vorliegend ist von einem solchen Ausnahmefall auszugehen. Da der Beklagte Hilfe zum Lebensunterhalt als Asylant bezieht,
wobei diese Hilfe überwiegend in Sachleistungen besteht, übersteigen die Kosten der vorliegenden ärztlichen Behandlung bei
weitem seine wirtschaftlichen Verhältnisse, so dass seine Inanspruchnahme über §
1357 BGB ausscheidet.
Im Ergebnis hat demzufolge die Klägerin nicht ausreichend substantiiert dargetan, dass der Beklagte sich ihr gegenüber hinsichtlich
der medizinischen Behandlungen vertraglich hat binden wollen und gebunden hat.
Demzufolge führt auch die Berufung der Klägerin auf die Bestimmung des §
612 BGB, wonach eine Vergütung als stillschweigend vereinbart gilt, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung
zu erwarten ist, nicht zur Bejahung des geltend gemachten Anspruches, denn auch diese Bestimmung setzt den Abschluss eines
Dienstvertrages voraus, was vorliegend gerade zu verneinen ist.
Auch ein Anspruch wegen Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß 677, 683
BGB kann nicht angenommen werden.
Es ist schon zweifelhaft, ob die Klägerin mit der Übernahme der Behandlung des Beklagten ein Geschäft des Beklagten hat führen
wollen oder nicht vielmehr ein solches des Sozialhilfeträgers. Jedenfalls entsprach die Übernahme der Geschäftsführung, soweit
es den Kostenaufwand angeht, nicht dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Beklagten.
Der Beklagte hatte nämlich gegen den Träger der Sozialhilfe gemäß §§ 120 Abs. 2 S. 2, 37 Abs. 3 BSHG Anspruch auf Krankenhilfe, die inhaltlich den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht. Sein Anspruch auf
ermessensfehlerfreie Entscheidung über weitere Sozialleistungen in Form von Krankenhilfe durch Krankenhauspflege konnte angesichts
der Schwere seiner Verletzung (Berstverletzung des Augapfels) nur dahin gehen, Krankenhauspflege zu erhalten. Jede andere
Entscheidung der Stadt E. war rechtswidrig.
Es war auch unerheblich, ob der Beklagte die Verletzung durch einen nicht von einem anderen verursachten Unfall oder durch
einen Angriff des Bäckergehilfen A. J. M. (geb. 1964) erlitten hat. Zur Zeit der Behandlungsbedürftigkeit war ein Schadensersatzanspruch
in Höhe von mehr als 20.000,-- DM Behandlungskosten gegen den angeblichen Schädiger ersichtlich nicht realisierbar. Die Stadt
E. verstieß deshalb gegen § 5 BSG, als sie den Beklagten auf Ansprüche gegen M zu verweisen suchte. Die Hilfe ist dann zu
gewähren, wenn sie erforderlich ist, in Krankheitsnotfällen mithin sofort. Sie kann nicht unter Verweis auf unklare und jedenfalls
in der erforderlichen Höhe bei angeblichen Schadensverursachern nicht realisierbare Beträge verweigert werden. (vgl. Knopp-Fichtner,
BSG 7. Aufl., R 21 zu § 44 BSG). Nachdem die Stadt E. die Kostenübernahme rechtswidrig abgelehnt hat, kann die Klägerin gemäß
§ 121 BSHG einen eigenen Anspruch aus öffentlicher Geschäftsführung ohne Auftrag für den Träger der Sozialhilfe geltend machen (vgl.
Schellhorn-Jirasek-Seipp, BSHG 15. Aufl. § 121 BSHG Anm. 1), denn die Behandlung des Beklagten war in beiden Abschnitten so eilbedürftig, dass die Entscheidung des Sozialhilfeträgers
nicht rechtzeitig herbeigeführt werden konnte. Da diese Möglichkeit Aufwendungsersatz zu erlangen jedenfalls unmittelbar nach
der Behandlung des Beklagten bestanden hat, durfte die Klägerin nicht davon ausgehen, beim Kostenaufwand mit Willen und im
Interesse des Beklagten zu handeln.
Zusammenfassend ist auch im Falle des Sozialhilfeempfängers - bei Asylsuchenden im Sinne von § 120 Abs. 2 BSHG beschränkt auf absolute Notfälle -, wie bei Kassenpatienten der Honoraranspruch des Krankenhausträgers von dem übrigen Behandlungsvertrag
zwischen dem Patienten und dem Krankenhausträger abgekoppelt, so dass Honoraransprüche nicht gegen den Sozialhilfeempfänger
geltend gemacht werden können (zu den Rechtsbeziehungen zwischen Kassenpatient und Krankenhausträger hinsichtlich der Behandlungskosten
vgl. Steffen, Neue Entwicklungslinien der BGH-Rechtsprechung zum Arzthaftungsrecht, 5. Aufl. S. 18 unter Hinweis auf BGHZ
89, 250: "Demgegenüber ist das Abrechnungsverhältnis von den Behandlungsbeziehungen abgekoppelt. Honorarforderungen bestehen nur
gegenüber der Krankenkasse.")
Nach der Rechtsprechung des Senats darf ein Patient, wenn ein zur Versorgung von Kassenpatienten zugelassener Krankenhausträger
die durch einen Kassenarzt verordnete Krankenhausbehandlung ohne Vorlage einer Übernahmeerklärung durch den Patienten durchführt,
davon ausgehen, dass der Krankenhausträger nach Maßgabe von Rahmenverträgen mit seiner Kasse abrechnet; eine Verweigerung
der Kostenübernahme durch die Krankenkasse etwa mit der Begründung, die Behandlung sei nicht notwenig, unzweckmäßig oder unwirtschaftlich,
geht allenfalls dann zu Lasten des Patienten, wenn der Krankenhausträger den Patienten unter gehöriger Aufklärung über die
Rechtslage vor oder bei der Aufnahme ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass die Kostenübernahme durch die Krankenkasse
zweifelhaft sei und der Patient damit rechnen müsse, im Weigerungsfall wie ein Selbstzahler persönlich wegen der Kosten in
Anspruch genommen zu werden (OLG Köln NJW 1990, 1537).
Nichts anderes kann für den Fall gelten, dass - wie hier - ein Patient, der als Sozialhilfeberechtigter ins Krankenhaus aufgenommen
wird und dort die vorgesehene Behandlung erhält. Bis zu einem ausdrücklichen Hinweis auf eine andere Rechtslage darf er davon
ausgehen, dass er selbst mit Pflegekosten nicht belastet wird.
Dies konnte im Streitfall auch nicht durch § 9 der Allgemeinen Vertragsbestimmungen (AVB) der Klägerin geschehen, die der
Beklagte auch nach deren eigenem Vortrag nie gesehen oder unterschrieben hat. Im übrigen dürfte § 9 AVB als überraschende Klausel anzusehen sein, deren Wirksamkeit an § 3 AGBG scheitert.
Nach allem kann die der Klägerin vom Beklagten persönlich die Bezahlung seiner stationären Aufenthalte in der Augenklinik
nicht verlangen.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den Vorschriften der §§
97,
708 Nr. 10,
713 ZPO.
Beschwer der Klägerin und Streitwert für die Berufungsinstanz: DM 21.990,39.