Sozialhilferecht: Kosten für eine während der Inhaftierung vorgehaltene Unterkunft
Gründe:
Das Prozeßkostenhilfegesuch ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht die für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe
erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg (§
114 ZPO i.V.m. §
166 VwGO) bietet.
Ob der vom Antragsteller geltend gemachte Verfahrensmangel (§
124 Abs.
2 Nr.
5 i.V.m. §
146 Abs.
4 VwGO) vorliegt, bedarf keiner Entscheidung. Denn das Zulassungsverfahren gehört -- gebührenrechtlich -- zum Rechtszug des Rechtsmittels
(§ 14 Abs. 2 Satz 2 BRAGO), so daß hier über das Prozeßkostenhilfegesuch nach den Erfolgsaussichten des Beschwerdeverfahrens -- nach einer eventuellen
Zulassung des Rechtsmittels -- zu entscheiden ist (Beschluß des Senats v. 27.5.1997 -- OVG Bs IV 25/97). Deshalb ist Prozeßkostenhilfe ungeachtet eines eventuellen Verfahrensfehlers zu versagen, wenn die Beschwerde in der Sache
voraussichtlich keinen Erfolg haben wird (vgl. BGH, Beschluß v. 14.12.1993, NJW 1994 S. 1160). So liegt es hier. Denn der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht (§
123 Abs.
3 VwGO i.V.m. §
920 Abs.
2 ZPO). Daraus ergibt sich zugleich, daß auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit -- des Ergebnisses -- der Entscheidung
des Verwaltungsgerichts (§
124 Abs.
2 Nr.
1 VwGO) bestehen. Zutreffend hat vielmehr das Verwaltungsgerichts es abgelehnt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung
zu verpflichten, dem in Untersuchungshaft einsitzenden Antragsteller zur Sicherung der Unterkunft in dem ihm gehörenden, bis
zu seiner Inhaftierung von ihm und nunmehr noch von seiner Ehefrau bewohnten Einfamilienhaus ... in H ab September 1999 monatlich
3.000,-- DM zur Bedienung der Zinsen aus einem Bankkredit aus Sozialhilfemitteln zu bewilligen.
Es kann dahingestellt bleiben, ob ein solcher Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine während der Inhaftierung vorgehaltene
Unterkunft auf § 15 a -- jetzt Abs. 1 (vgl. Art. 1 Nr. 7 a des Gesetzes zur Reform des Sozialhilferechts v. 23.7.1996, BGBl.
I S. 1088) -- BSHG gestützt werden kann (verneinend OVG Berlin, Urt. v. 14.9.1978, FEVS Bd. 27 S. 142, 145; Knopp/Fichtner/Wienand, Bundessozialhilfegesetz, Kommentar, 7. Aufl. § 15 a Rdnr. 3; dafür VGH München, Beschluß v. 22.1.1980, FEVS Bd. 29 S. 14 ff. = ZfF 1983 S. 157; LPK-BSHG, 4. Aufl., § 15 a Rdnr. 7; Mergler/Zink, Bundessozialhilfegesetz, Kommentar, 4. Aufl., § 15 a Rdnr. 8 a; Oestreicher/Schelter/Kunz, Bundessozialhilfegesetz, Kommentar, 4. Aufl., § 15 a Rdnr. 6 a.E.). Denn eine entsprechende Hilfe muß gemäß § 15 a Abs. 1 Satz 1 BSHG der Sicherung der Unterkunft dienen, setzt also voraus, daß mit ihr dem Hilfesuchenden die Unterkunft für eine nicht nur
vorübergehende Zeit erhalten werden kann (VGH Mannheim, Beschluß v. 18.4.1994, LS in VGHBWRspDienst 1994 Beilage 7 B 11; Beschlüsse
des Senats v. 20.12.1996 -- OVG Bs IV 351/96; v. 2.6.1998 -- 4 Bs 188/98; v. 12.8.1998 -- 4 Bs 273/98). Davon kann hier vor allem deshalb nicht ausgegangen werden, weil der Kreditgeber, die Hamburger Sparkasse, seit 1998 --
also bereits unabhängig von der Inhaftierung des Antragstellers Anfang Juni 1999 -- die Zwangsversteigerung des Einfamilienhausgrundstücks
betreibt und ausweislich des Schreibens vom 30. November 1999 an das Verwaltungsgericht selbst bei Einhaltung der mit dem
Antragsteller getroffenen Vereinbarung über die Zahlung von monatlich 3.000,-- DM für den Zeitraum September 1999 bis Februar
2000 ihre Zustimmung lediglich zu einer einstweiligen Einstellung der Zwangsversteigerung gemäß § 30 ZVG in Aussicht gestellt hat. Da jedoch gänzlich ungewiß ist, ob und aus welchen finanziellen Mitteln der Antragsteller oder
seine Ehefrau ab März 2000 die weiter erforderlichen monatlichen Zahlungen für den Kredit über 1.200.000,-- DM werden aufbringen
können, dürfte eine Fortsetzung der Zwangsversteigerung nicht zu vermeiden sein. Der Antragsteller hat über den Anlaß seiner
Verhaftung bzw. die gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe nichts vorgetragen, so daß über die Dauer seiner Inhaftierung
bzw. den Zeitpunkt der Wiederaufnahme seiner Erwerbstätigkeit Prognosen nicht möglich sind. Seine dreißig Jahre alte Ehefrau
ist nach seinen Angaben ohne Berufsausbildung, hat gerade eine Tätigkeit als Verkäuferin in einer Boutique verloren und erwartet
die Bewilligung von Arbeitslosengeld. Danach spricht nichts dafür -- sondern ist im Gegenteil sehr unwahrscheinlich --, daß
sie neben den laufenden Kosten für ihren Lebensunterhalt und den Unterhalt des Hauses ab März 2000 auch noch die erheblichen
Kreditraten wird aufbringen können.
Daß der Antragsteller die Hilfe nur als Darlehen begehrt, ist für die rechtliche Beurteilung ohne Bedeutung, denn insoweit
handelt es sich lediglich um eine besondere Ausgestaltung der Geldleistung als Form der Sozialhilfe (vgl. §§ 15 a Abs. 1 Satz 4, 8 Abs. 1 BSHG), die indessen nicht zu einer Verringerung der Anforderungen an die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen für die Hilfegewährung
zu führen vermag.
Auch aus § 72 BSHG läßt sich ein Anspruch des Antragstellers auf die begehrten Leistungen nicht herleiten. Zwar gehört zu den Maßnahmen, die
die Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten infolge besonderer Lebensverhältnisse nach dieser Vorschrift
umfaßt, unter anderem die Erhaltung der Wohnung (§ 72 Abs. 2 Satz 1 BSHG). Derartige besondere Lebensverhältnisse können vor allem bestehen unter anderem bei aus Freiheitsentziehung Entlassenen,
d.s. Personen, die aus einer richterlich angeordneten Freiheitsentziehung in ungesicherte Lebensverhältnisse entlassen werden
oder entlassen worden sind (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, § 5 VO zu § 72). Danach mag eine Hilfe zur Erhaltung der Wohnung unter
Umständen auch schon präventiv während der Inhaftierung im Hinblick auf eine bevorstehende, konkret abzusehende Entlassung
in Betracht kommen (vgl. z.B. OVG Berlin, Beschluß v. 13.12.1979, FEVS Bd. 28 S. 407; Mösbauer, ZfSH/SGB 1987 S. 67, 72; Oestreicher/Schelter/Kunz, a.a.O., § 72 Rdnr. 13). Vorliegend ist aber bereits gänzlich ungewiß, wann der Antragsteller
aus der Untersuchungs- bzw. einer gegebenenfalls sich anschließenden Strafhaft entlassen und wieder eine eigene Wohnunterkunft
benötigen wird. Ebensowenig steht fest, daß er -- wie dies eine Hilfe nach den angeführten Vorschriften voraussetzt -- nach
der Haft in ungesicherte Lebensverhältnisse entlassen werden und dadurch in soziale Schwierigkeiten geraten wird (§§ 5, 1
Abs. 1 Satz 1 VO zu § 72). Er ist promovierter Volljurist und hat schon nach der Entlassung aus einer früher verbüßten Strafhaft
-- trotz seiner Behinderung (50% GdB) -- offenbar wieder Fuß gefaßt und nach seinen Angaben zuletzt als Syndikus einer GmbH
und Unternehmensberater gearbeitet mit der Folge, daß er 1998 das Einfamilienhaus unter Einsatz von 300.000,-- DM Eigenmitteln
für 890.000,-- DM hat erwerben und herrichten können.
Darüber hinaus kommen Leistungen für den Erhalt der Wohnung nach § 72 BSHG nach allgemeinen sozialhilferechtlichen Grundsätzen regelmäßig nur in Betracht, wenn die Wohnung nach ihrer Größe und hinsichtlich
der durch sie verursachten Kosten sozialhilferechtlich angemessen ist (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 u. 2 RegelsatzVO). Auch Hilfen nach § 72 BSHG sind lediglich besondere Formen der Sozialhilfe, die gemäß § 1 Abs. 1 BSHG die Führung eines menschenwürdigen Lebens, nicht aber einen hierüber hinausgehenden Lebensstandard ermöglichen soll (so zutreffend
OVG Bautzen, Beschluß v. 18.5.1998, FEVS Bd. 49 S. 77, 79). Die Angemessenheitsgrenze ist hier ersichtlich überschritten.
Der mehrfache Hinweis des Antragstellers darauf, daß bei einer Zwangsversteigerung des Hausgrundstücks er mit einer persönlichen
Restschuld gegenüber der Gläubigerin in Höhe von etwa 500.000,-- DM belastet bleibe, vermag seinem Hilfebegehren ebenfalls
nicht zum Erfolg zu verhelfen. Der Erhalt des vorhandenen Vermögens oder die Verhinderung von drohenden finanziellen Verlusten
sind für sich genommen nicht Aufgabe der Sozialhilfe.