OVG Hamburg, Urteil vom 24.05.1989 - IV 133/89, FEVS 39, 187
Hilfe zum Lebensunterhalt für Auszubildende in besonderen Härtefällen (§ 26 Satz 2):
(b-c) erforderlicher gegenüber der Regelvorschrift des § 26 Satz 1 atypischer Lebenssachverhalt;
(c) Gewährung insoweit nicht allein deshalb, weil es dem Auszubildenden während der Examenszeit unmöglich ist, nebenbei einer
Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Fundstellen: DRsp V(545)110b-c, FEVS 39, 187, FamRZ 1989, 1356
Normenkette: BSHG § 15, § 26
»... Um eine besondere Härte anzunehmen, muß ein gegenüber der Regelvorschrift (Satz 1) atypischer Lebenssachverhalt gegeben
sein, der es für den Auszubildenden auch unter Berücksichtigung der öffentl. Interessen objektiv nicht zumutbar erscheinen
läßt, seine Ausbildung abzubrechen oder zu unterbrechen, wobei sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind
(vgl. BVerwG, Beschluß v. 20. 1. 1988, Buchholz 436.0, § 26
BSHG Nr. 3..).
Auch die Gründe, die zu dem geltend gemachten Bedarf geführt haben, sind einzubeziehen. Es geht bei der Ausfüllung des Begriffs
der besonderen Härte nicht lediglich um die Frage, ob der Hilfesuchende neben seiner Ausbildung seinen notwendigen Lebensunterhalt
nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann. Eine besondere Härte ist beispielsweise von
vornherein zu verneinen, wenn der Bedarf des Auszubildenden dadurch entstanden ist, daß er sein Vermögen während des Studiums
verspielt oder sonst durchgebracht hat oder daß er seine Ausbildung schuldhaft unstet und ziellos betrieben hat und deshalb
nach Überschreiten der Förderungshöchstdauer keine Ausbildungsförderung mehr erhält. ...
Der Fall des AntrSt. ist nicht atypisch. Eine individuelle Sondersituation liegt bei ihr nicht vor. Es ist nicht außergewöhnlich,
daß die Notlage des Studierenden gegen Ende der Ausbildung, kurz vor deren Abschluß eintritt. In vielen Fällen wird ein Studierender
innerhalb der Förderungshöchstdauer, in der er für den Lebensunterhalt und die Ausbildung Leistungen nach dem
BAföG erhielt, seine Ausbildung weitestgehend gefördert haben. Es ist auch nicht ungewöhnlich, sondern nachgerade die Regel, daß
in der Endphase des Studiums, insbesondere während der Examenszeit, es dem Studierenden nicht mehr möglich ist, neben dem
Studium einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und sich Geld für den Lebensunterhalt zu verdienen. Die Leistungen, die die AntrSt.
begehrt, sind auch nach Dauer und Höhe nicht so gering, daß sich hieraus eine atypische Situation ergibt. Ungewöhnlich, jedenfalls
bei einer Zusammenschau, mögen zwar die von der AntrSt. in der Vergangenheit erlittenen Schicksalsschläge (Tod des Kindes
im Jahre 1974, Tod der die Wohnung teilenden Freundin im Jahre 1977, Verlust der Wohnungseinrichtung durch eine Gasexplosion
im Jahre 1980) sein, sie vermögen jedoch noch nicht einmal den Fachrichtungswechsel und den späteren Abbruch der Ausbildung
zu erklären. Für das im Jahre 1981aufgenommene Studium haben sie keine Bedeutung mehr.
Die gegenwärtige Situation war für die AntrSt. weder unvorhersehbar noch unabwendbar. Sie hat sehenden Auges mit dem Examen
begonnen, obwohl sie wußte, daß sie .. in dieser Zeit für ihren Lebensunterhalt nicht aufkommen konnte. Sie hatte auch die
Möglichkeit, für die Zeit der Prüfung Vorsorge zu treffen. Außer Einschränkung ihrer Ausgaben .. hätte sie rechtzeitig ein
Semester aussetzen und während dieser Zeit voll in ihrem Beruf arbeiten können. Von ihrem Verdienst hätte sie Ä gemessen an
den Bedarfssätzen des
BAföG Ä genügend für die sechs Monate der Magisterarbeit zurücklegen können. Angesichts der [bisherigen Studiendauer] .. kam es
auf ein Semester mehr oder weniger nicht entscheidend an. ...«