Sozialhilferecht: Begriff des Härtefalls i.S. von § 26 Abs. 1 S. 2 BSHG, Auszubildender
Gründe:
Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin hat Erfolg. Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht die Antragsgegnerin im Wege
einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen zur Anmietung der
Wohnung eine einmalige Hilfe in Höhe von 1.950,- DM zu gewähren.
1. Mit dem Verwaltungsgericht geht das Beschwerdegericht davon aus, daß die Kosten für den Erwerb der zur Anmietung der Zweizimmerwohnung
erforderlichen Genossenschaftsanteile Teil der Kosten der Unterkunft sind. Einem Anspruch des Antragstellers auf Übernahme
dieser Kosten gemäß §§ 120 Abs. 1 Satz 1, 11 Abs. 1 Satz 1, 12 Abs. 1 Satz BSHG steht § 26 Abs. 1 Satz 1 BSHG entgegen. Denn er befindet sich in einer dem Grunde nach nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz förderungsfähigen Ausbildung. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts handelt es sich bei der begehrten Hilfe für die
Anmietung einer Wohnung um einen "ausschließlich ausbildungsgeprägten Bedarf" (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 12.2.1981, BVerwGE
Bd. 61 S. 352; Urt. v. 29.4.1982, Buchholz 436.0 § 26 BSHG Nr. 1; Urt. v. 17.1.1985, BVerwGE Bd. 71 S. 12; Urt. v. 7.6.1989, BVerwGE Bd. 82 S. 125; Urt. v. 3.12.1992, FEVS Bd. 43 S. 221).
Ausschließlich ausbildungsbedingt (ausbildungsgeprägt) ist ein Bedarf, wenn er ausschließlich "wegen der Tatsache der Ausbildung"
besteht (BVerwG, Urt. v. 12.2.1981, a.a.O., S. 356) bzw. wenn er "unmittelbar mit der Ausbildung zusammenhängt" (BVerwG, Urt.
v. 17.1.1985, a.a.O., S. 15). Demgegenüber sind Bedarfe nicht ausschließlich ausbildungsbedingt, die zwar nach ihrer Zuordnung
im Gesetz zur Hilfe zum Lebensunterhalt gehören, die aber einen Bedarf betreffen, "der durch besondere Umstände bedingt ist,
die von der Ausbildung unabhängig sind" (BVerwG, Urt. v. 3.12.1992). Solche besonderen Umstände sind in der Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. insbesondere Urt. v. 3.12.1992, a.a.O.; ferner Urt. v. 9.10.1973, BVerwGE Bd. 44 S. 110) bisher nur dann angenommen worden, wenn sie zugleich zu einem "besonderen Bedarf" bzw. zu einem "besonderen Aufwand" führen,
etwa in dem Sinne, daß es um einen Mehrbedarfszuschlag (nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 u. 3 oder nach § 23 Abs. 3 und Abs. 4 Nr. 2 BSHG), um sonstigen - etwa behinderungsbedingten - Mehrbedarf i.S.v. § 22 Abs. 1 Satz 2 BSHG oder schließlich um besondere einmalige Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt geht (z.B. krankheitsbedingter Mehrbedarf
an Kleidung oder Heizung). Der "Normal"-Bedarf, der seiner Art nach den allgemeinen Lebensunterhalt betrifft, ist danach grundsätzlich
ausschließlich ausbildungsbedingt (BVerwG, Urt. v. 3.12.1992, a.a.O.). Denn es ist gerade Sinn des § 26 Abs. 1 Satz 1 BSHG, eine doppelte Anspruchsberechtigung für denselben Bedarf auszuschließen, wobei der Leistungsausschluß den gesamten vom
Bundesausbildungsförderungsgesetz erfaßten Bedarfsbereich erfaßt und nicht nur das Maß der tatsächlichen Bedarfsdeckung (BVerwG, Urt. v. 3.12.1992 a.a.O.).
Da die Antragsgegnerin sich bereit erklärt hat, den Unterkunftsbedarf der 14 Monate alten Tochter des Antragstellers, die
derzeit in einem Kinderheim der Antragsgegnerin untergebracht ist, in einer Wohnung zu decken und entsprechend die Kosten
für die Hälfte der Genossenschaftsanteile zu bewilligen, ist ein etwaiger nicht ausbildungsbedingter Mehrbedarf des Antragstellers
für die Unterbringung der Tochter in der Wohnung nicht mehr im Streit. Es geht vielmehr ausschließlich darum, ob der Antragsteller
einen Teil seiner eigenen Kosten der Unterkunft von der Antragsgegnerin beanspruchen kann, weil er plant, ab Dezember 1996
neben seiner am 1. Oktober 1996 aufgenommenen Krankenpflegerausbildung schrittweise die Betreuung seiner Tochter zu übernehmen.
Das geplante Zusammenleben mit seiner Tochter ändert an der Art seines eigenen Unterkunftsbedarfes ebensowenig wie an dessen
Umfang. (Ein über den allgemeinen Unterkunftsbedarf einschließlich einer Kaution oder Genossenschaftsanteilen hinausgehender
durch die geplante Kindererziehung entstehender Mehrbedarf beim Antragsteller ist nicht glaubhaft gemacht und nicht erkennbar.)
Dieser Bedarf wird vom ausbildungsförderungsrechtlichen Bedarf im Sinne des §
11 Abs.
1 BAföG erfaßt. Abgesehen davon ergibt sich auch aus dem Umstand, daß dem bisherigen Mietverhältnis des Antragstellers ein alsbaldiges
Ende droht (der befristete Mietvertrag ist bislang nicht ausdrücklich verlängert worden, die Wohnung befindet sich in einem
zum Abriß bestimmten Gebäude), daß der Antragsteller auch unabhängig von den Absichten hinsichtlich der Erziehung seiner Tochter
die Wohnung wechseln und dann entweder Mietvorauszahlung, Kaution oder Genossenschaftsanteile für die neue Wohnung aufbringen
muß. Die jetzt von der Antragsgegnerin geforderten Kosten von Genossenschaftsanteilen für die Wohnung stellen sich auch daher
als - üblicher - Teil der Kosten der Unterkunft dar, die der Antragsteller gem. § 26 Abs. 1 Satz 1 BSHG von der Antragsgegnerin nicht ersetzt verlangen kann.
2.) Ein Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt läßt sich für den Antragsteller nicht aus § 26 Abs. 1 Satz 2 BSHG herleiten, wonach in besonderen Härtefällen Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt werden kann. Die Reichweite dieser Ausnahme
vom Regeltatbestand in § 26 Abs. 1 Satz 1 BSHG ist aus der Gegenüberstellung zur Regelvorschrift zu bestimmen (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.10.1993, BVerwGE Bd. 94, S. 224,
228). Eine besondere Härte besteht deshalb nur, wenn die Folgen des Anspruchsausschlusses über das Maß hinausgehen, das regelmäßig
mit der Versagung von Hilfe zum Lebensunterhalt für eine Ausbildung verbunden und vom Gesetzgeber in Kauf genommen worden
ist. Hilfebedürftige, die eine Ausbildung der in § 26 Abs. 1 Satz 1 BSHG genannten Art betreiben und nach den dafür vorgesehenen Leistungsgesetzen nicht gefördert werden, sind in der Regel gehalten,
von der Ausbildung ganz oder vorübergehend Abstand zu nehmen (vgl. BVerwG, a.a.O.).
Etwas anderes kann hier auch nicht deshalb gelten, weil der Antragsteller beabsichtigt, sich in Zukunft intensiver als bisher
dem Kontakt mit seiner Tochter zu widmen und mittelfristig plant, sie in der Zeit, die ihm neben der Berufsausbildung verbleibt,
zu betreuen. Es ist nicht zu verkennen, daß die Sorge für das Kind eine zusätzliche Belastung neben der Ausbildung für den
Antragsteller darstellt. Diese ausbildungsbedingten Belastungen werden indes abschließend durch die besonderen Regelungen
des Bundesausbildungsförderungsgesetzes berücksichtigt (§§
15 Abs.
3,
48 Abs.
2 BAföG). Wenn sie im Falle des Antragstellers nicht greifen sollten, kann dies nicht auf der Ebene des Sozialhilferechts gleichsam
korrigiert werden. Ein besonderer Härtefall liegt auch nicht unter dem Gesichtspunkt vor, daß die Ausbildung des Antragstellers
für den geltend gemachten Bedarf nicht ursächlich wäre. Ein besonderer Härtefall wird teilweise allerdings mit dieser Begründung
des fehlenden Ursachenzusammenhangs zwischen der Ausbildung und dem Bedarf an Hilfe zum Lebensunterhalt in Fällen schwerer
gesundheitlicher Beeinträchtigungen eines Hilfesuchenden mit dem Hinweis darauf angenommen, daß er auch bei Aufgabe der Ausbildung
nicht in der Lage wäre, ohne Sozialhilfeleistungen auszukommen (vgl. VGH Kassel, Beschluß v. 4.6.1993, FEVS Bd. 43 S. 74;
OVG Lüneburg, Beschluß v. 16.5.1983, FEVS Bd. 33 S. 149). Für den Fall der (ohnehin) drohenden Arbeitslosigkeit bei Abbruch
der Ausbildung ist eine besondere Härte hingegen verneint und damit die Ursächlichkeit der Ausbildung für den sozialhilferechtlichen
Bedarf bejaht worden (BVerwG, Beschluß v. 24.6.1986, ZfSH/SGB 1986 S. 508). Die Situation, in der sich ein alleinerziehender Auszubildender befindet, stellt ebenfalls regelmäßig keine besondere Härte
dar (so ausdrücklich für einen vergleichbaren Fall: BVerwG, Beschluß v. 8.8.1989, Buchholz 436.0 § 26 BSHG Nr. 6). Sofern angeführt wird, der Alleinerziehende könne auch nach Abbruch der Ausbildung seinen Lebensunterhalt nicht durch
Erwerbsarbeit decken, da er das Kind betreuen müsse, so daß er auf jeden Fall auf Hilfe zum Lebensunterhalt angewiesen sei,
kann dem - jedenfalls in dieser Allgemeinheit - nicht gefolgt werden. Der Auszubildende muß auch während der Zeit, in der
er seine Ausbildung betreibt - die Ausbildungsstätte besucht, zu Hause das Erlernte intensiv vertieft und gegebenenfalls anwendet
- für eine anderweitige Betreuung seines Kindes sorgen. Er könnte dann im Grundsatz ebensogut in der betreffenden Zeit einer
Erwerbstätigkeit nachgehen (vgl. OVG Bremen, Besch. v. 21.8.1987, FEVS Bd. 37 S. 183, 185). Daß dies dem Antragsteller dann
nicht mehr möglich wäre, wenn die Tochter - wie geplant - den Lebensmittelpunkt zum Vater verlegt hat, ist nicht erkennbar.
Darüber hinaus bleibt es dem Antragsteller unbenommen, die Voraussetzungen der Aufnahme seiner Tochter in seinen Haushalt
dadurch zu schaffen, daß er entweder eine Wohnung sucht, für die er keine oder nur eine geringfügigere Kaution oder Vorauszahlung
zu leisten hat, oder sich durch Erwerbstätigkeit neben der Ausbildung die notwendigen Mittel hierfür verschafft. Solange der
Antragsteller seine Tochter nur im Kinderheim besucht, nicht aber selber betreuen muß, ist ihm - wie anderen Auszubildenden
auch - zuzumuten, sich die Kosten der Unterkunft notfalls durch Gelegenheits-, Ferien- oder Wochenendarbeiten selbst zu beschaffen
(vgl. OVG Hamburg, Beschluß v. 10.6.1996 - OVG Bs IV 175/96 -, m.w.N.).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§
154 Abs.
1,
188 Satz 2
VwGO.