Sozialhilferecht: Sicherungs der Unterkunft durch Übernahme von Kosten der Lagerung von Mobiliar und Hausrat für die Zeit
der Strafhaft
Gründe:
I.
Der Antragsteller befindet sich in Haft. Seine Wohnung blieb zunächst ohne Leistungen der Antragsgegnerin aufrechterhalten,
weil er dort zusammen mit seiner Ehefrau wohnte. Nachdem diese verstorben war, wurde die Wohnung aufgelöst. Im Zuge eines
Eilverfahrens vor dem Verwaltungsgericht (3 B 2680/99) teilte die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 8. Juli 1999 (a.a.O., Bl. 42) mit, dass sie neben den Kosten des Transports
für die Dauer der Haft auch die Kosten für die Lagerung der Möbel und Kleidung nach dem vorliegenden Kostenvoranschlag in
Höhe von 42,50 DM übernehmen werde, was für den Juli 1999 auch geschah. Grundlage der Entscheidung war u.a. die Erklärung
des Antragstellers im seinem Antrag vom 16. Juni 1999, er werde zum 15. Oktober 1999 nach Verbüßung von zwei Dritteln der
Haftdauer voraussichtlich entlassen werden. Auf eine Nachfrage der Antragsgegnerin teilte die Justizvollzugsanstalt H. dann
aber mit Schreiben vom 26. November 1999 mit, dass das voraussichtliche Strafende der 3. Januar 2004 sei, zwei Drittel der
Strafe seien im Juli 2002 verbüßt. Die Antragsgegnerin übernahm daraufhin keine weiteren Lagerungskosten.
Mit Schreiben vom 14. April 2000 wandte sich der Antragsteller an die Antragsgegnerin und forderte sie auf, die Zahlungen
ab August 1999 wieder aufzunehmen, da sie sich hierzu durch die Erklärung im vorangegangenen Eilverfahren verpflichtet habe.
Mit Bescheid vom 25. April 2000 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Übernahme der Lagerkosten während der Haft, beginnend
mit dem 1. August 1999, ab. Zur Begründung führte sie aus: Eine Übernahme der Kosten sei in analoger Anwendung des § 15 a BSHG nicht möglich, weil es sich nicht um einen kurzzeitigen Freiheitsentzug handele. Hiervon könne in der Regel bis zu einer
Dauer von sechs Monaten ausgegangen werden, die hier jedoch deutlich überschritten werde. Eine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt
dieser Bescheid nicht. Der Antragsteller hat trotz Aufforderung durch das Verwaltungsgericht vom 9. August 2000 und nochmaligen
Hinweis hierauf durch Verfügung vom 16. August 2000 (zunächst) nicht Widerspruch eingelegt.
Mit Beschluss vom 25. August 2000 hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes
abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Antrag bleibe schon deshalb ohne Erfolg, weil ein Verfahren nach §
123 VwGO ein streitiges Rechtsverhältnis voraussetze. Die Antragsgegnerin habe durch einen Verwaltungsakt über den Antrag des Antragstellers
entschieden. Widerspruch habe der Antragsteller nicht eingelegt. Fehle es aber an einem Widerspruch, könne das Gericht nicht
eine Regelung anordnen, die die Behörde verpflichte, einen - vorläufigen - Verwaltungsakt zu erlassen, der im Widerspruch
zu dem bereits erlassenen stünde.
Lediglich ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass der Antrag voraussichtlich auch dann keinen Erfolg hätte haben können, wenn
der Antragsteller noch Widerspruch eingelegt hätte. Die Antragsgegnerin habe durch ihre Erklärung im Verfahren 3 B 2680/99 nicht einen Verwaltungsakt erlassen, sondern eine Prozesserklärung abgegeben. Ein nachfolgender Bewilligungsbescheid liege
nicht vor. Dieser Erklärung komme allerdings die Bedeutung einer Zusicherung im Sinne des § 34 SGB X zu, die wegen der Schriftlichkeit auch grundsätzlich zunächst wirksam sei. An dieser Zusicherung könne sie mittlerweile jedoch
nicht mehr festgehalten werden, da nach § 34 Abs. 3 SGB X die Behörde hieran nicht mehr gebunden sei, wenn sich die Sach- und Rechtslage nach Abgabe der Erklärung so geändert habe,
dass sie die Zusicherung nicht gegeben hätte oder aus rechtlichen Gründen nicht hätte geben dürfen. Diese Voraussetzungen
seien hier gegeben. Der Antragsteller habe nicht Anspruch auf laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG. Die Lagerungskosten würden in entsprechender Anwendung des § 15 a BSHG bei einem kurzfristigen Freiheitsentzug übernommen. Von einer Kurzfristigkeit könne bei der Dauer der Haft des Antragstellers
- die der Antragsgegnerin erst nach Abgabe der Zusicherung bekannt geworden sei - nicht mehr ausgegangen werden.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die von dem Senat mit Beschluss vom 20. Oktober 2000 - 4 M 3331/00 - gemäß §§
146,
124 a Abs.
2 Nr.
2 VwGO zugelassene Beschwerde. Der Antragsteller trägt vor: Gegen den Bescheid vom 25. April 2000 habe er inzwischen mit Schreiben
vom 15. September 2000 Widerspruch eingelegt, über den die Antragsgegnerin noch nicht entschieden habe. Bei den zu lagernden
Gegenständen handele es sich um einige Möbelstücke - Erbstücke von seiner Mutter -, mehrere Umzugskartons mit diversen Gegenständen
für seinen Beruf als Koch, mehrere Umzugskartons mit persönlichen Gegenständen. Eine Unterbringung der Sachen in der Habekammer
der Justizvollzugsanstalt oder sonst durch die Justizvollzugsanstalt sei nach deren Auskunft vom 16. November 2000 nicht möglich.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern und die Antragsgegnerin durch einstweilige Anordnung zu verpflichten, für
die Dauer der Haft die Lagerkosten für seine untergestellte Habe zu übernehmen.
Die Antragsgegnerin verteidigt den angegriffenen Beschluss und hebt hervor, die Übernahme der Lagerkosten müsse schon deshalb
ausscheiden, weil der Antragsteller nach der Haftentlassung voraussichtlich durch seine berufliche Tätigkeit als Koch nicht
mehr sozialhilfebedürftig sein werde.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und begründet. Die Antragsgegnerin ist verpflichtet, die Kosten für die Lagerung
der Habe des Antragstellers während dessen Inhaftierung (vorläufig) zu übernehmen.
Dem Erlass einer einstweiligen Anordnung steht nicht mehr das Fehlen eines streitigen Rechtsverhältnisses entgegen, da der
Antragsteller inzwischen gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. April 2000 Widerspruch eingelegt hat. Der Widerspruch
ist innerhalb der Jahresfrist des §
70 Abs.
2 i.V.m. §
58 Abs.
2 Satz 1
VwGO eingelegt worden.
Der Anspruch des Antragstellers auf Übernahme der Lagerkosten folgt aus § 15 a Abs. 1 BSHG. Zwar spricht Abs. 1 Satz 1 nur davon, dass die Hilfe zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt
sein müsse. Zur Sicherung der Unterkunft gehört aber nicht nur die Übernahme der Miete, um die es hier nicht geht, sondern
auch eine Sicherstellung von Einrichtungsgegenständen und sonstiger Habe des Häftlings (in angemessenem Umfang) während der
Haft. Grundsätzlich wertet auch das Bundesverwaltungsgericht Kosten für die zeitweise Einlagerung von Möbeln und anderem Besitz
des Hilfeempfängers als Kosten der Unterkunft (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.12.1995 - BVerwG 5 C 28.93 -, BVerwGE 100, 136 = DVBl 1996, 316 = NJW 1996, 1838 = FEVS Bd. 46 S. 311). Speziell für Häftlinge ergibt sich eine entsprechende Wertung auch aus § 72 BSHG in Verbindung mit der Verordnung zur Durchführung dieser Bestimmung. Dort (§ 5 der Verordnung) ist nämlich vorgesehen, dass den "aus Freiheitsentziehung Entlassenen" zu helfen ist und diese nicht in ungesicherte
Lebensverhältnisse entlassen werden sollen (Senat, Beschluß v. 8.4.1992 - 4 L 2253/91 -, V. n. b.). Eben dazu gehört aber neben der Beschaffung einer Wohnung (§ 8 VO) auch, dass ihnen in angemessenem Umfang
auch ihre persönliche Habe und auch Einrichtungsgegenstände aus der Zeit vor der Inhaftierung erhalten werden, die ihnen ein
Wohnen im üblichen Rahmen ermöglichen.
Die Aufbewahrung der von dem Antragsteller genannten Gegenstände ist nach Art und Menge sozialhilferechtlich angemessen. Die
mit der Lagerung verbundenen Kosten (42,50 DM monatlich für die Miete eines 10 Kubikmeter großen Lagerraumes, insgesamt also
1.530,-- DM für drei Jahre von Mitte 1999 bis zur Haftentlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe Mitte des Jahres
2002) sind nicht überhöht, sondern angemessen und auch notwendig. Eine andere Aufbewahrungsmöglichkeit hat der Antragsteller
nicht, denn nach Mitteilung der Justizvollzugsanstalt besteht von dort aus eine Möglichkeit zur Aufbewahrung der Gegenstände
in der Justizvollzugsanstalt selbst oder auf deren Veranlassung außerhalb nicht.
Entgegen der Meinung der Antragsgegnerin und des Verwaltungsgerichts ist die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Übernahme
der Lagerkosten nicht auf einen Zeitraum von sechs Monaten begrenzt. Diese Grenze - im Sinne einer unter besonderen Umständen
auch Ausnahmen zulassenden Regel - betrifft die Sicherung der Wohnung selbst während der Haftzeit und beruht auf der Erwägung,
dass bei einer länger dauernden Inhaftierung dem Gefangenen regelmäßig zuzumuten ist, seine Wohnung aufzugeben und sich zum
Ende der Haft eine Wohnung neu zu suchen (vgl. Senat, Beschluß v. 5.10.1983 - 4 OVG B 79/82 - und Beschluß v. 2. Mai 1997 - 4 M 1665/97 -, V. n. b.). Diese Erwägung lässt sich auf persönliche Habe des Gefangenen, auf die er nach Ende der Haft für eine normale
Lebensführung wieder angewiesen sein wird, nicht allgemein übertragen und auch nicht auf Einrichtungsgegenstände, soweit es
sich - wie hier nach dem Vorbringen des Antragstellers - um einzelne und nicht einfach wieder zu beschaffende Stücke handelt.
Aus alledem folgt hier eine Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Lagerkosten für die Dauer der Inhaftierung des Antragstellers
zu übernehmen. Der Senat spricht im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur (vorläufigen)
Übernahme der Kosten bereits ab dem 1. August 1999, d.h. einschließlich der zwischenzeitlich aufgelaufenen Rückstände, aus,
da anders nicht sichergestellt ist, dass dem Antragsteller die derzeitige Lagerungsmöglichkeit erhalten bleibt. Sollte sich
herausstellen, dass die Antragsgegnerin - wie dem der Beiakte A (= Band XIII der Verwaltungsvorgänge) vorgehefteten "Kontoauszug"
entnommen werden könnte - die Lagerkosten tatsächlich bis einschließlich Oktober 1999 an den Vermieter gezahlt hat, wäre insoweit
die Verpflichtung aus dieser einstweiligen Anordnung bereits erfüllt. Die Antragsgegnerin kann beim Vollzug der einstweiligen
Anordnung kenntlich machen, dass sie die Leistung nur vorläufig, nämlich vorbehaltlich der Entscheidung im Hauptverfahren,
erbringt.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§
154 Abs.
1,
188 Satz 2
VwGO.