Sozialhilferecht: Auskunftsanspruch des Sozialhilfeträgers gegen den Unterhaltsverpflichteten des Hilfeempfängers
Tatbestand:
Der Beklagte, der der Mutter des Klägers Hilfe zur Pflege gewährt, verlangt mit dem angefochtenen Bescheid vom Kläger Auskunft
über dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse für die Zeit ab dem 1.7.1994.
Entscheidungsgründe:
Rechtsgrundlage für das Auskunftsbegehren des Beklagten ist § 116 Abs. 1 BSHG i.d.F. der Bekanntmachung vom 23.3. 1994, BGBl. I S. 646. Danach sind u.a. die Unterhaltspflichtigen verpflichtet, dem Träger der Sozialhilfe über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse
Auskunft zu geben, soweit die Durchführung des BSHG es erfordert. Die Vorschrift begründet eine eigenständige öffentlich-rechtliche Pflicht zur Auskunftserteilung, der ein Auskunftsanspruch
des Sozialhilfeträgers gegenübersteht.
Das VG ist zu Recht davon ausgegangen, dass es für die Heranziehung eines "Unterhaltspflichtigen" zur Auskunft nach § 116 Abs. 1 BSHG nicht darauf ankommt, ob im konkreten Fall tatsächlich ein Unterhaltsanspruch besteht. Es reicht vielmehr aus, dass der in
Anspruch genommene Dritte als Unterhaltsschuldner abstrakt in Betracht kommt, d.h. nicht offensichtlich ausscheidet.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 21.1.1993 - 5 C 22.90 -, BVerwGE 91, 375 = FEVS 44, 184; Urteil vom 17.6.1993 - 5 C 43.90 -, BVerwGE 92, 330 = FEVS 44, 275; OVG NRW, Urteil vom 28.2.1997 - 24 A 7401/95 -; Urteil vom 18.8.1997 - 8 A 1429/96 -.
Ein Unterhaltsanspruch der Mutter des Klägers gegen diesen ist nicht offensichtlich ausgeschlossen. Es kommen Unterhaltsansprüche
nach §§
1601 ff.
BGB in Betracht. Dies zeigt sich schon daran, dass der Kläger für den Zeitraum vom 27.6.1993 bis zum 30.6.1994 zivilrechtlich
zur Zahlung von Unterhalt für seine Mutter verurteilt worden ist.
Die Erteilung der vom Beklagten begehrten Auskunft des Klägers über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse ist auch zur
Durchführung des BSHG erforderlich. Nur wenn der Beklagte die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers kennt, kann er sachgerecht prüfen,
ob und gegebenenfalls in welchem Umfang zur Herstellung des Nachrangs der Sozialhilfe (§ 2 Abs. 1 BSHG) eine Inanspruchnahme des Klägers als Unterhaltspflichtiger in Betracht kommt.
Die Einholung der Auskünfte ist nicht deshalb entbehrlich, weil der Kläger in der Vergangenheit in den Jahren 1992 und 1993
Auskünfte zu seinen Einkommensverhältnissen erteilt hat. Der Sozialhilfeträger kann nur anhand aktueller Angaben zuverlässig
prüfen, ob ein Unterhaltsverpflichteter gemäß § 91 BSHG in Anspruch genommen werden kann. Die vom Kläger in der Vergangenheit erteilten Auskünfte zu seinen Einkommensverhältnissen
in den Jahren 1990 und 1991 bieten für die notwendige Prüfung für die Zeit ab dem 1.7.1994 keine verlässliche Grundlage, da
sich in der Zwischenzeit relevante Veränderungen ergeben haben konnten und auch tatsächlich ergeben hatten.
Der Kläger hat den Auskunftsanspruch auch nicht dadurch erfüllt, dass er dem Beklagten mit Schreiben vom 21.9. 1994 mitgeteilt
hat, gegenüber den Auskünften für 1991 hätten sich keine besonderen Veränderungen ergeben, der Bruttoarbeitslohn 1993 habe
82.149,08 DM betragen und die Berufsunfähigkeitsrente sei nur noch bis März gewährt worden. Ebensowenig hat sich das Auskunftsersuchen
schon vor Erlass des Widerspruchsbescheides dadurch erledigt, dass der Beklagte Auskünfte über die Einkünfte des Klägers aus
nichtselbständiger Arbeit bis Ende 1994 und über die seit Januar 1995 gezahlten Renten eingeholt hat. Denn zum einen umfasst
die Auskunftspflicht nicht nur die Einkünfte (Einnahmen) und vermögenswerten Rechte und Güter, sondern auch Verpflichtungen
und Belastungen, die die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auskunftspflichtigen negativ beeinflussen, d.h. Einkommen
und Vermögen mindern.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 21.1.1993 - 5 C 22.90 -, BVerwGE 91, 375 = FEVS 44, 184, 187.
Zum anderen fehlten Angaben des Klägers zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und aus Kapitalvermögen. Ebenso fehlten
jegliche Angaben über die Vermögensverhältnisse. Letztere waren entgegen den Behauptungen des Klägers in der Berufungsschrift
auch in der Vergangenheit nicht gemacht worden. Aus den Angaben in der Vergangenheit über Einkünfte im Jahre 1990 aus Kapitalvermögen
in Höhe von 9.450,- DM und aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 17.880,- DM kann lediglich geschlossen werden, dass
der Kläger über nicht unerhebliches Vermögen verfügte, nicht aber welchen Wert das Vermögen seit dem 1.7.1994 darstellte und
ob gegebenenfalls seine Verwertung verlangt werden konnte. Für den Beklagten bestand auch keine andere, den Kläger weniger
belastende Möglichkeit, dessen Vermögensverhältnisse aufzuklären.
Dem Auskunftsverlangen des Beklagten steht schließlich nicht §
1605 Abs.
2 BGB entgegen. Nach dieser Vorschrift kann Auskunft zur Feststellung eines Unterhaltsanspruchs oder einer Unterhaltsverpflichtung
vor Ablauf von zwei Jahren erneut nur verlangt werden, wenn glaubhaft gemacht wird, dass der zur Auskunft Verpflichtete später
wesentlich höhere Einkünfte oder weiteres Vermögen erworben hat. Diese Beschränkung gilt nur für den zivilrechtlichen Auskunftsanspruch
(der dem Beklagten seinerzeit nicht zustand), nicht aber für den hier im Streit stehenden öffentlich-rechtlichen Auskunftsanspruch
auf der Grundlage des § 116 Abs. 1 BSHG. Dieser öffentlich-rechtliche Anspruch steht selbständig neben dem unterhaltsrechtlichen Anspruch und ist nicht davon abhängig,
dass die Voraussetzungen des §
1605 Abs.
2 BGB erfüllt sind.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25.8.1999 - 24 B 75/98 -; BGH, Urteil vom 5.3.1986 - IVb ZR 25/85 -, NJW 1986, 1688, 1687; Schoch/Daum/Deckert, Auskunftsansprüche der Sozialhilfeträger gegen Unterhaltspflichtige, Zeitschrift für das Fürsorgewesen
1997, 265, 269; Schoch in Lehr- und Praxiskommentar zum BSHG, 5. Auflage 1998, § 116 BSHG, Rn. 80 Nr. 11.
Der Auskunftsverpflichtete wird vor überflüssigen und rechtsmissbräuchlichen Auskunftsverlangen hinreichend dadurch geschützt,
dass § 116 Abs. 1 Satz 1 BSHG verlangt, dass die Auskunftserteilung für die Durchführung des Bundessozialhilfegesetzes erforderlich ist.