Sozialhilferecht: Hilfe im Ausland aus gesundheitlichen Gründen
Tatbestand:
Der 1973 in H geborene Kläger, der später mit seinen Eltern nach B zog, leidet seit seinem vierten Lebensjahr an Asthma; seit
April 1984 wurde er mehrfach -- teils ambulant, teils stationär -- in der ...klinik D. in der Schweiz behandelt. Im Bericht
dieser Klinik vom 12.07.1985 heißt es wörtlich:
Seit dem 4. Lebensjahr asthmatische Symptomatik, seither insgesamt gesehen progredientes obstruktives Atemwegsleiden. Vor
allem in den letzten 2 Jahren annähernd keine vollständig beschwerdefreien Intervalle mehr, mehr oder weniger ständig ausgeprägte
Atemwegsverschleimung, Husten, Belastungs- und zeitweise ausgeprägte Ruhedyspnoe. In der gezielten Allergieanamnese Hinweise
auf Pollen als exogene Allergene, vor allem jedoch ausgeprägte infektabhängige Komponente sowie unspezifische Hyperreagibilität
der Atemwege ...
Während des Herbstes und Winterhalbjahres 1984/85 insgesamt unbefriedigender Verlauf mit weiterhin hartnäckiger Atemwegsverschleimung,
Husten, Belastungsdyspnoe, vor allem bei Atemwegsinfekten auch ausgeprägter Ruhedyspnoe.
Im April 1985 akute Verschlechterung der respiratorischen Verhältnisse mit Notwendigkeit einer kurzfristigen systemischen
Corticoidtherapie ...
Der bisherige Krankheitsverlauf kann in keiner Weise befriedigen, das Ziel einer langfristigen Stabilisierung der Atemwege
mit nachhaltiger Verbesserung der Lungenfunktion und der körperlichen Leistungsfähigkeit ist in den letzten Jahren nicht erreicht
worden.
Sollte auch unter ... geänderten Behandlungsmaßnahmen zu Hause in den kommenden Monaten keine wesentliche Besserung der respiratorischen
Situation erzielt werden können, so sind unserer Ansicht nach wesentlich weitergehende therapeutische Maßnahmen einschließlich
heilklimatischer Aufenthalte zu erwägen, um die Entwicklung eines sich weiterhin allmählich verschlechternden chronisch-obstruktiven
Atemwegsleidens mit zunehmend irreversiblen Lungenfunktionsverlusten unter allen Umständen zu vermeiden.
In einer Bescheinigung vom 30.08.1985 führte die Klinik wörtlich aus:
... ist zur langfristigen Stabilisierung der Atemwegssituation ein langfristiger Aufenthalt des Kindes unter regelmäßiger
ärztlicher ambulanter Betreuung im günstigen keim- und allergenarmen Hochgebirge für zunächst 1 Jahr dringend notwendig. Dabei
ist das Kind angesichts seines Alters auf die gleichzeitige Anwesenheit der Mutter als Begleitperson angewiesen.
In Bescheinigungen vom 11.08. und vom 11.12.1986 führte das Gesundheitsamt des Landkreises H aus, für den Kläger sei ein Aufenthalt
im Gebirge (über 1500 m Höhe) dringend erforderlich; einen mit D. vergleichbaren klimatherapeutischen Ort gebe es in der Bundesrepublik
Deutschland nicht. Laut Abhilfebescheid des Versorgungsamts H vom 03.11.1986 ist der Kläger wegen Asthma bronchiale und wegen
Ekzems schwerbehindert; der Grad der Behinderung beträgt 90 v. H.
Bereits seit Sommer 1985 hält sich der Kläger ständig in D. auf. In einem Bescheid der DAK vom 10.06.1986 heißt es, der Kläger,
seine Schwester und seine Mutter hätten ihren Wohnsitz "vorübergehend" nach D. verlegt, und in einem Schreiben des Oberkreisdirektors
des Landkreises H vom 11.12.1986 wird ausgeführt, der Kläger und seine Mutter befänden sich "seit längerem" in D.; nach Angaben
des Vaters des Klägers sei nicht damit zu rechnen, daß er vor Ostern 1987 besuchsweise nach Hause kommen könne. Seit August
1986 besucht der Kläger die ... Mittelschule in D., in deren Internat er lebt; die monatlichen Kosten belaufen sich laut Rechnung
vom 08.12.1986 auf etwa 2700 Franken (etwas mehr als 3000 DM).
Am 10.09.1986 beantragte der Vater des Klägers beim Landkreis H erstmals Übernahme dieser Kosten im Wege der Eingliederungshilfe.
Diesen Antrag lehnte der Landkreis mit undatiertem Bescheid ab, weil die Internatskosten "nicht im Rahmen einer Eingliederungshilfemaßnahme"
anfielen und weil weder der Landkreis noch das Landessozialamt Niedersachsen für die begehrte Hilfe örtlich zuständig sei.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch; das Landessozialamt Niedersachsen gab den Vorgang mit Schreiben vom 28.07.1987 an
den beklagten Landeswohlfahrtsverband Baden ab, der nach §§ 119 Abs. 5, 146 BSHG in der vorliegenden Sache zuständiger Träger der Sozialhilfe sei.
Mit Bescheid vom 27.08.1987 bejahte der Beklagte seine Zuständigkeit, lehnte jedoch den Antrag in der Sache ab. Zur Begründung
führte er aus, zwar zähle der Kläger zu dem von § 39 BSHG erfaßten Personenkreis; indessen handle es sich bei bloßem Aufenthalt asthmakranker junger Menschen in günstigem Klima --
in diesem Zusammenhang verwies der Beklagte auf eine Entscheidung des OVG Lüneburg vom 25.02.1981 -- nicht um eine Maßnahme
der Eingliederungshilfe, zumal in dem Internat, das der Kläger besuche, keine spezifischen Eingliederungsmaßnahmen angeboten
und durchgeführt würden. Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt komme nicht in Betracht, weil sie im vorliegenden Falle Bestandteil
der abgelehnten Hilfe in besonderen Lebenslagen sei.
Hiergegen erhob der Kläger am 03.09.1987 Widerspruch, den der Beklagte nach Anhörung sozial erfahrener Personen mit Widerspruchsbescheid
vom 09.12.1987 zurückwies.
Am 29.12.1987 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage erhoben, mit der er beantragt hat, den Beklagten zu verpflichten,
die Kosten seiner Unterbringung im Internat der ... Mittelschule ab August 1986 zu übernehmen, und die entgegenstehenden Bescheide
des Beklagten aufzuheben.
Mit Urteil vom 22.03.1988 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es spreche viel
dafür, daß der Kläger an einer wesentlichen Behinderung leide, die nicht nur vorübergehender Natur sei. Zweifelhaft sei aber
schon die örtliche Zuständigkeit des Beklagten; handle es sich nicht um Sozialhilfe für Deutsche im Ausland, sondern um eine
Eingliederungsmaßnahme, die lediglich im Ausland erfolgen solle, dann bleibe es bei der grundsätzlichen örtlichen Zuständigkeit
nach § 97 BSHG; § 119 Abs. 5 BSHG finde keine Anwendung. Im übrigen könne die Klage auch in der Sache keinen Erfolg haben. Um erweiterte Hilfe im Sinne von
§ 43 BSHG handle es sich nicht, weil das Internat, das der Kläger besuche, keine Ziele der Eingliederungshilfe verfolge. § 40 Abs. 1 Nr. 1 BSHG sei schon begrifflich nicht einschlägig, und aus § 40 Abs. 1 Nr. 3 BSHG könne der Kläger gleichfalls nichts für sich herleiten, weil er nicht lernbehindert sei, so daß seine Unterbringung im Internat
aus schulischen Gründen nicht geboten sei.
Gegen dieses ihm am 05.04.1988 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.04.1988 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren
weiterverfolgt. Er schildert erneut eingehend den bisherigen Krankheitsverlauf; das Krankheitsbild habe sich bis heute nicht
geändert. Seit Sommer 1985 halte er sich ständig in D. auf; seine Eltern besuche er nur wenige Male im Jahr, wobei die Aufenthalte
nicht länger als 14 Tage dauern dürften. In D. sei er wegen der Höhenluft weitgehend beschwerdefrei, so daß er sogar am Sportunterricht
teilnehmen könne. Da er mithin in der Bundesrepublik Deutschland keine Schule besuchen könne, habe er Anspruch auf Hilfe zu
einer angemessenen Schulbildung nach § 40 Abs. 1 Nr. 3 BSHG. Da seine Mutter die Familie, insbesondere die Schwester des Klägers, versorgen müsse, könne sie nicht ständig in der Schweiz
leben. Deshalb sei er auf den Besuch eines Internats angewiesen. Insbesondere sei undenkbar, daß er in D. in einer Wohnung
oder in einer Pension lebe; notwendig sei eine Einrichtung, die geeignet sei, das Elternhaus während des Schulbesuchs so gut
wie möglich zu ersetzen. Zwar werde nicht verkannt, daß die Gewährung der Hilfe im Ermessen der Behörde stehe. Zumindest bestehe
jedoch Anspruch auf teilweise Übernahme der Internatskosten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 22.03.1988 zu ändern, den Bescheid des Beklagten vom 27.08.1987 und dessen
Widerspruchsbescheid vom 09.12.1987 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über seinen Antrag, die Kosten seiner Unterbringung
im Internat der ... Mittelschule in D. für die Zeit von Juli 1987 bis Dezember 1987 zu übernehmen, unter Beachtung der Rechtsauffassung
des Gerichts erneut zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
Dem Senat liegen die zur Sache gehörenden Akten des Landeswohlfahrtsverbandes Baden und des Verwaltungsgerichts Karlsruhe
vor.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist begründet, denn das Verwaltungsgericht hat die Klage, soweit sie noch Gegenstand des Berufungsverfahrens
ist, zu Unrecht abgewiesen. Der Kläger hat Anspruch auf Neubescheidung seines Hilfebegehrens für die Zeit von Juli 1987 bis
Dezember 1987.
1. Der beklagte Landeswohlfahrtsverband Baden ist richtiger Anspruchsgegner; seine Zuständigkeit folgt aus § 119 Abs. 5 BSHG. § 146 BSHG ist nicht einschlägig, denn er bezieht sich allein auf hilfebedürftige schweizerische Staatsangehörige, die sich in der Bundesrepublik
Deutschland aufhalten (vgl. Art. 1 der Deutsch-Schweizerischen Fürsorgevereinbarung, abgedr. bei Knopp/Fichtner, BSHG, 6. Aufl. 1988, S. 598).
Der Kläger ist in H, mithin im Bezirk des beklagten überörtlichen Trägers der Sozialhilfe geboren (§ 119 Abs. 5 S. 2 BSHG), und er hatte im streitigen Zeitraum seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland (§ 119 Abs. 1 S. 1 BSHG). Nach §
30 Abs.
3 S. 2
SGB I hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, daß er an diesem
Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt; diese Begriffsbestimmung ist jedenfalls im Grundsatz auch auf
§ 119 Abs. 1 S. 1 BSHG zu übertragen (vgl. -- zum Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltsorts im Sinne von § 11 S. 1 JWG -- BVerwG Buchholz 436.51
§ 11 JWG Nr. 2). Hat jemand den Willen oder die Absicht, einen Ort bis auf weiteres -- also nicht nur vorübergehend oder besuchsweise
-- zum Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen zu machen (subjektive Seite), und verwirklicht er dies auch tatsächlich (objektive
Seite), dann begründet er dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt (vgl. etwa Knopp/Fichtner, a.a.O., § 103 RdNr. 12). Der Senat
ist überzeugt, daß der Kläger seit Sommer 1985 sowohl subjektiv als auch objektiv nicht nur vorübergehend in D. verweilt.
Bereits im Urteil vom 28.09.1973 -- VI 675/73 -- hat der Senat ausgesprochen, eine blinde Schülerin, die eine Realschule für Blinde besuche und -- außer während der Schulferien
-- in einem mit der Schule verbundenen Schülerheim wohne, habe ihren gewöhnlichen Aufenthalt am Schulort; hierbei hat der
Senat auch die Definition des Begriffs "gewöhnlicher Aufenthalt" in § 14 Abs. 1 S. 1 des Steueranpassungsgesetzes berücksichtigt,
an die der erst später in Kraft getretene §
30 Abs.
3 S. 2
SGB I anknüpft (vgl. Grüner, Sozialgesetzbuch Bd. I, Stand 1989, §
30 SGB I, S. 4 f.). Dort hat der Senat darauf abgestellt, daß die Schülerin während der längsten Zeit des Jahres am Schulort wohne
und arbeite; im Verhältnis zur Ferienzeit überwiege die Schulzeit bei weitem. Diese Erwägungen sind auch auf den vorliegenden
Fall zu übertragen.
Allerdings hat das BVerwG a.a.O. -- im Einzelfall waren diese Ausführungen freilich nicht entscheidungserheblich -- die Auffassung
vertreten, ein Jugendlicher aus einer "normalen" Familie, der überwiegend in einem Internat erzogen werde, behalte "zumeist"
seinen gewöhnlichen Aufenthalt am Wohnort seiner Eltern bei. Diese Auffassung begegnet erheblichen Zweifeln; es spricht viel
dafür, daß das BVerwG den Rechtsbegriff des "gewöhnlichen Aufenthalts" allzusehr von den tatsächlichen Verhältnissen ablöst.
Jedenfalls wird auch in der Literatur ein vorübergehender Aufenthalt, der die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts ausschließt,
nur dann angenommen, wenn er "zeitlich unbedeutend" oder "nur kurz befristet" ist (vgl. Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 13. Aufl. 1988, § 103 RdNr. 45; Knopp/Fichtner, a.a.O., § 103 RdNr. 18). Hinzu kommt, daß sich die "Anspruchsdichte" dann, wenn der Hilfesuchende
seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat, wesentlich verringern kann: § 119 Abs. 1 S. 2 BSHG bestimmt, daß die Gewährung aller Hilfen, die nicht in § 119 Abs. 1 S. 1 erwähnt sind, im Ermessen des Trägers der Sozialhilfe steht. Im vorliegenden Falle könnte jedoch auch dann nichts
anderes gelten, wenn man der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts im Grundsatz folgte. Denn auch dann bliebe noch Raum
für die Berücksichtigung besonderer tatsächlicher Umstände, aus denen sich im Einzelfall ergeben kann, ein Internatsschüler
habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt am Schulort. Derartige besondere Umstände liegen hier vor. Zum einen hatte sich der Gesundheitszustand
des Klägers in den Jahren bis 1985 stetig verschlechtert, und eine Besserung in dem Sinne, daß er sich wieder an seinem Heimatort
aufhalten könnte, war und ist nicht abzusehen. Die Notwendigkeit ständigen Aufenthalts in der alpinen Höhenluft bestand mithin
objektiv fort; dem entspricht, daß es sowohl objektiv als auch aus der subjektiven Sicht des Klägers und seiner Eltern keine
Alternative zu einem Daueraufenthalt in D. gab. Zum zweiten hat unstreitig eine objektive Verfestigung des Aufenthalts des
Klägers in D. insoweit stattgefunden, als seine Mutter zumindest für die Anfangszeit mit ihm dorthin gezogen war. Mithin hatte
der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt auch bei Berücksichtigung der Auffassung des BVerwG nicht an seinem Heimatort, sondern
in D. und somit im Ausland.
Die Bedenken des Verwaltungsgerichts, das sich hierfür auf ein Urteil des Senats vom 20.10.1971 -- VI 183/70 -- beruft, vermag der Senat nicht zu teilen; der dortige Sachverhalt ist mit dem vorliegenden Fall in keiner Weise vergleichbar.
Dort ging es um ein in der Nähe von Lörrach wohnendes schwerbehindertes Kind, das für zweimal vier Wochen im Kinderspital
von Basel stationär behandelt worden war und Übernahme der hierbei entstandenen Kosten als Eingliederungshilfe begehrt hatte.
Daß bei dieser Sachlage der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes auch für die Zeit seines tatsächlichen Aufenthalts in der Schweiz
in der Bundesrepublik Deutschland verblieben war, bedarf keiner näheren Erörterung.
2. In der Sache muß das Bescheidungsbegehren Erfolg haben. Nach § 119 Abs. 1 BSHG soll Deutschen, die -- wie der Kläger -- ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben und im Ausland der Hilfe bedürfen,
vorbehaltlich der Regelung in Abs. 2 Nr. 1 Hilfe zum Lebensunterhalt, Krankenhilfe und Hilfe für werdende Mütter und Wöchnerinnen
gewährt werden (Abs. 1 S. 1); sonstige Sozialhilfe kann ihnen gewährt werden, wenn die besondere Lage des Einzelfalls dies
rechtfertigt (Abs. 1 S. 2). Im Falle des Klägers geht es nicht um die in § 119 Abs. 1 S. 1 BSHG benannten Arten der Hilfe, sondern um Eingliederungshilfe und somit um "sonstige" Hilfe im Sinne von § 119 Abs. 1 S. 2. Insoweit
hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, daß Hilfe nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 BSHG ausscheidet; es geht dem Kläger erkennbar nicht um "ambulante oder stationäre Behandlung" oder um "sonstige ärztliche oder
ärztlich verordnete Maßnahmen". Die Vorschrift des § 43 BSHG über die "erweiterte Hilfe" enthält entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keine Anspruchsgrundlage für die Bewilligung
der Hilfe als solcher, sondern eine nach ihrer Stellung im Gesetz verfehlte Sonderregelung über die Anrechnung von Einkommen
und Vermögen. Vielmehr kann es allein um Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung im Sinne von § 40 Abs. 1 Nr. 3 BSHG gehen. Deren Voraussetzungen liegen hier vor.
Der Kläger war nach Überzeugung des Senats im streitigen Zeitraum wesentlich behindert im Sinne von § 39 Abs. 1 S. 1 BSHG; die im Tatbestand dieses Urteils wörtlich wiedergegebenen Berichte der ...klinik D. vom 12.07.1985 und vom 30.08.1985 rechtfertigen
ohne weiteres den Schluß, daß sein körperliches Leistungsvermögen infolge Erkrankung in erheblichem Umfang eingeschränkt war
(vgl. § 1 Nr. 3 der VO zu § 47). Diese Berichte, die eingehend begründet und in sich schlüssig sind, werden inhaltlich bestätigt
durch die Bescheinigungen des Gesundheitsamts vom 11.08. und vom 11.12.1986 und durch den Abhilfebescheid des Versorgungsamts
H vom 03.11.1986; sie erweisen sich als hinreichende Entscheidungsgrundlage, so daß der Senat -- im Rahmen seiner Verpflichtung
zur Sachaufklärung (§
86 Abs.
1 VwGO) -- keinen Anlaß sieht, der Anregung des Beklagten zu entsprechen, zur Frage der Notwendigkeit des Aufenthalts des Klägers
in der Schule in D. ein medizinisches Gutachten einzuholen.
Der Besuch des Internats, um dessen Kosten es geht, dient einer angemessenen Schulbildung, wie sie § 40 Abs. 1 Nr. 3 BSHG sicherstellen will; er hält sich insbesondere auch im Rahmen der in § 39 Abs. 3 BSHG abschließend umschriebenen Aufgaben der Eingliederungshilfe. Diese soll unter anderem eine vorhandene Behinderung oder deren
Folgen beseitigen oder mildern und den Behinderten in die Gesellschaft eingliedern helfen; hierzu gehört vor allem auch, ihm
die Ausübung eines angemessenen Berufs zu ermöglichen. Aufgrund des festgestellten Sachverhalts ist der Senat überzeugt, daß
der körperlich wesentlich behinderte Kläger auf absehbare Zeit ohne schwerwiegende Gefahren für seine Gesundheit nicht in
der Lage war, sich längere Zeit in der Bundesrepublik Deutschland aufzuhalten; er war vielmehr darauf angewiesen, ständig
in einer Höhe von mehr als 1500 m zu leben. Unstreitig liegt es so, daß es in der Bundesrepublik Deutschland keinen über 1500
m hoch gelegenen Ort gibt, an dem sich eine Mittelschule befindet. Dann aber kann kein Zweifel bestehen, daß die Behinderung
des Klägers ursächlich dafür war, daß er an seinem Heimatort oder sonst in der Bundesrepublik Deutschland keine angemessene
Schule besuchen konnte. Bei dieser Sachlage gebietet es der Zweck der Eingliederungshilfe im Sinne von § 40 Abs. 1 Nr. 3 BSHG, dem Kläger jedenfalls im Grundsatz die Möglichkeit zu geben, die Folgen dieser Lage zu beseitigen. Konnte dies nur in einem
Internat erfolgen, dann ist der Umstand, daß der Internatsbesuch nicht wegen einer Lernbehinderung erfolgt, rechtlich ebenso
unerheblich wie die -- unstreitige -- Tatsache, daß das vom Kläger besuchte Internat keine behindertenspezifischen Maßnahmen
bereitstellt. Weder § 39 Abs. 3 BSHG noch § 12 Nr. 3 der VO zu § 47 BSHG (der eine Konkretisierung des § 40 Abs. 1 Nr. 3 BSHG enthält) stellen einen solchen Zusammenhang her; die gegenteilige Auffassung des Beklagten und des Verwaltungsgerichts verfehlt
den Zweck der geltend gemachten Form von Eingliederungshilfe. Aus dem Urteil des OVG Lüneburg vom 25.02.1981 (4 OVG A 145/79) läßt sich nichts anderes herleiten, denn das dortige Klagebegehren wurde unter dem Gesichtspunkt des § 40 Abs. 1 Nr. 3 BSHG allein deshalb abgelehnt, weil andere Gymnasien in tatsächlicher Hinsicht nicht als für den Kläger ungeeignet bezeichnet
werden konnten; daß Hilfe der hier begehrten Art von vornherein nicht unter § 40 Abs. 1 Nr. 3 BSHG fallen könne, ist in diesem Urteil nicht ausgesprochen.
Lagen mithin beim Kläger im maßgeblichen Zeitraum die persönlichen Voraussetzungen für die Bewilligung "sonstiger" Hilfe im
Sinne von § 119 Abs. 1 S. 2 BSHG vor, dann stand die Entscheidung über die Hilfe im Ermessen des Beklagten. § 23 der VO zu § 47 BSHG ist im vorliegenden Fall nicht einschlägig, denn diese Vorschrift, die erkennbar der ursprünglichen Fassung des § 3 Abs. 2 BSHG nachgebildet ist, setzt voraus, daß die Eingliederungsmaßnahme sowohl im Inland als auch im Ausland erfolgen kann; beim Kläger
besteht jedoch eine solche Alternative gerade nicht. Maßgeblich ist mithin allein § 119 Abs. 1 S. 2 BSHG. Diese Vorschrift eröffnet ungeteiltes Ermessen; der Nebensatz "wenn die besondere Lage des Einzelfalles dies rechtfertigt"
enthält keine tatbestandliche Voraussetzung der Hilfegewährung, sondern eine zusätzliche Umschreibung des Ermessensrahmens.
Der Beklagte hat das Hilfebegehren aus Rechtsgründen abgelehnt und somit bislang keinerlei Ermessenserwägungen angestellt;
mithin ist er schon deshalb zu verpflichten, über den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts
erneut zu entscheiden (§
113 Abs.
4 S. 2
VwGO).
Bei der erneuten Prüfung wird der Beklagte davon auszugehen haben, daß in die Ermessensausübung grundsätzlich alle Gesichtspunkte
eingehen können, die sich im Hinblick auf den Zweck des § 119 BSHG als sachgerecht darstellen. In diesem Zusammenhang wird insbesondere zu erwägen sein, daß die Eltern des Klägers -- der Vater
ist praktischer Arzt -- typischerweise über nicht unerhebliches Einkommen, möglicherweise auch über erhebliches Vermögen verfügen
werden; der Beklagte wird sich hierüber ein umfassendes Bild zu verschaffen und sorgfältig abzuwägen haben, ob und inwieweit
es den Eltern des Klägers zugemutet werden kann, die -- ganz erheblichen (monatlich etwa 3000 DM, jährlich etwa 36000 DM)
-- Kosten des Internatsbesuchs teilweise, möglicherweise auch ganz zu tragen. Weiter wird zu prüfen sein, ob sich die Höhe
etwa zu bewilligender Hilfe nicht auch deshalb vermindern kann, weil dem Kläger -- dies wäre näher aufzuklären -- möglicherweise
weniger kostenaufwendige Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Zwar wird man den Kläger kaum auf ein privates Zimmer oder Appartement
verweisen können, nachdem er im streitigen Zeitraum erst etwa 14 Jahre alt war. Zu prüfen wäre jedoch möglicherweise, ob es
nicht kostengünstigere Möglichkeiten der Internatsunterbringung (möglicherweise auch in öffentlichen Schulen) gibt.