Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zum Kostenersatz.
Die Beklagte bewilligte dem Vater der Klägerin für die Dauer seines Aufenthalts im Altenzentrum D. Hilfe in besonderen Lebenslagen;
sein hälftiges Miteigentum an der ehelichen Wohnung wurde nicht herangezogen, solange die Ehefrau darin wohne. Bis zu seinem
Tod am 06.12.1981 erhielt der Vater der Klägerin Sozialhilfe in Höhe von insgesamt etwa 40500,-- DM, von denen nach Abzug
eines Kostenbeitrags aus eigenem Einkommen noch etwa 31700,-- DM ungedeckt waren.
Aufgrund Erbvertrages vom 02.08.1979 ist die Ehefrau des Hilfeempfängers (Mutter der Klägerin) dessen alleinige und befreite
Vorerbin. Nacherbin ist die Klägerin; der Nacherbfall ist noch nicht eingetreten. Der Erbvertrag wurde am 20.01.1982 vor dem
Notariat eröffnet; die Klägerin hat die Nacherbschaft bisher nicht ausgeschlagen. Der Nachlaß bestand aus dem hälftigen Anteil
an jener Eigentumswohnung in Höhe von etwa 60000,-- DM, aus Hausrat im Wert von etwa 10000,-- DM und aus einem Girokonto mit
einem Guthaben von etwa 3500,-- DM.
Mit Bescheid vom 18.05.1984 zog die Beklagte die Mutter der Klägerin als Vorerbin zum Kostenersatz in Höhe von 31695,70 DM
heran; die Mutter der Klägerin erhob hiergegen Widerspruch. Am 12.10.1984 schlossen die Klägerin und ihre Mutter einen notariellen
Vertrag, worin die Übertragung der Eigentumswohnung auf die Klägerin vereinbart und zugleich die Auflassung erklärt wurde.
Laut Vertrag geschah dies zur Abfindung der Klägerin für ihren Pflichtteilsanspruch und für Ansprüche aus der Versorgung und
Pflege der Eltern seit 1978. Von diesem Vorgang erfuhr die Beklagte am 26.04.1985. Am 16.04.1987 nahm die Mutter der Klägerin
ihren Widerspruch gegen ihre Heranziehung zum Kostenersatz zurück.
Bereits mit Bescheid vom 22.10.1986 hatte die Beklagte die Klägerin -- bei Berücksichtigung eines Erbenfreibetrages von 2146,--
DM -- nach § 92 c BSHG zu Kostenersatz in Höhe von 29549,70 DM herangezogen. Hiergegen hatte die Klägerin am 16.02.1987 Widerspruch eingelegt, den
die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.04.1987 zurückwies. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus, die Klägerin
sei deshalb in Anspruch zu nehmen, weil sie den Nachlaß durch Rechtsgeschäft übernommen habe, so daß sie nach §
2382 BGB gegenüber den Nachlaßgläubigern haftbar sei. -- Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 19.05.1987 zugestellt.
Am 16.06.1987 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Sigmaringen Klage erhoben, mit der sie beantragt hat, den Heranziehungsbescheid
der Beklagten vom 22.10.1986 und deren Widerspruchsbescheid vom 30.04.1987 aufzuheben. Zur Begründung hat sie im wesentlichen
vorgetragen, die Beklagte könne den geltend gemachten Anspruch nicht auf §
2382 BGB stützen, denn bei Erlaß des Heranziehungsbescheides sei der Kostenerstattungsanspruch bereits erloschen. Überdies setze §
2382 BGB voraus, daß der gesamte Nachlaß in Kenntnis des Übernehmers übertragen worden sei. Daran fehle es hier. -- Die Beklagte hat
Klagabweisung beantragt.
Mit Urteil vom 15.04.1988 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt,
die Beklagte könne die angefochtenen Bescheide zwar nicht auf § 92 c BSHG, wohl aber auf §§
2385,
2382 BGB stützen. Der Kostenersatzanspruch gegen den Nachlaß sei öffentlich-rechtlicher Natur. §
2382 BGB selbst sei neutral und erfasse sowohl bürgerlichrechtliche als auch öffentlich-rechtliche Nachlaßverbindlichkeiten. Werde
die Vorschrift auf öffentlich-rechtliche Forderungen angewandt, sei sie dem öffentlichen Recht zuzuordnen. In solchen Fällen
könne der Kostenersatzanspruch durch Leistungsbescheid geltend gemacht werden. Der zwischen der Klägerin und ihrer Mutter
geschlossene notarielle Vertrag sei ein Abfindungsvertrag, der die Voraussetzungen von §
2385 BGB erfülle, so daß die §§
2382 ff.
BGB entsprechend anwendbar seien.
Gegen dieses ihr am 06.05.1988 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 04.06.1988 Berufung eingelegt; sie trägt insbesondere
noch vor, das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, daß vom Nachlaß des Hilfeempfängers erhebliche Verbindlichkeiten
abzuziehen seien.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 15.04.1988 zu ändern sowie den Bescheid der Beklagten vom 22.10.1986 und
deren Widerspruchsbescheid vom 30.04.1987 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Dem Senat liegen die zur Sache gehörenden Akten der Stadt ... und des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vor.
Entscheidungsgründe:
Im Einverständnis der Beteiligten kann der Senat über die Berufung ohne mündliche Verhandlung entscheiden (vgl. §
101 Abs.
2 VwGO).
Die Berufung der Klägerin ist begründet, denn das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die angefochtenen
Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (vgl. §
113 Abs.
1 S. 1
VwGO).
Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, daß § 92 c BSHG für sich genommen nicht als Rechtsgrundlage für eine Inanspruchnahme der Klägerin auf Kostenersatz hinreicht. Denn § 92 c BSHG begründet seinem Wortlaut nach nur eine Kostenersatzpflicht des Erben, während die Klägerin, solange ihre zur Vorerbin eingesetzte
Mutter noch lebt, gerade noch nicht (Nach-)Erbin ist (§
2100 BGB; vgl. Palandt/Edenhofer,
BGB, 49. Aufl. 1990, §
2100 Anm. 4 a, wonach es sich vor dem Nacherbfall lediglich um ein Anwartschaftsrecht handelt). Dieses Ergebnis kann -- entgegen
der Auffassung des Verwaltungsgerichts -- nicht dadurch umgangen werden, daß entsprechend §§
2385,
2382 ff.
BGB eine Mithaftung der Klägerin für die Verpflichtung ihrer Mutter zum Kostenersatz nach § 92 c BSHG angenommen wird.
In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist allerdings anerkannt, daß die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die
Haftung nach erbrechtlichen Grundsätzen je nach Fallgestaltung auch im öffentlichen Recht angewandt werden können. So hat
das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 20.01.1977 (BVerwGE 52, 16 ff.) ausgeführt, die Verpflichtung eines Empfängers erweiterter Hilfe zum Aufwendungsersatz nach § 29 S. 2 BSHG gehe nach seinem Tod als "Erblasserschuld" auf den Erben über. Für den -- dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbaren --
Fall der Vermögensübernahme nach § 419
BGB hat das Bundesverwaltungsgericht (DÖV 1970, 820) entschieden, der Schuldbeitritt mache den mithaftenden Dritten zum Pflichtigen der öffentlich-rechtlichen Beziehungen; diese
Wendung hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 22.07.1978 übernommen (BGHZ 72, 56; ebenso BSG, DVBl. 1987, 247). Derartigen Erwägungen steht zwar der rechtsstaatliche Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung auch dann nicht entgegen,
wenn die besondere Ausprägung des Vorbehalts des Gesetzes in §
31 SGB I berücksichtigt wird. Sie setzen jedoch voraus, daß der Regelungsbereich, um den es jeweils geht, Raum für ergänzende Heranziehung
erbrechtlicher Vorschriften und Grundsätze läßt. Daran fehlt es hier.
Dies folgt freilich, wie sich insbesondere aus BVerwGE 52, 16 ff. ergibt, nicht schon aus dem "kodifikatorischen Charakter" des Sozialhilferechts (vgl. BVerwG FEVS 15, 241; Urteil des
Senats vom 19.07.1988, DÖV 1988, 1066 = ZfF 1989, 205), sondern aus dem besonderen Regelungszusammenhang der Vorschriften über den Kostenersatz. Nach § 92 Abs. 1 (1. Halbsatz) BSHG besteht eine Verpflichtung zum Kostenersatz nur in den Fällen des § 92 a (Kostenersatz nach schuldhaftem Verhalten) und des § 92 c (Kostenersatz des Erben). Damit ist -- für die Fallgruppe rechtmäßig
gewährter Sozialhilfe (vgl. Knopp/Fichtner, BSHG, 6. Aufl. 1988, § 92 RdNr. 2 m.w.N.) -- unmißverständlich ausgesprochen, daß es sich um eine sozialhilferechtlich abschließende Regelung handelt.
Bestimmt mithin § 92 c BSHG, daß der Erbe des Hilfeempfängers (oder seines Ehegatten) unter den dort näher umschriebenen Voraussetzungen zum Kostenersatz
verpflichtet ist, dann enthält dies für diese Fallgruppe eine abschließende Umschreibung des Kreises der Erstattungspflichtigen;
§ 92 Abs. 1 BSHG schließt eine Erweiterung auf dort nicht genannte Personen durch Heranziehung allgemeiner Rechtsgrundsätze notwendig aus.
Aus § 92 Abs. 1 (2. Halbsatz) BSHG ergibt sich nichts anderes; zum einen vermag der Senat keine Verpflichtung zum Kostenersatz nach anderen Rechtsvorschriften
zu erkennen, die gerade durch Leistungsbescheid durchgesetzt werden könnten, und zum anderen enthalten die §§
2385,
2382 ff.
BGB, an die allenfalls zu denken wäre, keine hinreichend konkrete Vorschrift, die trotz des klaren Regelungszusammenhangs der
§§ 92 ff. BSHG eine Verpflichtung von Personen zum Kostenersatz begründen könnte, die (noch) nicht Erben sind.
Die höchstrichterliche Rechtsprechung, die zum Teil auch vom Verwaltungsgericht herangezogen wurde, rechtfertigt keine andere
Beurteilung, denn ihr lagen durchweg andere Fallgestaltungen zugrunde. In BVerwGE 52, 16 ff., ging es nicht um Kostenersatz nach §§ 92 ff. BSHG, sondern um Aufwendungsersatz nach § 29 S. 2 BSHG, der sich, wie das Bundesverwaltungsgericht eingehend ausgeführt hat, vom Kostenersatz ganz wesentlich unterscheidet. In
BVerwGE 52, 16, 21, heißt es wörtlich:
Die Regelungen in den §§ 92 a ff. BSHG sind ... nicht als eine Sonderregelung zu verstehen, mit der für den Bereich der Sozialhilfe insgesamt die Rechtsnachfolge
in Verbindlichkeiten des Empfängers von Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz jeder Art abschließend geregelt ist mit der Folge, daß in allen anderen Fällen, die sich den §§ 92 a ff. BSHG nicht einordnen lassen, eine Rechtsnachfolge nicht stattfindet und Verbindlichkeiten anderer Art als die in den §§ 92 a ff. BSHG genannten erlöschen. Die als Abschnitt 6 unter der Überschrift "Kostenersatz" zusammengefaßten Vorschriften enthalten --
soweit mit ihnen auch die Haftung des Erben geregelt war und ist -- Regelungen lediglich für einen Teilbereich, nämlich für
die Fälle, in denen es um den Ersatz von Kosten der Sozialhilfe geht. Diese Teilregelung erfaßt nicht die Fälle der Haftung
des Erben für dem Erblasser rechtswidrig geleistete Hilfe, weil sich die Rückforderung zu Unrecht geleisteter Hilfe außerhalb
des "Kostenersatzes" nach Abschnitt 6 des Bundessozialhilfegesetzes vollzieht ... Sie erfaßt aber auch nicht die Fälle, in
denen nach dem Bundessozialhilfegesetz Ersatz für Aufwendungen zu leisten ist ...
Damit hat das Bundesverwaltungsgericht zugleich ausdrücklich anerkannt, daß die §§ 92 ff. BSHG für den Teilbereich des "Kostenersatzes", um den es auch im vorliegenden Falle geht, eine abschließende Regelung enthalten;
mithin kommt -- anders als im Falle des Aufwendungsersatzes nach § 29 S. 2 BSHG -- ergänzende Heranziehung erbrechtlicher Vorschriften jedenfalls nicht in der Weise in Betracht, daß dadurch der Kreis der
Ersatzpflichtigen erweitert werden könnte. Im Ergebnis nichts anderes gilt, soweit sich das Verwaltungsgericht auf die Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs und des Bundessozialgerichts berufen hat (BGHZ a.a.O.; BSG, a.a.O.). Dort ging es jeweils um die Haftung
des Vermögensübernehmers wegen Rückerstattung zu Unrecht empfangener Versorgungsleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz. Dieses Gesetz kennt jedoch keine den §§ 92 ff. BSHG entsprechende Vorschriften; mithin mag davon ausgegangen werden, daß dort -- anders als im vorliegenden Falle -- noch Raum
für ergänzende Heranziehung erbrechtlicher Vorschriften war. Hinzu kommt, daß es in beiden Fällen um zu Unrecht empfangene
Leistungen ging, so daß sich -- §§ 92 ff. BSHG betreffen nur rechtmäßige Leistungen -- eine Analogie ein weiteres Mal verbietet.