Sozialhilferecht: Einkommensberechnung bei Hilfe zum Lebensunterhalt, Tilgungsraten auf bestehende Schuldverpflichtungen
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Hilfe zum Lebensunterhalt für die Zeit vom 01.10.1990 bis 31.12.1990.
Die am. 1922 geborene Klägerin ist Rentnerin. Sie erhält seit ihrem 65. Lebensjahr, also seit 1988, eine monatliche Rente
in Höhe von 1 499,76 DM brutto im Klagezeitraum. Diese Rente hat sie durch eine Nachentrichtung des für den Erwerb des Rentenanwartschaftsrechts
erforderlichen Betrages von insgesamt 43 710,-- DM bei der Rentenversicherungsanstalt erworben, den sie sich durch Aufnahme
eines Privatdarlehens in Höhe von 42 000,-- DM sowie kleinerer Darlehen ihrer Mutter beschafft hatte. In dem Darlehensvertrag
über 42 000,-- DM vom 01.08.1982 hatte sich die Klägerin zur Zurückzahlung des Darlehens mit Erhalt der ersten Rentenzahlung
in Höhe der monatlichen Ansprüche gegen die BfA verpflichtet, welche bis zur vollen Tilgung an die Darlehensgeberin abgetreten
wurden. Dazu hieß es weiter in dem Darlehensvertrag: "Hierbei wird davon ausgegangen, daß Unterhaltsansprüche an ihren geschiedenen
Ehemann hat." Der Klägerin waren seinerzeit noch, zuletzt durch Urteil des OLG Nürnberg vom 25.04.1978 (7 UF 172/78) Unterhaltsansprüche gegen ihren früheren Ehemann zugebilligt worden. Auf dessen Abänderungsklage hatte jedoch das AG Tettnang
mit Urteil vom 15.02.1989 dahin erkannt, daß er ab 01.10.1988 der Klägerin keinen Unterhalt mehr schulde (2 F 322/88). Das Urteil wurde gegen 6 650,-- DM und ab 01.03.1989 monatlich je 1 330,-- DM Sicherheit für vorläufig vollstreckbar erklärt.
Mit Urteil vom 21.12.1989 wies das OLG Stuttgart die hiergegen erhobene Berufung der Klägerin zurück und änderte das amtsgerichtliche
Urteil lediglich dahin ab, daß ihr früherer Ehemann ihr erst ab dem 07.12.1989 keinen Unterhalt mehr schulde. Das Urteil wurde
rechtskräftig (16 UF 146/89 U).
In den Entscheidungsgründen des Urteils des OLG Stuttgart heißt es: Voraussetzung für die Anrechnung des von der Klägerin
ab 01.10.1987 bezogenen Altersruhegelds auf den laut Urteil vom 25.04.1978 geschuldeten Unterhalt sei die vorherige Erstattung
der von ihr an die BfA zur Erlangung eines Altersruhegeldes nachentrichteten und durch Aufnahme eines Darlehens aufgebrachten
Beiträge durch den Unterhaltsschuldner. Denn dieser habe von ihr nicht verlangen können, Beiträge zur Rentenversicherung nachzuentrichten
und sich auf diese Weise ein Altersruhegeld zu verschaffen. Ein Angebot des Unterhaltsschuldners im Jahre 1975, die Klägerin
nachzuversichern, habe diese jedoch aus nicht überzeugenden Gründen abgelehnt gehabt. Die Erstattung der Darlehenszinsen,
die somit bei Annahme des Nachversicherungsangebots nicht erst angefallen wären, könne die Klägerin daher von dem Darlehensschuldner
nicht verlangen. In der Zeit vom 01.10.1987 bis 31.10.1988 habe die Klägerin sowohl ihr Altersruhegeld als auch 1 330,-- DM
Unterhalt erhalten. Außerdem habe ihr geschiedener Ehemann vom 01.11.1988 bis 31.01.1990 monatlich 1 330,-- DM beim Amtsgericht
hinterlegt und den Gesamtbetrag von 19 950,-- DM im Termin vom 07.12.1989 für die Klägerin freigegeben. Desweiteren habe die
Klägerin aufgrund einer Pfändung noch einen Betrag von 330,-- DM als Unterhalt erhalten gehabt. Insgesamt habe sie damit zusätzlich
zu ihrem Altersruhegeld von ihrem geschiedenen Ehemann 37 570,-- DM erhalten. Den zu den von ihr insgesamt nachentrichteten
43 710,-- DM noch fehlenden Differenzbetrag von 6 140,-- DM habe er ihr im Termin vom 07.12.1989 in bar übergeben und ihr
damit den gesamten für die Nachentrichtung aufgewandten Betrag erstattet. Von dieser Zeit an könne er deshalb Anrechnung des
Altersruhegeldes auf den titulierten Unterhaltsanspruch verlangen.
Von den insgesamt erhaltenen 26 090,-- (19 950,-- + 6 140,--) DM verwendete die Klägerin 9 140,-- DM für die Rückzahlung von
Sozialhilfeleistungen (vgl. nachfolgend unten) und 5 680,-- DM zur Nachentrichtung gestundeter Zins- und Tilgungsraten an
ihre Gläubigerin; den Rest verbrauchte sie für ihren Lebensunterhalt und für den Erwerb eines Farbfernsehers.
Bereits am 22.03.1989 hatte die Klägerin laufende Hilfe zum Lebensunterhalt beantragt, die ihr erstmals mit Bescheid vom 31.03.1989
bis auf weiteres in Höhe von erstmals monatlich 1 059,-- DM, zuletzt 1 214,-- DM, "wegen vorübergehender Notlage gemäß § 15 a BSHG" darlehensweise als "Vorschuß auf Unterhalt" gewährt wurde. Dabei verpflichtete sich die Klägerin "bei Erfolg der Unterhaltsklage"
zur Rückzahlung der Sozialhilfeleistungen. Bei der Berechnung der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt setzte die Beklagte
einen Monatsbetrag von zunächst 1 400,-- DM, später von 1 450,-- und 1 500,-- DM, als "Sonderbedarf nach §§ 3 Abs. 1, 13 und 14 BSHG" ein. Nach Abschluß des Unterhaltsprozesses zahlte die Klägerin zum Ausgleich der bis zum 07.12.1989 gewährten Sozialhilfe
insgesamt 9 140,-- DM an die Beklagte zurück. Die Beklagte zahlte ihr letztmals mit Bescheid vom 10.07.1990 aufgrund der bisherigen
Berechnung vom 01.07.1990 bis auf weiteres laufende Hilfe zum Lebensunterhalt, stellte jedoch mit Bescheid vom 26.09.1990
die Hilfe mit Wirkung vom 30.09.1990 mit der Begründung ein, daß die Darlehenstilgungsraten von 1 500,-- DM bei der Ermittlung
des Bedarfs nicht berücksichtigt werden könnten. Ohne diesen Betrag übersteige ihre monatliche Rente aber ihren sozialhilferechtlichen
Bedarf.
Gegen den Bescheid vom 26.09.1990 erhob die Klägerin am 10.10.1990 Widerspruch, zu dessen Begründung sie ausführte, daß ihr
zwar seit ihrem 65. Lebensjahr eine Rente in Höhe von derzeit 1 499, 76 DM zustehe, sie aber vertraglich dazu verpflichtet
sei, diesen Betrag zur Rückzahlung ihres zum Erwerb einer Rentenanwartschaft aufgenommenen Privatdarlehens zu verwenden. Die
Nachentrichtung und somit auch die Darlehensaufnahme seien notwendig gewesen, da sie damit erreicht habe, unabhängig von Unterhaltszahlungen
ihres geschiedenen Ehemannes ihren Unterhalt bestreiten zu können und auf Hilfe des Sozialamtes nicht angewiesen zu sein.
Daß sie jetzt doch auf die Gewährung von Sozialhilfe zurückgreifen müsse, sei darauf zurückzuführen, daß ihr geschiedener
Ehemann ab dem 07.12.1989 keinen Unterhalt mehr zu leisten habe und es ihm gelungen sei, ihr jegliche Altersversorgung aus
der ehelichen Gemeinschaft zu entziehen. Durch die Versagung von Sozialhilfe verlange die Beklagte, daß sie gegenüber ihrer
Darlehensgeberin vertragsbrüchig werde. Daher und aus dem Umstand, daß die Darlehensgeberin bei Einstellung der Darlehensrückzahlung
selbst in eine Notlage geraten würde, sei es ihr nicht zuzumuten, die Rückzahlung einzustellen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.12.1990 wies das Landratsamt B den Widerspruch nach Beteiligung sozial erfahrener Personen
zurück und führte aus: Da die Renteneinkünfte der Klägerin in Höhe von 1 499,76 DM über dem Bedarfssatz von 1 213,40 DM lägen,
sei die Klägerin nicht hilfebedürftig im Sinne des BSHG. Die Schulden aus ihrem Darlehensvertrag seien nicht zu berücksichtigen. Mit dem Erwerb der Rentenansprüche durch die Nachentrichtung
der Rentenversicherungsbeträge habe sie sich im Sinne des Vorrangs der Selbsthilfe selbst geholfen. Daß der geschiedene Ehemann
keinen Unterhalt mehr zu zahlen habe und die Klägerin insofern bei Abschluß des Darlehensvertrages von falschen Voraussetzungen
ausgegangen sei, könne nicht zu Lasten des Sozialhilfeträgers gehen. Da die Klägerin und die Darlehensgeberin für die Rückzahlung
des Darlehens von einer Unterhaltspflicht des geschiedenen Ehemannes ausgegangen seien, sei aus den gegebenen Umständen die
Abtretung der gesamten Rente zur Rückzahlung des Darlehens unwirksam. Auch Härtegesichtspunkte könnten zu keinem anderen Ergebnis
führen.
Am 02.01.1991 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Sigmaringen Klage erhoben. Sie hat beantragt, den Bescheid der Beklagten
vom 26.09.1990 sowie den Widerspruchsbescheid des Landratsamts B vom 04.12.1990 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten,
ihr auch für die Zeit vom 01.10. bis 31.12.1990 Sozialhilfe zu gewähren. Zur Begründung hat sie ergänzend vorgetragen: Ihre
Notlage beruhe auf dem Fehlurteil des OLG Stuttgart, in welchem ihr ein Unterhaltsanspruch gegen ihren geschiedenen Mann abgesprochen
worden sei, so daß sie schuldlos auf Sozialhilfe angewiesen sei. Daß sie nach dem Wegfall der Unterhaltsansprüche überhaupt
Einkünfte in Form der Rente habe, sei auf ihre eigene Initiative zurückzuführen, so daß bis zur Tilgung des dafür aufgenommenen
Darlehens von einem Einkommen ihrerseits nicht gesprochen werden könne. Die Darlehensgeberin sei mit einer weiteren Verzögerung
der Rückzahlung nicht einverstanden und verlange entweder eine Direktüberweisung seitens der BfA oder sofortige Direktzahlung,
wozu sie sich zur Vermeidung einer rechtlichen Auseinandersetzung entschlossen habe. Eine besondere Härte sei schon deshalb
in ihrer Situation gegeben, weil die Sozialhilfe nur noch für etwa zwei Jahre gewährt werden müsse, da sie dann das Darlehen
zurückgezahlt habe. Außerdem läge selbst bei Bewertung ihrer Rente als Einkommen dieses aufgrund des Wegfalls von Wohngeld
und gestiegener Lebenshaltungskosten im Zusammenhang mit der Aberkennung der Sozialhilfebedürftigkeit unter dem Sozialhilfesatz.
Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und zur Begründung auf den Widerspruchsbescheid verwiesen. Ergänzend hat sie ausgeführt,
daß aufgrund des Nachrangs der Sozialhilfe das Risiko der Zahlungsfähigkeit des Sozialhilfeempfängers nicht vom Sozialhilfeträger
zugunsten der Gläubiger desselben übernommen werden könne.
Mit Urteil vom 04.09.1991, zugestellt am 19.09.1991, hat das Verwaltungsgericht Sigmaringen die Klage abgewiesen. Zur Begründung
hat es ausgeführt: Das der Klägerin zustehende Einkommen in Form der Rentenauszahlung in Höhe von 1 499,76 DM übersteige ihren
von der Beklagten zuletzt am 09.07.1990 zutreffend berechneten Bedarf, so daß sie ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten
könne und müsse. Daran könnten auch die von der Klägerin geltend gemachten zusätzlichen Aufwendungen nichts ändern, zumal
das Wohngeld bei der Bedarfsberechnung schon bisher nicht als bedarfsminderndes Einkommen berücksichtigt worden, sondern der
Beklagten unmittelbar zugeflossen sei. Daß die Klägerin über ihre Rente als Einkommen verfügen könne, sei nicht dadurch ausgeschlossen,
daß sie die Ansprüche gegen die Rentenversicherung an die Darlehensgläubigerin abgetreten habe, zumindest nicht, solange die
Darlehensgläubigerin die Rentenbeträge nicht unmittelbar bei der BfA einziehe. Auch seien die Tilgungsraten nicht gemäß §
76 Abs. 2 BSHG von dem Einkommen der Klägerin absetzbar, denn es sei nicht Aufgabe der Sozialhilfe, bestehende Verbindlichkeiten des Hilfebedürftigen
abzudecken. Habe der Hilfebedürftige Einkommen, so müsse er es in der Regel auch dann für sich verwenden, wenn er sich damit
außerstande setze, bestehende gesetzliche oder vertragliche Verbindlichkeiten zu erfüllen. Auch wenn man, wie vereinzelt im
Schrifttum vertreten, davon ausgehe, daß Kreditzahlungen sozialhilferechtlich absetzbar seien, liege die Entscheidung im pflichtgemäßen
Ermessen der Behörde, wobei die Beklagte jedenfalls in dem Nichtabhilfeschreiben vom 17.10.1990 eine derartige Ermessensausübung
vorgenommen habe. Auch unter Berücksichtigung der Umstände dieses Einzelfalles sei eine Absetzung der Darlehenstilgungsraten
nicht möglich, denn es könne nicht Sinn der Sozialhilfe sein, auch nur mittelbar für die Erfüllung privatrechtlicher Verpflichtungen
in der Art einer "Staatsbürgschaft" einzutreten.
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts hat die Klägerin am 09.10.1991 Berufung eingelegt. Sie hat daran festgehalten, daß
die Tilgungsraten entweder gemäß § 76 BSHG von ihrem Einkommen abzusetzen oder aber auf ihren Bedarf anzurechnen seien. Denn diese Möglichkeit sei auch bei freiwillig
gezahlten Beiträgen zur gesetzlichen oder privaten Kranken- oder Rentenversicherung eröffnet, und damit ließen sich die von
ihr aufzubringenden Tilgungsraten durchaus vergleichen. Ohne die Beitragsnachentrichtung läge nämlich ihre Rente weit unter
dem Bedarfssatz, so daß sie, wenn sie, die Klägerin, nicht durch Eigeninitiative und Eigenverantwortung die Nachentrichtung
vorgenommen hätte, dauernd auf die Unterhaltsleistungen ihres geschiedenen Mannes oder eben auf Sozialhilfe angewiesen wäre.
Zumindest aber sei gemäß § 15 a BSHG eine Umschuldung oder Schuldenübernahme denkbar, da diese Vorschrift die Möglichkeit eröffne, gegenwarts- oder zukunftsbezogene
Nachteile abzuwenden, wenn die wirtschaftliche Belastung den anzuerkennenden Bedarf übersteige, und so ein dauerndes Angewiesensein
auf Sozialhilfe zu vermeiden. Auch könne man ihre Vorsorgeaufwendungen nicht als Schulden bezeichnen, da sie damit ihre finanzielle
Unabhängigkeit im Alter habe sichern wollen. Eine Nachentrichtung in Raten sei ihr seinerzeit nicht möglich gewesen, so daß
eine Finanzierung des Gesamtbetrages durch die Aufnahme eines Darlehens, wegen des Fristablaufs für die Nachentrichtung, notwendig
gewesen sei. Da sie bei Abschluß des Darlehensvertrages mit unpünktlichen Unterhaltsleistungen ihres geschiedenen Ehemannes
gerechnet habe, sei dieser Möglichkeit durch eine entsprechende Bestimmung Rechnung getragen worden; eine weitergehende Bedeutung
komme dieser nicht zu. Sie könne jetzt nicht dafür bestraft werden, daß sie für ihre Eigenvorsorge tätig geworden sei, indem
sie so gestellt werde, wie wenn sie die Eigenvorsorge nicht getroffen hätte. Sie erwarte als Angehörige einer Generation,
die sich weder im Krieg noch unmittelbar danach eine ins Gewicht fallende Altersrente habe aufbauen können, von der Beklagten
nur eine "Hilfe zur Selbsthilfe".
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 04.09.1991 zu ändern, den Bescheid der Beklagten vom 26.09.1990 sowie den
Widerspruchsbescheid des Landratsamts B vom 04.12.1990 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr für die Zeit vom 01.10.1990
bis 31.12.1990 laufende Hilfe zum Lebensunterhalt in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und nimmt Bezug auf den Beschluß des Senats im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes
vom 19.12.1990 (6 S 2924/90).
Der Klägerin ist vom Landkreis B seit Anfang 1991 gemäß § 30 BSHG zur Sicherung der Lebensgrundlage ein Darlehen in Höhe von 1 200,-- DM monatlich gewährt worden, das sie bis einschließlich
Juli 1992 bezogen hat. Ihre Rente hat sie bis zur Tilgung der Hauptschuld Ende Juli 1992 vereinbarungsgemäß an ihre Gläubigerin
überwiesen.
Dem Senat liegen die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts in diesem sowie im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes und
außerdem die einschlägigen Behördenakten der Beklagten vor.
Entscheidungsgründe:
Der Schriftsatz der Klägerin vom 16.01.1993 gibt dem Senat keinen Anlaß, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Der Klägerin stand im Klagezeitraum
vom 01.10.1990 bis zum 31.12.1990 ein Anspruch auf laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nicht zu. Denn sie verfügte in diesem
Zeitraum über ein Renteneinkommen von monatlich 1 499,76 DM, das ihren seinerzeitigen sozialhilferechtlichen Bedarf überstieg.
Wegen der Höhe ihres sozialhilferechtlichen Bedarfs und dessen Berechnung wird auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts
Bezug genommen (§
122 Abs.
2 Satz 3
VwGO).
Daß Tilgungsraten auf bestehende Schuldverpflichtungen von dem nach § 11 BSHG einzusetzenden Einkommen im Sinne des § 76 BSHG nicht abgesetzt werden können, ergibt sich bereits aus der nach ganz überwiegender Auffassung abschließenden Aufzählung absetzbarer
Aufwendungen in § 76 Abs. 2 BSHG. Es ist grundsätzlich nicht Aufgabe der Sozialhilfe, Schulden des Hilfesuchenden zu tilgen (st. Rspr. des BVerwG, vgl. zuletzt
Urt. v. 30.04.1992, DVBl. 1992, 1479, 1480 m.w.N. aus der Rspr. des BVerwG). Hat der Hilfsbedürftige Einkommen, so muß er es in der Regel auch dann für sich verwenden,
wenn er sich dadurch außerstande setzt, bestehende gesetzliche oder vertragliche Verpflichtungen zu erfüllen (BVerwGE 20,
188, 192; 55, 148, 152). Um den Fall, daß das einzusetzende Einkommen bereits gepfändet ist (vgl. BVerwGE 55, 148, 153 ff.; HessVGH, Urt. v. 24.01.1986, FEVS 35, 447), geht es vorliegend nicht. Ist es aber grundsätzlich nicht Aufgabe der
Sozialhilfe, Schulden des Hilfesuchenden zu tilgen, so kann dies auch nicht in der Weise geschehen, daß der Sozialhilfeträger
dem Schuldner laufende Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt, um ihm damit den Einsatz seines gesamten Einkommens zur monatlichen
Schuldentilgung zu ermöglichen.
Allerdings wird im Schrifttum vereinzelt vertreten, daß es dem Sozialhilfeträger freistehe, trotz der abschließenden Regelung
des § 76 Abs. 2 BSHG Kreditrückzahlungen vom Einkommen abzuziehen, wenn die Verhältnisse des Einzelfalles (§ 3 BSHG) dies rechtfertigen (LPK-BSHG, 3. Aufl., RdNr. 13 zu § 76; Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 13. Aufl., RdNr. 32 zu § 76). Der Senat neigt nicht dazu, dieser Auffassung zu folgen, kann die Frage jedoch im vorliegenden Falle offenlassen, da Anhaltspunkte
für eine ausnahmsweise Berücksichtigung der Kreditrückzahlungsraten der Klägerin bei der Ermittlung ihres Einkommens nicht
vorliegen.
Insbesondere stehen die Kreditrückzahlungsraten der Klägerin nicht etwa den angemessenen Beitragsleistungen für eine freiwillige
Rentenversicherung oder Lebensversicherung im Sinne des § 76 Abs. 2 Nr. 3 BSHG gleich. Zum einen kann schon nach dieser Vorschrift keinesfalls das gesamte Einkommen des Bedürftigen als Versicherungsbeitrag
abgesetzt werden; zum andern aber -- und das ist hier entscheidend -- waren diese Beitragsleistungen bereits zu einem Zeitpunkt
erbracht worden, als die Klägerin noch Unterhalt von ihrem geschiedenen Ehemann bezog und von ihrer Sozialhilfebedürftigkeit
keine Rede sein konnte. Eine nachträgliche Behandlung der Zins- und Tilgungsraten der Klägerin für das Darlehen, mit welchem
sie ihre Rentenversicherung finanziert hat, als Beitragsleistung im Sinne des § 76 Abs. 2 Nr. 3 BSHG stünde daher im Widerspruch zu dem sozialhilferechtlichen Grundsatz "keine Hilfe für die Vergangenheit", an welchem die Rechtsprechung
des BVerwG und des erkennenden Senats bis in die jüngste Zeit stets festgehalten hat (vgl. Urt. des BVerwG v. 30.04.1992,
a.a.O.; st. Rspr. des Senats, zuletzt Urt. v. 21.10.1992 -- 6 S 2952/91 --). Bei den anerkennungsfähigen Beiträgen im Sinne von § 76 Abs. 2 Nr. 3 BSHG handelt es sich um zukunftsgerichtete Leistungen, die trotz einer gegenwärtigen Notlage nicht unterbrochen werden sollen.
Es kann danach nicht in der Gegenwart eine Leistung beansprucht werden, die, hätte seinerzeit eine Bedürftigkeit bestanden,
vielleicht in der Vergangenheit irgendeinmal hätte erbracht werden können. In dem -- maßgeblichen -- Klagezeitraum jedenfalls
bestand kein Bedarf mehr zum Erwerb einer Rentenanwartschaft, denn die Klägerin hatte diese Anwartschaft bei Eintritt des
Bedarfsfalles schon erworben. Die Rückzahlungsverpflichtung auf das ihr zur Finanzierung des Anwartschaftserwerbs gewährte
Darlehen beruht, trotz dessen ursprünglichen wirtschaftlichen Zusammenhangs mit der Rente, allein auf privatrechtsgeschäftlichen
Rechtsgrundlagen. Verpflichtungen aus rechtlich verselbständigten Privatrechtsgeschäften sind aber stets "Schulden", die grundsätzlich
nicht von der Sozialhilfe übernommen werden können (vgl. auch Senatsurteil vom 30.11.1988 -- 6 S 2185/87 --). Im übrigen bestehen auch erhebliche Zweifel an dem Fortbestehen und der "Gegenwärtigkeit" des ursprünglichen wirtschaftlichen
Zusammenhangs der Rückzahlungsverpflichtungen der Klägerin mit dem Erwerb ihres Rentenanspruchs. Denn nach dem rechtskräftigen
und daher auch für den Senat bindenden Urteil des OLG Stuttgart vom 21.12.1989 ist der Unterhaltsanspruch der Klägerin gegen
ihren geschiedenen Ehemann für die Zeit ab dem 07.12.1989 gerade deshalb entfallen, weil dieser die Nachentrichtungssumme
für den Erwerb der Rentenanwartschaft der Klägerin nachträglich übernommen hat. Den Angriffen der Klägerin gegen die Richtigkeit
dieses Urteils hat der Senat nicht nachzugehen.
Im übrigen trifft es nach Auffassung des Senats auch nicht zu, daß die Klägerin im Klagezeitraum zivilrechtlich verpflichtet
gewesen wäre, ihr gesamtes Renteneinkommen zur Kreditrückzahlung einzusetzen. Zunächst war sie nicht schon deshalb am Einsatz
ihrer Rente zum Lebensunterhalt gehindert, weil diese im Darlehensvertrag vom 01.08.1982 an die Darlehensgläubigerin abgetreten
worden war. Abgesehen davon, daß die Rente nach §
53 Abs.
3 SGB I ohnehin nicht in voller Höhe, sondern nur in der Höhe abgetreten werden konnte, die den für Arbeitseinkommen geltenden unpfändbaren
Betrag überstieg, war die Abtretung auch ausdrücklich an die Bedingung bzw. Voraussetzung geknüpft gewesen, daß die Klägerin
Unterhaltsansprüche an ihren Ehemann hat. Denn sowohl zur Abtretung wie zur Rückzahlungsverpflichtung hieß es in dem Darlehensvertrag
vom 01.08.1982: "Hierbei wird davon ausgegangen, daß Unterhaltsansprüche an ihren geschiedenen Ehemann hat". Diese Formulierung
betrifft nach ihrem klaren Wortlaut und objektiven Erklärungswert nicht lediglich unpünktliche Zahlungen des Unterhalts, die
das Bestehen des Anspruchs unberührt lassen, sondern eben dieses Bestehen des Anspruchs selbst. Damit war sowohl die Abtretung,
aber auch die vereinbarte Rückzahlungspflicht -- durch Einsatz der Rente in voller Höhe -- an die Voraussetzung geknüpft,
daß der geschiedene Ehemann unterhaltspflichtig bleibt. Das bedeutete, daß auch die Rückzahlungspflicht jedenfalls nicht so
wie vereinbart fortgelten sollte, wenn die Klägerin von ihrem geschiedenen Ehemann keinen Unterhalt mehr verlangen kann; die
Abtretung wurde daher mit dem Wegfall der Unterhaltsansprüche, also ab dem 07.12.1989, in vollem Umfang unwirksam (§
158 Abs.
2 BGB; Münchener Kommentar zum
BGB, 2. Aufl., RdNr.
53 zu §
158). Insoweit läßt sich schon dem Darlehensvertrag selbst entnehmen, daß die Zweckbestimmung der Rente, den eigenen Unterhalt
zu sichern, im Falle der Not, also bei Wegfall des Unterhaltsanspruchs, wieder Vorrang erhalten sollte. Da auch nicht geregelt
war, wann und wie das Darlehen zurückgezahlt werden sollte, wenn die Klägerin keine Unterhaltsansprüche mehr hat, wird angenommen
werden müssen, daß es insoweit einer neuen Vereinbarung bedurfte, und die Darlehensrückzahlung jedenfalls im bisherigen Umfang
nicht mehr verlangt werden konnte. Damit handelte es sich nach Wegfall der Unterhaltspflicht des früheren Ehemannes bei der
Überweisung der gesamten Rente nicht mehr um die Erfüllung einer fälligen und einklagbaren Forderung der Darlehensgeberin.
Es ist zwar durchaus verständlich, wenn die Klägerin die Zahlungen, zur frühestmöglichen Tilgung der Schuld, in vollem Umfang
freiwillig fortsetzen wollte, doch geht es nicht an, dann einfach den Sozialhilfeträger an die Stelle ihres nicht mehr unterhaltsverpflichteten
früheren Ehemannes zu setzen. Dies gilt um so mehr, als der Klägerin am 07.12.1989 noch ein Restbetrag von 16 950,-- (10 810,--
+ 6 140,--) DM an Leistungen ihres Ehemannes zur Beteiligung an ihrer Rentenversicherung zur Verfügung gestanden hatte, den
sie nicht nur teilweise, sondern in vollem Umfang an ihre Darlehensgeberin hätte weitergeben können und müssen, während diese
von nun an jedenfalls nicht mehr die vollständige Überweisung ihrer Rente verlangen konnte.
Der Grundsatz "keine Hilfe für die Vergangenheit" steht auch einer Leistungserbringung nach § 14 BSHG entgegen. Nach dieser Vorschrift können als Hilfe zum Lebensunterhalt auch die Kosten übernommen werden, die erforderlich
sind, um die Voraussetzungen eines Anspruchs auf eine angemessene Alterssicherung zu erfüllen. Es versteht sich von selbst,
daß dies nicht gilt, wenn die angemessene Alterssicherung bereits in einer Zeit erworben worden ist, in welcher noch keine
Hilfsbedürftigkeit bestand und lediglich Verpflichtungen aus dem Finanzierungsgeschäft noch in die Gegenwart hineinreichen.
Auch die Leistungen nach § 14 BSHG sind zukunftsgerichtet bei gegenwärtig bestehender Notlage.
Auch auf § 15 a BSHG kann die Klägerin ihren Anspruch nicht stützen. Nach dieser Vorschrift kann Hilfe zum Lebensunterhalt in Fällen, in denen
nach den vorausgegangenen ("vorstehenden") Bestimmungen des BSHG die Gewährung von Hilfe nicht möglich ist, gewährt werden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer
vergleichbaren Notlage erforderlich ist. Unter den Begriff "Sicherung der Unterkunft" fallen alle Maßnahmen, die geeignet
sind, den Hilfesuchenden vor Obdachlosigkeit zu bewahren, sei es durch Unterstützung bei der Erhaltung der derzeitigen Unterkunft,
sei es durch Unterstützung bei der Anmietung und dem Bezug einer neuen (vgl. Senatsurteil vom 19.08.1992 -- 6 S 1338/90 -- m.w.N.). Zum ersteren gehört typischerweise die Übernahme von Mietschulden und Tilgungsbeiträgen, zum letzteren die Übernahme
von Mietkaution, Mietvorauszahlung, Maklergebühren und Anzeigenkosten. Ebenso gehört dazu die Übernahme von Umzugskosten (vgl.
Senatsurteil a.a.O.). Um spezielle Hilfen dieser Art "zur Sicherung der Unterkunft" geht es bei der Klägerin offensichtlich
nicht. Aber auch eine "vergleichbare Notlage" liegt nicht vor. Hierbei kann es nicht um jedwede Notlage aus jedwedem Lebensbereich
des Hilfebedürftigen gehen, sondern nur um eine solche, die sich ihrem Inhalt und Wesen nach mit der Gefährdung der Unterkunft
vergleichen läßt, mag sie sich auch nicht unmittelbar auf die Unterkunft selbst beziehen (vgl. Senatsurteil vom 23.05.1990
-- 6 S 339/90 --). Sie muß also den vorhandenen gegenständlichen Existenzbereich des Hilfebedürftigen betreffen, etwa seine Energieversorgung
oder Wohnraumausstattung, der ihm auch durch die Übernahme von Schulden erhalten werden kann (vgl. Schellhorn/Jirasek/Seipp,
BSHG, 13. Aufl., RdNr. 8 zu § 15 a). Die Rückzahlung eines zum Zweck des Erwerbs einer Rentenanwartschaft aufgenommenen Darlehens zählt hierzu jedoch nicht.
Selbst wenn aber der Begriff der "vergleichbaren Notlage" und damit der Anwendungsbereich des § 15 a BSHG vom Gegenstand her umfassender zu bestimmen wäre, so wäre doch die Notlage der Klägerin auch von ihrem Gewicht her mit der
drohenden Obdachlosigkeit im Sinne der ersten Alternative der Vorschrift nicht zu vergleichen. Die Klägerin lag mit ihrem
Renteneinkommen im Klagezeitraum noch mit 285,-- DM über dem sozialhilferechtlichen Bedarf. Sie war zivilrechtlich befugt,
die Tilgungsraten -- nach Wegfall ihres Unterhaltsanspruchs -- zur Wahrung ihres notwendigen Lebensunterhalts zu kürzen. Den
ihren sozialhilferechtlichen Bedarf übersteigenden Teil ihres Renteneinkommens konnte sie zur Darlehensrückzahlung verwenden,
ohne sich sozialhilfebedürftig zu machen. Die zwangsläufig damit verbundene Verzögerung der Rückzahlung ist keine Notlage,
die der Obdachlosigkeit gleicht.