Sozialhilferecht: Eingliederungshilfe, Inhalt eines Gesamtplans
Gründe:
Die Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf Vollstreckung aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts
Stuttgart vom 07.03.1995 - 8 K 2584/94 - abgelehnt, denn es gibt nichts mehr zu vollstrecken, da der Vollstreckungsschuldner seiner Verpflichtung aus dem Urteil
durch Aufstellung eines Gesamtplans gemäß § 46 Abs. 1 BSHG unter dem 15.11.1995 nachgekommen ist. Soweit der Vollstreckungsgläubiger demgegenüber der Auffassung ist, daß der vorgelegte
Gesamtplan unvollständig bzw korrekturbedürftig sei und daher nicht den Anforderungen des § 46 BSHG entspreche, trifft dies nicht zu. Der Vollstreckungsgläubiger verkennt insoweit Inhalt und Funktion eines Gesamtplans nach
§ 46 BSHG und die sich daraus für ihn ergebenden Rechte.
Nach § 46 Abs. 1 BSHG stellt der Träger der Sozialhilfe so frühzeitig wie möglich einen Gesamtplan zur Durchführung der einzelnen Maßnahmen auf.
Bei Aufstellung des Plans und der Durchführung der Maßnahmen wirkt der Träger der Sozialhilfe mit den Behinderten und den
sonst im Einzelfall Beteiligten, vor allem mit dem behandelnden Arzt, dem Gesundheitsamt, dem Landesarzt, dem Jugendamt und
den Dienststellen der Bundesanstalt für Arbeit, zusammen.
Der Gesamtplan stellt keinen Verwaltungsakt dar, denn er regelt nicht rechtsverbindlich einen Einzelfall mit Außenwirkung
(vgl OVG Münster, Urteil vom 07.12.1972, FEVS 22, 14). Er dient dem Träger der Sozialhilfe als Richtschnur für die Durchführung
der erforderlichen Eingliederungsmaßnahmen, ohne einen rechtsverbindlichen Charakter gegenüber dem Betroffenen oder einzelnen
Stellen zu entfalten. Er ist selbst keine unmittelbare Hilfsmaßnahme iSd § 40 BSHG und räumt dem Betroffenen demgemäß auch keinen Anspruch auf die Durchführung der im Plan aufgeführten konkreten Einzelhilfsmaßnahmen
ein. Vielmehr ist der eine sachdienliche Verwaltungsmaßnahme zur Vorbereitung der dem Sozialhilfeträger nach § 4 Abs. 2 BSHG obliegenden Ermessensentscheidung; er ist dabei nach § 46 BSHG als Voraussetzung einer solchen Ermessensentscheidung vorgeschrieben (zum Ganzen vgl OVG Münster aaO; Mergler/Zink, BSHG, § 46 RdNr. 8).
Aus der Regelung und ihrem Zweck folgt, daß der Gesamtplan nur das wiedergibt, was der Träger der Sozialhilfe als Hilfsmaßnahmen
für erforderlich bzw für möglich hält. Die Entscheidung darüber, welchen Inhalt der Gesamtplan hat, trifft also ausschließlich
der Träger der Sozialhilfe (vgl Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 14. Aufl, § 46 RdNr. 9), nicht aber der Behinderte oder ein Träger öffentlicher Belange, mögen auch diese an der Aufstellung des Gesamtplans
mit zu beteiligen sein. Der Behinderte kann eine Ergänzung bzw Korrektur des Gesamtplans nicht verlangen, wenn dies der Träger
der Sozialhilfe nicht für erforderlich hält, vorausgesetzt, daß dieser den Plan als vollständig und aktuell ansieht. Sollte
der Träger der Sozialhilfe im Einzelfall zur Notwendigkeit einzelner Hilfsmaßnahmen einen unrichtigen Rechtsstandpunkt einnehmen,
so ist es Sache des Behinderten, insoweit eine Verwaltungsentscheidung herbeizuführen und dagegen erforderlichenfalls im Wege
der Klage vorzugehen. Dagegen dient die Vorschrift des § 46 BSHG nicht dazu, die Frage, welche Maßnahmen in Zukunft dereinst einmal erforderlich sein sollten, bereits bei Aufstellung des
Planes, ggf nach einer Beweisaufnahme, abschließend und umfassend zu klären. Eine solche Vorverlagerung des Rechtsschutzes
ist mit dem nur als verwaltungsinterne Maßnahme konzipierten Gesamtplan von Gesetzes wegen nicht beabsichtigt. Sie würde zudem
Verwaltung und Rechtsprechung völlig überfordern, da sie eine abschließende und detaillierte Prüfung aller in Betracht kommenden
Maßnahmen im vorhinein zu einem Zeitpunkt voraussetzen würde, ehe die Maßnahme konkret zur Entscheidung ansteht.
Nach alledem hat im vorliegenden Fall der Vollstreckungsschuldner seiner Verpflichtung aus dem Urteil vom 07.03.1995 dadurch
genügt, daß er unter dem 15.11.1995 einen Gesamtplan aufgestellt hat, der aus seiner Sicht die in Aussicht genommenen Hilfsmaßnahmen
in allgemeiner Form vollständig und abschließend aufführt. Soweit der Plan als Entwurf bezeichnet wurde, hat der Vollstreckungsschuldner
später klargestellt, daß der Plan als endgültig aufgestellt zu betrachten sei. Diese Erklärung reicht für die Aufstellung
des Gesamtplans aus. Anhaltspunkte für ein verfahrensfehlerhaftes Zustandekommen des Gesamtplanes fehlen ebenfalls. Insbesondere
hat der Vollstreckungsschuldner unbestritten vorgetragen, daß der Vollstreckungsgläubiger an dem Gesamtplan mitgewirkt habe.
Da der Vollstreckungsschuldner den Gesamtplan als vollständig und abschließend angesehen hat, besteht für den Vollstreckungsgläubiger
keine Handhabe, eine Korrektur oder Ergänzung zu verlangen. Was den vom Vollstreckungsgläubiger angesprochenen Bedarf wegen
Körperpflege und Leibwäsche als Folge einer Schuppenflechte anlangt, hat der Vollstreckungsschuldner unter Ziffer 2.7 des
Gesamtplanes hierzu mit dem Vermerk Stellung genommen, daß sich dieser Antrag zur Zeit in Bearbeitung befinde. Die letztere
Angabe war nicht falsch, so daß insoweit der Plan keinen offenen Punkt aufweist. Ob die vom Vollstreckungsschuldner für die
genannten Punkte in Anspruch genommene Bearbeitungsdauer zu beanstanden ist oder nicht, ist keine Frage des vorliegenden Verfahrens
und berührt damit nicht die Gültigkeit des aufgestellten Gesamtplanes. Auch die vom Vollstreckungsgläubiger angesprochenen
behinderungsbedingten Mehrkosten, zB Telefax, Schreibtelefon, hat der Vollstreckungsschuldner im Gesamtplan unter Bezugnahme
auf die Zurückweisung eingelegter Widersprüche behandelt. Ob diese Zurückweisung zu Recht erfolgt ist, spielt in diesem Verfahren
wiederum keine Rolle, da insoweit nicht die Frage betroffen ist, ob ein Gesamtplan iSd § 46 BSHG aufgestellt wurde. Vielmehr mußte der Vollstreckungsgläubiger gegen die Zurückweisung der Widersprüche die entsprechenden
Rechtsschutzmöglichkeiten ergreifen. Demzufolge sind auch nicht die vom Vollstreckungsgläubiger behaupteten Beträge, die das
BfW angeblich in Rechnung gestellt hat, in diesem Verfahren rechtlich zu würdigen. Auch ist der Behauptung des Vollstreckungsgläubigers,
keine Bekleidungspauschale erhalten zu haben, hier nicht nachzugehen. Die vom Vollstreckungsgläubiger ferner angesprochenen
Kosten für Hörgerätebatterien sind in Ziffer 3.2 des Gesamtplanes mittelbar behandelt worden; im übrigen hat sich diese Position
ebenso wie die früher geltend gemachte Hilfe für eine Dreikanal-Hörhilfe durch Bewilligung seitens des Vollstreckungsschuldners
erledigt. Diese Punkte brauchen deshalb nicht nachträglich im Gesamtplan aufgenommen zu werden. Die ferner vom Vollstreckungsgläubiger
geltend gemachten Aufwendungen für Bewerbungen brauchten im aufgestellten Gesamtplan ebenfalls nicht berücksichtigt zu werden,
da Bewerbungen bei Aufstellung des Plans zeitlich noch nicht angestanden hatten und zudem auch nicht ersichtlich war, ob insoweit
überhaupt Kosten anfallen würden, die über den dem Vollstreckungsgläubiger für persönliche Bedürfnisse gewährten Betrag hinausgehen.
Ebenfalls im Zeitpunkt der Planaufstellung nicht aktuell und in der Erforderlichkeit nicht absehbar war die Frage von Fort-
und Weiterbildungslehrgängen. Auch wegen weiterer medizinischer Maßnahmen, etwa hinsichtlich einer logopädischen Therapie,
hatte der Vollstreckungsschuldner bei Aufstellung des Gesamtplans keine Erforderlichkeit gesehen. Eine Unvollständigkeit des
Planes lag mithin aus seiner Sicht auch insoweit nicht vor.
Nach alledem hat der Vollstreckungsschuldner einen aus seiner Sicht vollständigen und aktuellen Gesamtplan iSd § 46 BSHG aufgestellt und damit seiner Verpflichtung aus dem Urteil vom 07.03.1995 entsprochen. Demgemäß hat der Vollstreckungsgläubiger
keinen Anspruch auf Aufstellung bzw Ergänzung oder Korrektur eines Gesamtplans iSd § 46 BSHG. Seine Beschwerde ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§
154 Abs.
2 und
188 S 2
VwGO.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§
152 Abs.
1 VwGO).