Sozialhilferecht: Anrechnung von Krankengeld auf das Einkommen
Tatbestand:
Der am 13.7.1965 geborene Kläger ist wegen seiner geistigen Behinderung seit 1985 in einem Behindertenwohnheim in Hechingen-Sickingen
untergebracht. Er verbringt dort das ganze Jahr und wird in der dem Heim angeschlossenen Werkstatt für Behinderte beschäftigt.
Hierfür erhält er ein geringes Arbeitsentgelt. Die Kosten der Unterbringung des Klägers in dem Behindertenwohnheim werden
vom Beklagten im Rahmen der Eingliederungshilfe übernommen. Der Kläger erhält außerdem während seines Aufenthalts in dem Behindertenwohnheim
vom Beklagten nach § 21 Abs. 3 BSHG einen Barbetrag zur persönlichen Verfügung. Der Heimträger führt vom Arbeitseinkommen des Klägers entsprechend den Richtlinien
des Beklagten über die Sozialhilfeleistungen im Arbeitsbereich der Werkstätten für Behinderte (Werkstattrichtlinien - WfBRi)
vom 20.10.1981 i.d.F. vom 14.12.1993 einen Anteil in unterschiedlicher Höhe als Kostenbeitrag an den Beklagten ab. Die Höhe
des dem Kläger jeweils zu belassenden Anteils des Arbeitseinkommens ergibt sich aus der Tabelle nach Nr. 5.3.5.4 WfBRi.
In der Zeit vom 17.8.1994 bis 18.11.1994 mußte sich der Kläger einer stationären Krankenhausbehandlung im PLK Rottenmünster
unterziehen. Der Beklagte übernahm die Eigenbeteiligung für die Krankenhausbehandlung und zahlte an den Heimträger ein Bettengeld
für die Freihaltung des Platzes im Behindertenwohnheim. Während seines Aufenthalts im PLK Rottenmünster stand dem Kläger für
den Zeitraum vom 29.9.1994 bis 17.11.1994 gegen die AOK Albstadt ein Anspruch auf Krankengeld in Höhe von 5,51 DM täglich
zu. Mit Schreiben vom 29.11.1994 machte der Beklagte gegenüber der AOK Albstadt Erstattungsansprüche nach den §§ 102, 104
SGB-X geltend. Die AOK Albstadt teilte dem Beklagten am 5.12.1994 mit, daß dem Kläger bereits Krankengeld in Höhe von 165,43
DM ausbezahlt worden sei. Am 29.12. überwies die AOK Albstadt 1994 das restliche Krankengeld in Höhe von 121,32 DM an den
Beklagten.
Mit Bescheid vom 6.12.1994 zog der Beklagte den Kläger zu einem Kostenbeitrag in Höhe von 165,43 DM heran. Den Widerspruch
des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7.7.1995 zurück. Zur Begründung führte er aus, nach § 85 Ziff. 3 BSHG solle der Sozialhilfeträger die Aufbringung der Mittel unter der Einkommensgrenze auch dann verlangen, wenn sich der Sozialhilfeempfänger
über längere Zeit in einer Anstalt, einem Heim oder gleichartigen Einrichtung befinde und andere Personen nicht überwiegend
unterhalte. Diese Voraussetzungen für den Einsatz des Einkommens lägen beim Kläger vor. Im Rahmen der Ermessensausübung werde
das Krankengeld beansprucht, weil auch während des Krankenhausaufenthalts Sozialhilfeleistungen erbracht würden und dem Hilfeempfänger
während des Krankenhausaufenthaltes keine besonderen Aufwendungen entstünden. Das Krankengeld könne dem Arbeitseinkommen aus
einer Tätigkeit in einer Werkstatt für Behinderte nicht gleichgestellt werden. Vom Arbeitseinkommen werde ein bestimmter Betrag
freigelassen, weil der Beschäftigte trotz beschränkter Leistungsfähigkeit einer Erwerbstätigkeit nachgehe. Das Krankengeld
sei jedoch sonstiges Einkommen und kein Werkstattlohn.
Am 25.7.1995 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Sigmaringen mit dem Antrag Klage erhoben, den Bescheid des Beklagten vom
6.12.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 7.7.1995 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen,
den bereits eingezogenen Betrag von 121,32 DM an ihn auszuzahlen. Zur Begründung hat der Kläger ausgeführt, Krankengeldzahlungen
unterfielen nicht der Kostenbeitragspflicht, solange durch diese Zahlungen nicht die Vermögensfreigrenze für Heimbewohner
von 4.500,-- DM überschritten werde. Krankengeld sei als übrige Einnahme vom Kostenbeitrag freizustellen. Das Krankengeld
könne allenfalls als Lohnersatz behandelt werden, so daß nur der sich aus der Tabelle zu Nr. 5.3.5.4 WfBRi ergebende Betrag
einbehalten werden könne. § 77 BSHG finde keine Anwendung, da das Krankengeld als Lohnersatzleistung dem Lohnempfänger im Krankheitsfalle dazu diene, in beschränktem
Umfang seinen bisherigen Lebensstandard zu erhalten. Seine Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis sei auch im Krankheitsfalle
entsprechend zu honorieren. Es würde für ihn daher zu einer unbilligen Härte führen, wenn er aufgrund der Einziehung des Krankengeldes
trotz seines Arbeitsverhältnisses mit dem ihm verbleibenden monatlichen Mindesttaschengeld in Höhe von 156,-- DM auskommen
müßte. Der Beklagte habe weder den unbestimmten Rechtsbegriff des "angemessenen Umfangs" richtig gewürdigt, noch sein Ermessen
fehlerfrei ausgeübt.
Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt und zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide Bezug genommen.
Mit Urteil vom 23.10.1996 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei
als Anfechtungsklage zulässig, soweit sie sich gegen den Bescheid vom 6.12.1994 richte. Im übrigen sei sie als allgemeine
Leistungsklage zulässig. Die Klage sei jedoch insgesamt unbegründet. Nach § 85 Ziff. 3 S. 2 BSHG solle die Aufbringung der Mittel, auch soweit das Einkommen unter der Einkommensgrenze liege, über die häusliche Ersparnis
hinaus in angemessenem Umfang von solchen Hilfeempfängern verlangt werden, die auf voraussichtlich längere Zeit der Pflege
in einer Anstalt, einem Heim oder einen gleichartigen Einrichtung bedürften, solange sie nicht einen anderen überwiegend unterhielten.
Der Kläger werde voraussichtlich auf Dauer im Behindertenwohnheim oder einer ähnlichen Einrichtung untergebracht sein müssen;
für den Unterhalt anderer habe er nicht aufzukommen. Nicht zutreffend sei die Auffassung des Klägers, daß der Beklagte den
Einsatz des Krankengeldes überhaupt nicht verlangen könne; denn beim Krankengeld handele es sich um Einkommen i.S.d. § 76 Abs. 1 BSHG. Hierzu gehörten alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der im einzelnen aufgeführten Leistungen, zu denen das
Krankengeld nicht zähle. Werde der Einsatz von Einkommen unter der Einkommensgrenze verlangt, sei nach der Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts bei der Prüfung der Angemessenheit lediglich beim Einsatz von Arbeitseinkommen ein ausreichender
Freibetrag zur Erhaltung des Arbeitswillens zu berücksichtigen. Diesen Anforderungen werde die Regelung des Beklagten in seinen
Werkstattrichtlinien in ausreichendem Maße gerecht, in denen er in zulässiger Weise zwischen Arbeitseinkommen (RdNr. 5.1.1)
und sonstigem Einkommen (RdNr. 5.1.2) unterscheide. Für das sonstige Einkommen gelte der in der Rechtsprechung genannte Zweck
für einen angemessenen Freibetrag nicht. Gerade die vom Kläger betonte Lohnersatzfunktion des Krankengeldes rechtfertige seine
vollständige Inanspruchnahme. § 77 Abs. 1 BSHG stehe der Inanspruchnahme nicht entgegen, da das Krankengeld dem gleichen Zweck diene wie die Sozialhilfeleistungen, die
der Kläger erhalten habe. Der Beklagte habe sowohl pauschal in seinen Werkstattrichtlinien Ermessen ausgeübt als auch im Widerspruchsbescheid
Ermessenerwägungen angestellt, die nicht zu beanstanden seien. Die Anfechtungsklage habe daher keinen Erfolg haben können.
Der Beklagte habe auch das Krankengeld auf sich überleiten können, da die Voraussetzungen des § 104 SGB-X erfüllt gewesen
seien. Der Kläger habe mithin auch keinen Anspruch auf Erstattung des unmittelbar eingezogenen Krankengeldanteils. Die Klage
habe daher insgesamt abgewiesen werden müssen.
Das Verwaltungsgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.
Gegen das ihm am 2.5.1997 zugestellte Urteil hat der Kläger am 31.5.1997 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt,
das an ihn gezahlte Krankengeld besitze Lohnersatzfunktion und sei deshalb als Arbeitseinkommen anzusehen. Es liege auch keine
Zweckidentität zwischen Krankengeld und Hilfe zum Lebensunterhalt vor. Auch wenn ein an sich erwerbstätiger Heimbewohner Krankengeld
beziehe, stehe er nach wie vor in einem Arbeitsverhältnis. Er sei folglich erwerbstätig i.S.d. § 76 Abs. 2a Nr. 1 BSHG. Bei dem in einem solchen Fall gezahlten Krankengeld handele es sich folglich um Einkünfte, die für eine Erwerbstätigkeit
gezahlt würden. Deshalb müßten, auch um einen Anreiz für eine Erwerbstätigkeit zu schaffen, in Anwendung des § 76 Abs. 2a BSHG Beträge in angemessener Höhe abgesetzt werden. Das Verwaltungsgericht habe bei seiner Entscheidung auch die Tatsache nicht
berücksichtigt, daß sein Bedarf während des Krankenhausaufenthalts gestiegen sei, da er Getränke und Vesper nicht wie sonst
zum Selbstkostenpreis habe erwerben können. Der Beklagte übe in seinen Werkstattrichtlinien das ihm eingeräumte Ermessen auch
fehlerhaft aus, indem er - anders als zum Beispiel der Landeswohlfahrtsverband Hessen - nicht zwischen dem während eines bestehenden
Beschäftigungsverhältnisses gewährten Krankengeld und dem außerhalb eines Beschäftigungsverhältnisses gezahlten Krankengeld
differenziere und das Krankengeld in jedem Fall dem sonstigen Einkommen zuordne. Ein Ermessensfehler liege aber auch deshalb
vor, weil der Beklagte das gesamte Krankengeld und nicht nur einen angemessenen Teil davon beanspruche. Ihm könne die Aufbringung
der Mittel aus dem Krankengeld nicht zugemutet werden. Es belaufe sich auf ca. 70% des Nettolohnes und reiche nicht aus, den
ohnehin geringen Lebensstandard zu halten, zumal bei einem Krankenhausaufenthalt höhere Kosten entstünden. Es stelle eine
unbillige Härte sowie eine Verletzung des Gleichheitssatzes dar, wenn er trotz seines Arbeitsverhältnisses im Krankheitsfall
lediglich mit dem Mindesttaschengeld auskommen müsse. Selbst Sozialhilfeempfängern würde bei der Eingliederung in die Arbeitswelt
ein Betrag von 280,-- DM monatlich von der Abführung freigestellt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 23.10.1996 - 3 K 1274/95 - zu ändern und der Klage stattzugeben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil und führt noch ergänzend aus, die in Ziff. 5.1ff. seiner Werkstattrichtlinien getroffenen
differenzierenden Regelungen würden allen rechtlichen Anforderungen zum Einsatz des Einkommens und Vermögens sowie zur Heranziehung
Unterhaltspflichtiger nach Abschnitt 4 des BSHG voll gerecht.
Dem Senat liegen die zur Sache gehörenden Sozialhilfeakten des Beklagten und die Prozeßakten des Verwaltungsgerichts Sigmaringen
vor.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht insgesamt abgewiesen. Der
angefochtene Kostenbeitragsbescheid des Beklagten vom 6.12.1994 ist rechtmäßig, da dem Kläger die Aufbringung der Mittel im
geforderten Umfang zuzumuten ist (1.). Dem Kläger steht auch der gegen den Beklagten geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht
zu (2.).
1.) Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, daß der Beklagte gem. den §§ 43 Abs. 1 S. 2, 28, § 85 Nr. 3 S. 2 BSHG berechtigt war, vom Kläger den Einsatz des ihm von der AOK Albstadt in der Zeit vom 27.9.1998 bis 26.10.1998 gewährten Krankengeldes
in Höhe von 165,43 DM zu verlangen.
Nach § 85 Nr. 3 S. 2 BSHG soll die Aufbringung der Mittel, auch soweit das Einkommen unter der Einkommensgrenze liegt, über die häusliche Ersparnis
hinaus in angemessenem Umfang von solchen Hilfeempfängern verlangt werden, die auf voraussichtlich längere Zeit der Pflege
in einem Heim bedürfen, solange sie nicht einen anderen überwiegend unterhalten. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind
im Fall des Klägers, der - dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig - auf voraussichtlich längere Zeit der Pflege in einem
Heim bedarf und keine andere Person überwiegend unterhält, erfüllt.
Bei dem Krankengeld, das dem Kläger während seines Aufenthalts im PLK Rottenmünster gewährt worden ist, handelt es sich um
Einkommen im Sinne des 4. Abschnitts des BSHG, auf den § 28 BSHG für die Hilfe in besonderen Lebenslagen verweist. Dieses Einkommen hätte nach § 77 BSHG nur dann unberücksichtigt zu bleiben, wenn es sich bei dem Krankengeld um eine Leistung handeln würde, die zu einem im Gesetz
ausdrücklich genannten Zweck gewährt wird, der mit demjenigen der hier in Frage stehenden Sozialhilfe nicht identisch ist.
Diese Voraussetzungen liegen, wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, jedoch nicht vor. Leistungen "zu einem ausdrücklich
genannten Zweck" können nämlich nicht solche Leistungen sein, die allgemein der Bestreitung des Lebensunterhalts dienen sollen
(vgl. Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 15. Aufl., § 77 RdNr. 13). Beim Krankengeld, das wegen Arbeitsunfähigkeit infolge Erkrankung gewährt wird, ist jedoch gerade dies der Fall
(vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluß v. 21.5.1990 - 6 S 889/90).
Das Einkommen des Klägers lag im Zeitraum vom 27.9.1998 bis 26.10.1998 unstreitig auch unter der maßgeblichen Einkommensgrenze
des § 81 Abs. 1 Nr. 1 BSHG, so daß sich der Einsatz des Einkommens des Klägers in Form des Krankengeldes allein nach § 85 BSHG in der bis zum 31.7.1996 geltenden Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes vom 22.12.1983 (BGBl. I S. 1532) beurteilt. In Fällen dieser Art soll nach § 85 Nr. 3 S. 2 BSHG die Aufbringung der Mittel "in angemessenem Umfang" verlangt werden. Den gleichen Begriff verwendet das Bundessozialhilfegesetz in § 84 Abs. 1 für den Einsatz des Einkommens über der Einkommensgrenze. Zu dieser Vorschrift hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem
Urteil vom 26.10.1989 - 5 C 30.86 (FEVS 39, 93 = Buchholz 436.0 § 84 BSHG Nr. 1) - entschieden, daß das Tatbestandsmerkmal "in angemessenem Umfang" ein unbestimmter Rechtsbegriff ist, der der Behörde
keinen Beurteilungsspielraum einräumt, vielmehr der uneingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Überprüfung unterliegt. Für
das wortgleiche Tatbestandsmerkmal in § 85 Nr. 3 S. 2 BSHG kann nichts anderes gelten. Für seine Auslegung und Anwendung sind deshalb auch die in § 84 Abs. 1 S. 2 BSHG (beispielhaft) genannten Angemessenheitskriterien heranzuziehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 7.4.1995 - 5 B 36.94 -, FEVS 46, 8): Bei der Prüfung, in welchem Umfang die Aufbringung der Mittel angemessen ist, sind vor allem die Art des
Bedarfs, die Dauer und Höhe der erforderlichen Aufwendungen sowie besondere Belastungen des Hilfesuchenden und seiner unterhaltsberechtigten
(vom Hilfesuchenden nicht überwiegend unterhaltenen) Angehörigen zu berücksichtigen. Hierbei sind die besonderen Verhältnisse
des Einzelfalles zu beachten (§ 3 Abs. 1 BSHG). Dies schließt jedoch nicht aus, bestimmte Kriterien, die bei einer Vielzahl von Hilfeempfängern gleichermaßen von Bedeutung
sind, typisierend (pauschalierend) in die Prüfung, welcher Umfang angemessen ist, einzubringen, um eine einheitliche gleichheitssichernde
Behördenpraxis zu gewährleisten (vgl. BVerwG, Beschluß v. 7.4.1995 - 5 B 36.94 -, FEVS 46, 8). Ein derartiges typisierbares Angemessenheitskriterium ist die Höhe des vom erzielten Arbeitseinkommen zur
Erhaltung des Arbeitswillens freizulassenden Betrages (vgl. BVerwG, Urt., v. 19.12.1995 - 5 C 27.93 -, FEVS 46, 309 = DVBl. 1996, 317). Zu Recht hat das Verwaltungsgericht jedoch in dem dem Kläger gewährten Krankengeld kein Arbeits- oder Erwerbseinkommen
gesehen. Der Krankengeld beziehende arbeitsunfähige Arbeitnehmer erhält kein Entgelt für seine Arbeitsleistung, sondern eine
Sozialleistung aufgrund von öffentlichen Vorschriften. Diese soll Erwerbseinkommen für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit ersetzen,
um seinen Unterhalt und gegebenenfalls den Unterhalt seiner Familienangehörigen während dieser Zeit sicherzustellen. Das Krankengeld
stellt deshalb eine Leistung mit Lohnersatzfunktion dar, der kein wirtschaftlicher Entgeltcharakter zukommt. Es ist deshalb
nicht gerechtfertigt, Krankengeld im Rahmen der Angemessenheitsprüfung nach § 85 Nr. 3 S. 2 BSHG vom Einsatz des Einkommens unter der Einkommensgrenze als Arbeits- oder Erwerbseinkommen zur Erhaltung des Arbeits- und Selbsthilfewillens
freizulassen. Dem steht auch nicht entgegen, daß der Kläger den Anspruch auf das ihm gewährte Krankengeld gewissermaßen durch
Zahlung von Beiträgen an die Krankenkasse selbst "erworben" hat. Nicht anders lag es nämlich auch in dem vom Bundesverwaltungsgericht
mit Urteil vom 19.12.1995 - 5 C 27.93 (a.a.O.) - entschiedenen Fall, in dem die vom Bundesverwaltungsgericht letztlich verneinte Frage zu klären war, ob das Übergangsgeld
nach § 56 Abs. 2 Nr. 1 AFG Erwerbseinkommen darstellte. Versicherungsrechtliche Voraussetzung für die Gewährung von Übergangsgeld war nämlich, daß der
Behinderte innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Maßnahme mindestens 720 Kalendertage eine die Beitragspflicht begründende
Beschäftigung ausgeübt oder Arbeitslosengeld oder im Anschluß daran Arbeitslosenhilfe bezogen hatte (vgl. § 59 Abs. 1 S. 3 AFG). Der Behinderte mußte mithin schon vor Beginn der Maßnahme zur Solidargemeinschaft der Beitragszahler der Bundesanstalt
für Arbeit gehört haben, so daß er grundsätzlich ebenso wie der Bezieher von Krankengeld durch eigene Geldleistungen die Voraussetzungen
für die Gewährung der Sozialleistung "Übergangsgeld" geschaffen hatte. Im Hinblick hierauf besteht jedoch kein Grund, das
dem Kläger gezahlte Krankengeld rechtlich anders zu behandeln als das Übergangsgeld nach § 56 Abs. 2 Nr. 1 AFG. Hierzu besteht auch um so weniger Veranlassung, als von der Rechtsprechung bei Dauerpflegefällen der volle Einsatz des unterhalb
der Einkommensgrenze liegenden Einkommens zur Deckung der Pflegekosten grundsätzlich auch dann für angemessen im Sinne von
§ 85 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 BSHG angesehen worden ist, wenn dieses Einkommen aus Rentenzahlungen bestand (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 6.4.1995 - 5 C 5.93 -, a.a.O. und vom 25.1.1982 - 5 C 13.82 -, a.a.O.); denn auch der Rentenbezug setzt entsprechende Beitragszahlungen zur Rentenkasse voraus. Es kann daher grundsätzlich
auch nicht beanstandet werden, daß der Beklagte das dem Kläger gezahlte Krankengeld nicht dem Arbeitseinkommen, sondern dem
sonstigen Einkommen zuordnet (vgl. Nr. 5.1.1 und Nr. 5.1.2 WfBRi) und ihn nicht in den Genuß der in Nr. 5.3.5 WfBRi getroffenen
Regelung kommen läßt, nach der dem Behinderten im Fall des Bezugs von Arbeitseinkommen zur Stärkung und zur Erhaltung des
Arbeitswillens ein Freibetrag in angemessener, sich aus der Tabelle nach Nr. 5.3.5.4 WfBRi ergebender Höhe zusteht.
Unbeachtlich ist insoweit, daß die Richtlinien anderer Sozialhilfeträger die Bezieher von Krankengeld während eines bestehenden
Arbeitsverhältnisses besser stellen, als es die Werkstattrichtlinien des Beklagten vorsehen, die insoweit nicht zwischen dem
Bezug von Krankengeld innerhalb und außerhalb eines Beschäftigungsverhältnisses differenzieren. Denn ein Anspruch auf Gleichbehandlung
steht dem einzelnen nur gegenüber dem nach der Kompetenzverteilung konkret zuständigen Träger öffentlicher Gewalt zu (vgl.
BVerfGE 76, S. 1 (73)).
Bei Auslegung und Anwendung von § 85 Nr. 3 S. 2 BSHG ist ferner zu beachten, daß der Gesetzgeber den Einsatz von Einkommen unterhalb der Einkommensgrenze zwar im Grundsatz nur
unter den in § 85 Nr. 1, 2 und 3 S. 1 BSHG näher bestimmten, eng umgrenzten Voraussetzungen für zulässig erklärt hat, die Einsatzpflicht in Fällen einer voraussichtlich
längeren Anstalts- oder Heimpflege jedoch deutlich erweitern wollte. Die Sollvorschrift in § 85 Nr. 3 S. 2 BSHG will nämlich vermeiden, daß dem Hilfesuchenden (Hilfeempfänger) daraus ein wirtschaftlicher Vorteil erwächst, daß er auf
Kosten der Allgemeinheit in einer seinen Lebensunterhalt und seine umfassende Betreuung sicherstellenden Weise untergebracht
ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.11.1982 - 5 C 13.82 -, Buchholz 436.0 § 85 BSHG Nr. 7 und Urt. v. 6.4.1995 - 5 C 5.93 -, FEVS 46, 45 = NDV-RD 1996, 35). Deshalb kann bei einer dauerhaften umfassenden Heimbetreuung die volle Heranziehung des Einkommens angemessen sein, wenn
der nach § 21 Abs. 3 BSHG zu gewährende Barbetrag ausreicht, um die persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens zu befriedigen, und der Hilfesuchende
(Hilfeempfänger) keine besonderen finanziellen Belastungen zu tragen hat, die eine (teilweise) Freilassung seines Einkommens
erforderlich machen oder doch zumindest rechtfertigen.
Ausgehend hiervon gilt folgendes: Der gesamte notwendige Lebensunterhalt des Klägers war in dem Zeitraum seiner Unterbringung
in dem PLK Rottenmünster sichergestellt. Dem Kläger wurde vom Beklagten auch ein Barbetrag nach § 21 Abs. 3 S. 1 BSHG in Höhe von 156,-- DM zur Verfügung gestellt. Der Kläger behauptet zwar, daß der ihm gewährte Barbetrag nicht ausreichend
bemessen war und zur Deckung der ihn im PLK Rottenmünster treffenden Unkosten nicht ausgereicht habe. Dies kann der Senat
jedoch nicht nachvollziehen, da der Kläger im PLK Rottenmünster die notwendige Verpflegung erhalten hat, ihn dort keine besonderen
finanziellen Verpflichtungen trafen und es mithin nicht ersichtlich ist, warum er nicht in der Lage gewesen sein soll, mit
dem ihm gewährten Barbetrag (= 5,20 DM täglich) seine persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens in dem vom Gesetz vorgesehenen
Mindestumfang zu decken. Angesichts dessen entspricht es grundsätzlich dem mit § 85 Nr. 3 S. 2 BSHG verfolgten Anliegen, dem auf voraussichtlich längere Zeit in einer Einrichtung betreuten Hilfeempfänger keinen wirtschaftlichen
Vorteil zukommen zu lassen, das Einkommen des Klägers in Form des Krankengeldes, dessen Bewilligung ebenfalls zur Sicherung
des Lebensunterhaltes diente, in voller Höhe einzusetzen, um die Kosten der Heimunterbringung zumindest zum Teil aufzubringen.
Das Einsatzverlangen des Beklagten überschreitet mithin die Angemessenheitsgrenze nicht. Besonderheiten, die im Falle des
Klägers ein Abweichen von der Sollvorschrift des § 85 Nr. 3 S. 2 BSHG gebieten könnten, sind nicht ersichtlich. Der Bescheid des Beklagten vom 6.12.1994 kann daher nicht beanstandet werden.
2.) Dem Kläger steht gegen den Beklagten auch der geltend gemachte Zahlungsanspruch in Höhe von 121,32 DM nicht zu. Das Verwaltungsgericht
hat die Klage auch insoweit zu Recht abgewiesen. Es kann nicht beanstandet werden, daß der Beklagte das Krankengeld des Klägers
für den Zeitraum vom 27.10.1994 bis 17.11.1994 im Wege der Erstattungsanzeige gem. §§ 104 Abs. 1 S. 1, S. 4 SGB-X in Anspruch
genommen hat, da ihm gegenüber dem Kläger insoweit ein Anspruch auf Einsatz des Krankengeldes zur Abdeckung seiner Kosten
für dessen Heimunterbringung zustand (vgl. die Ausführungen weiter oben).
Auch wenn dem Beklagten gegen den Kläger dieser Anspruch auf Kostenbeteiligung nicht zugestanden hätte, hätte der Kläger gleichwohl
gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung des geltend gemachten Betrags in Höhe von 121,32 DM. Rechtsgrundlage für den
Zahlungsanspruch könnte allenfalls der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch sein, dessen Aufgabe es ist, rechtsgrundlose
Vermögensverschiebungen auszugleichen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 28.11.1991 - I A 10312/89 -, DVBl. 1992, 786 und VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.10.1990 - 2 S 2098/89 -, NVwZ 1991, 583). Eine solche rechtsgrundlose Vermögensverschiebung ließe sich im Verhältnis des Klägers zum Beklagten jedoch für den Fall
nicht feststellen, daß letzterem der geltend gemachte Aufwendungsersatzanspruch nach § 43 Abs. 1 S. 2 BSHG gegen den Kläger und damit auch der Kostenerstattungsanspruch nach § 104 SGB-X gegen die AOK Albstadt nicht zugestanden hätte. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Das Bestehen eines Erstattungsanspruchs
hat nach § 107 Abs. 1 SGB-X zur Folge, daß der Anspruch des Berechtigten gegen den letztlich zur Leistung verpflichteten Leistungsträger
als erfüllt gilt. Die Erfüllungsfiktion kann indessen nur eintreten, wenn und soweit ein Erstattungsanspruch tatsächlich entstanden
war. Stellt sich nachträglich heraus, daß dies zu Unrecht angenommen worden ist, bedeutet dies, daß der Erfüllungsfiktion
von Anfang an die rechtliche Grundlage gefehlt hat. Daraus folgt, daß der Leistungsanspruch des Berechtigten noch besteht
und gegebenenfalls vom letztlich zur Leistung Verpflichteten zu erfüllen ist. Eine rechtsgrundlose Vermögensverschiebung kann
daher im Verhältnis des Klägers zum Beklagten auch für den Fall nicht eingetreten sein, daß sich die Inanspruchnahme des Krankengeldes
durch den Beklagten letztlich als rechtswidrig erweisen würde; denn dem Kläger stünde nach wie vor gegen die AOK Albstadt
ein Anspruch auf Zahlung des Krankengeldes zu, wohingegen der Beklagte die ihm zugeflossenen Krankengeldzahlungen gem. § 112
SGB-X an die AOK Albstadt zurückzuerstatten hätte.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§
154 Abs.
2,
188 S. 2
VwGO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §
132 Abs.
2 VwGO nicht erfüllt sind.