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VGH Hessen, Urteil vom 10.01.1986 - 9 TG 857/87
e-f. Möglicher Anspruch eines Hilfesuchenden auf Beschaffung einer Wohnung durch den Sozialhilfeträger an einem bestimmten Ort, wenn nur dadurch die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ermöglicht wird,
(f) im Falle von Asylberechtigten für die Dauer eines Schulbesuchs zur Erlernung der deutschen Sprache.
Fundstellen: DRsp V(545)97e-f, ESVGH 36, 145, NVwZ 1986, 860
Normenkette:
BSHG § 72 Abs.1, Abs.2
(e) »... Die Hilfe nach § 72 BSHG umfaßt nach seinem Abs. 2 alle Maßnahmen, die zum Ziel haben, dem Hilfesuchenden die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft erstmalig oder wieder zu ermöglichen oder spürbar zu erleichtern. Zu den hier vorgesehenen Hilfen gehören auch Maßnahmen zur Beschaffung einer Wohnung. Nach § 1 Abs. 2 Ziffer 1 der Verordnung zur Durchführung des § 72 BSHG v. 9. 6. 1976 (BGBl. I S. 1469) können die besonderen Verhältnisse, die eine Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft erschweren oder unmöglich machen, auch im Fehlen einer ausreichenden Unterkunft bestehen. Zwar entscheidet der Sozialhilfeträger auch in den Fällen, in denen Hilfe nach § 72 Abs. 1 BSHG zu gewähren ist, über Art und Umfang der Hilfsmaßnahmen nach pflichtgemäßem Ermessen, so daß dem Sozialhilfeträger auch bei bestehender Obdachlosigkeit grundsätzlich die Wahl bleibt, ob er den Hilfesuchenden durch die Bereitstellung einer Unterkunft (als Sachleistung) oder auf andere Weise (etwa durch Hilfe bei der Wohnungssuche) die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen oder erleichtern will. Jedoch ist der dem Sozialhilfeträger zustehende Ermessensspielraum ausnahmsweise dann auf Null reduziert, wenn dem Hilfesuchenden in Anbetracht seiner besonderen Lage nur durch die Bereitstellung einer für den Träger der Sozialhilfe verfügbaren Unterkunft die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ermöglicht werden kann...
(f) Ein solcher Fall ist hier gegeben. Der vorl. Fall weist Besonderheiten auf, die den der AntrG. im Rahmen des § 72 Abs. 1 BSHG zustehenden Ermessensspielraum in der Weise einschränken, daß sie jedenfalls für einen vorübergehenden Zeitraum verpflichtet ist, den AntrSt. eine Unterkunft zur Verfügung zu stellen. ... Die AntrSt. sind [nach Überzeugung des Senats] in Anbetracht ihrer Verständigungsschwierigkeiten und ihres fremdländischen Aussehens bei der Wohnungssuche nach allgemeiner Lebenserfahrung selbst derzeit außerstande eine Wohnung in Frankfurt oder im sonstigen Einzugsbereich des Verkehrsverbundes Frankfurt zu erhalten. ... An der Hilflosigkeit der AntrSt. ändert sich auch nichts dadurch, daß der Landkreis Fulda den AntrSt. Hilfe bei der Wohnungsbeschaffung für den Fall angeboten hat, daß sie im Raum F. bleiben wollten. Die AntrSt. haben glaubhaft gemacht, daß die AntrSt. seit Dezember 1985 auf Kosten des Arbeitsamts Frankfurt die B.-Schule in Frankfurt besuchen, um dort an fünf Tagen der Woche am Deutsch-Unterricht teilzunehmen. Die tägliche Unterrichtsdauer umfaßt dabei sieben Stunden. ... Für die Dauer des Besuches der B.-Schule ist den AntrSt. ein tägliches Pendeln zwischen einer Wohnung im Raum Fulda und der Stadt Frankfurt nicht zumutbar. ...«