Sozialhilferecht: Umfang der Sicherung der Unterkunft bei Haus- oder Wohnungseigentum
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die gerichtliche Verpflichtung der Beklagten, ihm im Rahmen der Sozialhilfe eine Beihilfe in Höhe von 977,10
DM zu gewähren. Mit dieser Beihilfe soll der Anteil abgedeckt werden, den der Kläger für die Sanierung des Daches der Wohnanlage
zu zahlen hat, in der sich seine Eigentumswohnung befindet.
Einen entsprechenden Antrag hatte der Kläger am 19. Juni 1986 bei der Beklagten gestellt. Damals erhielt er von der Beklagten
laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Mit einem Bescheid vom 5. August 1986 hatte die Beklagte unter Bezugnahme auf § 15a BSHG dem Kläger ein Darlehen in Höhe von 977,10 DM bewilligt, für das eine Sicherungshypothek bestellt werden sollte. Der Betrag
wurde an den Kläger überwiesen.
Nachdem der Kläger am 28. August 1986 gegen diesen Bescheid Widerspruch eingelegt hatte, hat er am 29. Juni 1987 bei dem Verwaltungsgericht
Darmstadt Klage erhoben. Zu diesem Zeitpunkt war noch kein Widerspruchsbescheid ergangen.
Mit einem Urteil vom 23. Januar 1990 hat das Verwaltungsgericht nach mündlicher Verhandlung den Bescheid der Beklagten vom
5. August 1986 und den Widerspruchsbescheid vom 9. November 1987 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die gemäß dem Beschluß
der Eigentümerversammlung vom 24. April 1986 auf den Kläger entfallenden Kosten der Dachsanierung in Höhe von 977,10 DM nach
dem Bundessozialhilfegesetz als Beihilfe zu übernehmen.
Gegen dieses Urteil, das ihr am 5. April 1990 zugestellt worden ist, hat die Beklagte am 4. Mai 1990 Berufung eingelegt.
Sie beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 23. Januar 1990 - VI/ 2 E 1171/87 - die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat keinen Antrag gestellt.
Beide Beteiligten haben ihr Einverständnis erklärt, daß der Berichterstatter allein und ohne mündliche Verhandlung über die
Berufung entscheidet.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten, das angefochtene
Urteil und den Inhalt der beigezogenen Behördenakten der Beklagten (zwei Bände).
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten, über die der Berichterstatter aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten allein
und ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist begründet; denn das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben.
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, daß die Beklagte im Rahmen der Sozialhilfe
die beantragte Leistung nicht als Darlehen, sondern als Beihilfe gewährt.
Der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch kann zunächst nicht aus § 11 in Verbindung mit § 12 BSHG hergeleitet werden. Nach § 12 Abs. 1 BSHG umfaßt der Lebensunterhalt zwar auch die Kosten der Unterkunft. Da der Träger der Sozialhilfe aber nur für den notwendigen
Lebensunterhalt aufzukommen hat, sind auch bei den Unterkunftskosten nur die notwendigen Aufwendungen zu übernehmen. In diesem
Sinn gehört der Anteil, den der Kläger für die Dachsanierung zu zahlen hat, nicht zum notwendigen Lebensunterhalt. Dies ergibt
sich aus folgendem:
Nach dem Inhalt des Protokolls über die Eigentümerversammlung am 24. April 1986 (Bl. 3 ff. der Behördenakte) sollte die Dachsanierung
mehrere Monate nach einem Sturmschaden erfolgen, der im Januar 1986 eingetreten war. Mit der Sanierung sollte nicht nur der
Sturmschaden beseitigt, sondern das gesamte Dach erneuert werden. Von den Gesamtkosten in Höhe von 90.000,00 DM sollten 30.000,00
DM auf die Beseitigung des Schadens entfallen. Da die Versicherung bereit war, diese 30.000,00 DM zu übernehmen, sollte die
Gemeinschaft der Wohnungseigentümer den Restbetrag von 60.000,00 DM tragen. Der Anteil der Wohnungseigentümer und damit auch
des Klägers betraf danach keinen damals notwendigen Erhaltungsaufwand, sondern die Kosten einer wertsteigernden Erneuerungsmaßnahme,
die in diesem Umfang damals nicht notwendig war, aber aus wirtschaftlichen Gründen zeitlich vorgezogen wurde.
Wenn die hier streitigen Kosten aber nicht zum notwendigen Lebensunterhalt im Sinne von § 12 Abs. 1 BSHG gehören, so kommt es nicht mehr darauf an, ob einem Anspruch nach den §§ 11 und 12 BSHG, wie das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, nach § 5 BSHG entgegensteht, daß der Kläger den Antrag bei der Beklagten erst nach dem Erhalt der Zahlungsaufforderung vom 7. Mai 1986
und nach dem Eintritt der Fälligkeit am 1. Juni 1986 gestellt hat.
Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts hat der Kläger auch nach der Vorschrift des § 15a BSHG keinen Anspruch darauf, daß die Beklagte ihm den beantragten Betrag als Beihilfe anstelle eines Darlehens gewährt.
Zwar hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, daß es zur Sicherung der Unterkunft im Sinne von § 15a Satz 1 BSHG gerechtfertigt ist, im Rahmen der Sozialhilfe den Anteil des Klägers an den Kosten für die Dachsanierung zu übernehmen. Um
dem Kläger den Erhalt der Unterkunft zu sichern, reicht es hier aber aus, daß die Beklagte im Rahmen der Sozialhilfe ein Darlehen
in Höhe dieser Kosten gewährt.
Das Gericht folgt dabei der in der Kommentar-Literatur vertretenen Ansicht, daß bei der Prüfung, ob eine Leistung zur Sicherung
der Unterkunft gerechtfertigt ist, auch zu berücksichtigen ist, ob der Hilfesuchende über an sich nach § 88 Abs. 2 BSHG geschütztes Vermögen verfügt (vgl. Schellhorn/Jirasek/Seipp, Kommentar zum Bundessozialhilfegesetz, 14. Auflage 1993, Rdnr. 11 am Ende zu § 15a BSHG).
Wenn der Hilfesuchende, wie hier, über Wohnungs- oder sonstiges Grundeigentum verfügt, ist nur eine solche Leistung im Sinne
von § 15a Satz 1 BSHG "gerechtfertigt", die diesem Umstand Rechnung trägt. Da es dem Wohnungs- oder sonstigen Grundeigentümer grundsätzlich zumutbar
ist, im Falle der Veräußerung des Wohnungs- oder sonstigen Grundeigentums den Betrag. der Leistung, die der Sicherung seiner
Unterkunft gedient hatte, an den Träger der Sozialhilfe zurückzuzahlen, und da auch die Rückzahlung durch die Erben im Falle
des Todes des Grundeigentümers angemessen ist, ist nur eine darlehensweise Leistung nach § 15a Satz 1 BSHG gerechtfertigt.
Wenn aber aus dem dargestellten Grund nur eine darlehensweise Leistung im Sinne von § 15a Satz 1 BSHG gerechtfertigt ist, führt die Vorschrift des § 15a Satz 2 BSHG nicht dazu, daß anstelle des Darlehens eine Beihilfe zu gewähren ist, wenn es sich nicht um eine vorübergehende Notlage handelt.
Denn die Bestimmung des § 15a Satz 2 BSHG soll nur den Fall erfassen, daß nach § 15a Satz 1 BSHG sowohl eine Beihilfe als auch ein Darlehen gerechtfertigt sind.