Anspruch auf Witwenrente
Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Wirkung einer Anhörungsmitteilung hinsichtlich weiterer Sachaufklärung
Aufrechterhalten von Beweisanträgen
Gründe:
I
Der Kläger begehrt ab dem 1.9.2014 eine Witwerrente von dem beklagten Rentenversicherungsträger. Mit Beschluss vom 8.8.2018
hat das LSG Niedersachsen-Bremen einen solchen Anspruch verneint, die Berufung des Klägers gegen das klagabweisende Urteil
des SG Lüneburg vom 9.2.2017 zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde zum BSG. Er beruft sich auf Verfahrensmängel (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) des LSG. Dieses sei seinen schriftsätzlich gestellten Anträgen auf Vernehmung von Zeugen ohne hinreichende Begründung nicht
gefolgt und habe ihn in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör durch eine Überraschungsentscheidung verletzt.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des §
160a Abs
2 S 3
SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß §
160a Abs
4 S 1 iVm §
169 SGG zu verwerfen.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 1
SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 S 3
SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist
die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem
Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 S 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist.
1. Diesen Anforderungen genügt der Kläger mit seinen Rügen der vom LSG unterlassenen Zeugenvernehmungen nicht.
Der Kläger trägt dazu vor, er habe am 15.1.2018 schriftsätzlich die Vernehmung weiterer Zeugen zum Nachweis dafür beantragt,
dass die verstorbene Versicherte den ehelichen Haushalt allein geführt habe (a). Ebenfalls schriftsätzlich habe er am 13.6.2017
Zeugen zum Nachweis dafür benannt, dass der verstorbenen Versicherten jährlich ein Betrag von 1000 Euro aus der Tilgung eines
ihrer Schwester gewährten Darlehens zugeflossen sei (b). Ferner sei mit Schriftsatz vom 11.5.2018 die Vernehmung der Tochter
der Nachbarin beantragt worden, die bestätigen hätte können, dass die verstorbene Versicherte sie alleine betreut und hierfür
monatlich 150 Euro erhalten habe (c).
a) Mit seinen Ausführungen zur Zeugeneinvernahme betreffend die Aufteilung der Hausarbeit zwischen den Eheleuten hat der Kläger
bereits keinen Verfahrensmangel bezeichnet. Er stellt zuvörderst darauf ab, die Rechtsauffassung des LSG sei unhaltbar, wenn
es der Hausarbeit in einem Zweipersonenhaushalt von Rentnern ohne Kinder keinen gesonderten wirtschaftlichen Wert zuordne.
Anders als das LSG annehme, komme es nicht allein darauf an, dass die Eheleute einander gemäß §
1360 Abs
1 BGB rechtlich verpflichtet seien, sich gegenseitig die Arbeit im Haushalt zu erbringen. Entscheidend seien die Umstände des Einzelfalls.
Damit greift er allein die Rechtsauffassung des LSG an. Die inhaltliche Unrichtigkeit einer vorinstanzlichen Entscheidung
führt nach §
160 Abs
2 SGG jedoch gerade nicht zur Zulassung der Revision.
Selbst wenn man jedoch annehmen wollte, er rüge auch eine verfahrensfehlerhaft unterlassene Zeugenvernehmung, so mangelt es
an Darlegungen dazu, dass die Entscheidung des LSG darauf beruhen kann. Ausgehend von der vom Kläger kritisierten Rechtsauffassung
des LSG erschließt sich nicht, warum das LSG sich hätte gedrängt fühlen müssen, die vom Kläger beantragte Zeugenvernehmung
durchzuführen. Hierzu macht der Kläger keine Ausführungen, sondern rügt allein die "Nichtdurchführung" dieser auf Grundlage
seiner Rechtsauffassung. Dies ist jedoch, wie ausgeführt, nicht der Maßstab für die Rüge eines Verfahrensfehlers, mittels
dessen der Zugang zur Revision erlangt werden kann.
b) Ähnliches gilt im Hinblick auf die nicht durchgeführte Zeugenvernehmung wegen des zugeflossenen Tilgungsbetrags von 1000
Euro jährlich. Der Kläger führt aus, das LSG sei davon ausgegangen, dass es sich bei dem benannten Betrag um kein zukünftig
wirtschaftlich ihm zur Verfügung stehendes Einkommen gehandelt habe. Denn die vollständige Tilgung des Darlehens sei im Todesmonat
der Versicherten erfolgt. Dem setzt er entgegen, hierauf komme es nicht an, denn entscheidend sei auf die wirtschaftlichen
Verhältnisse im letzten Jahr vor dem Tod der Versicherten abzustellen. Mit diesem Vorbringen greift er letztlich jedoch wieder
"nur" die Rechtsauffassung des LSG an, was - wie schon dargelegt - nicht zu einer Zulassung der Revision führen kann. Inwieweit
das LSG mit der unterlassenen Zeugeneinvernahme zugleich verfahrensfehlerhaft gehandelt haben könnte, legt er demgegenüber
nicht dar. So mangelt es bereits an Ausführungen dazu, was mit der Zeugenvernehmung hätte bewiesen werden sollen.
c) Im Hinblick auf die Zeugenvernehmung der Tochter der Nachbarin wegen der Entgeltzahlung für deren Betreuung mangelt es
gänzlich an Darlegungen zur rechtlichen Relevanz des Ergebnisses der Zeugenvernehmung für die Entscheidung des LSG. Insoweit
und auch bezüglich des Darlehenstilgungsbetrags tritt der Mangel der nicht vollständigen Sachverhaltsdarstellung besonders
zu Tage. Denn es ist für den Senat angesichts der nur fragmentarischen Mitteilung des Lebenssachverhalts in der Beschwerdebegründung
nicht nachvollziehbar, ob die Entscheidung des LSG, wie vom Kläger behauptet, auf den unterlassenen Zeugeneinvernahmen beruhen
kann. Es mangelt insbesondere an Ausführungen, denen entnommen werden könnte, ob durch die benannten weiteren Beträge das
Einkommen der verstorbenen Versicherten das des Klägers überschritten hätte.
Ungeachtet der vorangegangenen Ausführungen zu a) bis c) fehlt es schließlich in allen drei Fällen an der nach ständiger Rechtsprechung
des BSG geforderten Darlegung, dass ein anwaltlich vertretener Beteiligter einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung
vor dem LSG gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten habe (vgl zB BSG Beschluss vom 14.6.2005 - B 1 KR 38/04 B - Juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 25.4.2006 - B 1 KR 97/05 B - Juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn
- wie hier - das LSG von der ihm durch §
153 Abs
4 SGG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen, wenn
es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der in einem solchen Fall den
Beteiligten zugestellten Anhörungsmitteilung nach §
153 Abs
4 SGG muss jedenfalls ein rechtskundig vertretener Beteiligter auch entnehmen, dass das Berufungsgericht keine weitere Sachaufklärung
mehr beabsichtigt und dass es etwaige schriftsätzlich gestellte Beweisanträge lediglich als Beweisanregungen, nicht aber als
förmliche Beweisanträge iS des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG ansieht. Nach Zugang der Anhörungsmitteilung muss daher der Beteiligte, der schriftsätzlich gestellte Beweisanträge aufrechterhalten
oder neue Beweisanträge stellen will, dem LSG ausdrücklich die Aufrechterhaltung dieser Anträge mitteilen oder neue förmliche
Beweisanträge stellen (vgl BSG Beschluss vom 7.2.2017 - B 13 R 389/16 B - Juris RdNr 9; BSG Beschluss vom 9.3.2016 - B 1 KR 6/16 B - Juris RdNr 4 f mwN). Der Kläger benennt vorliegend nur die Schriftsätze, mit denen er seine Beweisangebote dargebracht
haben will. An Ausführungen dazu, ob die "Beweisangebote" - weil zuvor bereits gestellt - gegenüber dem LSG nach dem Zugang
der Anhörungsmitteilung wiederholt oder gar erstmals angebracht worden sind, mangelt es jedoch.
2. Auch mit der Rüge einer Verletzung rechtlichen Gehörs wird ein Verfahrensmangel nicht hinreichend bezeichnet.
Der Kläger erkennt eine Gehörsverletzung (§
62 SGG; Art
103 Abs
1 GG) darin, dass das LSG im angegriffenen Urteil ohne vorherigen Hinweis davon ausgegangen sei, es habe sich bei den behaupteten
Einnahmen von 150 Euro monatlich für die Betreuung der Nachbarstochter nicht um eine regelmäßige Geldzahlung oder geldwerte
Leistung gehandelt, sondern um eine "bloße" Gefälligkeit. Der Geldbetrag sei nicht vertraglich geschuldet, sondern Aufwendungsersatz
gewesen, sodass er keine verlässliche Einkommensgrundlage darstelle. Dem stehe die Aussage der Zeugin in der mündlichen Verhandlung
vor dem SG entgegen.
Damit hat der Kläger eine Gehörsverletzung aufgrund einer Überraschungsentscheidung entgegen §
160a Abs
2 S 3
SGG nicht hinreichend schlüssig und nachvollziehbar dargelegt. Eine allgemeine Verpflichtung des Gerichts, die Beteiligten vor
einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Tatsachen- und Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche
Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit den Beteiligten zu erörtern, gibt es nicht. Sie wird weder durch
den allgemeinen Anspruch auf rechtliches Gehör aus §
62 SGG bzw Art
103 Abs
1 GG noch durch die Regelungen zu richterlichen Hinweispflichten (§
106 Abs 1 bzw §
112 Abs
2 S 2
SGG) begründet. Denn die tatsächliche und rechtliche Würdigung ergibt sich regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung
(vgl BSG Beschluss vom 11.4.2019 - B 13 R 74/18 B - Juris RdNr 12 ff; BSG Beschluss vom 24.1.2018 - B 13 R 377/15 B - Juris RdNr 19; BSG Urteil vom 17.4.2013 - B 9 SB 3/12 R - Juris RdNr 44; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 590 mwN).
Von einer Überraschungsentscheidung kann nur ausgegangen werden, wenn sich das Gericht ohne vorherigen richterlichen Hinweis
auf einen Gesichtspunkt stützt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf
nicht zu rechnen brauchte (stRspr; vgl zB BVerfG [Kammer] Beschluss vom 5.4.2012 - 2 BvR 2126/11 - NJW 2012, 2262 - Juris RdNr 18 mwN). Die Rüge des Verfahrensmangels einer Überraschungsentscheidung ist deshalb nur dann schlüssig bezeichnet,
wenn im Einzelnen vorgetragen wird, aus welchen Gründen auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter aufgrund des bisherigen
Prozessverlaufs nicht damit rechnen musste, dass das Gericht seine Entscheidung auf einen bestimmten Gesichtspunkt stützt.
Daran fehlt es hier.
So erschließt sich aus den Ausführungen des Klägers bereits nicht, mit welchen Argumenten er sich im Verlaufe des Verfahrens
als gewissenhafter und rechtskundiger Prozessvertreter nach dem bisherigen Prozessverlauf auseinanderzusetzen gehabt hat;
mit welchen er also hätte rechnen müssen und welche insoweit durch das LSG erstmals aufgebracht worden sind. Ein solches Vorbringen
war hier bereits deswegen geboten, weil schon das SG den Anspruch des Klägers - trotz der nach seiner Behauptung von der Zeugin bestätigten Zahlung - verneint hat.
Im Übrigen bestreitet das LSG nach seinen in der Beschwerdebegründung wiedergegebenen Entscheidungsgründen den Zufluss der
150 Euro monatlich letztlich nicht. Zumindest kommt es nach der Darstellung des Klägers für die Entscheidung des LSG auf das
Negieren des Zuflusses nicht an, weil das Berufungsgericht schlussendlich allein darauf abgestellt habe, dass die 150 Euro
monatlich kein sicheres regelmäßiges Einkommen gewesen seien. Dass das Vordergericht aus der Zeugenaussage folgert, dieser
Einnahmequelle könne kein relevantes Gewicht im Hinblick darauf zukommen, ob die verstorbene Versicherte den Unterhalt der
Familie überwiegend bestritten habe, ist dessen Würdigung von bekannten Tatsachen. Warum es hier ausnahmsweise verpflichtet
gewesen sein müsste, diese vorab zur Diskussion zu stellen, legt der Kläger nicht dar.
Zudem hat der Kläger das Beruhen des LSG Urteils auf dieser behaupteten Gehörsverletzung nicht hinreichend angebracht. Es
mangelt, wie schon oben ausgeführt, an einer Sachverhaltsdarstellung, die es dem Senat ermöglicht, das klägerische Vorbringen
nachzuvollziehen, insbesondere, ob mit der Anerkennung des zusätzlichen Betrags von 150 Euro von einem überwiegenden Unterhalt
der Familie durch die verstorbene Versicherte hätte ausgegangen werden können. Insoweit genügt es nicht, wenn der Kläger vorbringt,
dass unter Anrechnung des streitigen Betrags das Gesamteinkommen der Versicherten höher gewesen sein könnte, als das Gesamteinkommen
des Klägers, was der Berufung zum Erfolg verhelfen könne.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl §
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 Abs
1 und 4
SGG.