Vertragspsychotherapeutische Versorgung; Zulassung einer Psychologischen Psychotherapeutin wegen Sonderbedarfs für analytische
Psychotherapie
Gründe:
I
Streitig ist der Anspruch einer Psychologischen Psychotherapeutin auf Erteilung einer Zulassung wegen Sonderbedarfs für analytische
Psychotherapie.
Die Klägerin, geboren 1964, studierte in der Schweiz und erwarb dort im Jahr 2002 ihr Diplom in analytischer Psychologie und
wurde im selben Jahr vom Regierungspräsidium S. als Psychologische Psychotherapeutin approbiert sowie von der Kassenärztlichen
Vereinigung Baden-Württemberg (KÄV) - Bezirksdirektion Freiburg - in das Psychotherapeutenregister eingetragen. Sie wohnt
in der Stadt S. (Landkreis L. ) und ist dort freiberuflich psychotherapeutisch tätig, vielfach im Wege sogenannter Kostenerstattungsverfahren
gemäß §
13 Abs
3 SGB V. Im Jahr 2003 beantragte sie zum ersten Mal, wegen Sonderbedarfs zur vertragsärztlichen bzw psychotherapeutischen Versorgung
mit Sitz in der Stadt S. zugelassen zu werden. Dieser Antrag war erfolglos (letztinstanzlich LSG Baden-Württemberg, Urteil
vom 17.5.2006 - L 5 KA 5224/05). Im Dezember 2004 stellte sie erneut den Antrag auf Erteilung einer Sonderbedarfszulassung, hatte damit indessen gleichfalls
keinen Erfolg (zwar Stattgabe durch den Zulassungsausschuss vom 1.4.2005, aber Aufhebung und Antragsablehnung durch den beklagten
Berufungsausschuss vom 15.8.2005; Klageabweisung durch das SG vom 18.4.2007; Berufungszurückweisung durch das LSG vom 29.10.2008).
In dem Urteil des LSG ist ausgeführt, die Klägerin könne eine reguläre Zulassung nicht erhalten, weil eine Zulassungssperre
wegen Überversorgung aufgrund der Berechnungen gemäß dem Bedarfsplanungsrecht bestehe (Versorgungsgrad ca 140 %). Auch eine
Sonderbedarfszulassung komme nicht in Betracht. Hierbei bedürfe es eines näheren Eingehens nur auf § 24 Buchst a der Richtlinie
des Gemeinsamen Bundesausschusses [GBA] über die Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und
Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung [BedarfsplRL] (Fassung vom 15.2.2007, in Kraft seit dem 1.4.2007, veröffentlicht
im BAnz Nr 64 vom 31.3.2007, S 3491, mit späteren Änderungen, zuletzt vom 18.3.2010, veröffentlicht im BAnz Nr 89 vom 18.6.2010,
S 2133 und im DÄ 2010, A 1422). Die anderen Sonderbedarfstatbestände des § 24 BedarfsplRL kämen ersichtlich nicht in Betracht;
ein qualitativ-spezieller Bedarf im Sinne von § 24 Buchst b BedarfsplRL könne aus der Befähigung für ein einzelnes psychotherapeutisches
Behandlungsverfahren nicht begründet werden. Die Entscheidung des Beklagten, den Sonderbedarfstatbestand des § 24 Buchst a
BedarfsplRL zu verneinen, sei bei Beachtung des den Zulassungsgremien eingeräumten Beurteilungsspielraums nicht zu beanstanden.
Der Landkreis L. sei mit einer Nord-Süd-Länge von unter 40 km und einer Ost-West-Breite von 20 bis 30 km schon kein "großräumiger
Landkreis". Daneben sei in dem Bescheid hilfsweise auch das Vorliegen "lokalen Sonderbedarfs" verneint worden, ohne dass Beurteilungsfehler
feststellbar seien. Dieses Ergebnis finde seine Bestätigung in den durchschnittlichen täglichen Arbeitszeiten einzelner Psychotherapeuten
von nur knapp zwei bis unter vier Stunden; dies sei ein Beleg für noch bestehende freie Behandlungskapazitäten.
Mit ihrer Revision beanstandet die Klägerin, das LSG qualifiziere den Landkreis L. zu Unrecht nicht als großräumig im Sinne
des § 24 Buchst a BedarfsplRL. Insoweit fielen dem LSG sowohl Verfahrensmängel als auch inhaltliche Fehler zur Last. Es fehle
schon an tragfähigen Tatsachenfeststellungen. Die Annahme einer Nord-Süd-Länge von weniger als 40 km und einer Ost-West-Breite
von 20 bis 30 km widerspreche ihrem - der Klägerin - unbestrittenen Tatsachenvortrag einer Nord-Süd-Länge von ca 60 km und
einer Ost-West-Breite von ca 45 km. Auch die Ausführungen des LSG zu den Verkehrsbedingungen und zur Infrastruktur des Landkreises
seien unzutreffend. Die Stadt S., für die sie die Sonderbedarfszulassung begehre, habe ca 19 000 Einwohner und sei ein Zentrum
- insbesondere nach Norden hin - für mehr als 35 000 Einwohner. Dies habe das LSG nicht gewürdigt. Es sei in seiner mündlichen
Verhandlung nicht bereit gewesen, die dies belegenden Unterlagen entgegenzunehmen und die aus seinem früheren Urteil vom 17.5.2006
übernommenen Annahmen zu überprüfen. Die einschränkende Auslegung des Begriffs großräumig sei auch inhaltlich fehlerhaft,
nämlich nicht vereinbar mit dem Sicherstellungsauftrag des §
72 Abs
2 SGB V und der hieraus resultierenden Notwendigkeit, bei nachgewiesenem lokalem oder qualitativem Versorgungsbedarf durch Erteilung
von Sonderbedarfszulassungen Versorgungslücken zu schließen. Vor diesem Hintergrund könne das Merkmal Großräumigkeit des Landkreises
nur als Klarstellung verstanden werden, dass in einem atypisch kleinen Landkreis ein lokaler Versorgungsbedarf überhaupt nicht
vorstellbar sei. Die Problematik zeige sich auch im Vergleich mit §§ 6 ff BedarfsplRL, worin das Merkmal nicht verwendet werde,
vielmehr die Einteilung der Landkreise nach der Zahl der Einwohner je Quadratkilometer erfolge. Es wäre sachwidrig, in einem
Landkreis mit gleich großer Einwohnerzahl wie in einem großstädtischen Planungsbereich und erheblich größerer Ausdehnung einen
lokalen Versorgungsbedarf mit der Begründung ungedeckt zu lassen, der Landkreis sei nicht großräumig. Diese so auszulegende
Bestimmung des § 24 Buchst a BedarfsplRL werde durch die 2007 in Kraft getretenen Neuregelungen in §§ 100 Abs 3,
101 Abs
1 Satz 1 Nr
3a,
105 Abs
1 Satz 1 Halbs 2
SGB V iVm § 34a BedarfsplRL lediglich ergänzt, aber nicht eingeschränkt.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 29. Oktober 2008 und des Sozialgerichts Freiburg vom 18. April
2007 aufzuheben sowie den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 15. August 2005 zu verpflichten, über den Widerspruch
der Beigeladenen zu 1. gegen den Bescheid des Zulassungsausschusses vom 1. April 2005 unter Beachtung der Rechtsauffassung
des Senats neu zu entscheiden.
Der beklagte Berufungsausschuss beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er verteidigt das Urteil des LSG. Dieses habe den Tatbestand des § 24 Buchst a BedarfsplRL zu Recht verneint. Der Landkreis
L. sei nicht großräumig; auch könne nicht von einem unzureichend versorgten besonderen "Teil" eines großräumigen Landkreises
gesprochen werden. Es komme nicht entscheidend auf dessen Ausdehnung an. Maßgeblich sei vielmehr, dass es sich hier weitgehend
um dünn besiedeltes und gebirgiges Waldgebiet mit überwiegend landwirtschaftlichen Flächen handele, in dem die Stadt S. raumplanerisch
lediglich ein wirtschaftliches Kleinzentrum darstelle, auf das die übrigen Städte und Gemeinden des W. ausgerichtet seien.
Von der geringen Bevölkerungsdichte her und unter Berücksichtigung der Bedarfs-Messzahl sei die Zulassung eines weiteren Psychotherapeuten
nicht vertretbar; eine getrennte Bedarfsanalyse in den Bereichen psychoanalytische oder Verhaltenstherapie sei nicht geboten.
Jedenfalls im Erwachsenenbereich bestehe kein entsprechender Bedarf. Die Stadt S. sei nur 10 bis 15 km von der Stadt L. entfernt,
Infrastruktur und Wirtschaftsströme beider Städte griffen ineinander und ergäben zusammen einen einheitlichen Ballungsraum
im Sinne eines Teils des Landkreises.
Die zu 1. beigeladene KÄV verteidigt ebenfalls, ohne selbst einen Antrag zu stellen, das Urteil des LSG. Schon die Zulässigkeit
der Revision sei zweifelhaft; denn das LSG habe seinem Urteil mehrere Begründungen zugrunde gelegt, von denen die Klägerin
nur eine angreife. Das LSG habe die Anwendbarkeit des § 24 Buchst a BedarfsplRL zum einen wegen Fehlens der Großräumigkeit
des Landkreises und zum anderen wegen Fehlens eines Versorgungsbedarfs verneint. Mit dieser zweiten Begründung befasse sich
die Klägerin in ihrer Revisionsbegründung nicht. Die Revision sei auch unbegründet. Weder liege eine ordnungsgemäß erhobene
Verfahrensrüge vor, noch griffen die inhaltlichen Argumente der Klägerin gegen die Verneinung der Großräumigkeit des Landkreises
durch. Weder habe der von ihr gezogene Vergleich zu großstädtischen Planungsbereichen Erfolg noch der Gesichtspunkt, Versorgungslücken
dürften nicht ungedeckt bleiben. Die zum 1.1.2007 in Kraft getretenen Neuregelungen in §§ 100 Abs 3,
101 Abs
1 Satz 1 Nr
3a und
105 Abs
1 Satz 1 Halbs 2
SGB V iVm § 34a BedarfsplRL seien nicht einschlägig, weil der Landesausschuss keinen zusätzlichen lokalen Sonderbedarf für den Raum S. festgestellt
habe.
Die Beigeladenen zu 2. bis 6. äußern sich nicht zur Sache und stellen auch keine Anträge.
II
Die Revision der Klägerin, die die Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung begehrt, hat Erfolg. Die vorinstanzlichen
Urteile und der Bescheid des Beklagten sind aufzuheben. Dieser ist verpflichtet, über den Widerspruch der Beigeladenen zu
1. gegen den Bescheid des Zulassungsausschusses vom 1.4.2005 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.
Der Beklagte hat seine Beurteilung, dass keine ausreichende Grundlage für eine Zulassung der Klägerin als Psychologische Psychotherapeutin
mit der Therapierichtung Psychoanalyse wegen Sonderbedarfs in der Stadt S. bestehe, nicht auf ausreichend fundierte Ermittlungen
gegründet.
Ausgangspunkt ist, dass - wie im Urteil des LSG festgestellt - der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen gemäß §
103 Abs
1 und
2 SGB V für den Planungsbereich, für den die Klägerin ihre Zulassung begehrt, für (nichtärztliche) Psychotherapeuten Zulassungsbeschränkungen
wegen Überversorgung angeordnet hat (vgl die Feststellungen im LSG-Urteil [vor 2.]: Versorgungsgrad ca 140 %; siehe dazu Beschluss
des Landesausschusses vom 14.10.2009, ÄrzteBl Baden-Württemberg 2009 S 484, 486 betreffend Psychotherapeuten im Landkreis
L. ). Die dem zugrunde liegenden Berechnungen der Überversorgung und das dafür in der BedarfsplRL festgelegte Verfahren sind
rechtlich nicht zu beanstanden, wie das BSG mit Urteil vom 5.11.2003 entschieden hat (BSG SozR 4-2500 § 101 Nr 1 RdNr 10 ff;
Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen: BVerfG [Kammer], Beschluss vom 4.5.2004 - 1 BvR 749/04 -; vgl §§ 9 ff BedarfsplRL). Ein Anlass, vorliegend nochmals auf die Kritik einzugehen, die gelegentlich gegen das Bedarfsberechnungsverfahren
vorgebracht wird (vgl die Wiedergabe bei Krauskopf/Clemens in Laufs/Kern [Hrsg], Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl 2010, §
29 RdNr 164), und die allgemein gefassten schematisierenden Vorgaben im Gesetz und in den BedarfsplRL in Frage zu stellen,
besteht nicht. Die Beteiligten haben im Revisionsverfahren die Verfassungsmäßigkeit der Bedarfsplanungsregelungen nicht in
Frage gestellt.
In Planungsbereichen, für die der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen gemäß §
103 Abs
1 und
2 SGB V wegen Überversorgung Zulassungsbeschränkungen angeordnet hat, sind Zulassungen für die davon betroffenen Arztgruppen nur
ausnahmsweise möglich, nämlich nach Maßgabe der Vorgaben des § 101 Abs 1 Satz 1 Nr
3, Nr
4, Nr
5 und des §
103 Abs
4 und 7
SGB V. Durch diese Ausnahmeregelungen wird gewährleistet, dass angeordnete Zulassungssperren nicht unverhältnismäßig die Berufsausübung
beschränken oder die Verwertung der Arztpraxis hindern und die Versorgung der Versicherten gewährleistet bleibt. Dies im Einzelnen
zu konkretisieren, hat der Gesetzgeber gemäß §
101 Abs
1 Satz 1
SGB V dem G-BA übertragen, der dementsprechend in der BedarfsplRL die Voraussetzungen für solche ausnahmsweisen Besetzungen zusätzlicher
Vertragsarztsitze festgelegt hat (§
101 Abs
1 Satz 1 Nr
3 SGB V iVm §
24 Buchst a bis e, §
25, §
26 BedarfsplRL). Gegen die Übertragung der Befugnis zur Normkonkretisierung auf den G-BA bestehen keine durchgreifenden rechtlichen
Bedenken, zumal der Gesetzgeber Inhalt, Zweck und Ausmaß der Regelung präzise vorgegeben und damit die wesentlichen Fragen
selbst entschieden hat (vgl zu alledem zB BSGE 102, 21 = SozR 4-2500 § 101 Nr 3 RdNr 14 mwN; BSGE 104, 116 = SozR 4-2500 § 101 Nr 7 RdNr 11). Auf der Grundlage der Regelungen von Gesetzgeber und Bundesausschuss sind dem Zulassungsinteressenten
verschiedene Möglichkeiten eröffnet, trotz Zulassungsbeschränkungen eine Zulassung zu erlangen, insbesondere im Wege der Praxisnachfolge
(§
103 Abs
4 SGB V), der Sonderzulassung zur Ausübung belegärztlicher Tätigkeit (§
103 Abs
7 SGB V), der Zulassung aufgrund besonderen Versorgungsbedarfs (§
101 Abs
1 Satz 1 Nr
3 SGB V iVm §§
24 bis
26 BedarfsplRL) oder im Wege eines sogenannten Job-Sharings (§
101 Abs
1 Satz 1 Nr
4 und
5 SGB V iVm §§ 23a bis 23h BedarfsplRL; - zu diesen Möglichkeiten vgl zB BSGE 94, 181 = SozR 4-2500 § 103 Nr 2, RdNr 18, und BSGE 104, 116 = SozR 4-2500 § 101 Nr 7, RdNr 10).
Von diesen Tatbeständen kommt vorliegend eine (Sonderbedarfs-)Zulassung gemäß § 24 BedarfsplRL sowohl nach Buchst a (unten
1.) als auch nach Buchst b (unten 2.) in Betracht.
1. Die Anerkennung eines Sonderbedarfs gemäß §
101 Abs
1 Satz 1 Nr
3 SGB V iVm §
24 Buchst a BedarfsplRL erfordert die Prüfung und Feststellung, dass "in Teilen" eines "großstädtischen Planungsbereichs oder
eines großräumigen Landkreises" ein "lokaler Versorgungsbedarf" besteht.
a) Bei der Konkretisierung und Anwendung dieser Tatbestandsmerkmale - "lokaler Versorgungsbedarf" in einem "Teil" eines "großräumigen"
Landkreises - verfügen die Zulassungsgremien über einen Beurteilungsspielraum. Dies entspricht der bisherigen Rechtsprechung
des Senats und steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zur Anerkennung von Beurteilungsspielräumen
bei Anwendung und Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen.
Der Senat hat in seinem Urteil vom 5.11.2008 (BSGE 102, 21 = SozR 4-2500 § 101 Nr 3) zu dem Merkmal besonderer Versorgungsbedarf (§ 24 Buchst b BedarfsplRL) ausgeführt, dass dessen
Vorliegen "nur ungefähr [zu] entscheiden" ist, weil "eine Vielzahl von Faktoren in die Entscheidung einzubeziehen" ist: In
einem solchen Fall ist den "ortsnahen fachkundigen Zulassungsinstanzen" ein Beurteilungsspielraum zuzuerkennen (BSG aaO RdNr
16; ebenso BSGE 104, 116 = SozR 4-2500 § 101 Nr 7, RdNr 15: "durch das Zusammenspiel einer Vielzahl von Faktoren geprägt"). Dies hat der Senat im
Urteil vom 17.6.2009 (SozR 4-2500 § 101 Nr 5) im Zusammenhang mit § 24 Buchst a BedarfsplRL aufgegriffen und auf das Merkmal
"lokaler Sonderbedarf" übertragen. Auch insoweit hat der Senat den Zulassungsgremien einen (weiten) Beurteilungsspielraum
zuerkannt, nämlich bei der Frage, "welche Versorgungsdichte in großstädtischen Bereichen und in großräumigen Landkreisen anzustreben
ist". Dabei ist zu entscheiden, "ob in einem großräumigen Landkreis möglichst in jedem einigermaßen abgegrenzten Bereich die
wichtigsten Facharztgebiete vertreten sein sollen, zB ob in jeder eigenständigen größeren Stadt unabhängig davon, ob sie inmitten
naher anderer Städte mit entsprechenden Ärzten gelegen ist, ein fachärztlicher Internist zur Verfügung stehen soll" (BSG aaO
RdNr 26).
Nichts anderes gilt im Rahmen des § 24 Buchst a BedarfsplRL bei dem Merkmal "in Teilen ... eines großräumigen Landkreises".
Hier ist zu beurteilen, ob ein Landkreis "großräumig" ist und was als ein "Teil" eines Landkreises angesehen werden kann.
Diese beiden Fragen hängen von "Struktur, Verkehrsanbindung und Lage" ab (zu dieser Begriffe-Trias s BSG aaO RdNr 26), wie
sich aus dem Sinn des Sonderbedarfstatbestandes in § 24 Buchst a BedarfsplRL ergibt: Bestehen in einem Landkreis gute und
schnelle Verkehrsanbindungen aus allen Richtungen auf ein Zentrum hin, so reicht die in diesem Zentrum anzutreffende Vielfalt
an Ärzten und Psychotherapeuten zur Versorgung des gesamten Landkreises typischerweise aus. In einem anderen Landkreis dagegen,
mag dieser auch in seiner Ausdehnung viel kleiner sein, kann die Situation ungünstiger sein: Sind die Ärzte und Psychotherapeuten
zB aufgrund der gebirgigen Struktur und schlechten Verkehrsanbindungen von einigen Teilen des Landkreises aus nur unter Aufwendung
erheblicher Zeit und Mühe erreichbar, so kann hier der Tatbestand "lokaler Versorgungsbedarf ... in Teilen ... eines großräumigen
Landkreises" gegeben sein. Die Beurteilung, ob solche speziellen Strukturen gegeben sind, können in sachgerechter Weise aber
nur die ortsnahen fachkundigen Zulassungsgremien vornehmen. Dementsprechend ist diesen für die Merkmale "Teil" und "großräumig"
ein Beurteilungsspielraum zuzuerkennen.
Die Anerkennung solcher Beurteilungsspielräume steht nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte: Diese
gehen zwar im Grundsatz davon aus, dass bei unbestimmten Rechtsbegriffen die Subsumtion der Behörden gerichtlich voll überprüfbar
ist. Sie erkennen aber auch Ausnahmen an, bei der Beurteilung von Prüfungsleistungen, bei der beamtenrechtlichen Leistungsbeurteilung
für Einstellung und Beförderung (Art
33 Abs
2 GG), bei der erforderlichen Gewichtung und Abwägung widerstreitender Belange im Rahmen von Planungsentscheidungen sowie bei
Bewertungen durch unabhängige sachverständige Gremien mit gruppenpluraler Zusammensetzung (zu Letzterem zB BVerwGE 39, 197, 203 f, 209; BVerwGE 72, 195, 200 f; BVerwGE 77, 75, 77 f; BVerwGE 91, 211, 215 bis 217; BVerwGE 91, 223, 227, sowie grundsätzlich zusammenfassend BVerwGE 129, 27, 33 RdNr 26 und 27; vgl auch BVerfGE 83, 130, 148;- zu den Fallgruppen insgesamt vgl zB Hoffmann-Riem in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle [Hrsg], Grundlagen des
Verwaltungsrechts, Bd I, 2006, § 10 unter G, RdNr 89 ff, 91 f; Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, 12. Aufl 2007,
§ 31 RdNr 15 ff, 26; Gerhardt in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner [Hrsg],
VwGO, Stand Juli 2009, §
114 RdNr 28 ff, 55 ff, 59 f, 70). Sektorspezifische, gruppenplural gebildete Gremien stellen auch die Zulassungsgremien dar,
sodass die Zuweisung von Beurteilungsspielräumen an diese in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte
steht.
b) Die Beurteilungsspielräume, die nach diesen Grundsätzen den Zulassungsgremien bei der Subsumtion unter die Begriffe "lokaler
Sonderbedarf ... in Teilen ... eines großräumigen Landkreises" eingeräumt sind, hat der Beklagte indessen nicht in sachgerechter
Weise ausgefüllt. Die vom Beklagten bisher zu diesen Merkmalen vorgenommene Subsumtion (Bescheid vom 15.8.2005) stellt sich
nicht als unbedenkliche Ausfüllung dieser Begriffe dar. Dies gilt sowohl für die Frage, ob die Stadt S., für die die Klägerin
die Zulassung begehrt, (aa) in einem "Teil" eines "großräumigen" Landkreises gelegen ist, als auch für die Frage des (bb)
Vorliegens eines "lokalen Sonderbedarfs".
aa) Der Beklagte hat das Merkmal der Großräumigkeit deshalb verneint, weil der Landkreis nur eine Nord-Süd-Länge von weniger
als 40 km und eine Ost-West-Breite von ca 20-30 km aufweise und daher nicht in verschiedene Leistungsräume aufge"teil"t werden
könne. Die überwiegende Zahl der Einwohner wohne im Süden des Landkreises in einer der nur ca 15 km voneinander entfernten
Städte S., R., L. und W. ; der Norden mit Ausnahme der Stadt S. sei weniger stark besiedelt. Diese Entfernungen seien durchschnittlich
und für die Patienten zumutbar.
Mit diesen Ausführungen ist der Beklagte von einer unzutreffenden Grundlage ausgegangen. Sein Ausgangspunkt, der Landkreis
- der Beklagte hat auf den Landkreis selbst und nicht auf nur den Abstand der äußersten Ortschaften voneinander abgestellt
- habe eine Nord-Süd-Länge von weniger als 40 km und eine Ost-West-Breite von ca 20 bis 30 km, ist nicht tragfähig. Letztere
Angabe trifft zwar zu, wenn man die Breite, wie es nahe liegt, von Westen nach Ostsüdost misst (während eine Messung von Westen
horizontal nach Osten deutlich mehr als ca 35 km ergäbe). Misst man dann aber im rechten Winkel hierzu die Länge des Landkreises
von Südsüdwest nach Nordnordost, so ergeben sich hier deutlich mehr als 40 km, zum Teil sogar Entfernungen von mehr als 70
km. Ist mithin der Ausgangspunkt des Beklagten - und zugleich auch des LSG, das die vom Beklagten angegebenen Maße in seinem
Urteil wiederholt hat - nicht tragfähig, so fehlt es an der erforderlichen Grundlage für die vom Beklagten vorgenommene Beurteilung,
wie die Klägerin zutreffend beanstandet.
Für die vom Beklagten vorzunehmende Neubeurteilung der Frage der Großräumigkeit des Landkreises L. weist der Senat darauf
hin, dass manches dafür spricht, ihn als großräumig zu beurteilen, womit dann die Erteilung von Sonderbedarfszulassungen gemäß
§ 24 Buchst a BedarfsplRL möglich wird. Die Erteilung solcher Sonderbedarfszulassungen ist immer dann zu ermöglichen, wenn
dies zur Realisierung des Versorgungsanspruchs der Versicherten erforderlich ist, dh wenn sonst unter Umständen inakzeptable
Versorgungslücken festgeschrieben würden:
Der Senat hat im Rahmen eines Rechtsstreits um die Erteilung einer Ermächtigung für MRT-Leistungen ausgeführt, dass Patienten
bei solchen allgemeinen Leistungen nicht auf Versorgungsangebote verwiesen werden dürfen, die mehr als 25 km entfernt sind
(BSG vom 19.7.2006, SozR 4-2500 § 116 Nr 3 RdNr 19; - anders bei sog spezialisierten Leistungen: "spezielle Leistungen mit
geringer Nachfrage", was auf psychotherapeutische Leistungen nicht zutrifft, aaO RdNr 19 am Ende). In diesem Zusammenhang
ist auch von Bedeutung, dass der Senat bei einer Entfernung von 30 km zwischen zwei Praxen die Prüfung für erforderlich gehalten
hat, ob eine Überschneidung der Einzugsbereiche möglich ist: Dies impliziert, dass das Leistungsangebot einer Praxis nicht
ohne Weiteres 30 km weit reicht (siehe BSG vom 17.10.2007, BSGE 99, 145 = SozR 4-2500 § 116 Nr 4, RdNr 2 iVm 22, 24). Ferner ist zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des Senats (Instituts-)Ermächtigungen
nur eine begrenzte örtliche Reichweite haben, nämlich die Leistungserbringung nur solcher weiteren Einrichtungen mitabdecken,
die mit dem (Zentral-)Institut hinreichend räumlich verbunden sind; wofür eine Entfernung von 35 bis 40 km zu groß ist (so
BSG vom 21.6.1995, SozR 3-2500 § 118 Nr 2 S 8 f betreffend Außenstelle in R. mit organisatorischer Anbindung an Klinik in
L. ).
Insbesondere in Anknüpfung an die Entscheidung, dass Patienten im Bereich allgemeiner Leistungen - dazu gehören gleichermaßen
MRT- wie psychotherapeutische Leistungen - nicht auf Versorgungsangebote verwiesen werden dürfen, die mehr als 25 km entfernt
sind (so zur Ermächtigung: BSG vom 19.7.2006, SozR 4-2500 § 116 Nr 3 RdNr 19), muss dann, wenn Versorgungsangebote unter Umständen
mehr als 25 km entfernt sind, die Erteilung von Sonderbedarfszulassungen möglich sein: Damit wäre es unvereinbar, bei dem
allgemeinen Sonderbedarfstatbestand des § 24 Buchst a BedarfsplRL eine Großräumigkeit zB erst bei einer Ausdehnung des Landkreises
von 80 km anzuerkennen. Denn dann könnten in Landkreisen geringerer Ausdehnung keine Sonderbedarfszulassungen nach § 24 Buchst
a BedarfsplRL erteilt werden. Dadurch bestünde die Gefahr, Versorgungslücken etwa im allgemeinmedizinischen Bereich nicht
beheben zu können. Das Belassen derart ausgedehnter Versorgungsdefizite wäre damit unvereinbar, dass der Versorgungsanspruch
der Versicherten es grundsätzlich erfordert, Versorgungslücken ggf durch Sonderbedarfszulassungen zu schließen (vgl dazu BSGE
104, 116 = SozR 4-2500 § 101 Nr 7, RdNr 17; siehe aber auch die Begrenzungen gemäß BSG aaO RdNr 19 bis 22, ua mit dem Hinweis auf
die Alternative der Erteilung von Ermächtigungen an Krankenhausärzte).
Diese Vorgaben sind bei der Beurteilung der Großräumigkeit zu beachten. Sie dienen der Realisierung des Versorgungsanspruchs
der Versicherten und sind somit vorrangig gegenüber anderen Auslegungsgesichtspunkten. So ist nicht entscheidend, was der
G-BA bzw sein Rechtsvorgänger - der Bundesausschuss der Ärzte und KKn - sich möglicherweise bei Schaffung des Sonderbedarfstatbestandes
des § 24 Buchst a BedarfsplRL unter dem Merkmal großräumig vorgestellt hatte. Unmaßgeblich ist auch ein Durchschnittsvergleich
dahingehend, ob die Ausdehnung des Landkreises größer oder kleiner als der Durchschnitt der Landkreise des Bundeslandes oder
der Bundesrepublik Deutschland ist. Sollten die dargestellten Vorgaben zum Ergebnis führen, dass in einem Bundesland eine
Vielzahl von Landkreisen als großräumig zu qualifizieren ist, so ist das hinzunehmen. Das entspricht auch den Tendenzen der
kommunalen Neugliederung vor allem in dünn besiedelten Flächenländern; das Land Mecklenburg-Vorpommern weist heute nur noch
sechs Landkreise auf.
bb) Der Beklagte hat des Weiteren auch bei der Subsumtion unter den Begriff "lokaler Sonderbedarf" den ihm eingeräumten Beurteilungsspielraum
nicht in der gebotenen Weise ausgefüllt. Der lokale Sonderbedarf muss nach dem Kontext des § 24 Buchst a BedarfsplRL in einem
Teil des großräumigen Landkreises bestehen. Hierzu enthält der angefochtene Bescheid - insoweit folgerichtig, da der Beklagte
die Großräumigkeit des Landkreises verneinte - keine Ausführungen. Ist aber die Großräumigkeit des Landkreises zu bejahen,
so ist das Vorliegen eines lokalen Sonderbedarfs zu prüfen. Hierzu ist auf Folgendes hinzuweisen:
Nicht tragfähig wäre es, einen lokalen Versorgungsbedarf mit der globalen Erwägung zu verneinen, die überwiegende Zahl der
Einwohner habe nur relativ kurze Entfernungen - nämlich deutlich weniger als die oben angesprochenen 25 km - bis zu einer
Stadt mit umfassender ärztlicher und psychotherapeutischer Versorgung. Eine Verweisung auf eine (angeblich) umfassende Versorgung
ist auch im Falle größerer Zentren zu pauschal. Ein Erfahrungssatz, jede der vom Beklagten benannten Städte halte für jeden
Versorgungsbereich Versorgungsangebote vor und jeder Versicherte könne in zumutbarer Weise dorthin gelangen, besteht nicht.
Vielmehr muss das Vorliegen ausreichender und zumutbar erreichbarer Versorgungsangebote konkret ermittelt und festgestellt
werden, dabei ist zwischen den verschiedenen Versorgungsbereichen zu differenzieren. So ist im vorliegenden Fall zu klären,
ob und inwieweit für die Einwohner im Einzugsbereich von S. ausreichende und ausreichend nahe Versorgungsangebote im Psychotherapiebereich
vorhanden sind oder ob Versorgungslücken bestehen. Dabei ist es den Zulassungsgremien überlassen, ob sie - zugunsten von mehr
Sonderbedarfszulassungen - über das notwendige Minimum an Versorgung hinausgehen wollen und auch dann, wenn in einer anderen,
ausreichend nah gelegenen Stadt ein an sich gerade noch ausreichendes Versorgungsangebot besteht und in zumutbarer Weise erreichbar
ist, in jeder weiteren größeren Stadt die wichtigsten Fachgebiete eigenständig vertreten sehen wollen (zu diesem Beurteilungsspielraum
vgl BSG SozR 4-2500 § 101 Nr 5 RdNr 26).
Nicht tragfähig wäre es auch, die Ermittlungen und Feststellungen zum Versorgungsbedarf nur auf die "überwiegende" Zahl der
Einwohner auszurichten (so aber die Diktion im Bescheid aaO). Dem Versorgungsanspruch der Versicherten ist nicht schon dann
Genüge getan, wenn deren überwiegende Anzahl ihn realisieren kann. Vielmehr steht der Versorgungsanspruch jedem einzelnen
Versicherten zu.
Bei dem dargestellten Gebot, zwischen den verschiedenen Versorgungsbereichen zu differenzieren und für den konkret betroffenen
Versorgungsbereich das Vorliegen ausreichender Versorgungsangebote zu ermitteln und festzustellen, ist zu beachten, dass es
sich bei den psychoanalytisch begründeten und den verhaltenstherapeutischen Behandlungsverfahren um unterschiedliche Versorgungsangebote
handelt. Dies entspricht der unterschiedlichen Wesensart dieser Verfahren, die sich in ihrer unterschiedlichen Ausrichtung
und Indikation ausdrückt (zB bei spezifischen Phobien im Regelfall Verhaltenstherapie und nicht analytische Psychotherapie;
dagegen bei umfassenderen Störungen vor dem Hintergrund frühkindlicher Belastungen, wie zB Persönlichkeitsstörungen, bevorzugt
analytische Psychotherapie). Das Vorliegen verschiedener Versorgungsangebote ergibt sich aber auch aus den einschlägigen rechtlichen
Regelungen der §§ 13 ff Psychotherapie-Richtlinie (Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Durchführung der
Psychotherapie idF vom 19.2.2009, in Kraft seit dem 18.4.2009, veröffentlicht im BAnz Nr 58 vom 17.4.2009, S 1399 [PsychThRL]).
In diesen Bestimmungen wird unterschieden zwischen einerseits den Behandlungsformen analytische und tiefenpsychologisch fundierte
Psychotherapie, die als psychoanalytisch begründete Verfahren zusammengefasst sind (s § 13 Satz 2 Nr 1 und § 14 iVm §§ 14a,
14b PsychThRL), und andererseits der Verhaltenstherapie (§ 15 PsychThRL). In § 16 PsychThRL ist zudem bestimmt, dass psychoanalytisch
begründete Verfahren und Verhaltenstherapie nicht kombinierbar sind. Diese Trennung wird dadurch vervollständigt, dass eine
gegenseitige Behandlungsergänzung durch die Möglichkeit, im Bedarfsfall einen Patienten an einen anderen Behandler zu überweisen,
weder in den PsychThRL noch in der Psychotherapie-Vereinbarung (zuletzt geändert am 30.10.2007, DÄ 2007, A 3431) vorgesehen
ist (insoweit anders im ärztlichen und im zahnärztlichen Bereich: § 24 Bundesmantelvertrag-Ärzte, § 27 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen,
§ 10 Bundesmantelvertrag-Zahnärzte und § 14 Abs 8 Bundesmantelvertrag-Ersatzkassen-Zahnärzte). Handelt es sich mithin bei
den psychoanalytischen und den verhaltenstherapeutischen Behandlungsverfahren um unterschiedliche Versorgungsangebote, so
ist bei einem Antrag auf Erteilung einer Sonderbedarfszulassung der dementsprechende spezifische Bedarf zu ermitteln: So sind
im Falle eines psychoanalytisch ausgerichteten Bewerbers um eine Sonderbedarfszulassung die Versorgungsangebote speziell im
Bereich der psychoanalytisch begründeten Verfahren festzustellen; Angebote für Verhaltenstherapie sind außer Betracht zu lassen.
Mit dieser Aufgliederung in einen Versorgungssektor psychoanalytisch begründeter Verfahren und einen davon getrennten Bereich
Verhaltenstherapie wird das aufgegriffen und fortgeführt, was der G-BA bereits ausdrücklich für den Bereich der Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapie klargestellt hat: Er hat diesen als gesonderten Versorgungsbereich qualifiziert. Hierzu finden
sich in der PsychThRL allerdings nur schwach ausgesprägte Ansätze (s § 18 Nr 3 und 4 im Gegensatz zu Nr 1 und 2 PsychThRL).
Der G-BA hat aber § 24 Buchst b BedarfsplRL im Jahr 2007 neugefasst und dabei einen Satz 3 (heute: Satz 4) eingefügt, nach
dem die Berufsbezeichnung Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut mit einer Schwerpunktbezeichnung im Rahmen der ärztlichen
Weiterbildung gleichgestellt ist (Änderung der BedarfsplRL vom 13.9.2007, BAnz Nr 239 vom 21.12.2007, S 8326, und DÄ 2008,
A 415). Infolgedessen stellt der Bereich Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie einen eigenen Versorgungsbereich dar, für
den im Falle eines Antrags auf Sonderbedarfszulassung eigenständig eine Bedarfsprüfung vorzunehmen ist. Einem solchen Sonderbedarfsantrag
können nur Versorgungsangebote speziell im Bereich der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie entgegengehalten werden.
Die Herausstellung einerseits der psychoanalytisch begründeten Verfahren und andererseits der Verhaltenstherapie - und ebenso
der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie - als jeweils gesonderte Versorgungsbereiche spiegelt das hohe Gewicht wider, das
der Senat bereits in seinen Urteilen vom 28.10.2009 diesen Basis-Behandlungsformen beigemessen hat. In diesen Entscheidungen
ist ausgeführt, dass diese Behandlungsverfahren ein zentrales Element im Rahmen der Integration der psychotherapeutischen
Versorgung in das System des Vertragsarztrechts zum 1.1.1999 waren: Der Gesetzgeber hat zugrunde gelegt, dass sie theoretisch
fundiert und in der Praxis hinreichend bewährt sind; sie sind kraft Gesetzes seit 1999 als Gegenstand der psychotherapeutischen
Versorgung anerkannt. Ihre Qualität und Wirksamkeit ist nicht (erneut) rechtfertigungsbedürftig, bei ihnen ist auch kein Raum
für eine Überprüfung anhand der Anforderungen der §§ 8 ff der Verfahrensordnung des G-BA (vgl zu alledem Urteile vom 28.10.2009,
BSG SozR 4-2500 § 92 Nr 8, RdNr 25 f, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen, und BSG SozR 4-2500 § 95c Nr 3 RdNr 33
f; - vgl § 17 PsychThRL zur Bewertung neuer Psychotherapieverfahren und -methoden).
Bei der Prüfung, ob in dem einschlägigen Versorgungsbereich - hier: psychoanalytisch begründete Verfahren in der Erwachsenentherapie
- ausreichende Versorgungsangebote vorliegen oder ein Sonderbedarf besteht, ist schließlich zu beachten, dass die Patienten
entgegen der Annahme des LSG nicht ohne Weiteres darauf verwiesen werden können, andere Psychotherapeuten leisteten in ihrer
Praxis täglich nur zwischen zwei und vier Therapiestunden und hätten also noch freie Behandlungskapazitäten (so aber das LSG-Urteil).
Diese sind ohne Bedeutung, wenn es sich lediglich um potenzielle, nicht aber um reale Versorgungsangebote handelt. Solange
diese Leistungserbringer nicht tatsächlich zu weiteren Versorgungsleistungen bereit sind, kann auf sie nicht verwiesen werden
(BSGE 104, 116 = SozR 4-2500 § 101 Nr 7, RdNr 17, und BSG SozR 4-2500 § 101 Nr 6 RdNr 17). Ein reales Versorgungsangebot ergibt sich schließlich
auch nicht aus der Einrichtung eines Anrufcenters, wie dies zB in Baden-Württemberg besteht und bei dem freie Therapieplätze
abgefragt werden können; diese Einrichtung dient nur dem leichteren Auffinden etwaiger freier Therapieplätze, sie impliziert
nicht automatisch, dass es auch solche Plätze gibt.
Verwiesen werden könnte dagegen auf etwaige im dortigen Einzugsgebiet befindliche Institute gemäß §
117 Abs
2 SGB V, soweit diese zur Erbringung von Leistungen analytischer oder tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie ermächtigt sind
(BSGE 104, 116 = SozR 4-2500 § 101 Nr 7, RdNr 18 am Ende und BSG SozR 4-2500 § 101 Nr 6 RdNr 19 am Ende). Dabei muss aber konkret ermittelt
und festgestellt werden, dass noch freie Versorgungskapazitäten im Bereich psychoanalytisch begründeter Verfahren bestehen.
Die hier dargestellten Maßgaben sind allesamt bei der Prüfung des Vorliegens eines lokalen Sonderbedarfs zu beachten. Zu dessen
Prüfung besteht allerdings nur dann Anlass, wenn die Großräumigkeit des Landkreises zu bejahen ist (hierzu oben aa). Dabei
muss dann auch allen übrigen Anforderungen an die Bedarfsermittlung Rechnung getragen werden, wie diese in der bisherigen
Rechtsprechung herausgestellt worden sind. Dies bedeutet, dass die Psychotherapeuten im Einzugsbereich, die die Kompetenz
zu psychoanalytisch begründeten Verfahren haben, nach ihren Leistungsangeboten, freien Kapazitäten und Wartezeiten zu fragen
sind, und deren Angaben anhand von Anzahlstatistiken verifiziert werden müssen (zu den Ermittlungsanforderungen einschließlich
der Bestimmung des Einzugsbereichs anhand der Frage, welche Wege zum Erreichen eines Versorgungsangebots zumutbar sind, siehe
BSGE 104, 116 = SozR 4-2500 § 101 Nr 7 RdNr 15 f und BSG SozR 4-2500 § 101 Nr 6 RdNr 15 f iVm 18).
c) Schließlich ist der Sonderbedarfstatbestand des §
24 Buchst a BedarfsplRL zum lokalen Sonderbedarf nicht etwa seit den Änderungen des
SGB V vom 22.12.2006 (BGBl I 3439) und der BedarfsplRL vom 13.3.2008 (BAnz Nr 80 vom 3.6.2008 S 1950 und DÄ 2008, A-1518, in Kraft
seit 4.6.2008) gegenstandslos oder funktionslos geworden. Der Auftrag in §
100 Abs
3 SGB V an die Landesausschüsse ist darauf gerichtet, in nicht bzw noch nicht unterversorgten Planungsbereichen die Anerkennung "z
u s ä t z l i c h e n lokalen Sonderbedarfs" zu ermöglichen, wobei die gemäß §
101 Abs
1 Satz 1 Nr
3a SGB V vom G-BA festgelegten allgemeinen Voraussetzungen (hierzu siehe § 34a - insbes Abs 6 - BedarfsplRL) zu prüfen sind. Es ist kein Anhaltspunkt dafür erkennbar, dass diese Neuregelungen, durch welche
die Möglichkeit der Anerkennung eines z u s ä t z l i c h e n lokalen Sonderbedarfs in einem nicht unterversorgten Planungsbereich
geschaffen worden ist, das Weiterbestehen des - unveränderten - Tatbestandes des § 24 Buchst a BedarfsplRL in Frage gestellt
haben könnten. Der lokale Sonderbedarf und der zusätzliche lokale Sonderbedarf sind auf unterschiedliche Konstellationen ausgerichtet.
Der lokale Sonderbedarf ist darauf gerichtet, in Bereichen überversorgter und für weitere Zulassungen gesperrter Planungsbereiche,
im Falle lokaler Unterversorgung weitere Zulassungen zu ermöglichen. Die Feststellung eines zusätzlichen lokalen Versorgungsbedarfs
soll ermöglichen, Instrumentarien wie zB die Zahlung von Sicherstellungszuschlägen gemäß §
105 Abs
1 Satz 1 Halbs 2
SGB V, die sonst nur in Bereichen zur Anwendung kommen, die nach den Bedarfsberechnungen insgesamt gesehen unterversorgt sind,
auch in einem nicht insgesamt unterversorgten Planungsbereich anzuwenden (s hierzu BT-Drucks 16/2474 S 23 f). Insofern trifft
die im Gesetzgebungsverfahren erfolgte Beschreibung zu, dass das bereits bestehende Instrument der Sonderbedarfszulassung
zur Deckung eines lokalen Versorgungsbedarfs durch die Regelungen über die Behebung eines zusätzlichen lokalen Sonderbedarfs
e r g ä n z t wird (so BT-Drucks 16/2474 S 24). Im Übrigen hat der G-BA den Fall zusätzlichen lokalen Sonderbedarfs - nach
dem übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten - für den Bereich S. im Landkreis L. bisher auch nicht festgestellt.
2. Das Begehren der Klägerin, als Psychologische Psychotherapeutin mit Sitz in der Stadt S. zur vertragspsychotherapeutischen
Versorgung zugelassen zu werden, ist auch mit Blick auf den weiteren Sonderbedarfstatbestand des §
101 Abs
1 Satz 1 Nr
3 SGB V iVm §
24 Buchst b BedarfsplRL näher zu überprüfen. Hiernach ist ein besonderer Versorgungsbedarf in einem Bereich erforderlich, "wie
er durch den Inhalt des Schwerpunkts, einer fakultativen Weiterbildung oder einer besonderen Fachkunde für das Facharztgebiet
nach der Weiterbildungsordnung umschrieben ist" (§ 24 Buchst b Satz 1 BedarfsplRL).
In § 24 Buchst b Satz 3 BedarfsplRL ist als (nähere) Voraussetzung normiert, "dass die ärztlichen Tätigkeiten des qualifizierten
Inhalts in dem betreffenden Planungsbereich nicht oder nicht ausreichend zur Verfügung stehen [dürfen] und dass der Arzt die
für den besonderen Versorgungsbedarf erforderlichen Qualifikationen durch die entsprechende Facharztbezeichnung sowie die
besondere Arztbezeichnung oder Qualifikation nachweist". Eine mögliche Leistungserbringung in Krankenhäusern bleibt dabei
außer Betracht (früher Buchst b Satz 3, bzw Satz 4 seit dem 22.12.2007, BAnz Nr 239 vom 21.12.2007, S 8326 = DÄ 2008, A 415,
bzw Satz 5 seit dem 19.6.2010, BAnz Nr 89 vom 18.6.2010, S 2133 = DÄ 2010, A 1422).
Wie der Senat in seinen Urteilen vom 17.10.2007 und vom 2.9.2009 ausgeführt hat, kann die Subsumtion unter das Erfordernis
einer besonderen Qualifikation, das in § 24 Buchst b BedarfsplRL mit den Begriffen Schwerpunkt, fakultative Weiterbildung,
besondere Fachkunde näher umschrieben wird, Schwierigkeiten bereiten. Der Senat hat dies für den ärztlichen Bereich bereits
ausgeführt: Diese Begriffe des § 24 Buchst b BedarfsplRL entsprechen nicht mehr bzw jedenfalls nicht mehr durchgängig denen
der heutigen Weiterbildungsordnungen (WBOen) der Landesärztekammern, seitdem diese ihre WBOen an die Neufassung der Muster-WBO vom 20. bis 23.5.2003 (106. Deutschen Ärztetag) angepasst haben (zur Muster-WBO s DÄ 2003, A 1516). So sind zB nach der Neufassung der WBO Nordrhein außer Facharzt- und Schwerpunktbezeichnungen auch Zusatzbezeichnungen vorgesehen (vgl dazu BSGE 104, 116 = SozR 4-2500 § 101 Nr 7, RdNr 14). Die Subsumtion unter das Erfordernis einer besonderen Qualifikation, das in § 24 Buchst
b BedarfsplRL mit den Begriffen Schwerpunkt, fakultative Weiterbildung oder besondere Fachkunde umschrieben wird, ist auch
(erst recht) im Bereich der Psychotherapie nicht einfach. Die Begriffsbildungen der BedarfsplRL, die auf den ärztlichen Bereich
zugeschnitten sind (vgl BSG USK 2007-95 S 602), können auf Psychotherapeuten von vornherein nur entsprechend angewendet werden
(vgl §
72 Abs
1 Satz 2
SGB V und §
1 Abs
3 Nr
1 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte). Eine entsprechende Anwendung hat der Senat bereits früher im Falle von "Versorgungsdefizite[n]
hinsichtlich der in den PsychThRL beschriebenen Behandlungsformen" in Betracht gezogen - ohne dies damals entscheiden zu müssen
- (so BSG USK 2007-95 S 602). Dies aufgreifend und fortführend - zugleich anknüpfend an obige Ausführungen (oben RdNr 29)
- misst der Senat den psychoanalytisch begründeten und den verhaltenstherapeutischen Behandlungsverfahren je eigenständige
Bedeutung entsprechend einem Schwerpunkt im Sinne des § 24 Buchst b BedarfsplRL zu, wie dies durch die im Jahr 2007 eingefügte
Regelung (damals Satz 3, heute Satz 4) bereits für den Bereich der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie normiert hat (hierzu
vgl oben RdNr 30).
Hiervon ausgehend ist auch der Tatbestand des § 24 Buchst b BedarfsplRL näher zu überprüfen. Da die analytisch begründete
Psychotherapie einem Schwerpunkt im Sinne dieses Sonderbedarfstatbestandes gleichsteht, sind speziell bezogen auf diesen Versorgungsbereich
die Angebote für psychotherapeutische Verfahren im Raum S. festzustellen, und dem Bedarf an solchen Behandlungen ist die Nachfrage
gegenüberzustellen. Dabei sind auch alle weiteren Maßgaben zu beachten, die oben dargestellt worden sind, wie zB auch die
Überprüfung eventueller Wartezeiten usw (vgl oben RdNr 32 bis 34).
3. Führt die sonach erforderliche neue Überprüfung dazu, dass ein lokaler Versorgungsbedarf im Sinne von § 24 Buchst a und/oder
ein besonderer Versorgungsbedarf im Sinne von § 24 Buchst b BedarfsplRL gegeben ist, so bedarf es noch der Bewertung, ob der
Versorgungsbedarf auch dauerhaft erscheint und für eine wirtschaftlich tragfähige Praxis ausreicht. Hierzu wird wegen der
weiteren Einzelheiten auf die Urteile des Senats vom 2.9.2009 verwiesen (BSGE 104, 116 = SozR 4-2500 § 101 Nr 7, RdNr 19 bis 22 und 33, und BSG SozR 4-2500 § 101 Nr 6 RdNr 26). Sollte zur Bedarfsdeckung eine
dieser Anforderungen nicht erfüllt sein, könnte zur Bedarfsdeckung nur die Erteilung von Ermächtigungen in Betracht kommen
(vgl BSGE 104, 116 = SozR 4-2500 § 101 Nr 7, RdNr 33).
4. Nach alledem hat der Beklagte, dem in mehrfacher Hinsicht ein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist, über die Erteilung
der Sonderbedarfszulassung an die Klägerin neu zu entscheiden, wofür - wie ausgeführt - weitere Ermittlungen erforderlich
sind. Deshalb werden die vorinstanzlichen Urteile und der Bescheid des Beklagten aufgehoben und dieser verpflichtet, über
den Widerspruch der Beigeladenen zu 1. gegen den Bescheid des Zulassungsausschusses unter Beachtung der Rechtsauffassung des
Senats neu zu entscheiden.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Halbs 3
SGG iVm einer entsprechenden Anwendung von §
154 Abs
1 iVm §
162 Abs
3 VwGO. Der Beklagte trägt als Unterlegener die Kosten des Verfahrens (§
154 Abs
1 VwGO). Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten von Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil diese im Verfahren keine Anträge
gestellt haben (§
162 Abs
3 VwGO, vgl dazu BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 §
63 Nr
3, RdNr 16).