Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe:
I
Der Kläger macht im Wege der Untätigkeitsklage geltend, der Beklagte habe über einen Widerspruch nicht innerhalb der Frist
des §
88 Abs
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) entschieden. Im Beschwerdeverfahren ist umstritten, ob die Klage als zurückgenommen gilt.
Der Kläger hat unter Angabe seiner damaligen Wohnanschrift im Inland am 16.5.2014 Klage beim Sozialgericht (SG) erhoben und unter Bezugnahme auf ein parallel geführtes Klageverfahren wegen Leistungen der Grundsicherung im Alter und
bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem 4. Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) für die Zeit vom 6.4.2011 bis zum 31.1.2013 geltend gemacht, der Beklagte habe wegen dieser Ansprüche bislang nicht über
einen Widerspruch entschieden. Ein Beschluss wegen eines am 29.10.2014 gestellten Befangenheitsgesuchs des Klägers (vom 4.11.2014)
wurde ihm durch Niederlegung zugestellt; weiterer Schriftwechsel erfolgte in der Folge nicht. Am 19.5.2015 wurde dem SG aus anderen Verfahren bekannt, dass der Kläger unbekannt nach Österreich verzogen sei. Das SG forderte ihn auf, das Verfahren zu betreiben und eine ladungsfähige Anschrift mitzuteilen. Nach Ablauf einer Frist von drei
Monaten gelte die Klage als zurückgenommen (Schreiben vom 22.5.2015). Es ordnete die öffentliche Zustellung dieses Schreibens
an (Beschluss vom 26.5.2015), die durch Aushang einer Benachrichtigung im Gerichtsgebäude vom 27.5. bis zum 1.7.2015 erfolgte.
Sodann teilte es dem Kläger am 2.10.2015 mit, dass die Klage als zurückgenommen gelte, und ordnete die öffentliche Zustellung
auch dieses Schreibens an (Beschluss vom 2.10.2015). Im Juni 2016 teilte der Kläger seine neue Anschrift in Österreich mit
und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das SG und das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz haben die Klage als unzulässig angesehen, weil die Rücknahmefiktion des
§
102 Abs
2 SGG greife (Gerichtsbescheid des SG vom 26.5.2017; Urteil des LSG vom 29.11.2017).
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde. Er macht geltend, die notwendige und zustellungsbedürftige Aufforderung,
das Verfahren zu betreiben, habe nicht öffentlich zugestellt werden dürfen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorgelegen
hätten. Insbesondere habe das SG nicht nach wenigen Tagen und ohne weitere Ermittlungen (insbesondere durch eine Anfrage beim österreichischen Meldeamt) davon
ausgehen dürfen, dass er, der Kläger, unbekannten Aufenthalts in Österreich sei. Außerdem könne die sog Betreibensaufforderung
ihren Zweck bei einer öffentlichen Zustellung ersichtlich nicht erfüllen.
II
Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 3
SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus §
160a Abs
2 Satz 3
SGG abzuleitenden Anforderungen an die Bezeichnung eines Verfahrensfehlers.
Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen
kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von §
109 SGG und §
128 Abs
1 Satz 1
SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des §
103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende
Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet
werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 -SozR 1500 § 160a Nr 14; BSG vom 24.3.1976 - 9 BV 214/75 - SozR 1500 § 160a Nr 24; BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36).
Vorliegend hat der Kläger zwar einen Verfahrensmangel im dargelegte Sinne bezeichnet. Er hat unter Bezugnahme auf die zwischen
den Beteiligten ergangene Entscheidung des Senats vom 5.7.2018 (B 8 SO 50/17 B) zu einem vergleichbaren Vorgehen des SG dargestellt, dass das LSG zu Unrecht die Klage aufgrund fingierter Klagerücknahme als erledigt angesehen hat. Es fehlen jedoch
Darlegungen dazu, weshalb die Entscheidung, die Klage sei unzulässig, auf diesem Verfahrensmangel beruht. Solche Ausführungen
wären aber erforderlich gewesen; denn vorliegend war das streitgegenständliche Begehren jedenfalls im Zeitpunkt der Klageerhebung
nicht auf die Zahlung einer Sozialleistung gerichtet, sondern auf ein Tätigwerden der Behörde iS des §
88 Abs
2 SGG. Angesichts des Zeitablaufs seit Klageerhebung hätten damit Darlegungen dazu erfolgen müssen, dass eine Entscheidung des
Beklagten über einen Widerspruch weiterhin aussteht, also die Untätigkeit nach wie vor geltend gemacht wird. Andernfalls hätte
sich das Klageverfahren aus diesem Grund erledigt. Alternativ könnte ein Verfahren zwar nach Erlass des Widerspruchsbescheids
vom Kläger (im Wege der Klageänderung) in der Sache fortgeführt werden (zum Ganzen nur Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl 2017, §
88 RdNr 10b). Auch insoweit fehlen aber Darlegungen dazu, dass dies zulässigerweise noch erfolgen könnte, obwohl offenbar zumindest
ein weiteres Verfahren wegen der geltend gemachten Leistungen im Zeitraum vom 6.4.2011 bis zum 31.1.2013 anhängig war und
ggf noch ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.