Höhe einer Regelaltersrente
Berücksichtigung einer Ersatzzeit
Begriff des Sowjetzonenflüchtlings
Besondere Zwangslage
Wirtschaftliche Gründe
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Regelaltersrente des Klägers im Hinblick auf eine Ersatzzeit vom 27. bis 28.02.1978.
Der 1949 geborene Kläger erlernte in der DDR den Beruf des (Schienenfahrzeug-) Elektrikers und war im erlernten Beruf bis
August 1972 beschäftigt. Anschließend studierte er bis Juli 1975 an einer Ingenieurschule für Baustofftechnologie. Danach
war er zunächst Fachgebietsleiter beim V. Baustoffversorgung G., danach wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der H.-Bezirksdirektion
G., anschließend redaktioneller Mitarbeiter bei den "T. Neueste Nachrichten" und zuletzt Abteilungsleiter für Materialwirtschaft
beim V. Gebäudewirtschaft in G.. Am 28.02.1978 trat der Kläger eine genehmigte Besuchsreise zu seiner lebensbedrohlich erkrankten
Mutter in P. an, von welcher er nicht mehr in die DDR zurückkehrte. Seine Ehefrau und Tochter blieben in der DDR, die Ehe
wurde 1979 geschieden.
In seinem Schreiben vom 06.03.1978 wegen Aufnahme in das Gebiet der BRD und seinem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
für das Bundesgebiet vom 12.03.1978 führte der Kläger aus, er habe seine Mutter wegen ihres Gesundheitszustandes nicht im
Stich lassen können und sein weiteres Leben in freier Selbstbestimmung verbringen wollen. In der DDR habe er ständige Zugeständnisse
und Kompromisse entgegen seiner eigentlichen Meinung eingehen müssen, zuletzt den Eintritt in eine Blockpartei, die NDPD.
Er habe oftmals Schwierigkeiten bekommen, da seine Mutter im Westen gelebt habe.
Mit Beschluss des sog Aufnahmeausschusses vom 17.04.1978 wurde dem Kläger die Erlaubnis zum ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet
im Wege des Ermessens zur Familienzusammenführung erteilt. Die Entscheidung gilt nach ihrem Wortlaut ausdrücklich nicht als
Entscheidung über die Flüchtlingseigenschaft.
1978 bis 1984 studierte der Kläger Philosophie, Psychologie und Kunstgeschichte mit dem Abschluss Magister artium. Anschließend
war er berufstätig.
Auf seinen Antrag vom 22.07.2014 bewilligte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 22.09.2014 Regelaltersrente beginnend ab 01.11.2014
mit einem Zahlbetrag iHv 980,09 €. Hierbei lehnte sie die Anerkennung der Zeit vom 27. bis 28.02.1978 als Ersatzzeit ab, weil
die Zugehörigkeit des Klägers zum Personenkreis des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) nicht nachgewiesen sei.
Mit Schreiben vom 28.10.2014, bei der Beklagten eingegangen am 31.10.2014, wandte sich der Kläger gegen die Ablehnung der
Ersatzzeit. Als er 1978 in die Bundesrepublik eingereist sei, habe er nicht mehr in die DDR zurückgekonnt, da er die Besuchsfrist
wegen der Erkrankung seiner Mutter überschritten hatte und per Haftbefehl in der DDR gesucht worden sei als republikflüchtig.
Erst 1990 habe er gewagt, seinen Bruder in Z. zu besuchen. Ergänzend legte er Unterlagen vor, die ihm der Bundesbeauftragte
für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes in der ehemaligen DDR überlassen hatte.
Die Beklagte wertete das Schreiben als Überprüfungsantrag und wandte sich an das Bundesverwaltungsamt. Nach Beiziehung der
Akten über das Notaufnahmeverfahren aus dem Jahr 1978 sowie Anhörung des Klägers, der weitere Unterlagen vorlegte, lehnte
die Beklagte die Rücknahme des Bescheids vom 22.09.2014 ab (Bescheid vom 26.05.2015). Die Überprüfung habe ergeben, dass die
Zugehörigkeit zum berechtigten Personenkreis nach §§ 1 bis 4 BVFG durch einen Flüchtlingsausweis C nicht nachgewiesen sei; das Bundesverwaltungsamt habe eine Flüchtlingseigenschaft nicht
bestätigen können.
Mit seinem am 04.06.2015 eingelegten Widerspruch machte der Kläger erneut geltend, er sei unstrittig als Flüchtling in die
BRD gekommen. Er habe sich in der DDR in einer besonderen Zwangslage und unmittelbarer Gefahr für seine persönliche Freiheit
befunden. In einem Schreiben an das Bundesverwaltungsamt vom 05.04.2015 habe er bereits ausgeführt, er sei seit seiner Kindheit
von einer Tante in L. unterstützt worden, die er bis zu ihrem Tod 1973 nie habe besuchen dürfen, auch nicht zur Beerdigung.
Seine Bewerbungen bei der DDR-Handelsmarine und -Fischfangflotte, um auf diese Weise das Land verlassen zu können, seien wegen
sog Westverwandtschaft abgelehnt worden. Er habe als Beleuchter beim E.-W.-Ensemble gearbeitet, um auf möglichen Nahostreisen
sich absetzen zu können; es seien jedoch nur Reisen in die Sowjetunion erfolgt. 1971 habe er einen Fluchtversuch unternommen,
als er von H., wo er in den Semesterferien als Kellner gearbeitet habe, schwimmend in einem Sturm ein vor der Küste ankerndes
schwedisches Schiff habe erreichen wollen. Dies sei misslungen, aber ohne Folgen geblieben. 1973 habe er geheiratet, 1974
sei seine Tochter geboren worden. 1973 sei ein Jugendfreund wegen "staatsfeindlicher Hetze" verhaftet worden, in diesem Zusammenhang
sei er selbst auch an der Ingenieurschule vom MfS vier Stunden vernommen worden. Dies habe sein Leben in der DDR noch unerträglicher
gemacht. 1975 sei er von der Volkspolizei aus seiner Wohnung geholt worden und habe sich vor dem Wehrkreiskommando dem Vorwurf
ausgesetzt gesehen, sich dem Wehrdienst zu entziehen. 1975 habe seine Mutter ausreisen dürfen. Sie habe dann 1978 trotz ihrer
Diabetes-Erkrankung in der Fußgängerzone von P. eine ganze Schachtel Pralinen gegessen und sei deswegen mit einem Diabetesschock
ins Krankenhaus gekommen, wodurch sie ihm die Ausreise aus der DDR ermöglicht habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.07.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Das Bundesverwaltungsamt habe nach Prüfung
eindeutig festgestellt, dass der Kläger die Flüchtlingseigenschaft nach §§ 1 bis 4 BVFG nicht besitze.
Hiergegen richtet sich die am 04.08.2015 zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage. Unter Bezugnahme auf die bereits vorgelegten Unterlagen verweist der Kläger darauf, dass er die Tatbestandsmerkmale
Flucht, besondere Zwangslage, Gefahr für Leib und Leben sowie persönliche Freiheit, schwerer Gewissenskonflikt und Beeinträchtigung
der Existenzgrundlage erfülle. Es gehe ihm nicht um die zu erwartende Rentenerhöhung von rund elf Euro, sondern um Wahrheit
und Gerechtigkeit. Das Bundesverwaltungsamt habe sich nicht mit seiner zur Republikflucht führenden Biographie in der DDR
auseinandergesetzt. Nach seiner Flucht sei seine Familie erheblichen Repressalien ausgesetzt gewesen.
Das SG hat das Bundesverwaltungsamt zum Rechtsstreit beigeladen. Dieses hat ausgeführt, für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft
iSv § 3 BVFG müssten die Gründe, die kausal zum Verlassen der DDR geführt hätten, als besondere Zwangslage zu werten sein und im zeitlichen
Zusammenhang mit dem Verlassen der DDR stehen. Überdurchschnittliche, die üblichen Bedrängnisse der DDR-Bevölkerung übersteigenden
Schwierigkeiten seien weder den Angaben des Klägers von 1978, noch im jetzigen Verfahren zu entnehmen. Maßnahmen der Staatsorgane
der DDR nach der Ausreise könnten nicht berücksichtigt werden, da diese nicht ursächlich für die Ausreise gewesen sein könnten.
Mit Urteil vom 20.07.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Änderung seines Rentenbescheids unter Anerkennung einer Ersatzzeit
vom 27. bis 28.02.1978. Ersatzzeiten gemäß §
250 Abs
1 Nr
6 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (
SGB VI) seien ua Zeiten vor dem 01.01.1992, in denen Versicherungspflicht nicht bestanden habe und Versicherte nach dem vollendeten
14. Lebensjahr ua auf der Flucht gewesen seien, wenn sie zum Personenkreis der §§ 1 bis 4 BVFG gehörten. Sowjetzonenflüchtling sei nach § 3 BVFG ein deutscher Staatsangehöriger oder Volkszugehöriger, der seinen Wohnsitz in der sowjetischen Besatzungszone oder im sowjetisch
besetzten Sektor von Berlin habe oder gehabt habe und von dort vor dem 01.07.1990 geflüchtet sei, um sich einer von ihm nicht
zu vertretenden und durch die politischen Verhältnisse bedingten besonderen Zwangslage zu entziehen. Der Kläger sei zwar aus
der DDR geflohen, als er die genehmigte Besuchsreise zu seiner Mutter in der Absicht angetreten habe, nicht mehr in die DDR
zurückzukehren. Er habe sich vor der Flucht jedoch nicht in einer durch die politischen Verhältnisse bedingten besonderen
Zwangslage befunden. Es sei nachvollziehbar dargelegt, dass der Kläger bereits seit seiner Jungend den Wunsch gehabt habe,
aus der Enge der DDR hinauszukommen. Er habe von seinem Fluchtversuch 1971 berichtet und dem Versuch, über eine Tätigkeit
als Beleuchter auf eine Auslandsreise zu kommen. Er habe auch von einem kritischen Freundeskreis in seiner Jugend berichtet
und die Geschehnisse um den Vorwurf geschildert, er entziehe sich dem Wehrdienst in der NVA. Die letzten Jahre des Klägers
in der DDR hätten sich jedoch auch anders gezeigt. Er habe 1973 geheiratet und sei 1974 Vater einer Tochter geworden. Er sei
aufgefordert gewesen, sich bei der Staatssicherheit nochmals zu melden. Dort habe er erklärt, dass er verheiratet sei, ein
Kind habe, in Arbeit sei und habe dann wieder gehen können. Entsprechend dokumentierten die vom Bundesbeauftragten für die
Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes in der DDR überlassenen Dokumente erst für die Zeit ab der sog Republikflucht des
Klägers wieder intensive Aktivitäten. Für eine unauffällige Existenz des Klägers in der DDR in den letzten Jahren vor seiner
Flucht spreche auch seine berufliche Biographie. Er habe mehrfach die Arbeitsstelle gewechselt, nach eigenen Angaben aus Interesse
an anderen Tätigkeiten bei ohnehin weitgehend einheitlicher Entlohnung. Er sei Mitglied der Blockpartei NDPD geworden und
als Lokalredakteur für die dieser Blockpartei zugeordnete Zeitung "T. Neueste Nachrichten" beschäftigt gewesen. Bei der H.-Bezirksdirektion
sei er mit Fragen der Gestaltung der Arbeitsbedingungen von Beschäftigten betraut gewesen. Kurz vor seiner Flucht sei ihm
wohl noch eine Reise in die UdSSR genehmigt worden. Im Zeitpunkt vor der Flucht habe ihm weder unmittelbare Gefahr für Leib,
Leben oder persönliche Freiheit gedroht, noch habe er sich in einem schweren Gewissenskonflikt befunden oder die Beeinträchtigung
seiner Existenzgrundlage fürchten müssen. Die vom Gesetzgeber als Voraussetzung für die Anerkennung als Sowjetzonenflüchtling
geforderte besondere Zwangslage als Fluchtursache sei nicht feststellbar.
Gegen das ihm am 06.08.2016 zugestellte Urteil richtet sich die am 24.08.2016 eingelegte Berufung des Klägers. Zur Begründung
wiederholt und vertieft der Kläger sein bisheriges Vorbringen unter nochmaliger Darstellung seiner Biographie. Es gebe keine
Flucht ohne Zwangslage, wenn diese hier nicht gesehen werde, werde DDR-Unrecht nachträglich von einem westdeutschen Gericht
in Recht verwandelt. Am schwerwiegendsten sei, dass er durch den Weggang seiner Mutter in den Westen in einen schweren Gewissenskonflikt
geraten sei, denn sie sei alt und krank gewesen, habe seiner Hilfe bedurft und er habe nicht frei zu ihr reisen können. Schon
dies sei Grund genug gewesen, das Leben in der DDR unerträglich zu finden. Seine Mutter habe Leib und Leben riskiert, um ihm
die Flucht zu ermöglichen. In G. (Notaufnahme) habe er 1978 bewusst auf Details zu seiner DDR Systemablehnung verzichtet,
um seine zurückgebliebene Familie nicht noch weiter zu gefährden. Die Tätigkeit als Mitarbeiter für Arbeits- und Lebensbedingungen
bei der H. Bezirksdirektion G. sei keine Funktionärstätigkeit gewesen. Sie habe in der Begutachtung und Kontrolle sowie der
Verbesserung von Bausubstanzen, Gebäuden, sanitären Anlagen, der Sozialräume für die Mitarbeiter und der Essensversorgung
sowie der Küchen bestanden. Er sei für die Tätigkeit qualifiziert aber politisch nicht tragbar gewesen; ihm sei gekündigt
worden, ohne den wahren Grund (seine Mutter) zu nennen. Da ihn Journalismus interessiert habe, sei er über einen Bekannten
zu den "T. Neueste Nachrichten" gekommen. Der Eintritt in die NDPD sei zur Bedingung für die Arbeit bei der Zeitung gemacht
worden. Er habe die Zeitung wieder verlassen, weil er die Heuchelei dort nicht habe ertragen können. Er habe sich von der
DDR-Diktatur nicht verbiegen lassen, schließlich habe er die Republikflucht immer geplant und vollendet.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 20.07.2016 und den Bescheid der Beklagten vom 26.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 13.07.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Abänderung des Rentenbescheids vom 22.09.2014 die Zeit vom
27. bis 28.02.1978 als Ersatzzeit anzuerkennen und höhere Altersrente zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt auf die angefochtenen Bescheide und die Gründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug.
Die Beigeladene nimmt auf ihre Ausführungen im Klageverfahren Bezug. Die vom Kläger vorgetragenen Lebens- und Fluchtumstände
seien berücksichtigt worden. Im Renten- und Klageverfahren hätten sich die Ausführungen des Klägers zu seinen Lebensumständen
in der DDR im Allgemeinen und im Vorfeld der Flucht stetig gesteigert. Im Widerspruch zu der von ihm angegebenen inneren Abkehr
von der DDR stehe darüber hinaus sein 1976 erfolgter Eintritt in die NDPD und seine Tätigkeit als Mitarbeiter für Arbeits-
und Lebensbedingungen bei der H.-Bezirksdirektion, bei der es sich nach Auffassung der Beigeladenen um eine Funktionärstätigkeit
für den FDGB gehandelt habe. Die anschließende Tätigkeit als Redakteur bei der NDPD-Zeitung spreche mehr für als gegen eine
Identifikation mit dem System DDR.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider
Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten und der Beigeladenen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist statthaft und damit zulässig (§§
151 Abs
1,
143, 144 Abs
1 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz <SGG>), in der Sache jedoch nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 26.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 13.07.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Änderung
des Rentenbescheids vom 22.09.2014 im Wege des Überprüfungsverfahrens. Die Berechnung der Altersrente ist rechtmäßig, denn
die Beklagte hat zu Recht die Zeit vom 27. bis 28.02.1978 nicht als Ersatzzeit berücksichtigt und dementsprechend keine höhere
Rente gewährt.
Rechtsgrundlage des Anspruchs ist § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit
zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt
ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden
sind.
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, denn weder hat die Beklagte das Recht unrichtig angewandt, noch ist sie von
einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Der Rentenbescheid vom 22.09.2014 ist nicht zu beanstanden.
Die Grundsätze der Rentenberechnung ergeben sich aus §§
63 und
64 SGB VI. Danach richtet sich die Höhe einer Rente vor allem nach der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten
Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen (§
63 Abs
1 SGB VI). Das in den einzelnen Kalenderjahren durch Beiträge versicherte Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen wird in Entgeltpunkte
umgerechnet (§
63 Abs
2 Satz 1
SGB VI). Für beitragsfreie Zeiten werden Entgeltpunkte angerechnet, deren Höhe von der Höhe der in der übrigen Zeit versicherten
Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen abhängig ist (§
63 Abs
3 SGB VI).
Der Monatsbetrag der Rente ergibt sich, wenn 1. die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte,
2. der Rentenartfaktor und 3. der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden (§
64 SGB VI). Nach §
66 Abs
1 SGB VI ergeben sich die persönlichen Entgeltpunkte für die Ermittlung des Monatsbetrags der Rente, indem die Summe aller Entgeltpunkte
ua für 1. Beitragszeiten, 2. beitragsfreie Zeiten und 3. Zuschläge für beitragsgeminderte Zeiten mit dem Zugangsfaktor vervielfältigt
wird.
Beitragszeiten und beitragsfreie Zeiten sind rentenrechtliche Zeiten (§
54 Abs
1 Nrn 1 und 2
SGB VI). Beitragszeiten sind Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge
gezahlt worden sind. Pflichtbeitragszeiten sind auch Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt
gelten (§
55 SGB VI). Beitragszeiten werden vom Gesetz als Zeiten mit vollwertigen Beiträgen und als beitragsgeminderte Zeiten unterschieden
(§
54 Abs
1 Nr
1 Buchst a und b
SGB VI). Dabei sind Zeiten mit vollwertigen Beiträgen Kalendermonate, die mit Beiträgen belegt und nicht beitragsgeminderte Zeiten
sind (§
54 Abs
2 SGB VI). Beitragsfreie Zeiten sind Kalendermonate, die mit Anrechnungszeiten, mit einer Zurechnungszeit oder mit Ersatzzeiten belegt
sind, wenn für sie nicht auch Beiträge gezahlt worden sind (§
54 Abs
4 SGB VI).
Die Zeit vom 27. bis 28.02.1978 kann entgegen der Auffassung des Klägers nicht als Ersatzzeit der Rentenberechnung zugrunde
gelegt werden.
Nach §
250 Abs
1 Nr
6 SGB VI sind Ersatzzeiten Zeiten vor dem 01.01.1992, in denen Versicherungspflicht nicht bestanden hat und Versicherte nach vollendetem
14. Lebensjahr vertrieben, umgesiedelt oder ausgesiedelt worden oder auf der Flucht oder im Anschluss an solche Zeiten wegen
Krankheit arbeitsunfähig oder unverschuldet arbeitslos gewesen sind, mindestens aber die Zeit vom 01.01.1945 bis zum 31.12.1946,
wenn sie zum Personenkreis der §§ 1 bis 4 des BVFG gehören.
Der Kläger gehört nicht zum Personenkreis der §§ 1 bis 4 BVFG, so dass eine Ersatzzeit im streitigen Zeitraum trotz Flucht aus der DDR nicht vorliegt. In Betracht kommt allein § 3 BVFG (Sowjetzonenflüchtling). Nach dieser Vorschrift ist Sowjetzonenflüchtling ein deutscher Staatsangehöriger oder deutscher
Volkszugehöriger, der seinen Wohnsitz in der sowjetischen Besatzungszone oder im sowjetisch besetzten Sektor von Berlin hat
oder gehabt hat und von dort vor dem 01.07.1990 geflüchtet ist, um sich einer von ihm nicht zu vertretenden und durch die
politischen Verhältnisse bedingten besonderen Zwangslage zu entziehen. Eine besondere Zwangslage ist vor allem dann gegeben,
wenn eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben oder die persönliche Freiheit vorgelegen hat. Eine besondere Zwangslage ist
auch bei einem schweren Gewissenskonflikt gegeben. Wirtschaftliche Gründe sind als besondere Zwangslage anzuerkennen, wenn
die Existenzgrundlage zerstört oder entscheidend beeinträchtigt worden ist oder wenn die Zerstörung oder entscheidende Beeinträchtigung
nahe bevorstand.
Die Flüchtlingseigenschaft des Klägers ist nicht bereits festgestellt. Der Bescheid vom 17.04.1978 betreffend die Erlaubnis
des ständigen Aufenthalts im Bundesgebiet trifft hierüber ausdrücklich keine Regelung. Der Kläger ist auch nicht im Besitz
eines Flüchtlingsausweises C (§ 15 Abs 2 Nr 3 BVFG aF). Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, ist die Feststellung der Beigeladenen hinsichtlich der Nichtanerkennung des Klägers als Sowjetzonenflüchtling
im sozialgerichtlichen Verfahren zu überprüfen. Nach § 100 Abs 2 BVFG werden Ausweise nach § 15 in der vor dem 01.01.1993 geltenden Fassung nur noch ausgestellt, wenn sie vor diesem Tag beantragt wurden. Im Übrigen wird
die Vertriebenen- oder Flüchtlingseigenschaft nur auf Ersuchen einer Behörde, die für die Gewährung von Rechten und Vergünstigungen
an Vertriebene oder Flüchtlinge zuständig ist (hier die Rentenversicherung), vom Bundesverwaltungsamt festgestellt. Diese
Regelung schließt sowohl die Antragsbefugnis des Betroffenen als auch die Befugnis der Vertriebenenbehörde aus, über die Vertriebeneneigenschaft
ihm gegenüber durch feststellenden Statusbescheid zu entscheiden. Damit entfällt jegliche unmittelbare Rechtsbeziehung des
Betroffenen zur Vertriebenenbehörde; die Feststellung erfolgt vielmehr auf Ersuchen der Leistungsbehörde als verwaltungsinterne
Mitwirkungshandlung ausschließlich dieser gegenüber und stellt mangels unmittelbarer Rechtswirkung im Verhältnis zum Bürger
keinen Verwaltungsakt iSv § 31 Satz 1 SGB X dar. Die Entscheidung über die Anerkennung als Vertriebener ist insoweit ein unselbständiger Teil des Verfahrens bei der
Leistungsbehörde (Bundessozialgericht <BSG> 21.03.2006, B 5 RJ 54/04 R, BSGE 96, 93 = SozR 4-7140 § 100 Nr 1).
Die Voraussetzungen für die Anerkennung des Klägers als Sowjetzonenflüchtling sind zur Überzeugung des Senats nicht nachgewiesen.
Die besondere Zwangslage ist der Zentralbegriff des § 3 BVFG, er führt zur Unterscheidung zwischen den (normalen) Bewohnern der sowjetischen Besatzungszone, die die dortigen allgemein
üblichen Beschränkungen und Bedrängungen hinnehmen müssen und den Personen, die von den politischen Verhältnissen persönlich
besonders betroffen werden und daher durch das BVFG besondere Förderung erfahren sollen (v Schenckendorff, Vertriebenen- und Flüchtlingsrecht, B 1 § 3 BVFG S 55). Die im Gesetz genannten Zwangslagen einer unmittelbaren Gefahr für Leib, Leben und persönliche Freiheit sind im konkreten
Fall nicht erkennbar, ebenso drohte dem Kläger auch nicht die Vernichtung der Existenzgrundlage. Der Senat geht ebenso wie
das SG davon aus, dass der Kläger bereits in seiner Jugend entschlossen war, die DDR zu verlassen. Er hat insoweit von einem kritischen
Freundeskreis berichtet, einer seiner Jugendfreunde wurde wegen "staatsfeindlicher Hetze" verurteilt, in diesem Zusammenhang
geriet auch der Kläger in das Visier der Staatssicherheit und wurde einem mehrstündigen Verhör unterzogen. Probleme gab es
auch wegen des Vorwurfs, sich dem Wehrdienst in der Nationalen Volksarmee zu entziehen. Dies klärte sich letztlich jedoch
im Sinne des Klägers, er musste keinen Wehrdienst leisten. Auch sonst sind erst wieder für die Zeit nach der Flucht intensivere
Aktivitäten der Staatssicherheit in den vorgelegten Unterlagen des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatsicherheitsdienstes
dokumentiert. In privater und beruflicher Hinsicht führte der Kläger ein unauffälliges Leben, er heiratete, wurde Vater einer
Tochter und war in verschiedenen Bereichen beruflich tätig. Für die Tätigkeit als Lokalredakteur der "T. Neueste Nachrichten"
trat er sogar in die Blockpartei NDPD ein, was eher eine Einstellung nahelegt, die dem politischen System in der sowjetischen
Besatzungszone auch weltanschaulich nicht ablehnend gegenübersteht. Auf der anderen Seite darf dieser Punkt jedoch auch nicht
überbewertet werden, da die Berufsausübung bei einer der Blockpartei NDPD zugeordneten Zeitung die Mitgliedschaft in der Partei
mehr oder weniger erfordern dürfte. Auch wenn der Kläger insoweit nachvollziehbar innere Vorbehalte geltend macht, bestand
jedenfalls kein offener Konflikt mit der Staatsmacht; eine konkrete Gefährdungslage des Klägers ist nicht ersichtlich und
wird von diesem auch nicht behauptet.
Der Kläger selbst beruft sich vor allem auf einen schweren Gewissenskonflikt resultierend aus dem Aufenthalt seiner kranken
Mutter in B. und seiner fehlenden Möglichkeit, diese aus der sowjetischen Besatzungszone heraus im Bedarfsfall jederzeit aufsuchen
zu können. Gewissen ist eine "grundsätzliche, in der gesamten Haltung des Menschen verwurzelte Gesinnung und Überzeugung hinsichtlich
der Gebotenheit, Erlaubtheit und Nichterlaubtheit eines bestimmten Tuns oder Unterlassens" (Bundesverwaltungsgericht <BVerwG>
07.12.1960, 8 C 169.59, DÖV 1961, 386). Es kommt darauf an, dass der Betroffene durch die politischen Verhältnisse gezwungen ist, gegen seine erkennbare und achtbare
Überzeugung zu handeln (v Schenckendorff, aaO S 59). Anerkanntermaßen aufgrund eines durch die politischen Verhältnisse in
der DDR bedingten schweren Gewissenskonflikts geflüchtet ist, wer als Gegner des DDR-Regimes mit seinem Gewissen nicht vereinbaren
kann, sich als Soldat der DDR durch den Fahneneid zu verpflichten (Oberverwaltungsgericht <OVG> Berlin 28.04.1977, VI B 80.75, [...]). Die hier vorliegende Problematik der nur sehr eingeschränkten Besuchsmöglichkeiten zu Familienangehörigen in der
BRD betrifft jedoch alle Bewohner der sowjetischen Besatzungszone und geht insoweit über die allgemeinen Bedrängungen der
dortigen Bevölkerung nicht hinaus (vgl dazu BVerwG 14.05.1959, 8 C 20.59, Buchholz § 3 Nr 12).
Als sonstige im Gesetz nicht genannte Zwangslage hat die Rechtsprechung bei mitgeflüchteten Familienangehörigen auch bei nachfolgender,
zeitlich späterer Flucht eine eigene besondere Zwangslage widerlegbar vermutet (BVerwG 21.06.1961, 8 C 457.59, Buchholz § 3 Nr 23). So liegt der Fall hier jedoch nicht, denn die Mutter des Klägers ist regulär als Rentnerin ausgereist
und nicht geflohen. Ebenso anerkannt ist die subjektive Zwangslage, wenn der Betroffene irrtümlich angenommen hat, sich in
einer Zwangslage iSv § 3 BVFG zu befinden, obwohl diese tatsächlich von ihm unerkannt nicht vorgelegen hat, also nur in seiner Vorstellung bestand. Maßstab
ist insoweit, ob ein besonnener Bewohner der sowjetischen Besatzungszone bei verständiger Betrachtung in der gleichen Lage
in der Flucht den einzigen zumutbaren Ausweg gesehen haben würde (vgl v Schenckendorff, aaO, S 66 mwN). Dies lässt sich vorliegend
nicht feststellen. Insbesondere besteht angesichts der Tatsache, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Flucht ein vierjähriges
Kind in der sowjetischen Besatzungszone hatte, ein persönlicher Loyalitätskonflikt hinsichtlich des Wunsches, die eigene kranke
Mutter in der BRD aus der Nähe unterstützen zu können. Die Flucht als einzig zumutbarer Ausweg ist insoweit nicht ersichtlich.
Nach alledem bleibt es dabei, dass die Voraussetzungen der streitigen Ersatzzeit nicht vorliegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs
2 Nrn 1 und 2
SGG) liegen nicht vor.