Gründe
I.
In dem beim Sozialgericht Ulm anhängigen Klageverfahren S 2 KR 3730/17 macht die klagende Krankenkasse gegen den beklagten Krankenhausträger eine Rückforderung geltend, weil der bei ihr versicherte
und vom Beklagten von Anfang bis Mitte 2013 in seinem Querschnittgelähmten-Zentrum stationär behandelte Patient (Querschnittslähmung
ab T9 mit neurogener Harnblasen- und Mastdarmentleerungsstörung, Neigung zu Akne-Abszessen im Bereich des Gesäßes, stationär
aufgenommen nach Exzision eines Dekubitalgeschwüres über dem linken Sitzbein zum Zweck einer plastischen Deckung) zu lange
stationär behandelt worden und auch kein Zusatzentgelt wegen hohen pflegerischen Aufwandes gerechtfertigt gewesen sei.
Nachdem der Antragsteller - Facharzt für Allgemeinmedizin, Leitender Arzt eines Querschnittgelähmten-Zentrums mit Zusatzqualifikationen
im Qualitätsmanagement - vom Sozialgericht zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und um die Erstattung eines Gutachtens
nach Aktenlage (geschätzt 400 Bl. Patientendokumentation, 63 Bl. SG-Akten) gebeten worden war, hat er sein elfseitiges Gutachten erstattet, dem ein neun Literaturstellen aufzählendes Verzeichnis
englischsprachiger Literatur beigefügt gewesen ist. In seiner Antwort auf Frage 2 des Gutachtensauftrages (erforderliche stationäre
Behandlung und erforderliche Dauer) hat er bei der Darstellung der Behandlungsstandards chronifizierter Debikutalgeschwüre
durch in Klammer gesetzte Zahlen auf die jeweilige Literatur verwiesen.
Abgerechnet hat der Antragsteller für sein Gutachten acht Stunden Aktenstudium, zwei Stunden Literaturstudium, drei Stunden
Ausarbeitung und eine Stunde Diktat und Korrektur, insgesamt 14 Stunden zu einem Stundensatz von 100,00 EUR, Schreibgebühren
und Porto sowie die gesetzliche Umsatzsteuer, insgesamt 1.710,73 EUR. Die Kostenbeamtin hat - bis auf das Literaturstudium
- antragsgemäß vergütet (1.472,73 EUR). Das Sozialgericht hat die Vergütung des Antragstellers mit Beschluss vom 13.05.2019
antragsgemäß auf 1.710,73 EUR festgesetzt. Die zweistündige Literaturrecherche sei zu vergüten, weil der Antragsteller eine
Aufstellung der Literatur beigefügt und an passender Stelle im Gutachten zitiert habe. Der Antragsteller müsse - so die identischen
Ausführungen zu einem ebenfalls eine zweistündige Literaturrecherche als vergütungsfähig ansehenden Beschluss vom 06.11.2017,
auf den sich der Antragsteller, neben einem weiteren entsprechenden Beschluss berufen hat - überprüfen, ob sein Kenntnisstand
bei Abfassung des Gutachtens noch aktuell sei bzw. der Lehrmeinung zum Zeitpunkt der Behandlung entsprochen habe und die Veröffentlichungen
auf seinem Fachgebiet seien derart umfangreich, dass eine Datenbankrecherche erforderlich sei, wenn die Publikationen als
Nachweis der im Gutachten vertretenen Lehrmeinung dienten.
Allein gegen die Vergütung des Zeitaufwandes für das Literaturstudium richtet sich die vom Antragsgegner eingelegte Beschwerde.
Der Antragsgegner vermag nicht zu erkennen, dass die Literatur im Gutachten zitiert, dokumentiert oder diskutiert worden sei.
Er hält - anders als der Antragsteller im Antrag auf richterliche Festsetzung vorgetragen hat - die Fragestellung auch nicht
für derart speziell, dass sich die Notwendigkeit einer Datenbankrecherche ergebe.
II.
Über die nach § 4 Abs. 3 des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die
Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz, JVEG) statthafte und damit zulässige Beschwerde entscheidet der nach dem Geschäftsverteilungsplan für Kostensachen allein zuständige
10. Senat nach Übertragung durch den Einzelrichter gemäß § 4 Abs. 7 JVEG in der Besetzung mit drei Berufsrichtern.
Nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 JVEG erhält der Sachverständige als Vergütung ein Honorar für seine Leistungen, das nach Stundensätzen bemessen ist. Dementsprechend
wird es gem. § 8 Abs. 2 JVEG für jede Stunde der erforderlichen Zeit gewährt, wobei die letzte bereits begonnene Stunde voll gerechnet wird, wenn sie
zu mehr als 30 Minuten für die Erbringung der Leistung erforderlich war; anderenfalls beträgt das Honorar die Hälfte des sich
für eine volle Stunde ergebenden Betrages.
Nach ständiger Rechtsprechung des Kostensenats (seit Beschluss vom 22.09.2004, L 12 RJ 3868/04 KO-A, u.a. in juris und MedR 2006, 118 und Beschluss vom 14.01.2014, L 12 KO 4491/12 B, u.a. in juris und GesR 2014, 555) ist erforderlich im Sinne des § 8 Abs. 2 JVEG die Zeit, die von erfahrenen Sachverständigen bei durchschnittlicher Arbeitsintensität benötigt wird. Dabei kann in der Regel
davon ausgegangen werden, dass die Angaben des Sachverständigen zu seinem tatsächlichen Zeitaufwand, wie sie von ihm in den
mit dem Gutachtensauftrag übersandten Hinweisen unter Versicherung deren Richtigkeit verlangt werden, zutreffen und dass die
vom Sachverständigen zur Vergütung verlangten Stunden für die Erstellung des Gutachtens auch notwendig waren. Der Sachverständige
muss deshalb eine Abrechnung unter Mitteilung seines tatsächlichen Zeitaufwandes entsprechend den Vorgaben, wie sie ihm in
den Hinweisen mitgeteilt worden sind, vorlegen.
Maßgebend für die Vergütung ist somit, ob tatsächlich eine Literaturrecherche durchgeführt bzw. ein Literaturstudium erfolgt
ist - ist dies nicht nachweisbar, stellt sich die Frage nach der Erforderlichkeit des Zeitaufwandes nicht - und - falls ja
- ob diese Verrichtung gerade für die Erstellung des Gutachtens, also für die Beantwortung der Beweisfragen erforderlich gewesen
ist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Sachverständige grundsätzlich die Eignung für die Erstellung des Gutachtens
aufweisen muss, was grundlegende Kenntnisse für die gutachterliche Fragestellung voraussetzt.
Bei der Frage, ob Zeitaufwand für Literaturrecherche und / oder -studium danach vergütungsfähig ist, ist somit nach dem Zweck
dieser Tätigkeit zu unterscheiden.
Dient die Suche und / oder Lektüre dazu, dass der Sachverständige sich fachlich in die Lage versetzt, überhaupt das Gutachten
zu erstatten, also die Kompetenz für die Fragestellung zu erwerben (z.B. die Grundlagen der Kausalitätsprüfung in der gesetzlichen
Unfallversicherung), ist dieser Zeitaufwand nicht vergütungsfähig. Denn dieser Kenntnisstand ist vom Sachverständigen zu erwarten,
deshalb wird er zum Sachverständigen ernannt. Dem entsprechend ist solcher Zeitaufwand nach ständiger Rechtsprechung des Kostensenats
(z.B. Beschluss vom 06.08.2010, L 12 KO 1653/10) nicht zu vergüten.
Gleiches gilt, soweit das Heranziehen von Literatur nur der ohnehin bestehenden Pflicht, sich im Bereich der ärztlichen Tätigkeit
auf dem Laufenden zu halten, dient (Beschluss des Kostensenats vom 02.10.2015, L 12 1279/15 E; ebenso z.B. Bayerisches Landessozialgericht,
Beschluss vom 09.05.2018, L 12 SF 40/17, in juris; Beschluss vom 30.11.2011, L 15 SF 97/11, in juris; Thüringer Landessozialgericht, u.a. Beschluss vom 02.04.2013, L 6 SF 1739/12 E, in juris; Oberlandesgericht Zweibrücken, Beschluss vom 10.07.2015, 6 W 11/15, in juris). Dementsprechend ist Zeitaufwand zum Erwerb von Kenntnissen zu Fragestellungen, die im beruflichen Alltag des
Arztes oder im medizinischen Fachbereich, in dem der Arzt üblicherweise gutachterlich tätig wird, nicht nur ganz selten vorkommen,
nicht vergütungsfähig. Soweit das Sozialgericht somit meint, der Antragsteller müsse prüfen, ob sein Kenntnisstand bei Abfassung
des Gutachtens noch aktuell sei bzw. der Lehrmeinung zum Zeitpunkt der Behandlung entsprochen habe, trifft dies zwar zu, ergibt
sich aber aus seiner ohnehin bestehenden ärztlichen Pflicht, sich auf dem Laufenden zu halten.
Dient dagegen das Heranziehen von Literatur dazu, beim Sachverständigen im Wesentlichen bereits vorhandene Kenntnisse im Gutachten
im Einzelnen darzustellen und zu belegen (z.B. Wiedergabe und Zitat von Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft anhand
der medizinischen Standardliteratur, einschließlich dort eventuell zitierter Studien und dergleichen) oder Einzelheiten der
Fragestellung anhand solcher Standardliteratur zu bearbeiten (z.B. Beurteilung der Minderung der Erwerbsfähigkeit oder des
Grades der Behinderung, Leistungseinschätzung bei speziellen Fragen der Erwerbsminderung), handelt es sich um Zeitaufwand
im Rahmen der Beurteilung, der zwar grundsätzlich vergütungsfähig ist und bei Erforderlichkeit der Ausführungen auch zu vergüten
ist, aber nicht als gesonderter Zeitaufwand, sondern als Zeitaufwand für die Bearbeitung und Beantwortung der Beweisfragen.
Deshalb verfängt der im angefochtenen Beschluss angestellte Vergleich mit einem Richter, der im Urteil die einschlägige Rechtsprechung
zitiert, nicht.
In der veröffentlichen Rechtsprechung (vgl. z.B. die oben nach juris zitierte Rechtsprechung) und Literatur (z.B. Schneider,
JVEG, 3. Auflage, § 8 Rdnr. 40 m.w.N. zur Rechtsprechung) ist daher anerkannt, dass gesonderter Zeitaufwand für Literaturrecherche bzw. -studium
nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen zu vergüten ist. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Literaturrecherche
vom Gericht ausnahmsweise ausdrücklich verlangt wird (in diesem Sinn auch der Antragsgegner), wenn der Rückgriff auf Standardliteratur
aus offensichtlichen oder vom Sachverständigen im Einzelnen dargelegten Gründen nicht zur Beantwortung der gestellten Beweisfragen
ausreicht (z.B. wenn verschiedene Lehrmeinungen zu diskutieren sind, vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 09.05.2018,
a.a.O.; Thüringer Landessozialgericht, a.a.O., Oberlandesgericht Zweibrücken, a.a.O.), bei im klinischen oder gutachterlichen
Alltag des Sachverständigen seltenen Krankheiten, deren Ursache oder Behandlung im Gutachten zu klären ist bzw. bei selten
zur Fragestellung kommenden Kausalzusammenhängen (sog. Seltenheitsfälle, so Bayerisches Landessozialgericht und Thüringer
Landessozialgericht, jeweils a.a.O.).
Voraussetzung einer Vergütung ist aber immer, dass sich der Sachverständige im Einzelnen mit der recherchierten und studierten
Literatur im Gutachten auseinandersetzt (so alle zitierten Entscheidungen und auch Schneider a.a.O.) und daraus die Erforderlichkeit
seiner Ausführungen (und damit auch Recherche und Studium der Literatur) zur Beantwortung der Beweisfragen auch erkennbar
wird, das bloße Anfügen einer Literaturliste und eine Bezugnahme hierauf im Gutachtenstext genügt daher - anders als der Antragsteller
in seiner Beschwerdeerwiderung meint - nicht.
Diese Grundsätze übertragen auf den vorliegenden Sachverhalt führen zu dem Ergebnis, dass der geltend gemachte Zeitaufwand
von zwei Stunden für Literaturrecherche/-studium nicht vergütungsfähig ist. Der Antragsteller führt in seinem Gutachten selbst
aus, dass bei der Behandlung von Druckgeschwüren bei querschnittgelähmten Patienten der im zu beurteilenden Sachverhalt festgestellte
Behandlungsverlauf nicht selten ist, solche Befunde sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich häufig befundet und
therapiert werden und frustrane Therapieversuche häufig sind. Dabei ist der Antragsteller selbst Leitender Arzt eines Querschnittgelähmten-Zentrums
und er hat damit mit diesem nicht selten vorkommenden Behandlungsablauf vertraut zu sein und - dies ergibt sich aus seinen
durchweg nachvollziehbaren und ohne Literaturbeleg auskommenden, durch seine medizinische Erfahrung geprägten Ausführungen
zur Behandlung im konkreten Fall - er ist es auch. Schon aus diesem Grund ist der geltend gemachte Zeitaufwand nicht zu vergüten.
Die Ausführungen des Antragstellers in seiner Beschwerdeerwiderung zur Komplexität und Schwierigkeit des Falles mit Aspekten
aus mehreren medizinischen Fachgebieten vermögen daher die Notwendigkeit eines Literaturstudiums nicht zu begründen.
Damit sind diese beiden Stunden aus der vom Sozialgericht festgesetzten Vergütung herauszurechnen. Im Übrigen ist die Vergütung
antragsgemäß festzusetzen, ohne dass es hierzu weiterer Erörterung bedarf, weil sich die Beschwerde auf diese beiden Stunden
beschränkt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 Abs. 8 JVEG.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).