angemessene Referenzmiete; Arbeitslosengeld II; Bedarfe für Unterkunft und Heizung; konkrete Verfügbarkeit einer angemessenen
Wohnung; schlüssiges Konzept; Zurückverweisung an das SG; Angemessenheit; Ermittlung; Prüfung; Amtsermittlungspflicht; Sozialgericht
Tatbestand
Streitig sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Bezug auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 01.04.2015 bis 31.08.2015.
Die Klägerin bewohnt eine 78 m2 große Wohnung in A-Stadt. Hierfür hatte sie eine Bruttokaltmiete (incl Garage) iHv 537,60 € monatlich sowie einen Heizkostenabschlag
iHv 62,40 € monatlich (Zentralheizung mit Warmwasserversorgung) zu zahlen. Im Rahmen der Erstantragstellung am 27.03.2014
klärte der Beklagte die Klägerin über die in seinem Zuständigkeitsbereich geltende Mietobergrenze (Kaltmiete incl. Nebenkosten)
auf. Diese betrage für ihre Wohnortgemeinde, die Stadt A-Stadt, 322 €. Die tatsächlichen Unterkunftskosten würden für maximal
sechs Monate übernommen. Mit Bescheid vom 29.04.2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 08.05.2014 gewährte der Beklagte
Alg II für die Zeit vom 01.03.2014 bis 31.08.2014 unter Berücksichtigung der tatsächlich anfallenden Unterkunftskosten. Die
Klägerin hatte mitgeteilt, dass der Vermieter eine Untervermietung der Garage nicht erlaube.
In der Folgezeit beantragte die Klägerin die Übernahme der im Zusammenhang mit der Kostensenkung stehenden Aufwendungen insbesondere
bezüglich der Wohnungssuche, Verhandlungen mit Vermietern, für doppelte Miete, Genossenschaftsanteile, Einlagerungskosten,
Umzugskosten, Renovierung, Kaution, Fahrtkosten, etc. Weiter teilte sie mit, eine Untervermietung ihrer Wohnung würde nicht
genehmigt. Eine Wohnungsbesichtigung sei ohne Erfolg geblieben. Bei gemeinnützigen Wohnungsbauunternehmen sei sie auf der
Warteliste. Mit Schreiben vom 18.09.2014 teilte der Beklagte der Klägerin mit, Kosten im Zusammenhang mit einer Wohnungssuche
würden grundsätzlich nicht erstattet werden. Eine Ausnahme gelte nur für den akuten Notfall. Nach dem umfangreichen Ermittlungskonzept
gebe es ein gutes Angebot an anzumietenden Wohnungen im Preisrahmen. Die Klägerin solle sich intensiv um eine neue Wohnung
mit angemessener Miete bemühen. Auf eine Nachfrage der Klägerin zur Erfüllung ihrer Nachweispflichten und bezüglich einer
Kostenübernahme von Kosten im Zusammenhang mit der Senkung der Unterkunftskosten vom 05.11.2014 erklärte der Beklagte, man
habe sie hinsichtlich einer Nichtübernahme der Kosten im Zusammenhang mit der Wohnungssuche bereits informiert. Ein rechtmittelfähiger
Ablehnungsbescheid könne nur bei Vorlage eines konkreten Antrages mit den zu erwartenden Kosten ergehen. Bezüglich Umzugskosten
erfolge eine Entscheidung nach Vorlage von zwei bis drei Kostenvoranschlägen und bei Angemessenheit der Wohnung. Der Entwurf
eines Mietvertrages sei vorzulegen. Mit Schreiben vom 18.11.2014 bestätigte die Diakonie, die Klägerin bemühe sich um angemessenen
Wohnraum. Sie habe auch eine eigene Anzeige geschaltet.
Für die Zeit vom 01.09.2014 bis 28.02.2015 bewilligte der Beklagte Alg II unter Berücksichtigung eines Bedarfs für Kosten
der Unterkunft von 322 € ab Oktober 2014 (Bescheid vom 01.09.2014). Nach einem Vermerk des Beklagten über eine persönliche
Vorsprache am 09.09.2014 habe die Klägerin einen Karton mit Zeitungsausschnitten und einen Block mit Vermerken über die Wohnungssuche
vorgelegt. Sie habe sich sehr bemüht, eine neue Wohnung zu finden, und sei damit ihren Mitwirkungspflichten in vollem Umfang
nachgekommen. Mit Bescheid vom 21.10.2014 berücksichtigte der Beklagte darauf auch für die Zeit vom 01.10.2014 bis 30.11.2014
den tatsächlichen Bedarf für Unterkunft. Eine angemessene Wohnung sei nicht zu finden.
Mit Bescheid vom 09.09.2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 22.11.2014 berücksichtigte der Beklagte für die Zeit
vom 01.12.2014 bis 28.02.2015 Bedarfe für Unterkunft wiederum nur iHv 322 €. Gegen die Nichtberücksichtigung der tatsächlichen
Unterkunftskosten legte die Klägerin Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.10.2014 zurückwies.
Für die Angemessenheit der Unterkunftskosten seien die ortsüblichen Werte maßgebend. Selbst bei der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit
einer Senkung der Unterkunftskosten seien nur sechs Monate Schonfrist zuzubilligen. Ein Nachweis, warum tatsächlich keine
Wohnung angemietet worden sei, liege nicht vor. Vermerke der Klägerin, zB "keine Küche", seien nicht nachvollziehbar. Gegebenenfalls
könne sogar eine Erstausstattung im Hinblick auf eine Küche gewährt werden. Man habe ein Konzept zur Ermittlung angemessener
Mieten erstellen lassen, welches auch den Kammervorsitzenden am Sozialgericht zur Kenntnis vorläge. Ein Sachverhalt für eine
abweichende Einzelfallentscheidung sei nicht gegeben.
Dagegen hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben (S 10 AS 1238/14) und einstweiligen Rechtsschutz beantragt (S 10 AS 1368/14 ER). Die Beteiligten haben sodann am 14.01.2015 einen Vergleich geschlossen, wonach der Beklagte den Bedarf für Unterkunftskosten
in tatsächlicher Höhe bis einschließlich März 2015 berücksichtige. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass ab 01.01.2015
die Richtwerte aktualisiert und angehoben worden seien. Eine Erstattung von Fahrtkosten sei nur möglich, wenn sich die Wohnung
mit Kaltmiete und Nebenkosten innerhalb der Mietobergrenze bewege, was vorab abzuklären sei. Eine Wohnungsbesichtigung sei
vom Vermieter zu bestätigen. Den Vergleich setzte der Beklagte mit Bescheid vom 22.01.2015 um. Unter dem 10.02.2015 vermerkte
der Beklagte, die Klägerin sei bei der Wohnungsbaugenossenschaft W. nicht erfasst. Bei der Stadt R. gebe es eine Vormerkliste,
welche völlig überfüllt sei. Es werde keiner mehr aufgenommen. Nach Auskunft der Hausbau B. sei die Klägerin dort nicht gemeldet.
Gleiches gelte für das Evangelische Siedlungswerk und das St. G.-Werk.
Mit Bescheid vom 17.02.2015 bewilligte der Beklagte für die Zeit vom 01.04.2015 bis 31.08.2015 Alg II iHv monatlich 800,05
€ (Regelbedarf 399 €; Bedarf für Unterkunft 338,65 € und Bedarf für Heizung 62,40 €). Dagegen legte die Klägerin Widerspruch
ein. Ein am 26.03.2015 vorgelegtes Mietangebot für eine Wohnung in A-Stadt mit einer Monatsmiete von 395 € zuzüglich 140 €
Heiz- und Betriebskosten lehnte der Beklagte als unangemessen ab. Das St. G.-Werk teilte dem Beklagten mit, von Vermietungen
an die Klägerin würde Abstand genommen. Sie habe einer Einwilligung zur Auskunftserteilung durch die Firma C. nicht zugestimmt.
Weiter hat die Klägerin Rechnungen über Anzeigen in Wochenanzeigern vom 01.07.2014, 01.12.2014 und 23.02.2015 vorgelegt. Den
Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.05.2015 zurück. Es seien ausreichend angemessene Wohnungen vorhanden
und man habe die tatsächlichen Kosten bereits über 13 Monate lang übernommen. Erfolglose Bemühungen um angemessenen Wohnraum
seien nicht ausreichend nachgewiesen worden. Laut Nachfrage habe sich ergeben, dass die Klägerin bei verschiedenen Wohnungsbaugesellschaften
nicht gemeldet sei. Am 09.05.2015 teilte die Klägerin mit, ihr Pkw sei derzeit nicht verfügbar. Es stünden Reparaturen und
die Hauptuntersuchung an. Sie wolle gerne Nachweise vorlegen. Der Beklagte verwies mit Schreiben vom 13.05.2015 auf bereits
früher gegebene Informationen. Ergebe sich aus einer Wohnungsanzeige nur ein Gesamtabschlag für Neben- und Heizkosten, so
sei eine Nachfrage beim potentiellen Vermieter durch die Klägerin nötig, um die Angemessenheit feststellen zu können. Für
den Pkw seien keine Leistungen, auch nicht als Darlehen, möglich.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 05.05.2015 hat die Klägerin Klage beim SG erhoben. Wegen der Verschlossenheit des Wohnungsmarktes stehe kein angemessener Wohnraum für sie zur Verfügung. Vorgegebene
Wohnungen des Beklagten seien zu groß bzw zu klein oder voll möbliert. Sie habe sich bei sozialen Wohnungsträgern gemeldet
bzw vormerken lassen. Es bestehe aber sehr wenig sozialer Wohnraum. Viele Vermieter hätten es abgelehnt, an Hartz-IV-Bezieher
zu vermieten. Sie habe sich regelmäßig aktiv um eine Wohnung bemüht, immer Wohnungsanzeigen durchgesehen und sich aktiv mit
Vermietern in Verbindung gesetzt. Selbst habe sie mehrere Anzeigen geschaltet. Vom Beklagten habe sie keine Unterstützung
erhalten, so seien mehrfach Anträge auf Übernahme von Wohnungsbeschaffungskosten abgelehnt worden.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 30.10.2015 abgewiesen. Trotz des Ausbleibens der Klägerin habe entschieden werden können, da
die Ladung einen entsprechenden Zusatz enthalten habe und die Anordnung des persönlichen Erscheinens aufgehoben worden sei.
Erhebliche Gründe, die eine Terminverlegung geboten hätten, seien nicht glaubhaft gemacht worden. Ein Anspruch auf höhere
Leistungen bestehe nicht. Die Anforderungen des Bundessozialgerichts (BSG) an ein schlüssiges Konzept zur Feststellung der angemessenen Miete seien vorliegend erfüllt. Das Konzept des Beklagten enthalte
auch eine konkret-individuelle Prüfung im Hinblick auf die Frage, ob zu dem festgesetzten Bruttokaltmietpreis eine Wohnung
tatsächlich anzumieten sei. Insofern werde auf die zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid und die vorgelegte Auflistung
angemessener Wohnungen für einen Ein-Personen-Haushalt verwiesen. Zumindest mit einiger Anstrengung hätte die Klägerin innerhalb
der vom Beklagten bestimmten Mietobergrenze eine angemessene Wohnung zeitnah finden können.
Dagegen hat die Klägerin Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Sie habe die volle Miete gezahlt, um
ihre Wohnung nicht zu verlieren. Ihr seien deshalb nur noch 200 € zum Lebensunterhalt verblieben, woraus keine weiteren Aufwendung
getragen werden könnten. Im Wohnort stünden ihr keine weiteren Hilfen zur Verfügung. Es gebe kein öffentliches Internet oder
Telefon. So fehlten ihr Möglichkeiten, Informationen kurzfristig weiterzugeben. Sie sei auf den Postweg angewiesen. Auf ihre
Anzeigen habe sie keine Antworten bekommen. Über das Büro der AWO habe sie Kontakt zu Vermietern per Telefon aufgenommen,
Besichtigungstermine seien dabei aber keine zustande gekommen. Dies sei dokumentiert worden. Sie habe keine Möglichkeit, auf
Verhalten von Dritten Einfluss zu nehmen. Die Listen des Beklagten stellten kein Wohnungsangebot dar. So sei kein Zusammenhang
zwischen den abgeschlossenen Mietverträgen und der Auflistung herstellbar. Auch bestehe kein Zusammenhang zwischen dem Konzept
zur Ermittlung der Mietobergrenze und einem tatsächlichen Zuschlag für eine Wohnung. Ihre Bemühungen seien vom Beklagten festgestellt
worden. Das Konzept und die daraus abgeleitete Mietobergrenze seien fehlerhaft. Unklar bleibe, wie die Kappungsgrenze, der
Spannoberwert, Ausstattungsmerkmale und die Punktvergabe ermittelt und ob ein Abgleich mit aktuellen Daten erfolgt sei. Im
unteren Preissegment sei der Wohnungsmarkt sehr angespannt. Die angesetzte Mietobergrenze sei nicht mehr aktuell. Der Beklagte
weise stets darauf hin, dass die obersten Grenzwerte nicht überschritten werden dürften und abweichende Mietangebote zurückgewiesen
würden. In das Mietkonzept seien zu kleine Wohnungen ebenso wie möblierte Zimmer ohne eigene Küche oder Bad, etc eingebracht
worden. Die aufgezählten Parameter zur Abgrenzung des gehobenen Standards führten dazu, dass selbst Sozialwohnungen zum gehobenen
Standard zählen würden. Da auf dem Land ohne Versorgung die Wohnungen deutlicher günstiger seien, führe dies zu einer Zwangsumsiedlung.
Die Kappungsgrenze sei nicht angepasst worden. Beim tatsächlichen Angebot sei zu berücksichtigen, dass im Internet oftmals
"Lockvogelangebote" veröffentlicht würden bzw nach erfolgter Vermietung eine Anzeige nicht gleich herausgenommen würde. Nicht
alle Wohnungen seien zudem von Alg II-Empfängern anmietbar. Bei zusätzlichen Kosten, zB für Tiefgarage oder die Möblierung,
würden diese einfach rausgestrichen, damit das Angebot passe. Neben Alg-II-Empfängern würden auch weitere Personen um günstigen
Wohnraum konkurrieren. Ein Teil der Angebote sei unzumutbar, weil sie zu weit entfernt liegen würden. Auch verlange der Beklagte,
dass die Mietobergrenze exakt eingehalten würde, damit eine Besichtigung erfolgen könne. Die Hausbau B. vermiete nicht an
Alg-II-Empfänger. Auch eine mögliche Genehmigung im Einzelfall ein dreiviertel Jahr später bringe nichts. Kosten der Wohnungssuche
würden nur marginal übernommen und keine Hilfe geleistet. Die Leistungen für die Pkw-Fahrten seien zu gering und nicht kostendeckend.
Sie selbst habe bereits 4.000 € für die Wohnungssuche aufgewendet. Bei dem Wohnungswerk St. G. habe sie keine Schufa-Auskunft
verweigert. Zu keiner Zeit habe ihr ein konkretes Angebot vorgelegen. Sie habe nur auf Gründe des Datenschutzes verwiesen,
was auch für die Zustimmung und Angabe der Bankdaten bereits vor einer unverbindlichen ersten Kontaktaufnahme gelte. Die Klägerin
hat verschiedene Nachweise für ihre Wohnungssuche vorgelegt.
Die Klägerin beantragt,
-
der Berufung stattzugeben
-
die Urteile des Sozialgerichts in Nürnberg vom 30.11.2015 werden aufgehoben
-
den/die Rechtsstreite fortzusetzen (und sofern erforderlich) zur weiteren Forstsetzung, insbesondere zur Durchführung der
Beweisaufnahme, an das Sozialgericht in Nürnberg zurückgewiesen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Wohnungsmarkt würde stichprobenartig weiterhin überprüft. Es habe bis 2015 insgesamt 45 Inserate im kostenlosen Wochenanzeiger
R. für angemessene Wohnungen für einen Ein-Personen-Haushalt im Landkreis gegeben. Dabei seien Wohnungen zwischen 16 und 20
m2 nicht berücksichtigt. Auch andere Veröffentlichungen seien stichprobenartig gesichtet und dokumentiert worden. Es sei nicht
nachvollziehbar, dass innerhalb von zwei Jahren keine Wohnung gefunden würde. Die Klägerin habe nur im März und April 2015
ein Mietangebot vorgelegt. Die eine Wohnung sei zu teuer, die andere schon vermietet gewesen. Neben Zeitung und Internet könne
auch eine Bewerbung und Nachfrage bei Wohnungsbaugesellschaften erfolgen. Die Anfragen der Klägerin seien stets zeitnah beantwortet
worden und man habe sie aufgeklärt bzw. ihr Informationen gegeben. Auch habe man ihr im Rahmen einer persönlichen Vorsprache
am 02.07.2015 ein Angebot für eine angemessene Wohnung in R. übergeben. Es bestehe die Möglichkeit, kostenlos Post über die
Amtspost der Gemeinde zu versenden. Auch habe man Fahrtkosten zum Jobcenter wegen eines taggleichen Termins bei der Arbeitsvermittlung
erstattet. Es sei nicht zutreffend, dass für die Mehrzahl der aufgezeigten Wohnungen eine Entfernung von mehr als 20 km zum
Wohnort bestehe. Die Klägerin selbst habe ein Angebot für S-Stadt vorgelegt. Wohnraum für Wochenendheimfahrer und Referendare
würden ausgenommen und kleinste Wohnungen nicht mitgezählt. Im gesamten Landkreis bestehe eine gute ÖPNV-Verbindung. Die Klägerin
habe mangelhaft bei Nachweisen zu den Aufwendungen bezüglich der Wohnungssuche mitgewirkt. Vorgelegte Wohnungsangebote würden
zeitnah geprüft und die Klägerin informiert. Es seien weitere sechs aktuelle Wohnungsangebote übermittelt worden.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie die Gerichtsakten erster und
zweiter Instanz - insbesondere auch die von der Klägerin vorgelegten Nachweise zur Wohnungssuche und die Unterlagen des Beklagten
zur Ermittlung einer Referenzmiete für den Landkreis R. - Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§
143,
144,
151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG-) und im Sinne der Aufhebung des Urteils des SG und einer Zurückverweisung an das SG in vollem Umfang begründet. Die Klägerin hat mit ihren Anträgen aus dem Schriftsatz vom 28.12.2015 die Aufhebung des Urteils
des SG und die Zurückverweisung an das SG begehrt (§
123 SGG).
Streitgegenstand ist die Höhe der der Klägerin zu zahlenden Leistungen für die Bedarfe für Unterkunft und Heizung, den Zeitraum
vom 01.04.2015 bis 31.08.2015 betreffend. Dies war (ua) Gegenstand des angefochtenen Bewilligungsbescheides vom 17.02.2015
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2016. In zulässigerweise hat die Klägerin den Streitgegenstand auf Leistungen
für Bedarfe der Unterkunft und Heizung beschränkt (vgl BSG, Urteil vom 04.06.2014 - B 14 AS 42/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 78; Urteil vom 06.08.2014 - B 4 AS 55/13 R - BSGE 116, 254; Urteil vom 03.12.2015 - B 4 AS 49/14 R - juris).
Das Verfahren des SG leidet an wesentlichen Mängeln (§
159 Abs.
1 Nr.
2 SGG). Das SG hat vorliegend gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§
103 Satz 1
SGG) verstoßen. Danach erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Dabei
sind alle Tatsachen, abhängig von den maßgeblichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs, zu ermitteln, die für
Entscheidung in prozessualer und materieller Hinsicht wesentlich und entscheidungserheblich sind. Eine Tatsache ist dann wesentlich
oder entscheidungserheblich, wenn sich aus ihr ein Tatbestandsmerkmal der anzuwendenden Norm ergibt oder mittelbar auf Vorliegen
oder Nichtvorliegen einer unmittelbar erheblichen Tatsache geschlossen werden kann (vgl dazu insgesamt: Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Auflage, §
103 Rn 4a mwN). Dabei verletzt ein Gericht die Amtsermittlungspflicht, wenn es sich - ausgehend von seiner materiell-rechtlichen
Rechtsauffassung - zu einer weiteren Sachaufklärung hätte gedrängt fühlen müssen (ständige Rspr des BSG, zB Beschluss vom 31.01.2017 - B 3 KR 44/16 B; Leitherer, aaO, Rn 5).
Zutreffend hat das SG darauf abgestellt, dass sich die Höhe des von der Klägerin - die ohne Zweifel und unbestritten im Zeitraum vom 01.04.2015
bis 31.08.2015 die Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 SGB II dem Grunde nach erfüllt - zu beanspruchenden Alg II (ua) nach deren (angemessenen) Unterkunftsbedarf richtet. So werden nach
§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die
Ermittlung der Angemessenheitsgrenze hat das SG die Rechtsprechung des BSG dargestellt, wonach in einem gestuften Verfahren zunächst eine abstrakte und dann eine konkret-individuelle Prüfung stattzufinden
hat. Damit hat es zu Recht erkannt, dass die Höhe des vom Beklagten zu berücksichtigenden Bedarfs für die Unterkunft von deren
Angemessenheit abhängig ist und dies für entscheidungserheblich gehalten. Die Angemessenheit der Unterkunftskosten unterliegt
als unbestimmter Rechtsbegriff in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle (vgl BSG, Urteil vom 06.04.2011 - B 4 AS 119/10 R).
Nach der maßgeblichen sog Produkttheorie sind die Unterkunftskosten als Produkt der nach Personenzahl angemessenen Wohnungsgröße
und dem durchschnittlichen Quadratmeterpreis zu bilden. Hinsichtlich der Festlegung der angemessenen Wohnfläche ist nach der
ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl nur Urteil vom 16.06.2015 - B 4 AS 44/14 R; Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 3) auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen, so dass sich
diese grundsätzlich nach den Werten, welche die Länder aufgrund des § 10 Wohnraumförderungsgesetz vom 13.09.2001 (BGBl I 2376) festgelegt haben, bestimmt. Dies sind in B. für einen Ein-Personen-Haushalt 50 qm (Wohnraumförderungsbestimmungen
2012 - WFB 2012 - Bekanntmachung der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern vom 11.01.2012 - AllMBl
2012, 20). Dies hat auch das SG zutreffend zugrunde gelegt.
Soweit aber das SG im Anschluss hinsichtlich des angemessenen Quadratmeterpreises darauf verweist, dass der vom Beklagten zugrunde gelegte Wert
auf einem mit Hilfe der Firma R. & Partner GbR erstelltem schlüssigen Konzept iS der Rechtsprechung des BSG beruht, fehlt es an einer inhaltlichen Auseinandersetzung des SG mit den vom BSG erstellten Anforderungen. Dafür ist auch der Verweis auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid des Beklagten ungenügend,
da dort alleine die zutreffende Ermittlung der Mietobergrenze vorausgesetzt wird. Zudem befand sich das vom SG benannte Konzept weder in der Verwaltungsakte des Beklagten noch in den Akten des SG. Demnach ist nicht ersichtlich, dass dieses Gegenstand des Verfahrens gewesen ist. Soweit dieses außerhalb der Verfahrensakten
der Kammer vorgelegen haben sollte, hätte es ausdrücklich zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werden müssen. Ausweislich
des Tatbestandes des Urteils des SG ist dies nicht der Fall gewesen. Im Hinblick auf die Einräumung rechtlichen Gehörs für die Klägerin hätte ihr die Möglichkeit
zur Stellungnahme dazu gegeben werden müssen.
Zur Überprüfung des Konzeptes waren vom SG hier auch weitere Ermittlungen anzustellen gewesen, selbst wenn die Klägerin im Klageverfahren vor dem SG nicht explizit dargelegt hat, weshalb das Konzept nicht schlüssig ist. Das SG hätte seinen Prüfungsumfang nicht einschränken können (vgl dazu für den Fall einer "Unstreitigstellung": BSG, Urteil vom 16.05.2012 - B 4 AS 109/11 R). Zwar wird die Amtsermittlungspflicht auch vom Vortrag der Beteiligten mit gesteuert, in keinem Fall ist das Gericht aber
von der Pflicht zur nachvollziehbaren Darlegung einzelner Anspruchselemente entbunden (vgl BSG aaO).
Aus dem im Berufungsverfahren vom Beklagten vorgelegten Konzept "Erstellung eines grundsicherungsrelevanten Mietspiegels zur
Ermittlung der Angemessenheitsgrenzen für die Kosten der Unterkunft im Landkreis R." vom Dezember 2012 kann auch keineswegs
ohne weiteres geschlossen werden, dass dieses den vom BSG - und vom Senat geteilten - Voraussetzungen an ein schlüssiges Konzept entspricht. Für ein schlüssiges Konzept müssen folgende
Mindestvoraussetzungen erfüllt sein (vgl BSG, Urteil vom 16.06.2015 - B 4 AS 44/14 R; Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 70):
- Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen;
- Es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung (Art von Wohnungen, Differenzierung nach Standard
der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete/Vergleichbarkeit, Differenzierung nach Wohnungsgröße);
- Angaben über den Beobachtungszeitraum;
- Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, zB Mietspiegel);
- Repräsentativität des Umfangs der einbezogenen Daten;
- Validität der Datenerhebung;
- Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung;
- Angaben über die gezogenen Schlüsse (zB Spannoberwert oder Kappungsgrenze).
Zur Prüfung der genannten Kriterien hätte das SG von Amts wegen eine weitere Sachverhaltsaufklärung und -ermittlung vornehmen müssen. In keinster Weise kann dem vom Beklagten
im Berufungsverfahren vorgelegten Konzept entnommen werden, dass es ein schlüssiges Konzept im genannten Sinne darstellt.
Allein der Verweis darauf, das Konzept sei schlüssig iS der Rechtsprechung des BSG, ohne auch nur im geringsten eine Subsumtion des Konzeptes unter die vom SG genannten Voraussetzungen des BSG vorzunehmen, in unzureichend. Jedenfalls die folgenden Punkte hätten Anlass zu weiteren Ermittlungen und einer weiteren Prüfung
geben müssen:
Für die Erstellung eines Konzeptes ist zunächst ein Vergleichsraum festzulegen. Überlegungen zur Bestimmung eines maßgeblichen
örtlichen Vergleichsraums - insbesondere in Bezug auf die Datenerhebung - sind eine logische Voraussetzung zur Entwicklung
eines schlüssigen Konzepts (vgl dazu BSG, Urteil vom 16.04.2013 - B 14 AS 28/12 R). Dabei geht es um die Ermittlung einer (angemessenen) Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld des Leistungsberechtigten
(vgl BSG, Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R; Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R; nach BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/7b AS 44/06 R und Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - ist in erster Linie auf den Wohnort abzustellen). Auch wenn ein Umzug in einen anderen Wohnort, der mit einer Aufgabe
des sozialen Umfeldes verbunden wäre, von einem Leistungsberechtigten im Regelfall nicht verlangt werden kann, bedeutet dies
jedoch nicht, dass sich der räumliche Vergleichsmaßstab strikt am kommunalverfassungsrechtlichen Begriff der "Gemeinde" nach
dem jeweiligen landesrechtlichen Kommunalrecht orientieren muss (vgl BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R). Dieser kann größenmäßig in Abhängigkeit davon, ob es sich um einen ländlichen Raum oder ein Ballungszentrum, durchaus
unterschiedlich sein (vgl BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/7b AS 44/06 R). Insbesondere im ländlichen Raum kann es geboten sein, größere Gebiete als Vergleichsgebiete zusammenzufassen, während
in größeren Städten andererseits eine Unterteilung in mehrere kleinere Vergleichsgebiete, die kommunalverfassungsrechtlich
keine selbständigen Einheiten darstellen, in Betracht kommen kann (vgl BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R). Für die Bestimmung des Vergleichsraumes bedarf es daher der Festlegung ausreichend großer Räume der Wohnbebauung, die
aufgrund räumlicher Nähe (nicht bloße Orts- oder Stadtteile/-bezirke) eine zusammenhängende Infrastruktur und insbesondere
verkehrstechnische Verbundenheit aufweisen, sowie insgesamt betrachtet einen homogenen Lebens- und Wohnbereich darstellen
(vgl BSG, Urteil vom 16.06.2015 - B 4 AS 44/14 R; Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R). Um eine sog Ghettobildung zu vermeiden ist hinsichtlich der Referenzmieten zwar auf Mieten für "Wohnungen mit bescheidenem
Zuschnitt" abzustellen. Insoweit dürfen aber nicht einzelne, besonders heruntergekommene und daher "billige" Stadtteile bzw
Gegenden herausgegriffen werden, sondern es ist auf Durchschnittswerte des unteren Mietpreisniveaus im gesamten Stadtgebiet
bzw räumlichen Vergleichsraum abzustellen; besondere Belange und die konkrete Situation des jeweiligen Leistungsberechtigten
(zB bei Alleinerziehenden oder Familien mit minderjährigen schulpflichtigen Kindern) ist nicht bereits bei der (abstrakt-generell
vorzunehmenden) Festlegung der Vergleichsräume, sondern erst bei der konkreten Zumutbarkeit einer Kostensenkung zu berücksichtigen
(vgl BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R). Der für die Prüfung von Letzterem heranzuziehende Vergleichsraum kann dabei enger zu begrenzen sein als der für die Ermittlung
der (abstrakten) Referenzmiete (so auch BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/7b AS 44/06 R).
Im Konzept des Beklagten ist hierzu unter Punkt 2.2 zu entnehmen, dass der Landkreis R. - zur Vermeidung des Herausreißens
eines Leistungsberechtigten aus seinem sozialen Umfeld - in homogene Lebens- und Wohnbereiche gegliedert werden muss. Nach
Punkt 2.2.3 wird die Untergliederung in vier Regionen vorgenommen (zur Zulässigkeit des Aufteilens eines Flächenlandkreises
in verschiedene Vergleichsräume: BSG, Urteil vom 16.06.2015 - B 4 AS 44/14 R). Die Stadt A-Stadt, in der die Klägerin wohnt, bildete im streitgegenständlichen Zeitraum demnach zusammen mit der Stadt
A., dem Markt A. und den Gemeinden B., G., K., R. und R. den Vergleichsraum A. Dabei ist dem Konzept nicht zu entnehmen, wie
die verkehrstechnische Verbundenheit der Orte der Region A genauer geprüft worden ist, insbesondere ob diese untereinander
mit öffentlichen Verkehrsmitteln in angemessener Zeit und Häufigkeit zu erreichen sind. Alleine die Entfernungsmatrix in Anlage
1 ist diesbezüglich nicht aussagekräftig. Wäre eine verkehrstechnische Verbundenheit nicht gegeben, so wäre bei dem Verweis
auf eine in einem vom Wohnort weit entfernt liegende Wohnung gerade ein "Herausreißen" aus dem bisherigen Wohnumfeld gegeben,
welches durch die Einteilung in verschiedene Vergleichsräume nach den Aussagen des Konzeptes gerade verhindert werden soll.
Zudem ist weiter zu überprüfen, weshalb die Stadt A-Stadt ab 01.01.2017 - ausweislich der vom Beklagten ab diesem Zeitpunkt
geltenden Richtwerte - offensichtlich nunmehr alleine mit der Stadt R. einen eigenen Vergleichsraum bildet. Die Richtwerte
sind dabei höher als die, für die im vorherigen Vergleichsraum verbliebenen Orte. Ob daraus auch für die Zeit vor dem 01.01.2017
entsprechende Schlüsse zu ziehen sind, wird noch aufzuklären sein.
Für die nachvollziehbare Definition des Gegenstands der Beobachtung wirft die Vergabe verschiedener Punkte für Ausstattungsmerkmale
der jeweiligen Wohnungen, mit der nach Punkt 2.3 des Konzepts Wohnungen des gehobenen Standards ausgesondert werden, ebenfalls
weiteren Ermittlungsbedarf auf. Die gezogenen Schlussfolgerungen aus den Kriterien und dem Schluss auf einen gehobenen Standard
oder nicht, sind aus dem Konzept nicht ohne weiteres ersichtlich, zB weshalb sich für ein Keller-Dachbodenabteil eine Punktzahl
von -2 ergeben soll, für einen Fahrradkeller bzw Trockenraum eine Punktzahl von -1, etc. Ein Zusammenhang mit einer Wohnung
gehobenen bzw einfachen Standards wäre weiter aufzuklären. Der Verweis auf Mietspiegel für Altbauwohnungen und freifinanzierte
Neubauwohnungen von S-Stadt bzw R. wäre zu überprüfen, insb ob die zitierten Mietspiegel in Bezug auf die Standardbestimmung
der Wohnungen mit einer Konzepterstellung zur Bestimmung der angemessenen Miete nach dem SGB II in Einklang steht. Auch die konkrete Punktevergabe erschließt sich nicht ohne weiteres, so nur exemplarisch die Punktzahl
von "+1 bis -1" bzw "+2 bis -1" bei Balkon, Loggia und Terrasse". Unklar ist, wann von einem Ausgesetztsein von Immissionen
oder einer besonderen Lärmbelästigung bzw von Frei- und Grünflächen auszugehen ist. Insbesondere wäre zu ermitteln, inwiefern
bei Befragungen hierzu für Vermieter bzw Mieter Angaben und Hinweise zu einer gleichmäßigen Beurteilung dieser Kriterien gegeben
worden sind und wie letztlich die abschließende Bewertung der einzelnen Wohnungen vorgenommen wurde. Dem Konzept ist nicht
zu entnehmen, ob Maßnahmen ergriffen worden sind, um auf der anderen Seite Wohnungen des untersten Standards (siehe dazu BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 42 und Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52) ebenfalls aus dem Datenbestand zu eliminieren. Die Berücksichtigung der Quadratmeterpreise auch solche Wohnungen könnte
im Ergebnis dann zu einer zu niedrig festgelegten Referenzmiete führen.
In Punkt 2.5 des Konzeptes wird der Gesamtwohnungsbestand im Landkreis R. dargestellt. Allerdings erschließt sich nicht, welche
öffentlichen statistischen Quellen mit welchem Stand hierzu herangezogen worden sind. Ebenso fehlt die Darlegung, woher die
Erkenntnis stammt, dass Leistungsberechtigte nie in Wohngebäuden mit nur einer Wohnung wohnen bzw solcher Wohnraum gar nicht
auf dem Wohnungsmarkt angeboten wird. Auch fehlt eine wissenschaftliche oder statistische Quelle für die Annahme, der Wohnungsmarkt
würde einen Anteil von 30 bis 50% an Wohnungen einfachen Wohnungsstandards enthalten. Soweit hierzu ein Urteil des SG Darmstadt
vom 14.03.2011 - S 22 AS 395/10 - zitiert wird, enthält dieses hierzu keine weiteren Hinweise.
Im Hinblick auf die Ermittlung der angemessenen kalten Neben- und Betriebskosten fällt auf, dass in Bezug auf einen Ein-Personen-Haushalt
und je qm nach Abbildung 12 in der Region A rund 25% niedriger sein sollen als in der Region C2. Im Konzept findet sich hierzu
keine Erläuterung dafür, dass dieses Ergebnis schlüssig ist. Eine derartig hohe Abweichung innerhalb eines Landkreises bedürfte
der weiteren Untersuchung bzw Begründung.
In Punkt 4 des Konzepts wird die Auswertung der erhobenen Angebotsmieten angesprochen. Das Konzept könnte hier so zu verstehen
sein, dass die Referenzmiete zunächst nur anhand der erhobenen und bereinigten Bestandsmieten ermittelt worden ist. Hierfür
wurde nach Punkt 3.3 für die Angemessenheit der Netto-Kaltmiete die obere Grenze des 95-prozentigen Konfidenzintervalls ermittelt.
So wurde für einen Ein-Personen-Haushalt bei einer Wohnungsgröße bis 50 m2 ein Quadratmeterpreis von 5,39 € für die Region A errechnet (Abbildung 11). Unter Berücksichtigung der ermittelten angemessenen
kalten Neben- und Betriebskosten von 1,04 € in der Region A (Abbildung 12) wurde die angemessene Bruttokaltmiete auf 322 €
gerundet (Übersicht der Angemessenheitsgrenzen). Die erhobenen Angebotsmieten dienten anschließend offenbar lediglich einer
Überprüfung der zuvor gefundenen Werte im Hinblick auf eine tatsächliche Verfügbarkeit von Wohnungen zur Anmietung zu diesem
Preis. Sofern dies der Fall sein sollte, würde sich die Frage stellen, ob damit den Anforderungen des BSG genüge getan wäre, wonach eine vorgenommene Ergebniskontrolle durch Auswertung der Wohnungsangebote eine systematische Einbeziehung
des Faktors der Neuvertragsmieten (gemeint ist dabei wohl der Mietpreis für auf dem Wohnungsmarkt zur Vermietung angebotene
Wohnungen, vgl zu dem entsprechenden Begriff in § 22c Abs. 1 Satz 3 SGB II: Lauterbach in Gagel, SGB II/SGB III, Stand 10/2011, § 22c SGB II Rn 2) von vornherein, dh bereits bei den Grundlagen der Datenerhebung, nicht ersetzen kann (vgl BSG, Urteil vom 16.06.2015 - B 4 AS 44/14 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 85; hier hat das BSG alleine eine dreimonatige Ergebniskontrolle anhand von Wohnungsanzeigen in Anzeigenblättern für nicht ausreichend erachtet).
Zweifel an dem im Konzept festgelegten Referenzwert für Ein-Personen-Haushalte der Region A könnten sich insofern auch dadurch
ergeben, dass offenbar nach der Darstellung in der Abbildung 18 nur für 47% der Leistungsberechtigten, die bereits unangemessen
wohnen, ein entsprechendes Angebot an angemessenem Wohnraum vorhanden wäre. Zuvor wurde ermittelt, dass den 34 Leistungsberechtigten
(Abbildung 16) nach dem SGB II und dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) 12 Angebote für Wohnungen mit einer angemessenen Miete (Abbildung 17) gegenüberstehen würden. Rechnerisch könnten demnach
nur 35% (12 / 34) der unangemessen wohnenden Ein-Personen-Haushalte in der Region A eine nicht über der Referenzmiete liegende
Wohnung anmieten. Wie es diesbezüglich in Abbildung 18 zu einem Wert von 47% kommt, ist nicht ohne weiteres nachvollziehbar
und wäre aufzuklären.
Konkrete Zahlen dazu, wie viele Personen auf der Nachfragerseite berücksichtigt wurden, deren unangemessene Unterkunftskosten
vom Beklagten voll berücksichtigt werden, weil bei ihnen zB ein Härtefall vorliegt, sind nicht genannt. Auch wäre zu prüfen,
ob der Hinweis unter Punkt 4.3 des Konzepts, die nicht über Internet und Zeitungen vermittelten Wohnungen würden ca 52% des
Vermietungsangebots ausmachen und das tatsächliche Angebotssegment wäre um diesen Prozentwert zu erhöhen, tatsächlich schlüssig
ist. Insofern soll sich der Wert von 52% aus einer Mieterbefragung ergeben, bei der gefragt wurde, wie das Mietverhältnis
zustande gekommen sei, und bezieht sich auf Angebote von Immobilienmaklern bzw von Familie, Freunden und Bekannte. Dabei dürften
aber gerade Immobilienmakler Wohnungen auch über Zeitungen und Internet anbieten. Somit mag zwar das Mietverhältnis über einen
Makler oder einen persönlichen Kontakt zustande gekommen sein, aber es ist nicht auszuschließen, dass es gleichwohl in einem
der genannten Medien inseriert gewesen ist. Dies wäre genauer zu ermitteln. Die Behauptung, Wohnungsgesellschaften würden
mehrere Wohnungen eines Typs nur einmal anbieten, wäre ebenfalls zu belegen. Gerade im ländlichen Bereich bzw der Region A
kann nicht ohne weiteres erkannt werden, dass dies überhaupt einen nennenswerten Anteil ausmacht. Weitere Angaben dazu enthält
das Konzept nicht und wären im Einzelnen zu ermitteln.
Schließlich fehlen Ausführungen dazu, ob im Falle der Klägerin nach dem Konzept ein Zuschlag bei der ermittelten Referenzmiete
zu machen wäre. Im Konzept werden insofern exemplarisch Personen genannt, die besondere Zugangsprobleme zum Wohnungsmarkt
haben. Ob dies im Hinblick auf den Vortrag der Klägerin bei ihr der Fall ist, wäre weiter aufzuklären.
Unabhängig vom ursprünglichen Konzept zur Ermittlung der Mietobergrenze ist im Anschluss auch die Fortschreibung des Konzepts
durch den Beklagten zu überprüfen, da streitgegenständlich die zum 01.01.2015 fortgeschriebenen Werte sind. Sollte sich nach
den weiteren Ermittlungen ergeben, dass das Konzept nicht schlüssig ist, ist zu prüfen, ob anhand der vorhandenen Daten noch
ein schlüssiges Konzept erstellt werden könnte. Wäre dies nicht möglich, so würde für die Bestimmung der angemessenen Referenzmiete
auf die Tabellenwerte des § 12 Wohngeldgesetzes (WoGG) zzgl eines "Sicherheitszuschlags" nach generell-abstrakten Kriterien im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze erforderlich
sein (ständige Rspr des BSG, vgl nur Urteil vom 16.06.2015 - B 4 AS 44/14 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 85). Dabei wäre zu prüfen, ob im vorliegenden Fall ein mit 10% bemessener Sicherheitszuschlag ausreichend
wäre. Der Stadt A-Stadt ist die Mietstufe I zugeordnet, so dass sich ein Tabellenwert nach § 12 Abs. 1 WoGG (in der bis zum 31.12.2015 geltenden Fassung) für einen Ein-Personen-Haushalt von 292 € ergeben würde. Bei einem Sicherheitszuschlag
von nur 10% läge die angemessene Referenzmiete mit 321,20 € unter dem Wert des Konzeptes des Beklagten. Es wäre daher ein
höherer Sicherheitszuschlag zu erwägen.
Unabhängig von der zu ermittelnden abstrakt angemessenen Miete wäre weiter aufzuklären, ob es der Klägerin im streitgegenständlichen
Zeitraum tatsächlich möglich gewesen wäre, eine angemessene Wohnung anzumieten. Dies hat das SG ohne weitere Begründung bejaht. Auch hier hätten sich aber weitergehende Ermittlungen aufgedrängt, die das SG unterlassen hat.
Soweit die Aufwendungen eines Leistungsberechtigten für die Unterkunft (Nettokaltmiete plus Betriebskosten) die abstrakt angemessene
Leistung für die Unterkunft übersteigen, sind die Aufwendungen nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II solange zu berücksichtigen, wie es ihm nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten
oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Zwar ist vorliegend bereits
die Sechs-Monats-Frist abgelaufen, unklar bleibt aber, ob eine Möglichkeit für die Klägerin bestanden hat, ihre Unterkunftskosten
abzusenken. Die Klägerin hat im Verwaltungsverfahren angegeben, eine Untervermietung sei mangels Zustimmung ihres Vermieters
nicht möglich. Dies wurde vom Beklagten auch nicht bestritten. Fraglich ist aber, ob die Klägerin tatsächlich auf eine andere
angemessene Wohnung verwiesen werden kann. Zwar könnte unter Umständen bei Vorliegen eines schlüssigen Konzepts davon ausgegangen
werden, dass ausreichend Wohnungen zu dem abstrakt angemessenen Quadratmeterpreis im Vergleichsraum angemietet werden können
(vgl dazu BSG, Urteil vom 22.08.2012 - B 14 AS 13/12 R; Urteil vom 13.04.2011 - B 14 AS 106/10 R). Diese Vermutung kann jedoch widerlegt werden (vgl BSG, Urteil vom 13.04.2011 - B 14 AS 32/09), was insbesondere im Hinblick auf die von der Klägerin vorgelegten Nachweise und Darlegungen im Einzelnen zu prüfen wäre.
Hierzu hätte sich das SG mit den vom Beklagten vorgelegten Mietangeboten einerseits und den Ausführungen der Klägerin andererseits auseinandersetzen
müssen. Hinsichtlich der Liste des Beklagten wäre zunächst zu prüfen, welche der Wohnungen überhaupt innerhalb des Vergleichsraums,
auf den die Klägerin verwiesen werden kann, liegen. In Konsequenz zu den Ausführungen zur Festlegung des Vergleichsraumes
kann die Klägerin in der Regel nur auf konkrete Wohnungen innerhalb des maßgeblichen Vergleichsraums verwiesen werden (siehe
dazu auch: BSG, Urteil vom 06.05.2010 - B 14 AS 7/09 R; Urteil vom 01.06.2010 - B 4 AS 60/09 R). Würde man auf die Region A abstellen, würden beispielsweise Wohnungen in R. nicht zum Vergleichsraum zählen. Gegebenenfalls
wäre zu prüfen und zu ermitteln, ob der Klägerin ein Umzug auch in einen anderen Vergleichsraum zuzumuten wäre (offen gelassen
in BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263). Ferner wäre zunächst zu überlegen, welche Art von Wohnungen der Klägerin zumutbar wäre. Zwar wird nicht alleine auf Wohnungen
mit einer Wohnfläche von genau 50 m2 (oder größer) abzustellen sein, wie sie für die Ermittlung der abstrakt angemessenen Miete zugrunde gelegt wird. Allerdings
könnte fraglich sein, ob sich die Klägerin auf Wohnungen mit lediglich 30 m2 oder weniger verweisen lassen muss. Dies wäre ein um 40% geringerer Wohnraum als bei der Bestimmung der abstrakten Angemessenheit.
Schließlich wären auch die Bemühungen der Klägerin genauer zu ermitteln. Bereits nach dem Vortrag der Klägerin im Verwaltungsverfahren
hat sie dort Unterlagen aus ihrem Besitz vorlegen wollen. Dies hat sie dann im Berufungsverfahren getan. Hier hätte das SG die Klägerin zur Vorlage der Unterlagen auffordern müssen. Insofern hätte überprüft werden können, ob sich die Klägerin um
die vom Beklagten benannten Wohnungen tatsächlich erfolglos bemüht hat. Allerdings wäre zu beachten, dass der Beklagte darauf
hingewiesen hat, die Klägerin müsse bereits vor einer Wohnungsbesichtigung beim Vermieter in Erfahrung bringen, wie sich ungenau
aufgeschlüsselte Nebenkostenabschläge in den Anzeigen aufteilen würden. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass Vermieter
dazu nicht bereit sind, wenn andere Interessenten dies nicht verlangen. Auch hat der Beklagte die Übernahme von Kosten für
die Einschaltung eines Maklers abgelehnt.
Schließlich wird zu prüfen sein - sofern sich die vom Beklagten zugrunde gelegten Mietobergrenzen als unzureichend darstellen
sollten -, ob und inwieweit die Klägerin durch die Informationen und Hinweise des Beklagten gehindert gewesen sein könnte,
eine günstigere Wohnung anzumieten. Allerdings führt die objektive fehlerhafte Angabe zur Höhe der Referenzmiete nur dann
zur subjektiven Unmöglichkeit der Kostensenkung mit einem Ausnahmefall, wenn dadurch die Klägerin in ihrer Suche auf Grund
der unzutreffenden Angabe in wesentlichem Umfang beschränkt gewesen ist (vgl dazu BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263).
Aufgrund des dargestellten Verfahrensfehlers war das Urteil des SG aufzuheben und der Rechtsstreit an das SG zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen, da wegen des Verfahrensfehlers auch im Hinblick auf obige Ausführungen eine
umfangreiche und aufwändige Beweiserhebung notwendig ist (§
159 Abs.
1 Nr.
2 SGG). Im Einzelnen wird das SG jedenfalls zu den aufgezeigten Problemen weitere Ermittlungen anstellen müssen.
Bei einer Zurückverweisung nach §
159 Abs.
1 Nr.
2 SGG hat der Senat sein Ermessen dahingehend auszuüben, ob er die Sache selbst entscheiden oder zurückverweisen will. Die Zurückverweisung
soll die Ausnahme sein (Keller aaO § 159 Rn 5a). In Abwägung zwischen den Interessen der Beteiligten an der Sachentscheidung
sowie den Grundsätzen der Prozessökonomie hält es der Senat vorliegend für angezeigt, den Rechtsstreit insoweit an das SG zurückzuverweisen. Dies hat die Klägerin insoweit auch beantragt.
Das SG wird im Rahmen der erneuten Entscheidung über die Kosten zu befinden haben.
Gründe, die Revision gemäß §
160 Abs.
2 Nrn 1 und 2
SGG zuzulassen, liegen nicht vor.