Aussetzung der Vollstreckung im sozialgerichtlichen Verfahren
Gründe:
I. Am 09.04.2010 hat das Sozialgericht Würzburg (SG) die Beigeladene verpflichtet, vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache die notwendigen Kosten für die Maßnahme
zur Qualifizierung in der Seniorenbetreuung vom 15.04.2010 bis 08.07.2010 einschließlich der Kosten für Gebärdendolmetscher
zu übernehmen. Dagegen hat die Beigeladene Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und beantragt, "den Vollzug
des mit der Beschwerde vom 14.04.2010 angefochtenen Beschlusses des SG Würzburg vom 09.04.2010 (Az: S 15 AL 110/10 ER) bis zur Entscheidung im Beschwerdeverfahren auszusetzen (§
199 Abs
2 SGG)". Es liege weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund vor. Die Antragstellerin habe sich fast 6 Monate Zeit gelassen,
bis sie einstweiligen Rechtsschutz beantragt habe. Eine Aussage darüber, dass sie ihren Arbeitsplatz verlieren werde, wenn
sie an dieser Qualifikation nicht teilnehme, liege nicht vor. In der Hauptsache bestehe auch keine Aussicht auf Erfolg. Zwar
habe sie als erstangegangene Rehabilitationsträgerin ihre Zuständigkeit bejaht, die Voraussetzungen für die entsprechende
Leistungen lägen jedoch nicht vor. Es fehle am behinderungsbedingten Rehabilitationsbedarf. Die Übernahme der Kosten eines
Gebärdendolmetschers stehe auch nicht mit den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in unmittelbarem Zusammenhang. Akten
hat die Beigeladene nicht übersandt.
II. Der statthafte Aussetzungsantrag ist zulässig.
Gemäß §
199 Abs
2 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) kann, wenn ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat, der Vorsitzende des Gerichts, das über das Rechtsmittel zu
entscheiden hat, die Vollstreckung der einstweiligen Anordnung aussetzen. Ein vollstreckbarer Titel im Sinne des §
199 Abs
2 SGG liegt vor. Die Beschwerde der Beigeladenen hat keine aufschiebende Wirkung (§
175 Satz 1 und
2 SGG).
Der Aussetzungsantrag ist jedoch nicht begründet.
Bei der Entscheidung über die Aussetzung ist eine Interessen- und Folgenabwägung vorzunehmen (BSG, Beschluss vom 05.09.2001
- B 3 Kr 47/01 R -; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9.aufl, §
199 Rdnr 8), wobei der in §
175 SGG zum Ausdruck gekommene Wille des Gesetzgebers zu beachten ist, dass Beschwerden i.d.R. keine aufschiebende Wirkung haben
sollen. Eine Aussetzung kommt daher nur in Ausnahmefällen in Betracht (Leitherer aaO. Rdnr 8a; BSG, Beschluss vom 28.10.2008
- B 2 U 189/08 B -).
Ob ein solcher Ausnahmefall vorliegt, ist im Rahmen einer Interessen- und Folgenabwägung zu prüfen. Dabei können die Erfolgsaussichten
der Berufung (hier Beschwerde) ausnahmsweise dann eine Rolle spielen, wenn diese offensichtlich fehlen (vgl. auch BSG, Beschluss
vom 05.09.2001 - B 3 Kr 47/01 R -) oder offensichtlich bestehen (BSGE 12, 138). Sind die Erfolgsaussichten jedoch nicht in dieser Weise eindeutig abschätzbar, ist im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung
insbesondere zu berücksichtigen, ob der Beigeladenen - über den Nachteil hinaus, der mit jeder Zwangsvollstreckung als solcher
verbunden ist - ein im Nachhinein nicht mehr zu ersetzender Schaden entstehen würde (BSG, Beschluss vom 09.05.2010 - B 3 Kr
47/01 R -). Maßgeblich sind dabei die Umstände des Einzelfalles, die vom Vollstreckungsschuldner glaubhaft vorzutragen sind
(BSG SozR 3-1500 § 199 Nr 1). Zudem darf ein überwiegendes Interesses des Vollstreckungsgläubigers nicht entgegenstehen (BSG,
Beschluss vom 28.08.2007 - B 4 R 25/07 R -; vgl. hierzu auch die §
86b SGG zu entnehmenden Rechtsgedanken).
Vorliegend sind die Erfolgsaussichten als offen anzusehen. Es ist ohne Vorlage der Akten durch die Beigeladene allein aufgrund
der von dieser vorgelegten Beschwerdebegründung nicht möglich, von einer offensichtlich bestehenden Erfolgsaussicht der Beschwerde
auszugehen. Es mag sein, dass nach eingehender Prüfung - soweit diese im Rahmen des Beschwerdeverfahrens erfolgt - weder ein
Anordnungsgrund noch ein Anordungsan-spruch besteht. Von einem offensichtlich fehlenden Anordnungsgrund bzw. -anspruch kann
jedoch nicht gesprochen werden.
Es ist daher zu prüfen, ob ein Nachteil im o.g. Sinn von der Beigeladenen glaubhaft dargelegt worden ist. Dies ist nicht der
Fall. Die Beigeladene hat nicht dargelegt, welche Nachteile ihr durch eine vorläufige Leistungserbringung entstehen können,
die im Nach-hinein nicht mehr beseitigt werden könnten.
Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung, der hier als Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung auszulegen ist - einen Antrag
auf Aussetzung der Vollziehung nach §
175 Satz 3
SGG hat die Beigeladene an das SG gerichtet - ist daher abzulehnen. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG), er kann jederzeit aufgehoben werden, §
199 Abs
2 Satz 3
SGG.