LSG Bayern, Urteil vom 26.07.2017 - 12 KA 17/15
Abrechnungsbestimmung; Abschlagszahlung; Juristische Person; Medizinisches Versorgungszentrum; MVZ; Selbstschuldnerische Bankbürgschaft;
Berufung; haftungsrechtliche Gleichstellung; Einzelpraxis; Gemeinschaftspraxis; Haftung
Vorinstanzen: SG München 24.09.2014 S 43 KA 1033/12
Tenor I.
Die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 24.09.2014, S 43 KA 1033/12 wird zurückgewiesen.
II.
Die Klägerinnen haben auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand
Die Klägerinnen begehren Abschlagszahlungen ohne Vorlage einer selbstschuldnerischen Bankbürgschaft. Die Klägerinnen zu 1)
und 2) sind Zusammenschlüsse von medizinischen Versorgungszentren (MVZ), die als überörtliche Berufsausübungsgemeinschaften
in der Form einer GmbH oder in deren Trägerschaft betrieben werden. Die Klägerin zu 3) ist ein medizinisches Versorgungszentrum,
das ebenfalls in der Rechtsform einer GmbH betrieben wird. Ihnen ist gemeinsam, dass ihre Gesellschafter nicht ausschließlich
natürliche Personen sind.
Mit Beschluss vom 26.11.2011 änderte die Vertreterversammlung die Abrechnungsbestimmungen der Beklagten mit Wirkung zum 01.07.2012.
Gemäß § 5 Abs. 1a S. 2 der geänderten Abrechnungsbestimmungen leistet die Beklagte Abschlagszahlungen an ein MVZ, das in der
Organisationsform einer juristischen Person des Privatrechts betrieben wird und dessen Gesellschafter nicht ausschließlich
natürliche Personen sind, nur dann, wenn das MVZ zur Sicherung von Forderungen der KVB und der Krankenkassen aus dessen vertragsärztlicher
Tätigkeit eine selbstschuldnerische Bürgschaft einer Bank, die im Gebiet der Europäischen Union ansässig ist, in Höhe von
fünf Abschlagszahlungen beigebracht hat. Mit jeweils an die einzelnen Klägerinnen gerichteten Schreiben vom 18.04.2012 informierte
die Beklagte die Klägerinnen über die Änderung der Abrechnungsbestimmungen zum 01.07.2012 und forderte die Klägerinnen auf,
bis spätestens 30.06.2012 eine Bankbürgschaft in Höhe des fünffachen einer Abschlagszahlung beizubringen. Die (jeweils fünffachen)
Abschlagszahlungen für die Klägerin zu 1) wurde mit 7.083.500,00 €, für die Klägerin zu 2) in Höhe von 4.119.000,00 und die
Klägerin zu 3) in Höhe von 633.500,00 € beziffert. Andernfalls werde die Beklagte die Abschlagszahlungen ab dem dritten Quartal
2012 in entsprechender Höhe kürzen oder komplett streichen.
Einen Antrag der Klägerinnen auf einstweiligen Rechtsschutz vom 21.06.2012 mit dem Ziel der Auszahlung von Abschlagszahlungen
ohne Beibringung einer selbstschuldnerischen Bankbürgschaft wies das SG mit bestandskräftigem Beschluss vom 16.07.2012 zurück (S 39 KA 666/12 ER).
Mit ihrer Klage zum Sozialgericht München vom 27.7.2012 verfolgen die Klägerinnen ihr Begehren weiter. Es wird wie bereits
im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorgetragen, die am 26.11.2011 von der Vertreterversammlung beschlossene Änderung
der Abrechnungsbestimmungen sei wegen der unzulässigen Kopplung der Abschlagszahlung an die Beibringung von Bankbürgschaften
unzulässig und rechtswidrig. Es liege ein Verstoß gegen § 95 Abs. 2 Satz 6 SGB V sowie gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz ( GG) in Verbindung mit § 95 Abs. 1 SGB V vor. Angesichts der Höhe der geforderten Bankbürgschaften und der hieraus resultierenden Zinsverpflichtung in Höhe von 2%
pro Jahr ergebe sich eine Gesamtbelastung der Klägerinnen, die in Relation zum jeweiligen Jahresumsatz erheblich sei.
Der Gesetzgeber habe mit der Einführung des § 95 Abs. 2 Satz 6 SGB V die Gleichbehandlung der verschiedenen Zulassungsformen, konkret die Gleichstellung der in der Rechtsform der juristischen
Person des Privatrechts organisierten medizinischen Versorgungszentren und der Vertragsärzte verfolgt. Diese Gleichbehandlung
solle auch durch eine gleich gelagerte Forderungsabsicherung für die verschiedenen Zulassungsformen zum Ausdruck kommen. Daher
sei zum 01.01.2007 als Voraussetzung für die Zulassung von medizinischen Versorgungszentren in der Rechtsform der juristischen
Person des Privatrechts die Verpflichtung zum Nachweis einer selbstschuldnerischen Bürgschaft in § 95 Abs. 2 Satz 6 SGB V aufgenommen worden, um insbesondere Erstattungsansprüche der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigungen nach §
106 Abs. 5c SGB V und § 48 BMV-Ä wegen sonstigen Schadens abzusichern. Die neu eingeführte Abrechnungsbestimmung des § 5 Abs. 1a erweitere diese Regelung unzulässigerweise in zweierlei Hinsicht. Zum einen werde der Kreis der Bürgen erweitert,
da nunmehr zusätzlich eine Bankbürgschaft erforderlich sei, während der Gesetzgeber in § 95 Abs. 2 Satz 6 SGB V lediglich eine selbstschuldnerische Bürgschaft der Gesellschafter vorgesehen habe. Zum anderen werde das Bürgschaftserfordernis
hinsichtlich seines Umfangs erweitert, da nun zu dem ohnehin durch § 95 Abs. 2 Satz 6 SGB V abgesicherten Honorarrückforderungsrisikos ein angeblich bestehendes Abschlagszahlungsrisiko der betreffenden MVZ zusätzlich
abgesichert werden solle. Diese zweifache Ausweitung des § 95 Abs. 2 Satz 6 SGB V geschehe seitens der Beklagten mit der Begründung, dass die Ziele des Gesetzgebers in § 95 Abs. 2 Satz 6 SGB V verfehlt worden seien und nun erst durch die Neuregelung in den Abrechnungsbestimmungen erreicht würden. Dem sei aber nicht
so, denn der Gesetzgeber hätte in der viel diskutierten Reform durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz das bereits enthaltene
Erfordernis einer selbstschuldnerischen Bürgschaftserklärung der Gesellschafter zum 01.01.2012 ausweiten können und sicherlich
auch ausgeweitet, wenn er dies für erforderlich gehalten hätte. Dass im Rahmen dieser Gesetzesänderung lediglich die Beschränkung
auf die GmbH vorgenommen worden sei, zeige, dass der Gesetzgeber sich zum einen bewusst mit dieser Regelung beschäftigt habe
und zum anderen eine Ausweitung des Bürgschaftserfordernisses gerade nicht für erforderlich erachtet habe. Vielmehr habe der
Gesetzgeber bereits im Rahmen der Gesetzesänderungen durch das Vertragsarztrechts-ÄndG darauf hingewiesen, dass durch die
damalige Änderung des § 95 Abs. 2 SGB V eine haftungsrechtliche Gleichstellung kooperativer Versorgungsformen in der Rechtsform einer juristischen Person mit Personengesellschaften
erreicht werde. Dieses Argument könne auch nicht dadurch entkräftet werden, dass § 95 Abs. 2 Satz 6 SGB V eine zulassungsrechtliche Vorschrift sei, denn abgesichert würden dadurch insbesondere auch Risiken im Zusammenhang mit späteren
Rückforderungen überzahlter Abschlagszahlungen. Diese bereits vom Gesetzgeber vorgenommene Risikoabwägung dürfe die Beklagte
nicht in ihren Abrechnungsbestimmungen verschärfen. Hierzu sei die Beklagte aufgrund des gesetzlichen Vorrangs höherrangigen
Rechts nicht berechtigt. Eine weitere Absicherung sei auch weder erforderlich noch zulässig, da sowohl MVZ und KVB gleichermaßen
das Risiko unterschiedlich hoher Abschlagszahlungen wegen der Vorquartalsbezogenheit der Abschlagszahlungen mit den entsprechenden
Risiken teilen würden. Auch wenn das Bankbürgschaftserfordernis keine unmittelbaren zulassungsrechtlichen Konsequenzen habe,
so mache die Höhe der dafür notwendigen Mittel jedoch eine vertragsärztliche Tätigkeit in vielen Fällen faktisch unmöglich,
insbesondere bei Neuzulassung eines MVZ. Damit führe das Bankbürgschaftserfordernis nicht zu einer Gleichstellung der einzelnen
Zulassungsformen, sondern laufe faktisch auf eine Verhinderung der betreffenden MVZ-Formen hinaus. Eine dementsprechende Beurteilung
habe auch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) auf die Anfrage eines Kollegen im Jahr 2007 hin in aller Deutlichkeit getroffen. Nach damaliger Auslegung des § 95 Abs. 2 Satz 6 SGB V durch die KV Westfalen-Lippe habe diese eine selbstschuldnerische Bürgschaft einer natürlichen Person verlangt im Gegensatz
zum Wortlaut der Bestimmung, die lediglich eine selbstschuldnerische Bürgschaftserklärung der Gesellschafter fordere. Das
BMG habe die Auffassung der KV Westfalen-Lippe insgesamt "unzweifelhaft als rechtsirrig" qualifiziert.
Doch selbst wenn die Verpflichtung zur Beibringung einer selbstschuldnerischen Bankbürgschaft grundsätzlich rechtmäßig wäre,
so sei die vorgesehene Höhe von fünf Abschlagszahlungen unverhältnismäßig. Daran ändere auch der von der Beklagten zur Begründung
der Forderungshöhe vorgelegte Zeitstrahl zum Ablauf der Honorarabrechnung nichts. Nicht nachvollziehbar sei, weshalb die vierte
und fünfte Abschlagszahlung bei der Festlegung der Höhe der Bankbürgschaft zu berücksichtigen sein sollte. Der Beklagten sei
vielmehr bereits mit Einreichung der Quartalsabrechnung am zehnten des ersten auf das Abrechnungsquartal folgenden Monats
bekannt, ob und wenn ja, wie viel weniger abgerechnet worden sei im Vergleich mit den geleisteten Abschlagszahlungen. Nicht
anders ließen sich die unmittelbar nach der Einreichung der jeweiligen Quartalsabrechnungen regelmäßig stattfinden Nachfragen
zu bestimmten Abrechnungsinhalten bei den Klägerinnen erklären. Liege die vorgenommene Abrechnung unter der Höhe der geleisteten
Abschlagszahlungen, verbleibe für die Beklagte ab einer Streichung der Abrechnungsdetails jedenfalls noch ein voller Monat
Zeit, um die nächste (vierte) Abschlagszahlung gegebenenfalls anzupassen. Bis zur fünften Abschlagszahlung vergingen sogar
noch zwei Monate, so dass bei Vorliegen besonderer Umstände - zum Beispiel einer wesentlichen Veränderung des Honorars - die
vierte und fünfte Abschlagszahlung entsprechend angepasst werden könnten. Die Höhe von fünf Abschlagszahlungen sei daher zur
Zweckerreichung nicht erforderlich.
Die Beklagte verneinte einen Anspruch auf Gewährung von Abschlagszahlung ohne Beibringung einer Bankbürgschaft. Auf Honorarebene
sei die Beklagte berechtigt, die streitgegenständliche Abrechnungsbestimmung zu erlassen. Die Regelung des § 5 Abs. 1a Satz
2 der Abrechnungsbestimmungen betreffe MVZ, die in der Organisationsform einer juristischen Person des Privatrechts betrieben
würden und deren Gesellschafter nicht ausschließlich natürliche Person seien. Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht liege
nicht vor. Aus § 95 Abs. 2 Satz 6 SGB V, mit dem der Gesetzgeber eine haftungsrechtliche Gleichstellung von Vertragsärzten in Einzelpraxis und in Gemeinschaftspraxis
einerseits und medizinischen Versorgungszentren andererseits verfolge, ergebe sich nicht, dass nicht auch auf der Ebene der
Abrechnungsbestimmungen weitere Sicherungen für etwaige Regressforderungen geregelt werden könnten. Ein Verstoß gegen den
Gleichheitssatz sei nicht gegeben, da niedergelassene Vertragsärzte im Unterschied zu MVZ in Trägerschaft einer juristischen
Person des Privatrechts mit beschränkter Haftung für Forderungen der KVB oder der Krankenkassen persönlich mit ihrem privaten
Vermögen voll hafteten, während sich eine "MVZ-Träger GmbH" auf die Beschränkung der Haftung in Höhe des Gesellschaftsvermögens
berufen könne. Nur diejenigen MVZ, die sich unter Ausschöpfung der gesetzlich eingeräumten Gestaltungsspielräume gegenüber
Vertragsärzten besser stellten und damit die Sicherungsinteressen der KVB erheblich beeinträchtigten, würden von den neu eingefügten
Bestimmung erfasst.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 24. September 2014 abgewiesen. § 5 Abs. 1a Satz 2 der geänderten Abrechnungsbestimmungen der Beklagten sei rechtlich nicht zu beanstanden und als wirksam anzusehen.
Im Rahmen ihrer Normsetzungsbefugnis verfüge die Beklagte über einen weiten Gestaltungsspielraum, in dessen Rahmen sich die
Beklagte bewege, ohne gegen höherrangige Rechtsvorschriften zu verstoßen. Das SG bezog sich zur Begründung auf den Beschluss des Bayer. LSG vom 03.12.2012, Az. L 12 KA 129/12 B ER zur selben Thematik, in dem der Senat ausgeführt hatte, dass weder ein Verstoß gegen § 95 Abs. 2 Satz 6 SGB V noch gegen Art. 3 Abs. 1 GG vorliege. Im Unterschied zum Vertragsarzt in Einzelpraxis oder zu mehreren Vertragsärzten in Berufsausübungsgemeinschaft
könne sich ein MVZ in der frei gewählten rechtlichen Gestaltung der Klägerinnen auf die Beschränkung der Haftung in Höhe des
Gesellschaftsvermögens berufen. Selbst bei Annahme einer sehr starken Ungleichbehandlung könne im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes nicht festgestellt werden. Die Grenze der Zumutbarkeit sei nicht überschritten.
Dies gelte auch für die Höhe der beizubringenden Bankbürgschaft. Ein milderes Mittel zur Erreichung des Zwecks sei nicht erkennbar.
In der hiergegen zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegten Berufung vom 30.01.2015 wiederholt und vertieft die Prozessbevollmächtigte
der Klägerinnen die bereits vorgetragenen Argumente. Soweit das SG auf den Beschluss des LSG im Verfahren Az. L 12 KA 129/12 B ER verweise, könne nicht ausgeschlossen werden, dass im dortigen Verfahren der Sachverhalt anders liege. Außerdem verfange
die Argumentation im einstweiligen Rechtsschutzverfahren mit lediglich summarischer Prüfung nicht für das Hauptsacheverfahren.
Zudem sei weiterhin nicht nachvollziehbar, warum die Bürgschaft in Höhe von fünf Abschlagszahlungen und - wenn überhaupt -
nicht in Höhe von drei Abschlagszahlungen verlangt werde.
Die Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen stellt den Antrag,
dass Urteil des Sozialgerichts München vom 24.09.2014, S 43 KA 1033/12 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, den Klägerinnen zu 1) bis 3) Abschlagszahlungen gemäß § 5 Abs. 1 der Abrechnungsbestimmungen
der Beklagten zu leisten, ohne dass die Klägerinnen zu 1) bis 3) zur Sicherung von Forderungen der Beklagten und Krankenkassen
aus der vertragsärztlichen Tätigkeit des medizinischen Versorgungszentrums eine selbstschuldnerische Bürgschaft einer Bank,
die im Gebiet der Europäischen Union ansässig ist, beibringen müssen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerinnen zurückzuweisen.
Die Beklagte wiederholt ebenfalls ihre bisherige Argumentation und verweist insbesondere auf den bereits zitierten Beschluss
des Bayer LSG vom 03.12.2012, L 12 KA 129/12 B ER, dem der gleiche Sachverhalt zu Grunde liege. Hinsichtlich der Notwendigkeit einer Bankbürgschaft in Höhe von fünf Abschlagszahlungen
würden die Berufungsklägerinnen verkennen, dass das für die Bestimmung der Abschlagszahlungshöhe maßgebliche Bruttohonorar
erst nach Auszahlung von sechs Abschlagszahlungen bei der KVB bekannt sei. Bezugnehmend auf das bereits erstinstanzlich vorgelegte
Schaubild führte die Beklagte nochmals aus, dass bereits vor Einreichen der Abrechnung das Regelwerk aktualisiert und fertig
gestellt werden müsse. Nach Einreichung der Abrechnung (bis zehnten des Folgemonats) sei eine ganze Reihe von Arbeitsschritten
je Quartal für ca. 18.000 abrechnende Arztpraxen mit ca. 84 Millionen Behandlungsfällen zu vollziehen. Zunächst sei die A1-Abrechnung,
d.h. die manuelle, computerunterstützte sachlich-rechnerische Prüfung der Abrechnungen unter anderem durch das Regelwerk,
aber auch durch händische Prüfung des jeweiligen Sachbearbeiters erforderlich. Im Anschluss daran findet die A 2-Abrechnung
statt, wobei zunächst bundesrechtliche Vergütungsregelungen und im Anschluss daran die landesrechtlichen HVM-Regelungen angewendet
würden. Dieser Abrechnungsbearbeitungsschritt dauere bis zum dritten Abrechnungsmonat nach Eingang der Abrechnung bei der
KVB. Nach Beendigung der Anwendung der Honorarverteilungsregelungen werde geprüft, inwieweit noch Honorarkürzungen wegen nicht
nachgewiesener Fortbildung durchzuführen seien. Erst am 14. Juli (ausgehend von einer Abrechnungsprüfung für das erste Quartal)
und damit mehr als sechs Monate nach Beginn des ersten Abrechnungsquartals stünde das jeweilige Bruttohonorar fest, erst dann
sei bekannt, in welcher Höhe eine Restzahlung nachfolge und künftig Abschlagszahlungen vorgenommen werden könnten. Dennoch
habe die Berufungsbeklagte nicht sechs, sondern nur fünf Abschlagszahlungen für die Festlegung der Höhe der beizubringenden
Bankbürgschaft in den Abrechnungsbestimmungen zu Grunde gelegt.
Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und die Gerichtsakten beider
Instanzen mit den Az. S 43 KA 1033/12 und L 12 KA 17/15 sowie das Verfahren S 39 KA 622/12 ER. Auf den Inhalt der beigezogenen Akten und die Sitzungsniederschrift, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht
wurden, wird im Übrigen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz ( SGG) statthafte und gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf Abschlagszahlungen ohne Vorlage einer selbstschuldnerischer
Bankbürgschaften.
Jedes Mitglied einer kassenärztlichen Vereinigung hat auf der Grundlage des § 87b Abs. 1 Satz 1, 2 SGB V mit der Einreichung seiner Abrechnung zunächst nur Anspruch auf Teilhabe an der vertragsärztlichen Gesamtvergütung. Erst
mittels des Abrechnungsbescheides konkretisiert sich der Teilhabeanspruch auf einen Honoraranspruch. Ein Anspruch auf Abschlagszahlungen
ergibt sich weder aus dem SGB V noch dem Gesamtvertrag, sondern nur, wenn und soweit eine Kassenärztliche Vereinigung in den Honorarregelungen solche Zahlungen
regelt. Die Beklagte hat kraft ihrer bestehenden körperschaftlichen Normsetzungsbefugnis im Rahmen ihres weiten Gestaltungsspielraums
den grundsätzlichen Anspruch auf Abschlagszahlungen und dessen Modifikationen in ihren Abrechnungsbestimmungen (§ 5) geregelt.
Die hier streitige Abrechnungsbestimmung in § 5 Abs. 1a der Abrechnungsbestimmungen bewegt sich innerhalb des weiten Gestaltungsspielraumes
der Beklagten, denn dieser findet seine Begrenzung nur in der Beachtung höherrangiger Rechtsvorschriften. Einen solchen Verstoß
gegen höherrangige Rechtsvorschriften kann der Senat nicht feststellen. Zum einen besteht kein Verstoß der Vorschrift des
§ 5 Abs. 1a der Abrechnungsbestimmungen der Beklagten gegen § 95 Abs. 2 Satz 6 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (VStG vom 22.11.2011 - BGBl. I S. 2983). Nach dieser Vorschrift setzt die Zulassung eines Medizinischen Versorgungszentrums in der Rechtsform einer Gesellschaft
mit beschränkter Haftung voraus, dass die Gesellschafter selbstschuldnerische Bürgschaftserklärungen für Forderungen von Kassenärztlichen
Vereinigungen und Krankenkassen gegen das Medizinische Versorgungszentrum aus dessen vertragsärztlicher Tätigkeit abgeben.
Nach der Gesetzesbegründung zur Vorgängervorschrift in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Vertragsarztrechts (VÄndG
vom 22.12.2006 - BGBl. I S. 3439), nach der medizinische Versorgungszentren noch von allen juristischen Personen des Privatrechts gegründet werden konnten,
sollten kooperative Versorgungsformen, die in der Rechtsform einer juristischen Person organisiert sind, haftungsrechtlich
den als Personengesellschaft organisierten kooperativen Organisationsformen (Gemeinschaftspraxis, MVZ in der Freiberuflervariante)
in einem wichtigen Bereich gleichgestellt werden. Vertragsärzte, die als Einzelpersonen (Einzelpraxis) oder als Gesamthand
(Berufsausübungsgemeinschaft) in vertragsarztrechtlicher Beziehung zu einer Kassenärztlichen Vereinigung und zu Krankenkassen
stehen, haften persönlich für Ansprüche dieser Institutionen mit ihrem Privatvermögen. Diese Haftungserstreckung soll zum
Schutz der Gemeinschaft der anderen in der Kassenärztlichen Vereinigung durch Pflichtmitgliedschaft organisierten vertragsärztlichen
Leistungserbringer und zum Schutz der Solidargemeinschaft der Versicherten auch für Rechtsansprüche von Kassenärztlichen Vereinigungen
und Krankenkassen gelten. Die Änderung des § 95 Abs. 1a Satz 1 SGB V durch das Versorgungsstrukturgesetz mit der Beschränkung der Rechtsform eines MVZ auf Personengesellschaften, Genossenschaften
und auf die GmbH sollte nach der Gesetzesbegründung (Bt-Drs. 17/6906, S. 71) die Unabhängigkeit ärztlicher Entscheidungen
von Kapitalinteressen, wie sie insbesondere bei Aktiengesellschaften zu befürchten sind, stärken. Die Änderung des Abs. 2
Satz 6 stellte lediglich eine Folgeänderung zu der Beschränkung der zulässigen Rechtsformen in Abs. 1a dar. Es ist für den
Senat nicht ersichtlich, dass in der Vorschrift des § 95 Abs. 2 Satz 6 SGB V eine Sperrwirkung für Regelungen von KVen auf der Ebene der Abrechnungsbestimmungen liegt. Der Zulassungsstatus der Klägerinnen
wird durch die streitgegenständliche Abrechnungsbestimmung der Beklagten in keiner Weise berührt.
Auch die vorgelegte Stellungnahme des BMG führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Anfrage an das BMG bezog sich insbesondere nicht auf Bürgschaften im Zusammenhang mit Abschlagszahlungen, sondern auf eine Auslegung einer KV
dahingehend, bei MVZ in der Rechtsform einer GmbH, deren Gesellschafterin wiederum eine GmbH ist, die für die Zulassung des
MVZ nach § 95 Abs. 2 Satz 6 SGB V erforderlichen Bürgschaftserklärungen nicht von der Gesellschafterin, der GmbH, sondern von den dahinterstehenden natürlichen
oder juristischen Personen einzufordern. Dieser Auslegung hat das BMG, bestätigt durch Urteil des BSG vom 22.10.2014, B 6 KA 36/13 R, widersprochen. Der Wortlaut des § 95 Abs. 2 Satz 6 SGB V sei insoweit eindeutig, als die Bürgschaftserklärung von dem "Gesellschafter" und nicht von den dahinterstehenden natürlichen
oder juristischen Personen abzugeben sei. Zudem betrifft auch die Stellungnahme des BMG und das Urteil des BSG vom 22.10.2014 wiederum nur § 95 Abs. 2 Satz 6 SGB V mit seiner zulassungsrechtlichen Konsequenz, so dass sich daraus für die hier streitige Frage im Zusammenhang mit Abrechnungsmodalitäten
keine Erkenntnisse ergeben.
Auch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht erkennbar. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Normgeber allerdings nicht jede Differenzierung
verwehrt. Er verletzt aber das Grundrecht des Art. 3 GG, wenn er eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede
von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Je nach Regelungsgegenstand
und Differenzierungsmerkmal ergeben sich dabei unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis
zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Normgeber
berechtigt, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu verwenden, ohne allein wegen der damit verbundenen
Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (vgl. zum Ganzen BVerfG, Beschluss vom 21.06.2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164, 182/183). Entscheidendes Kriterium für die Anwendung des einschlägigen Rechtfertigungsmaßstabes ist die Intensität der Ungleichbehandlung,
wobei insbesondere danach zu unterscheiden ist, ob die Ungleichbehandlung unmittelbar an personenbezogene Merkmale und nicht
verhaltensbezogene Umstände anknüpft, was umso schwerwiegender wirkt, je mehr sich die personenbezogenen Merkmale den in Art.
3 Abs. 3 GG genannten annähern (vgl. BVerfGE 88, 87, 96). Bei lediglich verhaltensbezogenen Merkmalen kommt es darauf an, inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr
Verhalten die Verwirklichung der Merkmale zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird (vgl. BVerfGE 88, 87, 96). Auch nachteilige Auswirkungen auf grundrechtlich gesicherte Freiheiten sind mitzuberücksichtigen (vgl. BVerfGE 82,
126, 146).
Ausgehend von diesen Kriterien ist vorliegend festzustellen, dass die unterschiedliche Behandlung bei der Gewährung der Abschlagszahlungen
nicht an personenbezogene Merkmale anknüpft, sondern überwiegend verhaltensbezogene Umstände aufgreift, die zudem von den
Betroffenen beeinflusst werden können. Von daher rechtfertigt bereits ein sachlich einleuchtender Grund die Ungleichbehandlung.
Unabhängig davon, ob man die Klägerinnen mit einem in Einzelpraxis tätigen Arzt oder mehreren im Rahmen einer Berufsausübungsgemeinschaft
tätigen Ärzten oder einem MVZ in der Organisationsform einer juristischen Person des Privatrechts, deren Gesellschafter ausschließlich
natürliche Personen sind, vergleicht, ergibt sich ein ausreichender sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung durch
die unterschiedliche rechtliche Ausgestaltung der Haftung. Sinn und Zweck der Rechtsform einer GmbH liegen gerade darin, den
Gesellschaftern mit Gründung der Gesellschaft zu ermöglichen, am Rechtsverkehr ohne persönliches Haftungsrisiko teilzunehmen.
Unvermeidliche Folge hiervon ist, dass Gläubiger grundsätzlich jedenfalls das Risiko des unternehmerischen Misserfolges im
Falle der Insolvenz oder ihrer Ablehnung mangels Masse mitzutragen haben (zur Rechtslage bezüglich Honoraransprüchen in der
Insolvenz vgl. BSG, Urteil vom 17.08.2011, Az.: B 6 KA 24/10 R), soweit sie sich nicht weitergehend abgesichert haben. Während ein Vertragsarzt in Einzelpraxis oder mehrere Vertragsärzte
im Rahmen einer Berufsausübungsgemeinschaft neben der Haftung der Praxis selbst mit ihrem gesamten privaten Vermögen haften
(vgl. hierzu BSG, Urteil vom 20.10.2004, SozR 4-2500 § 116 Nr. 6), kann sich ein MVZ in der rechtlichen Gestaltung der Klägerinnen auf die Beschränkung der Haftung in Höhe des Gesellschaftsvermögens
berufen, § 13 Abs. 2 GmbHG. Ein Durchgriff auf das Privatvermögen der Gesellschafter ist nur unter ganz engen, vom BGH zuletzt nochmals verschärften
Anforderungen (vgl. BGH, BHGZ 176, 204 = NJW 2008, 2437) möglich. Aber auch bei Annahme einer sehr starken Ungleichbehandlung mit der Folge der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
als Prüfungsmaßstab kann eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes in Art. 3 Abs. 1 GG nicht festgestellt werden. Die zu prüfenden Merkmale der Zweckmäßigkeit, Geeignetheit und Erforderlichkeit der gewählten
Maßnahme (Verknüpfung der Abschlagszahlung mit der Vorlage einer Bankbürgschaft) sind gegeben, weil das eingesetzte Mittel
generell geeignet ist, den angestrebten Zweck (zusätzliche Sicherung von Forderungen) zu dienen und kein milderes, den Betroffenen
weniger belastendes Mittel erkennbar ist, das ebenso wirksam wäre. Hinsichtlich der Erforderlichkeit ist zu beachten, dass
dem Normgeber insoweit ein weiter Beurteilungsspielraum eingeräumt ist. Das eingesetzte Mittel der Vorlage einer selbstschuldnerischen
Bankbürgschaft ist auch angemessen, denn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der
Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe ist die Grenze der Zumutbarkeit noch nicht überschritten. Zudem hat die Beklagte
auch nachvollziehbar dargelegt, warum die Bankbürgschaft in Höhe von drei Abschlagszahlungen nicht ausreichend ist, sondern
fünf Abschlagszahlungen durch Bankbürgschaft abzusichern sind. Mit Einreichung der Abrechnung am 10. des auf das Abrechnungsquartal
folgenden Monats steht die Honorarhöhe noch nicht fest, denn es folgen noch sachlich-rechnerische Richtigstellungen, die Umsetzung
bundeseinheitlicher Vergütungsregelungen und die Anwendung von Honorarverteilungsregelungen. Nach Darstellung der Beklagten,
an deren Richtigkeit der Senat keine Zweifel hat, steht damit erst nach mehr als sechs Monaten nach Beginn des Abrechnungsquartals
die konkrete Höhe des Bruttohonorars fest, so dass das 5fache der Abschlagszahlung noch angemessen ist. Die Vorschrift des
§ 5 Abs. 1a der Abrechnungsbestimmungen der Beklagten ist daher als wirksam anzusehen.
Das SG hat die Klage daher zu Recht abgewiesen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht erkennbar (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
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