Erfüllung der Wartezeit für eine Altersrente allein mit innerstaatlichen Beitragszeiten; Berücksichtigung von Beitragserstattungen;
Begründung neuer Ansprüche durch die kumulative Anwendung von Sozialversicherungsabkommen und EWG-Verordnung
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Kindergeld für die Zeit ab Januar 2005 nach dem
Bundeskindergeldgesetz (
BKGG) i.V.m. Art. 77 der Verordnung (EWG) Nummer 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer
und Selbstständige sowie deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (EGVO 1408/71).
Der 1939 geborene, in Griechenland lebende Kläger ist griechischer Staatsangehöriger. Er hat sowohl in Deutschland als auch
in Griechenland Rentenversicherungszeiten zurückgelegt. Seit 1. August 2004 bezieht er eine Rente aus der deutschen Rentenversicherung,
deren Voraussetzungen nur unter Berücksichtigung griechischer Versicherungszeiten (nach Art. 45 EGVO 1408/71) erfüllt sind,
da im Versicherungsverlauf des Klägers aufgrund einer früher erfolgten Beitragserstattung nur noch insgesamt 52 Kalendermonate
deutscher Beitragszeit gespeichert sind (Bescheid der deutschen Rentenversicherung Bund - DRVB - vom 26. Juni 2006). Seit
1. Januar 2005 bezieht der Kläger auch eine Rente aus der griechischen Rentenversicherung.
Auf seinen (erneuten) Antrag vom 18. September 2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit von August bis Dezember
2004 Kindergeld für seine Kinder A. (geboren Januar 1981) und A. (geboren Juli 1982), die in Deutschland studieren (Bescheid
vom 12. September 2007). Für die Zeit ab 1. Januar 2005 (Beginn der Rente aus der griechischen Rentenversicherung) lehnte
die Beklagte einen Antrag auf Kindergeld dagegen ab. Für die Gewährung von Familienbeihilfen sei ab diesem Zeitpunkt gemäß
Art. 77 Abs. 2 Buchst. b lit. i) EGVO 1408/71 vorrangig der griechische Träger zuständig, da der Kläger auch in Griechenland
Rente beziehe und dort seinen Wohnsitz habe. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH - Urteil vom 27.
Februar 1997 - Rs. C-59/95 - und Urteil vom 24. September 2002 - Rs. C-471/99 -) bestehe auch kein Anspruch auf Zahlung eines Differenzbetrages (nach Art. 77 Abs. 2 EGVO 1408/71), da der Anspruch des
Klägers auf Rente aus der deutschen Rentenversicherung nicht ausschließlich auf deutschen Versicherungszeiten beruhe (weiterer
Bescheid vom 12. September 2007).
Zur Begründung des dagegen erhobenen Widerspruchs trug der Prozessbevollmächtigte des Klägers vor, der ablehnende Bescheid
enthalte keine Ausführungen dazu, ob das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Griechenland
über Soziale Sicherheit vom 25. April 1961 (Bundesgesetzblatt II 1963 S. 679) - DGrSVA - für den Kläger günstigere Bestimmungen enthalte, die nach der Rechtsprechung des EuGH (Rs. C-471/99) durch die EGVO 1408/71 nicht verdrängt würden. Außerdem habe der Kläger, anders als in den vom EuGH entschiedenen Fällen,
mit seinen deutschen Versicherungszeiten die Mindestversicherungszeit für eine Rente aus der deutschen Rentenversicherung
erfüllt und daher nach Art. 77 Abs. 2 EGVO 1408/71 Anspruch auf deutsches Kindergeld.
Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 29. April 2008). Sie führte zur Begründung aus, da für
die Gewährung von Familienleistungen gemäß Art. 77 Abs. 2 Buchst. b lit. i) EGVO 1408/71 vorrangig der griechische Träger
zuständig sei, könne deutsches Kindergeld nur gewährt werden, wenn der Anspruch auf eine der in Art. 77 Abs. 1 EGVO 1408/71
genannten Renten aus der deutschen Rentenversicherung ausschließlich aufgrund deutscher Versicherungszeiten erworben wurde.
Dies gelte nach der Rechtsprechung des EuGH (Rs. C-471/99) auch dann, wenn im vorrangig zuständigen Mitgliedstaat (Griechenland) aufgrund der dortigen Bestimmungen kein Anspruch auf
Kindergeld bestehe. Der Rentenanspruch des Klägers in der deutschen Rentenversicherung sei aber nicht allein durch deutsche
Versicherungszeiten erfüllt, so dass auch kein Anspruch auf deutsches Kindergeld bestehe.
Dagegen hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 9. Juni 2008 (Eingang bei Gericht) beim Sozialgericht Nürnberg (SG) Klage erhoben mit der Begründung, der Kläger habe sich zwischen 1963 und 1983 in Deutschland aufgehalten und hier Rentenversicherungszeiten
erworben, auf die das DGrSVA anzuwenden gewesen sei. Die Voraussetzungen für die Zahlung von Familienbeihilfen, zu denen gemäß
Art. 1 Nr. 21 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 DGrSVA auch Kindergeld gehöre, seien in Art. 38 f. DGrSVA geregelt. In
Art. 39 DGrSVA heiße es dazu, dass, wenn der Erwerb des Anspruchs auf Familienbeihilfe von Beitragszeiten abhänge, alle Zeiten
berücksichtigt würden, die nacheinander in beiden Vertragsstaaten zurückgelegt worden seien. Allein das Bestehen des Rentenanspruchs
sei also unter Zugrundelegung dieses Abkommens Voraussetzung für die Zahlung von Kindergeld. Im Gegensatz zu Art. 77 und 78
EGVO 1408/71 werde eine Bestimmung des Mitgliedstaates, nach dessen Recht sich die Gewährung von Familienbeihilfe regle, nicht
getroffen. Der Kläger habe sich deshalb darauf verlassen können, dass er entsprechend § 1
BKGG mit Eintritt des Rentenalters Kindergeld erhalten werde, ohne dass dieses Recht von den besonderen Regelungen der EGVO 1408/71
eingeschränkt werde.
Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 10. November 2008, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 25. November
2008). Da der Kläger ab 1. Januar 2005 in Griechenland Anspruch auf eine griechische Rente habe, sei für Leistungen für unterhaltsberechtigte
Kinder vorrangig der Wohnsitzstaat (Griechenland) zuständig. Ein Anspruch auf Kindergeld nach dem
BKGG bestehe nicht, weil der Anspruch des Klägers auf Rente aus der deutschen Rentenversicherung nicht allein nach innerstaatlichen
Rechtsvorschriften erfüllt sei. Aus dem Rentenbescheid vom 26. Juni 2006 ergebe sich unmissverständlich, dass die für die
Altersrente gemäß §§ 35 Nr. 2,
50 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1,
51 Abs.
1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB VI) erforderliche Wartezeit von fünf Jahren beim Kläger (mit deutschen Beitragszeiten) nicht erfüllt sei. Aus dem DGrSVA ergebe
sich kein weitergehender Anspruch des Klägers. Nach Art. 1 Nr. 21 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b DGrSVA
erstrecke sich der sachliche Anwendungsbereich des Abkommens auf das Kindergeld für Arbeitnehmer, wobei Art. 38 Abs. 1 DGrSVA
bestimme, dass auch nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses Kindergeld bezogen werden könne, wenn Geldleistungen der
Krankenversicherung wegen vorübergehender Arbeitsunfähigkeit oder Leistungen der Arbeitslosenversicherung bezogen würden und
sich der Betreffende gewöhnlich im Bundesgebiet aufhalte. Das Abkommen gelte daher nicht für Rentner. Art. 39 DGrSVA finde auf Kindergeld nach dem
BKGG aber keine Anwendung, weil der Erwerb des Anspruchs auf Kindergeld als Familienbeihilfe nach den deutschen Rechtsvorschriften
(
BKGG) nicht davon abhänge, dass Beitragszeiten oder gleichgestellte Zeiten zurückgelegt worden seien. Ob ein möglicher Rentenanspruch
des Klägers auch auf der Grundlage des DGrSVA begründet werden könnte, könne offen gelassen werden, weil auch bei dieser Fallgestaltung
kein rein innerstaatlicher Rentenanspruch des Klägers bestehen würde. Damit finde die Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache
C 471/99 auch auf die vorliegende Fallgestaltung Anwendung. Insoweit werde auf die Begründung des Widerspruchsbescheids Bezug genommen.
Mit der am 29. Dezember 2008 (Eingang bei Gericht) beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegten Berufung begehrt
der Kläger weiterhin Kindergeld ab 1. Januar 2005. Zur Begründung hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers insbesondere
ausgeführt, der Kläger sei im Oktober 1963 im Rahmen eines Anwerbeprogramms als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen und
habe hier zunächst für mehr als acht Monate eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt. Später habe er ein Studium
der Volkswirtschaftslehre aufgenommen. Nach erfolgreichem Abschluss des Studiums sei er zunächst wieder in Deutschland und
nach seiner Übersiedlung nach Griechenland auch dort bis zum Eintritt ins Rentenalter sozialversicherungspflichtig beschäftigt
gewesen. Die vor dem Studium geleisteten Beiträge zur deutschen Rentenversicherung habe sich der Kläger zu Studienbeginn erstatten
lassen, um sein Studium zu finanzieren. Diese Beiträge müssten, auch wenn sie bei der Berechnung der deutschen Altersrente
keine Berücksichtigung finden, bei der Gewährung des Kindergeldes berücksichtigt werden. Insoweit sollte lediglich an die
Tatsache angeknüpft werden, dass mindestens 60 Beiträge gezahlt worden seien, nicht aber daran, ob aus allen Beiträgen auch
ein konkreter Rentenanspruch resultiere. Sonst würden Beitragszahler, die sich ihre Rente vorzeitig auszahlen ließen, ungerechtfertigt
benachteiligt.
Die Ausführungen des SG zum DGrSVA seien nicht nachvollziehbar. Ein Art. 38 a sei in der ihm vorliegenden Fassung des Abkommens nicht enthalten. Art. 38 DGrSVA betreffe einen völlig anderen Sachverhalt als den vom SG zitierten. Dort gehe es um die Zahlung von Familienbeihilfen für Angehörige, die sich nicht im selben Vertragsstaat aufhielten,
wie der Anspruchsberechtigte. Soweit das SG Art. 39 DGrSVA nicht für einschlägig erachte, weil der Erwerb des Kindergeldanspruchs nach deutschem Recht nicht davon abhänge, dass
Beitragszeiten zurückgelegt worden seien, erscheine dies widersprüchlich, weil dies nach dem ersten Teil der Begründung des
Urteils, die auf die EGVO 1408/71 und die dazu ergangene Rechtsprechung des EuGH Bezug nehme, gerade doch der Fall sei. Es
sei nicht nachvollziehbar, weshalb das SG den Anspruch zunächst für unbegründet erachte, weil die erforderlichen Beitragszeiten nicht erfüllt seien, dann aber ausführe,
für die Gewährung von Kindergeld komme es auf die Zurücklegung von Beitragszeiten überhaupt nicht an. In Fällen, in denen
das ursprüngliche Abkommen noch anzuwenden sei, müsse dieses in Verbindung mit den später ergangenen Rechtsvorschriften (der
EGVO 1408/71) gesehen werden, soweit dies dem Zweck des Abkommens nicht zuwiderlaufe. Die Auffassung des SG, Art. 39 DGrSVA sei nicht einschlägig, möge bei alleiniger Bezugnahme auf das
BKGG richtig sein. Allerdings müsse das Abkommen in Verbindung mit der später ergangenen EGVO 1408/71 und der Rechtsprechung des
EuGH gesehen werden mit der Folge, dass entsprechend den Vorschriften der Verordnung die Zahlung von Kindergeld mit der Erfüllung
von Rentenansprüchen verknüpft sei und in Altfällen diese Erfüllung anhand des Abkommens schlicht durch Zusammenrechnung zu
prüfen sei.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts sowie den Bescheid vom 12. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.
April 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab 1. Januar 2005 Kindergeld für seine Tochter A. und für
die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Januar 2008 Kindergeld für seinen Sohn A. zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hatte hat zur Begründung auf die Gründe des angefochtenen Widerspruchsbescheides und den Tatbestand des angefochtenen
Urteils Bezug genommen.
Der Senat hat die Akten der Beklagten und des SG beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Entscheidung ergeht nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss, weil der Senat die Berufung
einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§
153 Abs.
4 S. 1 und 2
SGG).
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 12. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29 April 2008,
mit dem die Beklagte es abgelehnt hat, dem Kläger ab 1. Januar 2005 Kindergeld für seine Kinder A. und A. zu zahlen. Das SG hat die dagegen erhobene Klage mit Urteil vom 10. November 2008 zu Recht abgewiesen.
Zur Begründung wird auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils (§
153 Abs.
2 SGG) sowie zur Anwendung des Art. 77 EGVO 1408/71 ergänzend auf die Gründe des angefochtenen Widerspruchsbescheids (§§
153 Abs. 1,
136 Abs.
3 SGG) Bezug genommen. Die Beklagte und das SG sind zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte gegenüber dem Kläger, der seinen Wohnsitz in Griechenland hat, nicht
zur Leistung von Kindergeld verpflichtet ist, wenn der Anspruch des Klägers auf Altersrente aus der deutschen gesetzlichen
Rentenversicherung nicht allein aufgrund deutscher Versicherungszeiten, sondern nur unter Berücksichtigung der in anderen
Mitgliedstaaten (hier Griechenland) zurückgelegten Versicherungszeiten besteht. Auf die Frage, ob der Kläger über die bei
der Bewilligung der deutschen Altersrente berücksichtigten deutschen Versicherungszeiten hinaus zu einem früheren Zeitpunkt
Versicherungszeiten in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt hat, die aufgrund einer erfolgten Beitragserstattung
bei der Bewilligung der Altersrente nicht mehr zu berücksichtigen sind, kommt es danach nicht an. Für die vom Kläger vertretene
Auffassung, bei der Bewilligung von Familienleistungen an Rentner seien nicht nur die der Rente zugrunde liegenden Versicherungszeiten,
sondern ungeachtet ihrer Bedeutung für den innerstaatlichen Rentenanspruch alle in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung
zurückgelegten Beitragszeiten zu berücksichtigen, bietet weder Art. 77 Abs. 2 EGVO 1408/71 noch die dazu ergangene Rechtsprechung
des EuGH Anhaltspunkte.
Der aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung bewilligten Altersrente des Klägers liegen laut Bescheid der DRVB vom
26. Juni 2006, dessen inhaltliche Richtigkeit von den Beteiligten nicht infrage gestellt wurde, lediglich 52 Kalendermonate
deutscher Beitragszeit zugrunde. Die Wartezeit für die vom Kläger bezogene Regelaltersrente beträgt jedoch, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, 60 Kalendermonate, so dass der Anspruch auf diese Rente nur in Anwendung des Art. 45 EGVO 1408/71
unter Berücksichtigung der vom Kläger in Griechenland zurückgelegten Versicherungszeiten besteht. Auch dies ist zwischen den
Beteiligten nicht streitig. Aus den erstatteten Beiträgen für die vor seinem Studium in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung
zurückgelegten Beitragszeiten konnte der Kläger ab dem Zeitpunkt ihrer Erstattung keinerlei Rechtsansprüche mehr herleiten,
weil gemäß § 1303 Abs. 7
Reichsversicherungsordnung (
RVO) die Beitragserstattung weitere Ansprüche des Versicherten aus den bisher zurückgelegten Versicherungszeiten ausdrücklich
ausgeschlossen hat. Haben die erstatteten Beiträge damit in der gesetzlichen Rentenversicherung jede anspruchsbegründende
Wirkung verloren, kommt auch eine Berücksichtigung bei der Bewilligung von Leistungen, die die innerstaatliche Erfüllung der
Anspruchsvoraussetzungen für die Altersrente voraussetzen, nicht in Betracht.
Wie des SG weiter zutreffend ausgeführt hat, ergibt sich auch aus dem DGrSVA, das im vorliegenden Fall in der Fassung des Zweiten Änderungsabkommens
vom 21. März 1967 (Bundesgesetzblatt II 1968 Seite 514) Anwendung findet, kein Anspruch des Klägers auf das begehrte Kindergeld. Abschnitt IV des Abkommens (Art. 38, 38 a und 39)
regelt den Leistungsanspruch auf Familienbeihilfen wie das Kindergeld nur für Personen, die Beschäftigte sind oder die sich
nach Beendigung ihres Beschäftigungsverhältnisses als Bezieher von Geldleistungen der Krankenversicherung oder der Arbeitslosenversicherung
im Bundesgebiet aufhalten. Auf Bezieher einer Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung finden diese Vorschriften
keine Anwendung. Unabhängig davon betrifft Art. 39 DGrSVA nur solche Familienleistungen, zu deren Anspruchsvoraussetzungen
das Zurücklegen einer bestimmten Anzahl von Beitragszeiten zählt. Der Anspruch auf Kindergeld nach dem
BKGG setzt jedoch nicht voraus, dass Beitragszeiten zurückgelegt wurden, so dass die in Art. 39 DGrSVA vorgesehene Zusammenrechnung
von in beiden Mitgliedstaaten zurückgelegten Beitragszeiten von vornherein nicht in Betracht kommt.
Eine Anwendung des Art. 39 DGrSVA auf Vorschriften der EGVO 1408/71 kommt ebenfalls nicht in Betracht. Die Vorschriften des
mit Beitritt Griechenlands zur Europäischen Union gemäß Art. 6 EGVO 1408/71 außer Kraft getretenen DGrSVA finden nach der
Rechtsprechung des EuGH anstelle der Verordnung Anwendung, wenn dieses Abkommen zum Zeitpunkt des Beitritts eine soziale Vergünstigung
gewährte, die durch die Anwendung der EGVO 1408/71 - hier Kapitel 8 - verloren gehen würde (vgl. EuGH Urteil vom 7. Februar
1991, Rs. C-227/89). Damit soll verhindert werden, dass durch den Beitritt eines Mitgliedstaats zur Europäischen Union bereits aufgrund eines
bilateralen Abkommens bestehende Ansprüche verloren gehen. Da Abschnitt IV des DGrSVA jedoch auf Bezieher einer Rente keine
Anwendung gefunden hat, kann ein abkommensrechtlicher Anspruch (oder eine Anwartschaft) des Klägers, im Falle eines Rentenbezuges
Kindergeld zu erhalten, im Zeitpunkt des Beitritts nicht bestanden haben.
Eine kumulative Anwendung von Verordnung und Abkommen zur Begründung neuer Ansprüche, die weder vor dem Beitritt Griechenlands
durch das DGrSVA (zumindest im Sinne einer Anwartschaft) gewährt wurden noch nach dem Beitritt durch die EGVO 1408/71 gewährt
werden, sieht weder das EG-Recht noch die Rechtsprechung des EuGH vor (vergleiche EuGH Urteil vom 5. Februar 2002 Rs. C-277/99). Deshalb kann der Ansicht des Klägers, über den - schon tatbestandlich auf ihn als Rentenbezieher nicht anwendbaren - Art.
39 DGrSVA müsse er bei der Anwendung des Art. 77 Abs. 2 EGVO 1408/71 so gestellt werden, als habe er die Voraussetzungen für
die deutsche Altersrente allein mit deutschen Beitragssatz erfüllt, nicht gefolgt werden. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen,
dass ein Sozialversicherungsabkommen als bilateraler völkerrechtlicher Vertrag nach dem Willen der vertragsschließenden Parteien
auszulegen ist. Anhaltspunkte dafür, dass die Bundesrepublik Deutschland und das Königreich Griechenland bei Abschluss des
Abkommens und der späteren Änderungsabkommen oder in der Folgezeit die Anwendung der von ihnen im DGrSVA getroffenen Regelungen
auf Vorschriften des Europäischen Rechts (hier der erst 1971 in Kraft getretenen EGVO 1408/71) auch nur in Erwägung gezogen
oder gar gewollt haben, liegen jedoch nicht vor.
Das Urteil des SG weist diesbezüglich auch keine Widersprüche auf. Das SG ist vielmehr zutreffend davon ausgegangen, dass bei Anwendung des Art. 77 Abs. 2 EGVO 1408/71 die nach innerstaatlichem Recht für den Anspruch auf Altersrente erforderlichen Versicherungszeiten (neben
den innerstaatlichen Anspruchsvoraussetzungen für die Familienbeihilfe), bei Anwendung des Art. 39 DGrSVA dagegen nur die
gegebenenfalls nach innerstaatlichem Recht erforderlichen Beitragszeiten für die Familienbeihilfe selbst zu prüfen sind, wobei
für den Erwerb des Anspruchs auf Kindergeld nach dem
BKGG solche Beitragszeiten nicht erforderlich sind.
Die Kostenentscheidung (§
193 SGG) beruht auf der Erwägung, dass der Kläger mit seinem Klagebegehren auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (§
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG) liegen nicht vor.