Entschädigung nach dem JVEG wegen der Teilnahme an einem Gerichtstermin im sozialgerichtlichen Verfahren; Ermittlung der zu entschädigenden Zeitdauer
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt eine Entschädigung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) wegen der Teilnahme an einem Gerichtstermin.
In dem am Bayerischen Landessozialgericht (LSG) unter dem Aktenzeichen L 6 R 858/12 geführten Rechtsstreit des Antragstellers fand am 13.03.2014 eine mündliche Verhandlung statt, an der der Antragsteller nach
Anordnung des persönlichen Erscheinens teilnahm. Die auf 12.15 Uhr geladene mündliche Verhandlung dauerte von 12.05 Uhr bis
13.30 Uhr.
Mit Entschädigungsantrag vom 17.03.2014, bei Gericht eingegangen am 19.03.2014, beantragte der Antragsteller die Entschädigung
für das Erscheinen bei der mündlichen Verhandlung. Er gab an, um 8.00 Uhr von zu Hause weggefahren, um 11.50 Uhr vor dem Sitzungssaal
eingetroffen und um 17.30 Uhr wieder daheim gewesen zu sein. Die Fahrtstrecke mit dem PKW habe insgesamt 298 km betragen;
als Parkgebühr seien 8,- EUR angefallen. Weiter beantragte er eine Entschädigung wegen Zeitversäumnis, weil er wegen des Gerichtstermins
einer Tätigkeit in Haus und Garten nicht nachgehen habe können, und für Zehrkosten.
Als Entschädigung wurden dem Antragsteller 103,50 EUR bewilligt. Erläutert wurde die Abrechnung dem Antragsteller auf dessen
telefonische Nachfrage hin mit Schreiben des Kostenbeamten vom 09.04.2014. Daraus ist ersichtlich, dass bei der Fahrtstrecke
den Angaben des Antragstellers gefolgt worden ist. Bei der Entschädigung für Zeitversäumnis wurde hingegen nur eine Abwesenheitszeit
von 9.30 Uhr bis 15.30 Uhr berücksichtigt, da sich - so der Kostenbeamte - aus Routenplanern eine Fahrtdauer von 1,5 Stunden
ergebe und daher bei Berücksichtigung von Vor- und Nachbereitungszeiten nur von einer notwendigen Abwesenheitszeit von 6 Stunden
(Abreise zu Hause um 9.30 Uhr, Rückkehr um 15.30 Uhr) auszugehen sei. Zehrkosten könnten bei einer notwendigen Abwesenheitsdauer
von 6 Stunden nicht erstattet werden.
Dagegen hat sich der Antragsteller mit Schreiben vom 13.04.2014 gewandt und begründet, warum er die bei der Abrechnung erfolgte
Kürzung der von ihm angegebenen Abwesenheitsdauer von zu Hause für lebensfremd halte. Um nicht das rechtzeitige Ankommen bei
Gericht zu gefährden, habe er bei der Anreise einen entsprechenden Zeitpuffer eingebaut; seine Überlegungen hat er ausführlich
dargelegt. Dass er nach der Verhandlung eine Mittagspause in einem Restaurant mache, sei nicht lebensfremd. Da er mit der
Kürzung nicht einverstanden sei, beantrage er die gerichtliche Festsetzung.
II.
Die Festsetzung der Entschädigung erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn wie hier der Berechtigte mit Schreiben vom 13.04.2014 die gerichtliche Festsetzung beantragt.
Die Entschädigung für die Wahrnehmung des Gerichtstermins am 13.03.2014 ist auf 124,25 EUR festzusetzen. Ein weitergehender
Anspruch besteht nicht.
Beteiligte eines gerichtlichen Verfahrens sind gemäß §
191 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) wie Zeugen zu entschädigen, sofern es sich wie hier um ein gerichtskostenfreies Verfahren im Sinn des §
183 SGG handelt. Die Entschädigung ergibt sich aus dem JVEG. Die Entschädigungstatbestände (für einen Zeugen) sind in § 19 JVEG aufgelistet.
1. Prüfungsumfang im Verfahren der gerichtlichen Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG
Die gerichtliche Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG stellt keine Überprüfung der vom Kostenbeamten vorgenommenen Berechnung dar, sondern ist eine davon unabhängige erstmalige
Festsetzung. Bei der Kostenfestsetzung durch den Kostenbeamten handelt es sich um eine lediglich vorläufige Regelung, die
durch den Antrag auf gerichtliche Kostenfestsetzung hinfällig wird (vgl. Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.11.1968, Az.:
RiZ (R) 4/68). Damit wird eine vorherige Berechnung der Beträge im Verwaltungsweg sowohl bei den Einzelpositionen als auch im Gesamtergebnis
gegenstandslos (ständige Rechtsprechung, vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Aufl. 2014, § 4, Rdnr. 12 - m.w.N.). Das Gericht hat daher eine vollumfassende Prüfung des Entschädigungsanspruchs vorzunehmen, ohne auf
Einwände gegen die im Verwaltungsweg erfolgte Kostenfestsetzung beschränkt zu sein. Die vom Gericht festgesetzte Entschädigung
kann daher auch niedriger ausfallen, als sie zuvor vom Kostenbeamten festgesetzt worden ist; das Verbot der reformatio in
peius gilt nicht (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Beschluss vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12; vgl. auch Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a.a.O., § 4, Rdnr. 12 - m.w.N.).
2. Anzuwendende Fassung des JVEG
Zur Anwendung kommen im vorliegenden Fall nach Erlass des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz
- 2. KostRMoG) vom 23.07.2013 (BGBl I S. 2586, 2681 ff.) gemäß der Übergangsvorschrift des § 24 JVEG die Regelungen des JVEG in der ab dem 01.08.2013 geltenden Fassung. Denn der Antragsteller als Berechtigter ist nach dem gemäß Art. 55 2. KostRMoG
am 01.08.2013 erfolgten Inkrafttreten des 2. KostRMoG herangezogen worden.
3. Fahrtkosten
Für Fahrtkosten gemäß § 5 JVEG ist eine antragsgemäße Entschädigung in Höhe von 74,50 EUR für die gefahrene Strecke und in Höhe von 8,- EUR für Parkgebühren
zu leisten.
Der Gesetzgeber hat mit § 5 JVEG dem Zeugen bzw. Beteiligten ein Wahlrecht eröffnet, ob er mit öffentlichen Verkehrsmitteln (§ 5 Abs. 1 JVEG) oder mit dem Kraftfahrzeug (§ 5 Abs. 2 JVEG) zum gerichtlich festgesetzten Termin anreist. Der Fahrtkostenersatz folgt der getroffenen Wahl des Beförderungsmittels.
Wählt der Beteiligte wie hier die Anreise mit dem Kraftfahrzeug, werden ihm gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG für jeden gefahrenen Kilometer 0,25 EUR ersetzt.
Zu entschädigen sind die objektiv erforderlichen Fahrtkosten. Was objektiv erforderlich ist, ist unter Berücksichtigung der
im gesamten Kostenrecht geltenden Kostenminimierungspflicht zu ermitteln. Dabei geht der Senat in ständiger Rechtsprechung
und in großzügigerer Auslegung, als sie teilweise von anderen Gerichten zugrunde gelegt wird, davon aus, dass nicht nur die
Kosten für die kürzeste Strecke (vgl. Thüringer LSG, Beschluss vom 27.09.2005, Az.: L 6 SF 408/05), sondern grundsätzlich auch die Kosten für die schnellste, obgleich längere Strecke zu ersetzen sind, wobei weitere Ausnahmen
dann zu akzeptieren sind, wenn die höheren Kosten durch besondere Umstände gerechtfertigt sind (z.B. Unzumutbarkeit der kürzesten
bzw. schnellsten Strecke oder Umwege durch Straßensperrungen) (vgl. Beschluss des Senats vom 02.07.2012, Az.: L 15 SF 12/12).
Die Ermittlungen zur Streckenlänge können unter Zuhilfenahme der im Internet jedermann zugänglichen Routenplaner vorgenommen
werden (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluss des Senats vom 14.05.2014, Az.: L 15 SF 122/13).
Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller eine Fahrtstrecke von 298 km angegeben. Diese Streckenangabe liegt etwas über der
Entfernung, wie sie sich bei Zuhilfenahme von im Internet jedermann zugänglichen Routenplanern (z.B. von Falk: schnellste
Strecke einfach 143,5 km, 1 Stunde 25 Minuten) für die Fahrt vom Wohnort des Antragstellers zum Gerichtsort und zurück ergibt.
Mit Blick auf Parkplatzsuche und Ortsunkenntnis des Antragstellers werden aber die geringfügig größeren Kilometerangaben des
Antragstellers für die Entschädigung übernommen.
Bei 298 km Fahrtstrecke und einer Entschädigung gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG in Höhe von 0,25 EUR für jeden gefahrenen Kilometer errechnet sich ein Fahrtkostenersatz in Höhe von 74,50 EUR.
Neben der Entschädigung wegen der gefahrenen Kilometer ist gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 JVEG auch das vom Antragsteller angegebene Parkentgelt in Höhe von 8,- EUR zu erstatten. Zwar sind die Parkkosten nicht wie üblich
durch die Vorlage des Parkbelegs nachgewiesen - die Übersendung von Belegen wird auch im Antragsformular ausdrücklich erbeten.
Da aber im Bereich des Gerichts keine gebührenfreien Parkplätze zur Verfügung stehen, kann im Rahmen des Ermessens von der
Vorlage eines Nachweises abgesehen werden. Ein Betrag von 8,- EUR ist angesichts der Anwesenheitsdauer bei Gericht realistisch.
4. Entschädigung für Zeitversäumnis
Eine Entschädigung für Zeitversäumnis im Sinn des § 20 JVEG ist in Höhe von 29,75 EUR zu erbringen.
Eine Entschädigung für Zeitversäumnis wird - auch bei Beteiligten des sozialgerichtlichen Verfahrens (vgl. Beschluss des Senats
vom 26.11.2013, Az.: L 15 SF 208/13) - regelmäßig dann zu erbringen sein, wenn weder ein Verdienstausfall noch Nachteile bei der Haushaltsführung geltend gemacht
werden können. Denn bei dieser Entschädigung für sonstige Nachteile ist es nicht erforderlich, dass dem Berechtigten geldwerte
Vorteile entgehen (vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a.a.O., § 20, Rdnr. 4). Zudem besteht mit § 20 letzter Halbsatz JVEG eine widerlegbare gesetzliche Vermutung dahingehend, dass ein Nachteil erstanden ist.
Mit der Frage, wann die gesetzliche Vermutung als widerlegt zu betrachten ist, hat sich der Senat eingehend in seinem grundlegenden
Beschluss vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11, auseinander gesetzt. Danach ist lediglich dann, wenn dem Antragsteller "ersichtlich" kein Nachteil entstanden ist, eine
Entschädigung für Zeitversäumnis nicht zu leisten. Davon, dass ersichtlich kein Nachteil entstanden ist, ist dann auszugehen,
wenn sich aus den eigenen Angaben des Antragstellers ergibt, dass er die Zeit nicht anderweitig sinnvoll verwendet hätte,
oder wenn es offensichtlich ist, dass ein Nachteil nicht eingetreten ist. Von ersterem ist dann auszugehen, wenn ein Antragsteller
im Antrag nichts angibt, was auf eine Zeitversäumnis hindeutet und nicht einmal durch Ankreuzen der entsprechenden Stelle
im Antragsformular zu erkennen gibt, dass ihm eine Zeitversäumnis entstanden ist (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl.
z.B. Beschluss vom 06.11.2013, Az.: L 15 SF 191/11 B E). Ob der Nichteintritt eines Nachteils aus anderen Gründen ersichtlich, d.h. offensichtlich erkennbar ist, ist anhand
der Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Die Anforderungen an die Prüfpflicht der Kostenbeamten sind dabei angesichts der gesetzlichen
Vermutung nur sehr gering (vgl. Beschluss des Senats vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11). Denn mit der Entschädigung für Zeitversäumnis gemäß § 20 JVEG wird auch der Verlust von Freizeit entschädigt, wobei die Verwendung von Freizeit sehr vielgestaltig ist und im Belieben
des Einzelnen steht. Eine Beurteilung der Wertigkeit der Freizeitgestaltung steht dem Kostenbeamten genauso wie dem Kostenrichter
nicht zu.
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ist eine Entschädigung für Zeitversäumnis zu leisten. Der Antragsteller hat eine Entschädigung
für Zeitversäumnis beantragt und angegeben, dass er ansonsten in Haus und Garten gearbeitet hätte.
Zu entschädigen ist die Zeit von 8.00 Uhr - insofern folgt der Senat dem Antragsteller - bis 16.30 Uhr - hier weicht der Senat
von der Angabe des Antragstellers ab. Denn dies ist die Dauer der Heranziehung, die gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 JVEG zu entschädigen ist, wenn die Entschädigung - wie bei der Entschädigung für Zeitversäumnis gemäß § 20 JVEG - nach Stunden bemessen ist.
Mit der Frage der gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 JVEG maßgeblichen Zeit hat sich der Senat in seinem Grundsatzbeschluss vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11, eingehend befasst und Folgendes ausgeführt:
"Die Dauer der zu entschädigenden Zeit ergibt sich aus § 19 Abs. 2 JVEG. Danach ist gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 JVEG die "gesamte Dauer der Heranziehung einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten" zu berücksichtigen. Eine Sonderregelung
zur Ermittlung der zu entschädigenden Zeit bei Verdienstausfall gegenüber der allgemeinen, für alle nach Stunden zu bemessenden
Entschädigungstatbeständen geltenden Regelung in § 19 Abs. 2 JVEG, die als lex specialis einer Anwendung des § 19 Abs. 2 Satz 1 JVEG entgegen stehen würde, gibt es, insbesondere in § 22 JVEG, nicht.
Die Notwendigkeit der Dauer der Heranziehung ist - wie auch sonst bei der Bemessung der Entschädigung - nach objektiven Kriterien
zu ermitteln (vgl. zur Fahrtstrecke: Beschluss des Senats vom 02.07.2012, Az.: L 15 SF 12/12; zu Verpflegungskosten: Beschluss des Senats vom 01.08.2012, Az.: L 15 SF 277/10; zur Begleitperson: Beschluss des Senats vom 02.11.2012, Az.: L 15 SF 82/12). Dabei ist auch die im gesamten Kostenrecht geltende Kostenminimierungspflicht zu beachten (vgl. Beschluss des Senats vom
02.07.2012, Az.: L 15 SF 12/12). Dies darf aber nicht dazu führen, dass nur die retroperspektiv ermittelte unverzichtbare Abwesenheitszeit entschädigt wird.
Vielmehr ist auch zu berücksichtigen, ob die tatsächlich vorliegende Abwesenheitszeit nicht aus nachvollziehbaren Gründen
länger war als die unverzichtbare Zeit. So hat beispielsweise der Beteiligte bei der Anfahrt zum Gericht gewisse Unsicherheitsfaktoren
(z.B. Staugefahr) zu berücksichtigen. Ein vernünftig denkender Beteiligter wird zudem ein gewisses Zeitpolster einkalkulieren,
sodass er eine rechtzeitige Ankunft, die insbesondere auch im Interesse des ladenden Gerichts liegt, nicht gefährdet. Gegebenenfalls
benötigt er vor dem Termin auch noch etwas Zeit, um den Fall mit seinem Bevollmächtigten zu besprechen. Bei entsprechend langer
Abwesenheit von zu Hause oder der Arbeitsstelle kann es auch erforderlich sein, dass der Beteiligte eine Pause macht, um sich
für die weitere Fahrt zu stärken. Da hier bei Berücksichtigung der in jedem Fall spezifischen Einzelfallumstände zahlreiche
Konstellationen denkbar sind, die eine etwas längere Zeit begründen, dürfen im Sinne der Praktikabilität an die Prüfpflicht
(vgl. auch oben Ziff. 3.1.1. und 3.1.2.) der Kostenbeamten und Kostenrichter keine zu hohen Anforderungen gestellt werden.
Sofern die vom Beteiligten oder Zeugen angegebene Zeit nicht lebensfremd erscheint, wird sie daher regelmäßig der Entschädigung
zugrunde zu legen sein."
Ausgehend von diesen Vorgaben kann eine Abreise des Antragstellers um 8.00 Uhr bei Ausschöpfung des Ermessens als noch objektiv
erforderlich betrachtet werden. Bei Berücksichtigung aller Zeitfaktoren (nach dem Routenplaner erforderliche Fahrtzeit von
rund 11/2 Stunden, die bei guten Verkehrsverhältnissen und unter Einhaltung der Verkehrsregeln erreichbar ist; erhöhte Staugefahr
im Münchner Norden; erforderliche Parkplatzsuche bei Parkplatznot; Fußweg zum Gericht; aus Sicherheitsgründen möglicherweise
nicht ganz zeitunaufwändige Einlasskontrolle im Gericht; Orientierungsphase im Gericht; Toilettenbesuch; mentale Vorbereitungsphase
auf die mündliche Verhandlung bzw. nochmalige Vorbesprechung mit dem rechtskundigen Vertreter oder dem Beistand; gegebenenfalls
erforderliche kleine Essenspause zur Stärkung vor der Verhandlung) und der Einbeziehung eines gewissen Zeitpolsters erscheint
dem Senat eine Abreise von zu Hause bereits um 8.00 Uhr und damit 41/4 Stunden vor dem angesetzten Termin zwar als sehr frühzeitig,
aber gerade noch vertretbar.
Die objektiv erforderliche Zeit endet spätestens um 16.30 Uhr. Sofern der Antragsteller angibt, erst um 17.30 Uhr wieder daheim
gewesen zu sein, ist nicht nachgewiesen, dass dies infolge des Gerichtstermins erforderlich gewesen wäre. Eine so späte Rückkehr
allein wegen des Gerichtstermins erscheint vielmehr lebensfremd. Dabei stützt sich der Senat auf folgende Überlegungen:
Um 13.30 Uhr ist der Antragsteller aus der mündlichen Verhandlung entlassen worden. Dass er mit Blick auf eine Abreise um
8.00 Uhr von zu Hause und eine fast 11/2 -stündige mündliche Verhandlung, die er nur mit einem Beistand, nicht aber mit anwaltlicher
Vertretung bestritten hat und die daher durchaus anstrengend für ihn gewesen sein mag, sich die Zeit für eine Mittagspause
mit Restaurantbesuch genommen hat, ist durchaus vertretbar und mit dem Gerichtstermin zu begründen, auch wenn sich der Antragsteller
bereits vor dem Termin eine "kleine Stärkung/Erfrischung" genehmigt hat; aber die individuellen Essensbedürfnisse können sehr
unterschiedlich sein. Mehr als eine Stunde können aber nicht als erforderlich für die Essenseinnahme in einem Restaurant zur
Ermöglichung der Rückreise angesetzt werden. Berücksichtigt werden muss weiter der Rückweg vom Gericht zum Auto. Ausgehend
von diesen Überlegungen hätte der Antragsteller wieder zwischen 16.00 Uhr und spätestens 16.30 Uhr zu Hause zurück sein müssen.
Dass es auf der Heimfahrt irgendwelche unerwarteten Verzögerungen gegeben hätte, hat der Antragsteller, der ansonsten alles
sehr detailreich begründet hat, nicht angegeben.
Eine weitgehend mit der Anreisedauer identische Zeit, wie sie der Antragsteller für den Heimweg angegeben hat, ist für den
Senat nicht nachvollziehbar und lebensfremd. So ist die Mehrzahl der bei der Anreise berücksichtigten und vom Antragsteller
auch vorgetragenen Zeitfaktoren (vgl. oben) bei der Rückreise nicht mehr relevant; auch das Erfordernis eines Zeitpuffers
entfällt bei der Rückfahrt. Insofern sind die Zeitangaben des Antragstellers in sich widersprüchlich, da er lediglich für
die Hinfahrt diverse Aspekte aufgelistet hat, um den von ihm angegebenen sehr großen Zeitaufwand zu begründen, derartige Gesichtspunkte
aber nicht auch für die Rückfahrt aufzeigen hat können, obwohl der dafür behauptete Zeitaufwand im Wesentlichen der Gleiche
ist (31/2 Stunden für bis zum Gericht, 4 Stunden bis nach Hause). Auch mit einem Restaurantbesuch lässt sich der angegebene
Zeitaufwand für die Rückfahrt nicht begründen.
Davon, in der Unschlüssigkeit der Angaben zur Rückkreise einen Anlass zu sehen, auch die Angaben zur Anreise weitergehend
zu hinterfragen, was durchaus nicht völlig fernliegend gewesen wäre, hat der Senat mit Blick auf den die gesamte Rechtsprechung
des Senats zum JVEG durchziehenden Leitgedanken, wonach aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität und Handhabbarkeit die Anforderungen an die
Prüfpflicht der Kostenbeamten und Kostenrichter nicht überspannt werden dürfen (vgl. z.B. Grundsatzbeschlüsse vom 14.05.2012,
Az.: L 15 SF 276/10 B E, vom 18.05.2012, Az.: L 15 SF 104/11, vom 22.06.2012, Az.: L 15 SF 136/11, vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11, vom 08.04.2013, Az.: L 15 SF 305/10, vom 08.10.2013, Az.: L 15 SF 157/12 B ,vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11, vom 17.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13, und vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12), im Rahmen seines Ermessens abgesehen.
Es ist daher der Entschädigung eine objektiv erforderliche Abwesenheitszeit des Antragstellers von 8.00 Uhr bis 16.30 Uhr
zugrunde zu legen.
Ein Abzug für eine fiktive Mittagspause und die Zeiten, die außerhalb eines Zeitrahmens von 9.00 Uhr bis 16.00 Uhr liegen,
ist, anders als dies noch die ältere Rechtsprechung getan hat, nicht vorzunehmen (vgl. Grundsatzbeschluss des Senats vom 30.07.2012,
Az.: L 15 SF 439/11).
Es hat daher eine Entschädigung für Zeitversäumnis für - nach der Neufassung der Rundungsvorschrift in § 19 Abs. 2 Satz 2 JVEG im 2. KostRMoG - 81/2 Stunden zu je 3,50 EUR und damit von insgesamt 29,75 EUR zu erfolgen.
5. Zehrkosten
Es ist eine Entschädigung für Aufwand (Tagegeld) gemäß § 6 Abs. 1 JVEG in Höhe von 12,- EUR zu gewähren.
Mit dem Tagegeld sind die weiteren Kosten abgedeckt, die infolge einer längeren Abwesenheitszeit vom Wohnort oder der Arbeitsstelle
entstehen. Davon umfasst sind insbesondere die Kosten für Verpflegung. Zehr- oder Verpflegungskosten sind als allgemeiner
Aufwand im Sinne von § 6 Abs. 1 JVEG erstattungsfähig, wenn sie infolge des gerichtlich angesetzten Termins objektiv notwendig sind. Aus dem Verweis in § 6 Abs. 1 letzter Halbsatz JVEG auf das Tagegeld im Sinne von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr.
5 Satz 2 i.V.m. §
9 Abs.
4a Satz 3 Einkommenssteuergesetz (
EStG) wird deutlich, wann und in welcher Höhe Verpflegungskosten in Form einer Zehrkostenpauschale als notwendiger allgemeiner
Aufwand zu erstatten sind. Bei einer Abwesenheit von mindestens acht bis unter 24 Stunden am Kalendertag ist seit dem 01.01.2014
infolge der Neufassung des §
9 Abs.
4a Satz 3 Nr.
3 EStG ein Pauschalbetrag von 12,- EUR anzusetzen. Eine durch den Gerichtstermin erforderlich gewordene Abwesenheit von dieser Mindestdauer
ist mit 81/2 Stunden im vorliegenden Fall gegeben.
Auf die tatsächlichen Restaurantkosten des Antragstellers, die dieser nicht beziffert hat, kommt es aufgrund der vom Gesetzgeber
gewählten Regelung einer Pauschalierung nicht an.
Die Entschädigung des Antragstellers für die Teilnahme am Gerichtstermin ist daher auf insgesamt 124,25 EUR festzusetzen.
Das Bayer. LSG hat über den Antrag auf gerichtliche Kostenfestsetzung gemäß § 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG als Einzelrichter zu entscheiden gehabt.
Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG). Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 4 Abs. 8 JVEG).