Verlust der Mitgliedschaft eines Beziehers einer deutschen und tschechischen Rente in der Krankenversicherung der Rentner
bei Wohnsitzverlegung nach Tschechien
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte für die Klägerin eine Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner
(KVdR) über den 11.04.2006 hinaus durchzuführen hat.
Für die 1941 geborene Klägerin wurde durch den Nachweis von Versicherungszeiten ihres am 16.10.2004 verstorbenen Ehemann,
W. J., ab 01.08.2005 bis 11.04.2006 eine Mitgliedschaft in der KVdR durchgeführt. Am 11.04.2006 meldete sich die Klägerin
bei der Stadt N. nach P. in die Tschechische Republik ab, nachdem ihre Wohnung in N. zwangsgeräumt worden war. Die Klägerin
bezieht eine Rente von der Deutschen Rentenversicherung Bund (große Witwenrente) als auch seit dem 18.10.2004 eine Rente vom
tschechischen Rentenversicherungsträger nach ihrem verstorbenen Ehemann.
Mit streitigem Bescheid vom 22.09.2006 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass nach ihrem Umzug nach P. am 11.04.2005 der
tschechische Krankenversicherungsträger für die Durchführung der Krankenversicherung zuständig sei, da sie auch eine tschechische
Rente erhalten würde. Rechtsgrundlage sei Art. 27 der EWG-VO Nr. 1408/71.
Zur Begründung des dagegen am 17.10.2006 erhobenen Widerspruch führte die Klägerin insbesondere aus, sie habe wegen ihrer
chronischen Erkrankung ihren Hausarzt und die anderen Spezialisten in der Bundesrepublik Deutschland, die sie seit 1991 nach
einem bestimmten Schema behandeln würden. Darüber hinaus sei sie gezwungen worden, ihren Aufenthalt von Deutschland nach Tschechien
zu verlegen, weshalb in ihrem Fall eine Ausnahme gemacht werden müsse. Für "normale" Sachverhalte sei das Gesetz zutreffend.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.04.2007 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Erneut verwies sie auf Art.
27 der EWG-VO Nr. 1408/71. Nachdem die Klägerin am 11.04.2006 ihren Wohnsitz nach P. verlegt habe und der tschechische Versicherungsträger
eine Rentenleistung erbringe, könne die Krankenversicherung nur vom Versicherungsträger des Wohnortes, das heißt vom tschechischen
Versicherungsträger, durchgeführt werden. Eine Behandlung in Deutschland sei weiterhin möglich, wenn ihr der tschechische
Versicherungsträger eine Genehmigung hierfür erteile. In diesem Fall würde die Klägerin den Anspruchsnachweisvordruck E 112
erhalten, den sie vor Behandlungsbeginn bei einer deutschen gesetzlichen Krankenkasse am Aufenthaltsort gegen einen Abrechnungsschein
eintauschen und dann dem Arzt oder jedem anderen Leistungserbringer vorlegen könnte. Es werde empfohlen, sich deshalb mit
dem zuständigen Versicherungsträger in Tschechien in Verbindung zu setzen.
Zur Begründung der gegen den Widerspruchsbescheid vom 26.04.2007 zum Sozialgericht N. (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin erneut darauf hingewiesen, dass sie nicht freiwillig, sondern wegen Zwangräumung nach P.
gegangen sei. Sie sei Krebspatientin und zu 90 % schwerbehindert und habe sämtliche Ärzte in der Bundesrepublik Deutschland.
Ein Behandlerwechsel sei ausgeschlossen.
Mit Urteil vom 24.10.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Durch die Verlegung ihres Wohnsitzes sei die Klägerin nicht mehr in der Bundesrepublik Deutschland
versicherungspflichtig, weil sie nicht mehr vom räumlichen Geltungsbereich des Sozialgesetzbuches (SGB) erfasst sei. Es würden
gemäß § 3 Nr. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch
(
SGB IV) die Vorschriften über Versicherungspflicht nicht gelten, da sie ihren Wohnsitz in der Tschechischen Republik und damit außerhalb
des Geltungsbereichs des SGB habe. Neben dem Beschäftigungsprinzip habe der Gesetzgeber auch das Wohnortprinzip verankert.
Der Geltungsbereich des SGB erstrecke sich dabei auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Der Beweggrund, warum der
Wohnsitz dauerhaft im Ausland genommen worden sei, sei unerheblich. Somit komme es nicht auf die von der Klägerin geschilderten
Umstände des Auszugs aus der Obdachlosenunterkunft in N. an. Auch überstaatliches Recht führe zu keinem anderen Ergebnis.
Wesentlich sei, dass die Klägerin in der Tschechischen Republik Krankenversicherungsschutz genieße. Die Bedenken, welche die
Klägerin in der mündlichen Verhandlung über Art und Umfang der in Tschechien zur Verfügung gestellten Sachleistungen, insbesondere
auf dem Gebiet der Homöopathie, geäußert habe, würden zu keinem anderen Ergebnis führen. Es begegne keinen Bedenken, dass
in der EWG-VO 1408/71 die Gewährung der notwendigen Sachleistungen unterstellt werde.
Gegen das Urteil vom 24.10.2007 richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Nach wie
vor vertritt sie die Auffassung, dass bei ihr ein Ausnahmefall von den gesetzlichen Regelungen vorliegt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 24.10.2007 und den zugrunde liegenden Bescheid der Beklagten vom 22.09.2006 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.04.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei ihr eine Pflichtversicherung
in der Krankenversicherung der Rentner über den 11.04.2006 hinaus durchzuführen.
Die Vertreterin der Beklagten und der Beigeladenen beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der beigezogenen Akten sowie der gewechselten
Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §
151 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung, die nicht der Zulassung gemäß §
140 SGG bedarf, ist zulässig, erweist sich aber als unbegründet. Das Urteil des SG N. vom 24.10.2007 ist zutreffend und gibt die Rechtslage korrekt wieder, der Senat nimmt darauf Bezug (§
153 Abs.
2 SGG).
Nochmals wird aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich die Klägerin nicht auf einen "Ausnahmefall" bzw. das Vorliegen
einer besonderen "Härte" berufen kann. Denn diese Möglichkeit sehen weder die nationalen Bestimmungen noch das überstaatliche
europäische Recht vor. Insbesondere liegt die Entscheidung auch nicht im Ermessen der Beklagten. Sowohl §
11 Abs.1 Nr. 5
SGB V als nationales Recht, als auch Art. 27 der EWG-VO 1408/71 als überstaatliches Recht, welches nach §
6 SGB V zur Anwendung kommt, sehen "Ausnahmeregelungen" vor. Von daher haben sowohl das SG im angefochtenen Urteil als auch die Beklagte in den zugrunde liegenden Bescheiden die Tatsache, dass die Klägerin nicht
freiwillig die Bundesrepublik Deutschland verlassen hat, unbeachtet gelassen.
Im Übrigen vermag aber auch der Senat das Vorliegen einer besonderen Härte nicht zu erkennen. So hat die Klägerin die Möglichkeit,
gegebenenfalls nach Deutschland zurückzukehren. Zum anderen ist sie krankenversicherungsrechtlich versorgt. Auch besteht die
Möglichkeit einer (weiteren) Behandlung in Deutschland, wenn sich die Klägerin an den tschechischen Versicherungsträger wegen
einer Genehmigung wendet. In diesem Fall gelten die Art. 31 der EWG-VO 1408/71 und Art. 31 EWG-VO 574/72 und könnte die Klägerin
den Anspruchsnachweisvordruck E 112 erhalten. Diese ist vor Behandlungsbeginn bei einer deutschen gesetzlichen Krankenkasse
am Aufenthaltsort gegen einen Abrechnungsschein einzutauschen und dann dem Arzt oder jedem anderen Leistungserbringer vorzulegen.
Daher sei der Klägerin nochmals empfohlen, sich deshalb mit ihrem zuständigen Versicherungsträger in Tschechien in Verbindung
zu setzen.
Somit ist die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG N. vom 24.10.2007 zurückweisen.
Angesichts des Verfahrensausgangs besteht kein Anlass, der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten (§
193 SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß §
160 SGG bestehen nicht.